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Unscheinbare Bollwerke

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Das ist der Zweck, weswegen jetzt überall in Europa neue Barrieren entstehen, an Verkehrswegen, vor wichtigen Plätzen, vor potenziell gefährdeten Gebäuden. Das gibt immer wieder auch Anlass zu Reibereien. Wie etwa das Bundeskanzleramt auf dem Ballhausplatz in Wien vor einem heranrasenden Fahrzeug geschützt werden könnte, darüber wurde jahrelang beraten. Und das, was am Ende dort entstand, hat mit dem, was ursprünglich beabsichtigt war, äußerst wenig zu tun. Metallsäulen, Granitblöcke, das wurde zunächst erwogen und für zu teuer befunden, dann machte man sich an den Bau einer 80 Zentimeter hohen Mauer aus Stahlbeton. Das wiederum nahm die „Kronen Zeitung“ zum Anlass für eine Kampagne gegen den, wie es hieß, teuren und unansehnlichen Mauerbau. Worauf am Ende wieder die Metallsäulen zum Zug kamen und alles, inklusive des Rückbaues der schon begonnenen Mauer, noch einmal um ein gutes Stück teurer wurde.

Billiger sind temporäre Maßnahmen, und besonders raffiniert sind sie dort einzusetzen, wo man ihnen den Zweck nicht gleich ansieht. Auf dem Wiener Maria-Theresien-Platz, zwischen dem Kunsthistorischen und dem Naturhistorischen Museum, standen vom Weihnachtsmarkt des Jahres 2017 an riesige Geschenkpakete, bunt verpackt und mit hübschen Schleifen versehen. Hätte man die bunte Verpackung ein Stück weit in die Höhe gehoben, wären darunter massive Betonblöcke zu erkennen gewesen, aufgestellt als Aufprallhindernis für Heranrasende, als Provisorium für die Dauer der intensiven Gefährdung, also für die Zeit des Marktgeschehens.

Der Wiener Architekt und Autor Theo Deutinger kann aus dem Kopf Dutzende Beispiele wie dieses nennen, Beispiele für temporäre oder dauerhafte Schutzmaßnahmen gegen Gewalttaten, bei denen Autos als Waffe eingesetzt werden. In seinem Buch „Handbook of Tyranny“ hat er die Formen analysiert, mit denen sich das Verhältnis von Macht und Gefahr in der Architektur manifestiert. Da spannt sich der Bogen von der Anlage eines Schlachthofes über die Konstruktion von Grenzmauern bis hin zu den Wegen, die ein motorisierter Terrortäter in einer Stadt nehmen kann, und was sich ihm dabei entgegenstellen ließe. „Schauen Sie sich einmal das neue Stadion von Arsenal in London an“, sagt Theo Deutinger, im ORF-Radio nach Beispielen für die neue Anti-Terror-Architektur befragt. „Da steht vorne in zweieinhalb Meter hohen Betonbuchstaben das Wort ‚Arsenal‘ zu lesen, und man könnte glauben, das sei einfach nur als Logo, als Blickfang, so aufgestellt.“ In Wirklichkeit sind diese Buchstaben eine Barriere, die verhindern soll, dass motorisierte Täter den Vorplatz des Stadions stürmen.

Und als in Wien, in der engen Neubaugasse, an einer neuartigen Begegnungszone gearbeitet wurde, mit vielen Rechten für Fußgänger und wenig Autoverkehr, war „security by design“ auch dort ein Thema. So laden etwa sehr stark gebaute Sitzbänke mit einem Betonsockel zum Verweilen ein. Theo Deutinger weiß, dass da nicht so sehr die Menschenfreundlichkeit dahintersteckt, sondern der neue Zwang zum Absichern: „Das sieht aus wie eine normale Parkbank, aber diese Bank hat ein irrsinnig starkes Fundament und ist als Maßnahme gegen Ramm-Attacken konstruiert.“ Der Architekt sieht Vorkehrungen ähnlicher Art, wohin er auch blickt im städtischen Raum. Etwa auf dem Heldenplatz in Wien, wo die Büros des Parlaments in Containern untergebracht sind, bis die Renovierung des Hauptgebäudes abgeschlossen ist. Mit flachen Betonblöcken drumherum, und mit darüber waagrecht gespannten Drähten, an denen sich grüne Bepflanzung in die Höhe rankt: „Das ist auch ein Rammschutz, der dazu dienen soll, dass niemand mit dem Auto in diese Container hineinfahren kann“, weiß Theo Deutinger.

Und auf dem Berliner Breitscheidplatz, ziemlich genau mitten auf der Fahrtstrecke, die Anis Amri im Dezember 2016 genommen hat, soll, aktuellen Planungen zufolge, in Zukunft der Schriftzug „BERLIN“ in großen Buchstaben aus Stahlbeton den direkten Weg auf den Platz verstellen. Moderne Städte haben keine Mauern mehr. Aber sie müssen sich jetzt laufend neue Wege überlegen, um Angreifern etwas entgegenzustellen.

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