Читать книгу Sündenbabel - Hans Hyan - Страница 6
IV. Ein nächtlicher Besuch.
ОглавлениеAls Graf Berghorst wieder zu seinen Begleitern in die Droschke sprang, hatte er auf die spitzen Bemerkungen, mit denen ihn der Agent Kretschmar wegen seines langen Fortbleibens empfing, nur ein Lachen.
Auch fragte er sich jetzt nicht mehr, ob durch das Beisammensein mit diesen drei Personen seine Reputation Schaden nähme, er sprach mit ihnen, scherzte sogar mit Frau Tuto, die er eine brave, rechtschaffene Frau nannte, und schliesslich hatte er nicht übel Lust, dem rotbärtigen Agenten die Hand zur Versöhnung zu reichen.
v. Berghorst befand sich eben in jenem Rauschzustande absoluter Glückseligkeit, in dem der Mensch alles in einem verklärenden Lichte erblickt, wo sein eigner Frieden so schön und ungemessen ist, dass er mit niemand mehr in Feindschaft leben möchte.
Da, mitten im Gespräch, warf Casparius, der Grosse mit dem blonden Vollbart, auf einmal die Frage auf:
„Ja, wie kommen nur denn aber nu’ ins Haus, bei Ephraim? ... es ist doch zehne vorbei, wenn wir da sind!“
Er wie auch die andern mussten mit erhobener Stimme reden, da das Rasseln der Droschke, die jetzt dem Süden Berlins zufuhr, auf dem schlechteren Pflaster der Vorstadtstrassen ihre Worte übertönte.
Aber Kretschmar, der Fuchs — er hatte in der Tat viel Ähnlichkeit mit einem solchen — der überall ein Loch wusste, wo man durchschlüpfen konnte, war auch hier nicht um Rat verlegen.
Es sei da solche Kellerkneipe im Haus, durch die könne man den Hof erreichen, der Pfandleiher wohne nämlich auf dem Hofe.
„So ...“ sagte die Tuto, „was ist denn der Ephraim für einer? Den kenn’ ich doch gar nicht?“
Eine Weile überliessen sich der frühere Rittergutsbesitzer und Kretschmar gegenseitig das Antworten.
Und dann wie Casparius eben etwas erwidern wollte, sagte Graf Berghorst plötzlich mit einem kurzen Auflachen:
„Aber ich kenn’ ihn, Frau Tuto ... wenn Sie mal Ihren Familienschmuck versetzen wollen ... Der alte Ephraim beleiht nur wirkliche Pretiosen .... ausserdem ist er der gerissenste Halsabschneider, der mir jemals vorgekommen ist ... übrigens ist es gut, dass es heute Sonnabend und nicht Freitag ist. Von Freitagabend bis Sonnabend um dieselbe Zeit ist er nicht zu sprechen ... da können Sie ihm ’n Tausendmarkschein auf ’n Tisch legen, er rührt ihn nicht an. Und gern macht er auch am Sonnabend abend keine Geschäfte, seine alten Kunden wissen das schon und kommen dann erst gar nicht zu ihm. Aber vielleicht macht er mit uns eine Ausnahme.“
Der Sprechende nickte zu Casparius und Kretschmar hinüber.
„Jedenfalls können wir’s ja versuchen!“
„Mit mir macht er jedenfalls eine Ausnahme!“ erwiderte der Rotbärtige, wobei sich ein unheimliches Lächeln um seine schmalen Lippen stahl.
Die übrigen sahen dies Lächeln und hatten alle drei das nämliche peinliche Gefühl dabei, dem Casparius Ausdruck gab, indem er gezwungen lachend sagte:
„Sie sind ein Satanskerl, Kretschmar! Ich glaube, mit Ihnen würde der Deubel selbst nicht fertig werden!“
Der Agent erwiderte darauf nichts. Er blickte aus der schwerfällig dahinrollenden Droschke hinaus auf die Strasse, deren linke Seite mit elenden Mietkasernen bebaut war, während rechts hinter weit sich hinstreckenden Bretterzäunen das von den schwarzen Tüchern der Nacht überhangene Feld sich dehnte.
Die Laternen schienen hier in weiteren Zwischenräumen als sonst zu stehen und vermochten mit ihren rötlichen Flammen, die in der nebligen Luft erzitterten, die Finsternis nur auf kurze Strecken zu durchdringen.
„Wie unheimlich es hier ist!“ dachte der Graf, „es riecht förmlich nach Elend und Verbrechen!“
Aber er sagte nichts davon zu den anderen, und so erreichte man in schweigsamer Fahrt das Haus, in dem der alte Ephraim wohnte.
