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Anti-Terror-Architektur

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Seither wird in Europa vieles mit anderen Augen gesehen. Auf einem der vielen Hügel, die das Fundament der Stadtlandschaft von Brüssel bilden, steht das PHS-Gebäude, benannt nach dem früheren belgischen Ministerpräsidenten und engagierten Europapolitiker Paul-Henri Spaak. Es ist nicht besonders alt. Im Jahr 1993 wurde mit seinem Bau begonnen, zwei Jahre später war es fertig. Ein Konferenzzentrum werde der große Komplex werden, zu dem das Gebäude gehört. So hatte es Belgiens Regierung einst behauptet. Aber in Wirklichkeit war der Stadtteil auf dem Hügel in Brüssel immer dazu ausersehen, das Europäische Parlament zu beherbergen, das eigentlich seinen Sitz in Straßburg in Frankreich hat. Und so hat jetzt auch Brüssel einen Plenarsaal für mehr als 700 EU-Abgeordnete, dazu ein Pressezentrum, Hunderte Büros und einen riesigen Empfangssalon, in den der Präsident des Europäischen Parlaments gelegentlich seine Gäste bittet, die dort durch riesige Fensterflächen Ausschau halten können, weit hinaus über die Dächer von Brüssel.

Groß war in EU-Kreisen die Aufregung, als vor einiger Zeit bekannt wurde, dass das Gebäude, angelegt wie eine Kathedrale der Demokratie aus Glas, Stahl und Stein, nach etwas mehr als 25 Jahren Nutzungsdauer abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden muss. Das Rohrleitungssystem für das Wasser sei völlig verrottet, die Erdbebensicherheit nicht mehr den heutigen Vorschriften entsprechend – das alles wurde als Grund für das teure Projekt genannt.

„Ich kann Ihnen sagen, um was es da in Wirklichkeit geht“, flüstert mir eine sehr hochrangige Person zu, die in das Projekt an maßgeblicher Stelle involviert ist. „Es gibt da bestimmte Stellen in diesem Gebäude …“ OK, an diesem Punkt zitiere ich nicht wörtlich, was mir diese Person gesagt hat. Sie will es auch nirgendwo öffentlich so genau erörtert haben. Aber es gibt Punkte am PHS-Gebäude, an denen eine geringe Gewalteinwirkung genügen könnte, um den ganzen Bau sofort wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen zu lassen. Mit einer Opferzahl, die sich auf mehr als tausend Personen belaufen könnte. „Wäre es nicht möglich, den alten Bau zu verstärken und die kritischen Stellen zu entschärfen?“, wende ich ein. „Das wäre möglich“, sagt meine Kontaktperson. „Aber es wäre teurer, als das Ganze noch einmal – und so terrorsicher wie möglich – neu zu bauen.“

Einstweilen behilft man sich mit riesigen Blumenkästen aus Stahl, die die Zufahrtstraßen zum so leicht zu gefährdenden Gebäude blockieren. Neu sind auch die kleinen Wärterhäuschen neben den Blumenkästen, in denen ein Wachposten alle kritisch beäugt, die zu Fuß um diese Barrieren herumgehen.

Der Druck, unter dem Gesichtspunkt möglicher Bedrohungen vor vielen Jahren Gebautes neu zu überdenken, begegnet einem in Brüssel auf Schritt und Tritt. Beim Hauptquartier der EU-Kommission, dem Berlaymont-Gebäude, wurde vor Kurzem nach langer Bauzeit in der Nähe des Haupteinganges ein nicht besonders auffälliger Pavillon aus Stahl und Glas fertiggestellt. Ein „Willkommenszentrum“, wie es offiziell heißt. Aber der wahre Zweck dieses Gebäudes ist ein anderer. Hier sollen in Zukunft die Sicherheitskontrollen stattfinden, für die bisher im Berlaymont selbst eine Schleuse gedient hat – an einem Punkt, der sich schon ziemlich nahe am „VIP-Corner“ befindet, wo Staatsgäste aus aller Welt das Haus betreten. Sollte also in Zukunft etwa jemand mit einer Bombe Zugang zum Berlaymont suchen, so sollte er – den Postulaten der neuen Sicherheitsarchitektur zufolge – schon im „Willkommenszentrum“ aufgehalten werden. Und sollte er die Bombe zünden können, so würde nur dieses kleine Gebäude in die Luft fliegen und nicht das Berlaymont selbst, wo zu normalen Zeiten Tausende EU-Beamte ihren Dienst versehen.

Bei allem, was gebaut wird, auch an mögliche Gefahren für die Sicherheit zu denken, das legt die EU-Kommission neuerdings allen Verantwortlichen besonders ans Herz. „Es geht um ‚security by design‘“, sagt mir Ylva Johansson, die EU-Innenkommissarin, an einem kalten Dezembertag vor dem Berlaymont-Gebäude. Alle Bauten, alle Verkehrswege, alle Teile der städtischen Infrastruktur sollten auf ihre Sicherheitstauglichkeit überprüft werden. Und da gehe es zunächst einmal um die wichtigsten Nervenzentren einer Stadt von heute, wie etwa Wasserwerke, Stromverteiler oder Einkaufsstraßen. Als besonders gefährdet stuft die EU-Kommissarin in ihren Empfehlungen aber auch Gotteshäuser ein – Kirchen, Moscheen, Synagogen. „Schauen Sie sich das Beispiel von Halle an“, meint Ylva Johansson. Im Oktober des Jahres 2019 hatte ein Rechtsextremist versucht, in die Synagoge der Stadt Halle im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt einzudringen und dort ein Massaker zu verüben. „Was damals sehr viele Menschen geschützt hat, das waren eine verstärkte Eingangstür und eine Klingel mit Sprechanlage. Das meinen wir, wenn wir von eingebauter Sicherheit reden“, sagt die EU-Kommissarin. Es war dem Täter damals nicht gelungen, in die Synagoge einzudringen. Frustriert begann er, vor dem Gebäude um sich zu schießen. Auch dort traf er zwei Menschen tödlich. Daran zeigt sich auch ein gewisser Zwiespalt, wenn es um die mitgedachte und mitgebaute Sicherheit geht. Es kann oft gar nicht darum gehen, zu verhindern, dass Menschen zu Schaden kommen. Wer zu einer Tat entschlossen ist, findet immer ein Ziel. Es geht aber zumindest darum, die Auswirkungen einer Tat, wenn sie schon geschieht, so gering wie nur möglich zu halten.

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