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Оглавление[36]Stahlhelm-Gemüs
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Es ist nicht ganz leicht, mit dem ostelbischen Adel in Verkehr zu kommen. Er sitzt in seinen ländlichen Katen, die, sind sie zweistöckig, stets Schloss heißen, und verkehrt mit den Versippten und Verschwägerten. Und mit allen adligen ländlichen Kateninhabern ist er versippt und verschwägert. Kommt aber einer von außen und nun gar aus Mitteldeutschland, oh weh!
Mein Lieber, dort ist doch alles rot! Und wenn Herr Bomst auch nicht rot sein mag, es muss ja auf ihn gewirkt haben, dass er immer solche Ansichten hat anhören müssen. Nichts für uns, mein Verehrter. Besser ist besser.
Herr Bomst hat also umsonst seinen Zylinder aufgesetzt und umsonst den Frack angezogen. Man zeigte ihm die kalte Schulter. Aber Herr Bomst ist nicht umsonst aus Mitteldeutschland, speziell aus Sachsen. Herr Bomst ist helle. Da er nun einmal vergeblich auf die hochherrschaftlichen, herkömmlich mit Aloe geschmückten Rampen vorfuhr, denkt er: Nun müssen sie mir kommen.
Und Bomst, der natürlich Offizier gewesen ist, entdeckt, dass die ländliche Jugend dringend nach Zusammenschluss lechzt. Er gründet eine Ortsgruppe des Stahlhelm. Das ist eine sehr einfache Geschichte. Er hängt sich zwei Stunden ans Telefon und klingelt alle großen Güter der Gegend an. Wozu gibt es landwirtschaftliche Beamte? Er lädt sie freundlich zu einer Vorbesprechung zwecks Gründung einer Ortsgruppe des Stahlhelm ein. Etwaige nationale [37]Bauernsöhne sind mitzubringen. Kann er den Herren nicht haben, nimmt er’s Gescherr.
Und welcher landwirtschaftliche Beamte könnte solcher Lockung widerstehen? Bei einem Rittergutsbesitzer eingeladen! Kann man’s denn überhaupt riskieren, wegzubleiben? Weiß der Himmel, wie der Bomst mit dem eigenen Chef steht! Vierzehntägige Kündigung ist bei landwirtschaftlichen Beamten noch sehr Mode.
So kommen sie alle. Und es lohnte sich wirklich. Es war, es war, nun, einfach kameradschaftlich herzlich. So ein gemütlicher Ton. Und die ältesten Feldzugsgeschichten, die kein Aas mehr hören wollte, an Bomst waren sie loszuwerden. Und es gab Wein. Und es gab Zigarren mit Leibbinde. Alle unterschrieben.
Das dringende Bedürfnis war gestillt und die Ortsgruppe X des Stahlhelm gegründet.
Die nächste Versammlung sah bereits anders aus. Erstens fand sie nicht mehr bei Herrn Bomst, sondern in irgendeinem Gasthof statt, wo jeder sich seinen Topp Bier selber kaufen musste, und zweitens erhob sich Herr Bomst und bat die Herren dringend, doch ja recht pünktlich zu sein. Jawohl, pünktlich auf die Minute. Es sei ein Unding, ihn eine ganze Viertelstunde wie heute warten zu lassen. Man sei hier zur Pflege des kameradschaftlichen Geistes, vor allem aber des militärischen Geistes. In diesen verrotteten Zeiten ...... Und unser oberster Kriegsherr ........
Es war wunderbar. Und Herr Bomst konnte sich nun hinsetzen und dem Großgrundbesitz (mit Adel) Briefe schreiben, die Ortsgruppe sei gegründet und der Geehrte Herr Major oder Oberst oder General werde gebeten, als Mitglied.. Unterstützung.. nationale Pflicht ….
[38]Herr Bomst kann ruhig schlafen, er hat den Anschluss gefunden.