Die Kellerbudike hatte richtig noch Licht.
Einer nach dem andern kletterten die vier sechs aus rotem Backstein gemauerte Stufen hinab.
Kretschmar öffnete die mit einer roten Kattungardine verhangene Glastür, und ein fürchterlicher Brodem, aus Bierdunst, Tabaksrauch, Speisengestank und widerlicher Menschenausdünstung gemischt, schlug den Eintretenden entgegen.
Nie erinnerte sich Graf Berghorst einen derartigen Raum betreten zu haben.
Übrigens war es sicherlich eine Kaschemme, in der man sich befand. Auch nicht einer von den Gästen, die sich an den mit schwarzem Wachstuch beschlagenen Tischen breitmachten, sah aus wie ein ehrlicher Arbeiter. Dagegen sassen verschiedene Frauenzimmer, deren Beruf zweifellos war, zwischen den Männern und tranken mit ihnen.
Der Wirt selbst, ein langer, etwas gebückt gehender Mann, mit einer blauen Brille vor den anscheinend entzündeten Augen, war hinter dem vergitterten Schanktisch hervorgekommen.
Misstrauisch blickte er diesen so seltenen Gästen entgegen; aber kaum hatte er Kretschmar erkannt, so war er die Devotion und Höflichkeit selbst und erbot sich sofort, den Herren nach der Wohnung des alten Ephraim hinaufzuleuchten.
„Ich will bloss erst die Emma rufen, dass se solange uffpasst,“ sagte er und verschwand in der Nebenstube.
Gleich darauf kam er wieder mit einem nachlässig gekleideten Mädel, dem die schwarzen Ponies wild in das dunkelgerötete Gesicht hingen. Man sah ihr’s an, dass sie eben vom Kochherd kam; aber trotz ihrer mangelhaften Toilette lag etwas Hinreissendes in der kleinen üppigen Person, deren Augen wie schwarze Kirschen lachten und deren Blut man unter der glatten, braunen Haut förmlich wirbeln fühlte.
Herr Aloys Schweisser — das war der Wirt des „Münchener Keller“ genannten Lokals — stellte Herrn Kretschmar das Mädchen als seine Nichte Emma vor, dann gab er ihr flüsternd einige Weisungen, wobei er auf verschiedene der Gäste mit den Augen deutete, und sagte:
„So, meine Herren, setzt bitte kommen Sie!“
Durch einen dunklen Korridor, in dem es pestilenzialisch roch, führte Herr Schmeisser die vier hinaus auf den Hof.
Im Vorbeigehen hatte er ein kleines, qualmendes Küchenlämpchen mitgenommen, das schützte er mit der Hand vor dem Luftzug, wie sie über den Hof gingen, und meinte dabei, zum Seitenflügel hinaufsehend:
„Is schon dunkel bei ihm ... der olle Herr wird am Ende schon schlafen ... na, wenn er mich hört, steht er wieder uff!“
„Das glaub’ ich,“ meinte Kretschmar mit seinem undefinierbaren Lächeln, „Sie haben wohl öfter Gelegenheit, den Alten des Nachts herauszuholen, wie?“
Aber der Wirt, der eben mit Casparius einige Worte wechselte, schien das zu überhören. Er antwortete wenigstens nicht.
Sie stiegen nun eine hölzerne, knarrende Treppe hinauf, und der Graf hütete sich wohl, mit der über und über beschmierten Kalkwand in Berührung zu kommen.
Ephraim, der im ersten Stock wohnte, hatte nicht einmal ein Schild an der Tür — ein Beweis, dass die, die ihn brauchten, ihn wohl zu finden wussten.
Der Kellerwirt klingelte. Er klingelte nach einiger Zeit noch einmal. Und dann wiederholte er das Klingeln rasch hintereinander.
Aber niemand kam.
Dann klopfte er mit der Faust und rüttelte an dem Türknopf — ohne Erfolg.
Mit einemmal nahm er die Hand von dem Messingknopf weg und sagte, sie näher an die Lampe bringend:
„Zum Donnerwetter! Was ist denn das?! ... Blut? ...“
Die Tuto, die dem Wirt am nächsten stand, wäre vor Schreck beinahe umgesunken.
„Machen Sie doch keine Dummheiten!“ sagte der Agent ärgerlich, und nahm die Lampe selbst in die Hand. Dann hielt er sie an die Tür, und trotz des trüben Lichtes sah man jetzt deutlich, dass die Pfosten, ebenso wie die Füllung der Tür, mit Blut bespritzt waren.
