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1.2 Forschungsgegenstände der Wirtschaftsgeographie

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Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftswissenschaft

Das Forschungsgebiet der Wirtschaftsgeographie ist heute zum größten Teil in dem weiten Überlappungsbereich zwischen Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften angesiedelt. Sowohl Forschungsmethodik als auch Fragestellungen orientieren sich stark an denen der benachbarten Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Es gibt enge Bezüge zur Soziologie, Politologie, Ethnologie, Psychologie, Geschichte, den Organisations- und Verwaltungswissenschaften und insbesondere zur Ökonomie (vgl. GLÜCKLER 2011, S. 916).

Jedoch bestehen auch Unterschiede zwischen Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftswissenschaft. Zum einen findet in der Wirtschaftsgeographie eine stärkere empirische Ausrichtung unter Hinzuziehung eines breiteren Methodenspektrums einschließlich qualitativer Methoden statt. Zum anderen wird räumlichen Besonderheiten in Form von wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder naturräumlichen Kontextbedingungen spezifischer Raumelemente bei der Untersuchung regionalwirtschaftlicher Fragestellungen eine größere Bedeutung eingeräumt als in den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der Regionalökonomie, die derartige Bedingungen oft nur als Störvariable bzw. „Datenrauschen“ betrachtet. Aus diesem Grund ist die Wirtschaftsgeographie immer ein Teilbereich der Geographie geblieben (vgl. BRAUN/SCHULZ 2012, S. 15; BRÖCKER/FRITSCH 2012, S. 2).

Die Forschungsgegenstände der Wirtschaftsgeographie treten auf allen räumlichen Maßstabsebenen auf. Sie reichen von der Analyse der kleinräumigen Standortwahl eines Einzelhandelsbetriebes über die Evaluation von Maßnahmen der regionalen Wirtschaftspolitik bis zur räumlichen Erfassung und Kategorisierung globaler Handels- und Investitionsbeziehungen. Im Einzelnen lassen sich folgende Forschungsgegenstände bzw. Aufgabenstellungen anführen:

Standortforschung

Im Bereich der Standortforschung beschäftigt sich die Wirtschaftsgeographie mit der Durchführung von Standortanalysen, der Untersuchung des Verhaltens der Akteure bei der Standortwahl, der Entwicklung von Konzepten zur betrieblichen Standortplanung sowie der Erfassung der Determinanten von Entstehung und wirtschaftsräumlichen Auswirkungen regionaler Unternehmenskonzentrationen (Clusteranalyse).

Regionale Strukturforschung

Auf dem weitreichenden, eng mit der Raumordnung und Raumplanung in Verbindung stehenden Gebiet der regionalen Strukturforschung ist die Wirtschaftsgeographie mit der Erforschung der Ursachen und der Entwicklungsdynamik regionaler Disparitäten sowie der Ableitung von Maßnahmen der Regionalpolitik und Regionalentwicklung zu deren Abbau befasst.

Risikoforschung

Die Wirtschaftsgeographie untersucht die wirtschaftsräumlich bedingten Ursachen und regionalwirtschaftlichen Auswirkungen bestimmter Risikokategorien („natural hazards“, „man-made hazards“, „social hazards“).

Ressourcenforschung

Die Analyse der Knappheit und Verteilung von Rohstoffen und Ressourcen sowie die Entstehung von Wertschöpfungsketten und deren räumliche Verflechtungen machen ein weiteres Forschungsgebiet aus. Besonderes Augenmerk kommt dem Einsatz von Rohstoffen und Ressourcen in der Wirtschaft, ihrer Regenerierbarkeit sowie der Erkundung und fachlichen Bewertung der Gewinnungs-, Transport- und Nutzungsrisiken zu.

Internationalisierung der Wirtschaft

In diesem Bereich zeigt die Wirtschaftsgeographie enge Verknüpfungen zum Internationalen Management in der Betriebswirtschaftslehre. Der bedeutende Untersuchungsgegenstand ist hier die Raumwirksamkeit von Organisationsformen und Unternehmensentscheidungen auf internationaler Ebene (z.B. weltweite Verteilung von Wertschöpfungsaktivitäten, internationale Standortwahl, Außenhandelsverflechtungen, Direktinvestitionen, raumwirksame Komponenten des Globalisierungsprozesses) unter Berücksichtigung zeitlicher Veränderungen und regional differierender Einflüsse (z.B. Länderrisiken, kulturelle Faktoren).

Strukturwandel in räumlicher Perspektive

Da die Wirtschaftsgeographie ein dynamisches, sich ständig weiterentwickelndes Fach darstellt, muss es schließlich ihre Aufgabe sein, originäre Forschungsbeiträge zur Beschreibung, Erklärung und Steuerung des wirtschaftlichen Strukturwandels in seiner räumlichen Perspektive zu leisten. Als wichtige Teilbereiche lassen sich hier identifizieren (vgl. SCHÄTZL 2003, S. 142f.):

• Der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft;

• die Verschiebung des ökonomischen Schwerpunktes von der industriellen Massenproduktion hin zu flexiblen, spezialisierten Produktionssystemen;

• die Globalisierung wirtschaftlicher Prozesse bei gleichzeitiger Bildung regionaler Unternehmenskonzentrationen und Aufwertung lokaler Bezüge;

• die Ausbreitung regionaler und supranationaler Integrationssysteme (z.B. die Erweiterungen der Europäischen Union);

• die Transformation der Wirtschaftssysteme in den ehemaligen sozialistischen Staatshandelsländern, d.h. der Übergang von der Zentralverwaltungs- zur Marktwirtschaft;

• der Primat einer nachhaltigen, d.h. sozialökologischen Modernisierung der Wirtschaft.

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