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Um sieben Uhr auf den Schlag wurde im Hause Hackendahl Kaffee getrunken, und dem eisernen Gustav mochte zumute sein, wie ihm wollte, er stand Schlag sieben gerade aufgerichtet am Kopfende des Tisches und ließ den Heinz das Morgengebet sprechen. Dann gab es ein allgemeines Stuhl- und Füßegescharre, und nun kellte die Mutter die Mehlsuppe auf.

Schweigend kratzten die Löffel auf den Tellern, schweigend sah bald der, bald jener Erichs leeren Stuhl an. Manchmal nur seufzte die Mutter, des hungrigen Sohnes im Keller gedenkend, sagte „Ach ja“ und „O Gott, o Gott“, aber keiner antwortete, bis sie endlich klagte: „Heute ißt mal wieder kein einziger! Was das nur ist mit euch! Iß du wenigstens was, Bubi, du hast doch keine Ursache zu hungern!“

Der Bengel schoß einen wachsamen Blick auf den Vater und sagte dann abgrundtief mit seiner mutierenden Stimme: „Plenus venter non studet libenter – ein voller Bauch studiert nicht gern. Im Interesse meines lateinischen Exerzitiums geziemt sich Zurückhaltung in der Vertilgung von gekochtem Mehl …“

„O Gott!“ seufzte die Mutter. „Dafür läßt man nun seine Kinder studieren, daß man kein Wort mehr von ihnen versteht und daß sie …“

Sie sprach nicht weiter, ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, jeder sah, daß sie an den Sohn im Keller dachte, der ausstudiert hatte.

„Halte den Mund!“ knurrte der Vater zu Heinz hinüber.

„Zu Befehl, pater patriae!“ Und nicht umzubringen: „Soll ich einen Entschuldigungszettel für Erich in die Penne mitnehmen?“

Der Vater funkelte den Sohn zornig an, die anderen duckten die Köpfe – aber das Gewitter zog ohne Einschlag vorüber: Hackendahl stieß nur seinen Stuhl zurück und ging auf sein Zimmer.

Eine halbe Stunde später war Heinz zur Schule gegangen und Sophie ins Krankenhaus. In der Wohnung räumte Eva mit dem kleinen Dienstmädchen auf, in der Küche putzte Frau Hackendahl Gemüse, und im Stall berieten Otto und der alte Rabause, ob man den Vater an seine Privatfuhren erinnern dürfe oder nicht …

An seinem Schreibtisch saß der alte Hackendahl. Er hatte das Kassenbuch vor sich aufgeschlagen, die Morgeneinnahme hingelegt, aber er zählte nicht nach, er trug nicht ein.

Er saß und grübelte. Er grübelte finster und ungelenk, er sagte sich hundertmal, daß die Welt nicht einfällt über einen kleinen Hausdieb, über einen Arbeitgeber, der vor seinen Leuten die Beherrschung verliert.

Nein, die Welt fiel nicht ein, aber seine Welt war ihm eingefallen. Er grübelte, warum seine Kinder nie das wollten, was er wollte, warum sie stets widersetzlich waren. Er hatte jeder Obrigkeit stets freudig gehorcht, aber wenn seine Kinder ihm noch gehorchten, so nur widerstrebend, mit Maulen und Unwillen. Vielleicht war alles, was heute geschehen war, wirklich gar nicht so schlimm, in einem viertel oder halben Jahr konnte man es vergessen und begraben sein lassen, aber es war doch schlimm! Weil es nicht nur die Hausdieberei war, sondern weil alles zum Verfall drängte, auseinanderstrebte, das Erworbene mißachtete …

Mit gerunzelter Stirne starrte er das Geld auf dem Schreibtisch an. Die gute Nachteinnahme freute ihn nicht, er mochte sie gar nicht eintragen ins Kassenbuch, er hatte vorher noch eine andere Eintragung zu machen.

Jawohl, er muß sie machen, er nimmt die Feder in die Hand, zögert – und legt sie wieder hin. Trostlos starrt er das Kassenbuch an. Es geht ihm wider Ordnung und Anstand, was er tun muß …

Dann kommt ihm ein Gedanke. Es ist vielleicht nur ein Aufschub, aber es ist ja auch möglich, daß nicht alles Geld verbraucht wurde. Er geht eilig in das Schlafzimmer der Söhne. Dort macht Eva die Betten. Er möchte sie fortschicken – muß aber ein Vater sich dessen, was er tut, vor den eigenen Kindern schämen? Fast trotzig nimmt er Jacke und Weste von Erich, die noch über dem Stuhl hängen, und fängt an, die Taschen nachzusehen. Aber er findet nichts, nichts als die Spuren eines weiteren Ungehorsams: ein paar Zigaretten. Aber es reicht bei dem Vater nicht mehr zu einem neuen Zorn, er zerdrückt nur die Zigaretten, daß der Tabak auf die Erde rieselt, sagt barsch zur Tochter: „Kehr den Dreck fort!“ und geht in die Küche.