„Da wer ick woll die Pollezei holen müssen!“ meinte der Wirt.
Graf Berghorst war zurückgetreten; hätte er gekonnt, wie er wollte, so wäre er, so schnell ihn seine Füsse tragen konnten, gelaufen.
Der feinere Mensch in ihm bäumte sich auf gegen das Gemisch von Schmutz, Ekel und Verbrechen, dem er hier begegnete.
Aber seine drei Begleiter hätten ihn sicher nicht fortgelassen. Auch reizte das Geheimnisvolle der Umstände, die er hier antraf, unbewusst seine Phantasie, und zu dieser so begreiflichen Neugierde gesellte sich die instinktive Besorgnis, durch sein plötzliches Fortgehen zu irgendwelchen Missdeutungen Anlass zu geben.
Während sich Casparius, die Tuto und der Wirt leise unterhielten und der Agent mit einer Verwünschung nochmals an die Tür schlug, hörte es sich an, als kämen schleichenden Schrittes mehrere Personen die Treppe herauf.
Der Kellerwirt, der seine Leute kannte, sagte sofort:
„Det sind gewiss die Jungens, die mal sehen wollen, wat hier oben los is.“
Und wirklich tauchten gleich darauf zwei recht fragwürdige Gestalten im Halbdunkel der Treppe auf.
„Du, Aloihs!“ rief der eine mit gedämpfter Stimme.
„Wat willste denn? Bleib doch unten!“
„Die Polentea) is da! ... flebbenb)!“
Und indem die beiden Galgenvögel das sagten, drückten sie sich scheu bei denen vorbei, die vor Ephraims Tür standen, und hasteten geräuschlos die Treppe hinauf; jedenfalls hatten sie Grund, eine Begegnung mit der Polizei zu meiden.
Aber schon wurden andere, festere Tritte hörbar, und nach wenigen Sekunden erschienen zwei Kriminalbeamte, von denen der eine ein Licht in der Hand trug, während der andere den Revolver schussfertig in der Rechten hielt.
Die Beamten, die wohl eine kleine Razzia über die Bodentreppe beabsichtigten, schienen nicht wenig verwundert, hier mitten in der Nacht eine Gesellschaft ihnen gänzlich unbekannter Personen zu finden.
Und zu Herrn Schmeisser, der ihnen recht gut bekannt war, gewendet, sagte der eine von ihnen:
„Na nu, Herr Wirt, hier oben sind Sie? Warum widmen Sie sich denn nicht Ihren Gästen? Ich glaube, Sie werden da unten schmerzlich vermisst ... übrigens, was machen Sie denn eigentlich hier?“
„Ich wollte die Herrschaften man bloss raufführen zu Ephraim,“ erwiderte Herr Schmeisser, und mit einem Achselzucken setzte er hinzu:
„Es macht uns aber keiner auf.“
„Und hier sehen Se mal, Herr Kommissar, hier is Blut an de Türe!“
„Na nu!“
Der Kommissar beugte sich vor.
„Wahrhaftig! Das ist Blut!“
Dann wandte er sich an seinen Kollegen
„Du! da scheint ein schwerer Fall vorzuliegen! ... Lassen Sie mal sofort einen Schlosser holen, Schmeisser!“
„Ja, Herr Kommissar, wen soll ick denn aber schicken? Ick bin doch janz alleene!“
„Wenn Sie keinen zum Schicken haben, dann gehen Sie selber! ...“
„Oder vielleicht haben Sie das gar nicht nötig; unten bei Ihnen im Keller sitzt doch sicher einer, der mit Türenaufmachen Bescheid weiss!“
Der Wirt lachte mit seiner heiseren Stimme und meinte:
„Det kann stimmen, Herr Kommissar, aber Ihnen wer’n sie’s wohl nich vormachen wollen!“
„Geh’n Sie! Geh’n Sie!“ drängte der Beamte, „die Sache sieht hier sehr ernst aus.“
Jetzt wandte sich Graf Berghorst zu seinen Begleitern:
„Sie werden doch alle einsehen, dass wir hier gänzlich überflüssig sind und heute doch nicht mehr zu unserem Ziel kommen.“
Aber Kretschmar opponierte sofort: „Wieso denn, das ist doch noch gar nicht gesagt!“
Der Graf achtete nicht auf ihn, sondern fragte, zu Casparius gewandt: „Kommen Sie mit? Ich gehe!“
Der frühere Rittergutsbesitzer schien unschlüssig. Aber seinem Zögern machten die Kriminalbeamten ein Ende, indem der, der schon vorher gesprochen hatte, sich jetzt zu der Gruppe wendend, ziemlich höflich sagte:
„Ich bedaure sehr, meine Herrschaften, aber vorläufig müssen Sie schon hierbleiben. Solange wir den Tatbestand noch nicht festgestellt haben, kann von dem Fortgehen einer beteiligten Person gar keine Rede sein.“
„Aber ich bitte Sie, Herr Kriminalkommissarius!“ rief jetzt die Tuto weinerlich, „was haben wir denn mit der Sache zu tun?“
„Das ist ganz egal,“ erwiderte der andere Beamte.
