Читать книгу Hauptschuleinblicke - Hannes Giessler Furlan - Страница 14

Tigrans Bühne

Оглавление

10. Klasse, Vertretungsunterricht: Tigran fiel als Erster im Klassenraum auf. Hyperaktiv und attraktiv, wie er war, warf er sich johlend mal auf einen Mitschüler, mal auf eine Mitschülerin, aalte sich auf Bänken und ließ sich kitzeln.

Es klingelte zum Stundenbeginn und ich wollte wissen, welche Berufe die Schüler nach der Schule anstrebten. Krankenschwester, Zuhälter, Maschinenbauer, Drogendealer, Dönerladenbesitzer waren die mehr oder weniger ernst gemeinten Antworten. Wieder fiel mir auf, was schon in anderen Klassen meine Aufmerksamkeit geweckt hatte: Die wenigen Schüler ohne Migrationshintergrund wirken mehrheitlich wie Schlaftabletten, während nicht wenige Schüler mit Migrationshintergrund, etwa Tigran aus Armenien, hyperagil zu sein scheinen.

Dann berichtete mir die Klasse, sie hätten den Lehrer vor mir, der in einer Vertretungsstunde Unterricht habe durchsetzen wollen, mit Papierkugeln beworfen. »Wir hassen Lehrer«, meinte einer. Ich fragte nach, ob es nicht besser sei, Unterricht zuzulassen, wegen Abschlussprüfung und Abgangszeugnis. Und Tigran fragte mich, ob er nach hinten zu einer Mitschülerin dürfe, er habe nämlich Druck. Da war er schon unterwegs, deutete Kopulation an, stürzte sich auf seine Mitschülerin, die fröhlich aufkreischte, während er lauthals bekundete, einen Ständer zu haben. Die Klasse johlte.

Um nicht mit Papierkugeln beschmissen zu werden, beschränkte ich mich auf die Rolle eines Betreuers im Jugendclub. Ich setzte nur Grenzen, wenn es zu laut oder ungestüm wurde, ging im Raum rum und führte freundlich Gruppen- und Einzelgespräche. Man könnte von »vertrauensbildenden Maßnahmen« sprechen, soweit damit weder der prekäre Zustand verleugnet wird, worin sie nottun, noch die Gefahr, seitens der Schüler für immer auf diese pädagogische Methode reduziert zu werden.

Hauptschuleinblicke

Подняться наверх