Die Küche ist leer. Er schneidet einen Kanten Brot ab, so stark, wie ihn die Arrestanten beim Militär bekamen. Dann sieht er sich suchend um, aber in seiner bürgerlichen Küche gibt es die glasierten Tonkrüge nicht, in denen man den Leuten Wasser hinstellte. Nach einigem Schwanken nimmt er ein emailliertes Litermaß und füllt es mit Wasser. Er läßt die Leitung gut ablaufen, das Wasser soll frisch sein, auch ein Gefangener muß seine Ordnung haben.

Dann steigt er mit Wasser und Brot hinunter in den Keller.

Als er in den dunkeln Kellergang einbiegt, hört er ein Tuscheln. Er lauscht, dann räuspert er sich und geht weiter. Seine Frau schleicht an ihm vorüber, er sagt streng: „Hier hat keiner was zu suchen!“ Und schließt den Keller auf.

Der Sohn steht an dem kaum zwei Hände großen Fenster. Er dreht sich nicht um, als der Vater eintritt. Der legt das Brot auf eine Kiste, stellt das Wasser daneben und sagt: „Hier hast du zu essen, Erich!“

Der Sohn rührt sich nicht.

„Du könntest auch danke sagen, Erich“, tadelt der Vater milde.

Kein Wort.

Hackendahl wartet noch einen Augenblick, als dann nichts erfolgt, sagt er härter: „Dreh deine Taschen um, Erich. Ich will sehen, ob du noch Geld hast …“

Wieder rührt der Sohn sich nicht. In jähem Zorn tritt Hackendahl zu ihm und schreit: „Hörst du nicht?! Du sollst die Taschen umdrehen!!“

Jawohl, das ist der alte, stählerne Kommandoton, mit dem er eine ganze Kompanie zur Ordnung rief, jedem einzelnen Mann fuhr seine Stimme ins Gebein! Auch der Sohn schreckt zusammen, wortlos wendet er die Taschen, aber es ist nichts in ihnen …

Der Vater will es nicht glauben. „Das ganze Geld!“ruft er. „Achtzig Mark in einer Nacht verlumpt, das ist doch nicht möglich!“ Der Sohn wirft einen raschen Blick auf den Vater, fast hätte er über so viel Lebensfremdheit gelacht. „Es hätten auch achthundert sein können“, sagt er dann prahlerisch. „Wozu ist Geld sonst gut?“

Der Vater steht starr – es ist alles noch viel schlimmer, als er dachte, ein genußsüchtiges, weiches Geschlecht ist herangewachsen, das nicht erwerben, nur verschwenden kann. In der weichen Friedensluft aufgeschossen, fährt es ihm durch den Kopf. Siebzig-einundsiebzig ist zu lange her! Er denkt einen Augenblick an den gestern ermordeten Erzherzog. Die Leute reden von Krieg – das wäre nicht schlecht, dann lernen die Bengels wieder, daß Leben Kampf ist …

„Also achthundert hättest du auch verlumpt“, sagt er verächtlich. „Und hast noch keine acht Mark in deinem Leben verdient! Im Straßengraben wirst du krepieren, ohne deinen Vater!“

Er sieht den Sohn noch einmal starr an, aber der zuckt nur die Achseln. Da dreht Hackendahl sich um und geht.

Sorgfältig schließt er die Kellertür ab, und als er nach oben kommt, verschließt er auch die Tür zum Gang: Es soll kein Getuschel mehr geben. Widersetzlichkeit muß nicht noch getröstet werden!

Er geht in sein Zimmer, jetzt greift er ohne Zögern zur Feder, er schreibt in das Kassenbuch:

„29. 6. Gestohlen von meinem Sohn Erich … 80,– Mark.“

So! Das wäre erledigt! Und mit einem plötzlichen Entschluß schiebt er Morgeneinnahme und Kassenbuch in die Schreibtischlade. Das hat Zeit – das Wichtigste ist erledigt!

Er geht rasch in sein Schlafzimmer, zieht den blauen Kutscherrock mit den blanken Knöpfen an und setzt den Zylinder auf. Unten auf dem Hof steht schon die leichte Einspännerdroschke fahrbereit, Otto hält den übermütigen Schimmel am Zügel.

Hackendahl steigt auf den Bock, legt die Staubdecke über die Knie, drückt noch einmal den Zylinder fest und faßt die Peitsche. Zu Otto sagt er: „Um zwölf bin ich wieder hier. – Bring Kastor und Senta zur Schmiede – die Vordereisen sind ganz verbraucht. Das hättest du auch sehen können! – Hü, Schimmel!“

Er schnalzt mit der Zunge, der Schimmel trabt an, und die Droschke rollt vom Hof.

Das ganze Haus atmet auf.

Der eiserne Gustav

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