„Wer hier ist, bleibt hier, und damit basta!“
Gleich darauf kam Herr Aloys Schmeisser mit einem Schlosser, der zufällig im Hause wohnte, herauf.
„Schliessen Sie uns mal die Tür auf,“ befahl der eine Beamte.
Der Schlosser gehorchte schweigend.
Der Beamte hielt die Lampe, und als die Tür, die nach innen aufging, sich öffnete, sahen alle, die auf dem Treppenflur versammelt waren, von Grauen durchwehter Spannung in den düsteren Korridor hinein, der von altem Gerümpel so angefüllt war, dass nur ein schmaler Spalt als Durchgang freiblieb.
Aber sie bemerkten nichts Auffälliges.
Einer nach dem anderen gingen sie nun vorsichtig, nur mit den Zehen auftretend, als fürchteten sie, sich vorzeitig zu verraten, den ziemlich langen Korridor hinunter bis zu einer offen stehenden Tür, aus der ein Lichtschein glänzte.
Aber das Zimmer, das sie gleich darauf betraten, war leer, eine Lampe stand dort auf dem Tisch und nichts Verdächtiges zeigte sich den spähenden Blicken.
Es war eben die Stube eines alten Junggesellen, unwohnlich kahl und ohne viel Bequemlichkeit.
Einen Augenblick standen die Beamten, von denen der eine ein zweites dahinter befindliches Zimmer untersucht und leer gefunden hatte, überlegend. Dann gingen sie zurück, wobei ihnen Graf Berghorst und seine Gesellschaft immer folgten, und drangen jetzt erst in ein vorher übersehenes Seitengemach, das ebenfalls mit allen möglichen Gegenständen bis an die Decke vollgepfropft war und deshalb den sofortigen Überblick sehr erschwerte.
Aber auch dort war nichts Auffälliges zu bemerken.
„Wo mag er denn bloss schlafen, der Alte?“ fragte der eine Beamte.
„Na, da vorne, im grossen Zimmer,“ erwiderte der andere, „da stand ja doch das Bett!“
Und nun, als sei ihnen eine plötzliche Erleuchtung gekommen, stürzten die Beamten wieder in das Wohnzimmer, wo noch immer die Lampe auf dem Tisch brennend stand, während ihnen die vier Besucher langsam folgten.
Der rothaarige Agent, der gewiss in seinem Leben an manchen Dingen vorübergekommen war, vor denen man wohl erschrecken konnte, dieser kalte, nüchterne und mitleidlose Mensch prallte entsetzt zurück, als er, über die Schwelle tretend, die Beamten bei ihrer Arbeit sah.
Die Schutzleute hatten die rote Bettdecke und das Oberbett von dem breiten altväterlichen Bette heruntergerissen und so den Körper des alten Ephraim blossgelegt, der, von der Waffe eines Meuchlers grauenvoll zerstört, in seinem Blute schwamm.
Die nur mässig grosse, magere Gestalt des alten Mannes, dessen Gesicht den echten Typus des Hebräers zeigte, lag auf dem Rücken, und die ein wenig erhobenen Hände starrten wie die Krallen eines gepeinigten Tieres empor.
Er musste schon in seinem Bett gelegen haben, und vielleicht hatte ihn der Schlaf, jener tiefe, traumlose Schlummer des unermüdlich Tätigen, bereits umfangen, als ihn die Waffe des Mörders ins Leben traf.
Aber trotzdem schien es, als hätte ein Kampf zwischen dem Mörder und seinem Opfer stattgefunden, denn das gestreifte Baumwollhemd, das der Ermordete trug, war von dem Blute des Unglücklichen mit grossen, schwarzen Flecken besudelt und an mehrerer Stellen zerrissen.
Das Gesicht, dieses hässliche Judengesicht mit der erschreckend grossen Nase, die dem Schnabel eines Raubvogels glich, war von den Schauern eines martervollen Todes, von den Qualen der Angst und den wütenden Empfindungen des Hasses so entstellt, dass selbst die Beamten es nicht fertig bekamen, länger darauf hinzusehen.
