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Prolog

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Aus der weiten Ferne nähern sich uns die vier Gestalten. Jenseits des Flusses haben sie die waldigen Hügel, deren Konturen im Nebel verschwimmen, bereits hinter sich gelassen.

Sonderbar, wie sie sich nähern. Höchst sonderbar. Als ob sie sich nicht recht trauen, als würden sie zögern. Nur der Vordere scheint es ein wenig eiliger zu haben. Wenn er nicht sehr klein ist, müssen die hinter ihm Riesen sein! So sehr überragen sie ihn, so viel länger scheinen ihre Schritte, ihre Schatten …

Müsste man sie eigentlich nicht auch schon kommen hören? Denn die Vögel zwitschern, ein Bach plätschert, leise rauschen die Bäume. Klar und deutlich stehen Sträucher und Blumen am Wegesrand, liegt der Tau auf den Wiesen. Sie selbst jedoch hüllt noch immer Nebel ein; als hätten sie ihn mitgebracht von dort. Täuscht es, oder krabbelt der Zwerg auf allen Vieren vorweg? Es hat beinahe den Anschein – noch sind sie zu weit entfernt, doch sehr bald schon werden wir Gewissheit haben …

Nein. Es sind keine Riesen. Ganz im Gegenteil: Recht klein sind sie, die drei Männer! Und jetzt endlich treten sie aus dem Dunst heraus, um gleich wieder innezuhalten. Der in der Mitte bringt einen Hund zum Stehen, während der Rechte noch immer an seinem Ärmel zupft und etwas höchst Bedeutendes zu sagen scheint. Dann schweigt er plötzlich, legt einen Finger auf die Lippen, deutet stumm mit einem Arm nach oben, stampft mit einem Fuß auf. Fast gleichzeitig heben sich die Köpfe, um gemeinsam lieblichem Gesang zu lauschen. Es ist eine Amsel, die ihnen ihr Lied von einer hohen Tanne herab singt. Merkwürdig: Auf einmal hält jeder ein Büchlein in Händen und kritzelt versonnen, ganz für sich, hinein. Als ob sie ihn verstehen, den Vogel. Und sie lächeln, voller Verzückung, eine ganze Weile … Zeit, sie näher zu betrachten.

Sonderbar, wie sie aussehen. Zu warm gekleidet sind sie. So kalt ist es nun wirklich nicht. Der Linke trägt einen blauen Frack, aus dem ein buntes Schnupftuch herauslugt, die ungeknöpften Messingknöpfe blinken in der Morgensonne. Eine Doppellorgnette hängt lose herab, die langen Zipfel eines weißen Halstuches sind um den breit umgeschlagenen Hemdkragen geknotet. Auf seinem Kopf sitzt ein Filzhut, der seinem Namen alle Ehre macht und sicher gerne einmal ausgebürstet worden wäre. Ähnlich stark gewölbt wie die Stirn, aus der er zurückgeschoben worden ist, stößt er an den abgeschabten, wild in die Höhe ragenden Rockkragen. Langes, graues Haar steht wirr zu beiden Seiten.

Den mächtigen Kopf samt Samtmütze schüttelnd betrachtet auch der Mittlere ihn, vermutlich verwundert, ob des derart vernachlässigten Äußeren. Nachdenklich lässt er einen Finger über seine Adlernase bis zum weit vorspringenden Kinn gleiten und blickt bald befriedigt an sich selbst hinunter. Seine rosa Stiefeletten scheinen aus feinstem Leder, die hellblauen Beinkleider, der dunkelblaue Gehrock aus Seide wie auch das gerüschte Hemd in Gelb. Einen pelzverbrämten Radmantel lässt er um die Schultern wirbeln. Ist wohl doch zu warm geworden jetzt.

Riecht er so gut und stark? Die blasse Nase im länglichen Gesicht verzieht jedenfalls sein Nachbar zur Rechten, den der Bunte nun einer ähnlich kritischen Begutachtung unterzieht. Sein grauer Anzug ist wohl eher rustikal zu nennen; immerhin trägt er ein weißes Hemd mit Weste und Fliege darüber. Aber diese weiße Kappe mit Augenschirm dazu. Dieser Zwicker. Diese schlichten Straßenschuhe … Und warum stampft er dauernd mit dem Fuß auf wie ein tanzender Eber?

Doch die Musterung ist vorbei und nun kommen die Vier – bei dem Hund handelt es sich übrigens beim näheren Hinsehen um einen riesigen Neufundländer – direkt auf uns zu. Wild gestikuliert der Filzhut mit den Armen, um die der Wind die Rockflügel wehen lässt, und auch die grauen Haare fliegen zusammen mit den Halstuchzipfeln. Dabei spricht er so laut zu dem Seidenen, dass sich dessen Gesicht in sanftem Schmerz verzieht; zumal der Westenträger, auch er hat sein Jackett abgelegt und an einer Schnur über die Schulter gehängt, aufgeregt plaudernd an seiner freien Hand zieht. Nicht nur, weil er eher stolpert als geht: Wir sollten besser beiseitetreten, die Drei scheinen es nun doch sehr eilig zu haben, sie stürmen an uns vorbei, als hätten sie plötzlich starken Rückenwind, Köpfe und Kinne stechen wie Rammsporne nach vorne. Weit lässt der trabende Hund die Zunge heraushängen. Er kann seinen dicken Pelz nicht ablegen, der Arme.

„Wo is es denn nu, dein Barradieß uff Ärdn, Gustav?“, hören wir den Seidenen sächseln. Darauf ist ganz offensichtlich ooch der mit dem wirren grauen Haar gespannt, denn er zückt ein Hörrohr aus einer Fracktasche und legt es ans Ohr. Obwohl er es doch schon so lange nicht mehr braucht. Er kann die Antwort auch so verstehen. Wir müssen uns noch ein wenig gedulden. Genauer gesagt: bis zum Ende.

Ich möchte mich am liebsten gar nicht

mehr in die Welt begeben, denn jede Hoffnung,

ein Verständnis zu finden, ist irrig und eitel.

(Gustav Mahler an seine Freundin Natalie Bauer-Lechner)

Das Schicksal hat Dich an einen

der seltsamsten Menschen gebracht.

Täglich mache ich die Erfahrung mehr,

wie wenig ich eigentlich begriffen werde,

wie allein und verlassen ich stehe! Welch

Wunder, dass du sehr darunter zu leiden hast.

(Richard Wagner zu seiner Frau Minna)

O ihr Menschen,

die ihr mich für feindselig, störrisch

oder misanthropisch haltet […],

wie Unrecht tut ihr mir!

Ihr wisst nicht die geheime Ursache von dem […]

(Ludwig van Beethoven, „Heiligenstädter Testament“)

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