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Auch schlichtere Gemüter hegen die Ansicht, dass solche Stahlhelmortsgruppe noch weitere Aufgaben hat, als diese allwöchentlichen Zusammenkünfte in der Hinterstube eines Bierlokals. Ernste Pflichten liegen ihr ob. Die gewonnenen Feldzugserfahrungen sind zu erhalten und auszubauen. Das Wort Nachtübung fällt.
Nun, warum eigentlich nicht Nachtübung? Die sämtlichen Ortsgruppen der Gegend werden mobil gemacht. Und damit die Sache für die jungen Leute abenteuerlicher sei, wird ausgesprengt, dass die Arbeiter der Kreisstadt – eine verworfene rote Band, ein Blutgeschwür (Blutgeschwür ist gar nicht übel, denkt mancher versonnen) – dass diese Rotte also beabsichtigt, die Leitung der Stadt zu ergreifen, das Rathaus mit Gewalt zu stürmen – in der kommenden Nacht. Pflicht sei … Erhaltung des Bestehenden ….
Es war ein göttlicher Nachtmarsch. Sie marschierten 20 Kilometer und kamen vor die Stadt und standen in Büschen, denn die Arbeiter durften ja nichts merken. Und dann stellte es sich heraus, dass diese Gruppe auf die andere Seite der Stadt gehörte. Also marschierten sie wieder 10 Kilometer und standen wieder in Büschen und besahen die Stadt von der anderen Seite. Sie tat, was Landstädte nächtens tun: sie schlummerte. Da suchten sie Anschluss an die Nebengruppe und fanden sie nicht. Und dann fanden sie die Nebengruppe und dann war es die [39]falsche Nebengruppe. Und dann begann es zu dämmern und Herr Bomst teilte ihnen mit, dass die Arbeiter von der Aktion des Stahlhelm Kenntnis bekommen und sofort aus Angst ihre Aktion eingestellt hatten. Ein voller Erfolg!
Die Brust schwellte Stolz. Und dann wanderten sie wieder 20 Kilometer nach Haus. Lieb Vaterland, magst ruhig sein!
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Das war in den Tagen des Küstriner Putsches, von dem man später so seltsam Weniges hörte. Große Dinge geschahen. Motorräder durcheilten die Ortschaften, in Leder gekleidete Herren, denen zum vollständigen Anzug nur das Monokel fehlte, gaben Weisungen aus und es kamen andere Belederte und gaben andere Weisungen aus. Und niemand wusste etwas und alle ahnten etwas. Und es würde ein großer Schlag sein und das Vaterland . . . . .
Man machte Siedehitze und, die sie machten, waren ganz gutgläubig und darum siedete es auch so. Jeder Eleve der Landwirtschaft sah sich als Retter des Vaterlandes. Und der Chef gab natürlich Urlaub und man machte sich bei ihm einen weißen Fuß.
Nur, sein Auto gab der Chef nicht. Als Herr Bomst anrief und um Zur-Verfügung-Stellung des Autos bat, da sagte der Chef natürlich zu. Durfte man es denn mit diesen verderben? Wer weiß, morgen waren sie (sprich wir) die Herren. Aber dann traf es sich so vorzüglich, dass grade zu diesem Tage das Auto kaputtging. Sicher ist sicher. Und des [40]Müllers Satz, dass es Richter in Berlin gibt, hat auch manchmal sehr seine zwei Seiten.
Aber die Jungen, die marschierten natürlich los. Sie wären nicht nur gegen Küstrin, sie wären gegen Berlin, sie wären gegen die ganze Welt marschiert. Sie marschieren streng national in jedes Debakel. Sie wissen nichts, wenn nicht dies, dass sie die andern hassen. Jene, die immer ändern wollen, die immer vorwärts wollen, die nie beharren können. Es war doch früher so schön bei uns. Sie marschieren zu der Spielerei ihrer Nachtübungen, sie marschieren zu jedem Mord und Totschlag, sie marschieren heute noch. Und sie werden immer marschieren – gegen den Geist.