Dieses kahle, unwohnliche Gemach, in dessen finsteren Winkel das armselige Lampenlicht nicht hineinleuchten konnte, die gelbliche Dämmerung, in der der Tote seine misshandelten Glieder racheheischend zum Himmel streckte, und die vor Entsetzen fahlen Menschengesichter umher boten ein grausiges Bild.
Graf Berghorst hatte die dicke Tuto in seinen Armen auffangen müssen, da sie von einer Ohnmacht befangen zu Boden sinken wollte.
Casparius, der auf seinem Gute wegen seiner rüden Angewohnheiten weit herum in der Gegend verschrien gewesen, fühlte sich so schwach werden, dass er auf einen am Tische stehenden Stuhl sank.
Und Graf Berghorst selbst, dem in seinem Kavaliersleben die Waffe mehr als einmal Recht verschafft hatte, wo er im Unrecht war, empfand ein Zittern, das ihm bis ins Herz drang.
Nur die beiden Beamten, zwei gewiegte Fänger, die in ihrem Dienst stumpf geworden waren gegen Gewalt und Verbrechen, schienen unberührt von den Schrecknissen einer so fürchterlichen Tat ihres Amtes zu walten.
Sie hatten Decken und Betten auf den staubüberzogenen Fussboden geworfen und untersuchten die schrecklichen Verwundungen des Ermordeten, indem sie sich bemühten, diesen selbst soviel als möglich in seiner Lage zu belassen.
„Mutz das ein abgefeimter Schuft gewesen sein,“ meinte der eine gedämpften Tones, „so gründliche Arbeit machen und dann noch jede Spur verwischen, dazu gehört eine Pferdenatur, na, jedenfalls wollen wir mal sehen, ob er uns nicht irgendein kleines Andenken von sich dagelassen hat.
In dem Moment bückte sich der Sprecher und hob mit einem triumphierenden Laut ein am Fussende des Bettes, zwischen Matratze und Holz eingeklemmtes Stilett heraus, dessen schwarzer mit Silberdraht umsponnener Griff das scharfe Auge des Kriminalisten auf sich gelenkt hatte.
„Nummer 1,“ meinte sein Kollege.
„Na, da wette ich, wir finden noch mehr,“ rief der andere.
Aber jetzt hielt es Graf Berghorst nicht mehr lange aus.
Er hatte die von einem nervösen Schluchzen befallene Tuto auf das zerschlissene Ledersofa gesetzt und wandte sich nun mit der ganzen Autorität, die seinem Wesen eigen war, an die Beamten.
„Ich glaube, Sie haben unsere Nerven jetzt genug auf die Probe gestellt. Ich wenigstens habe keine Lust, diesen Widerwärtigkeiten länger beizuwohnen. Ich heisse Gert Graf von Berghorst ...“
Er wirbelte nachlässig seinen langen blonden Schnurrbart.
„Und wohne in Gross-Lichterfelde, Siegmundstrasse, in meiner Villa. Adieu!“
Dem Beamten imponierte dieses herrenmässige Auftreten sichtlich.
„Wenn sich die Herrschaften legitimieren können, hab’ ich natürlich nichts gegen ihr Fortgehen einzuwenden.“
Das taten nun auch die drei anderen, und bald waren die beiden Kriminalisten, der Wirt und der Schlosser mit dem Toten allein.
„Ich kann wohl ooch ziehen?“ meinte der Schlosser.
Herr Aloys Schmeisser sagte, er würde bloss mal unten nach seinem Keller sehen, dann käme er sofort wieder herauf.
Dieser Biedermann wollte sich die Sensation nicht entgehen lassen. Auch hielt er es für opportun, sich mit den Kriminalschutzleuten in jeder Weise gut zu verhalten.
Unterdessen hatte sich einer von diesen die verschliessbaren Möbel im Zimmer näher angesehen und dabei gefunden, dass die Schlüssel zu dem am Fenster stehenden Geldschrank, einem gediegenen feuerfesten Tresor, nicht vorhanden waren.
„Der Kerl scheint es darauf abgesehen zu haben, uns Rätsel aufzugeben,“ sagte der ältere der beiden Beamten, „aber ich glaube, Schmidt, wenn wir uns keinen Rüffel holen wollen, so ist es das Beste, ich bleibe hier, und du telephonierst sofort nach dem Präsidium ... v. Sterkow ist heute sicher da, und du weisst, der wird immer sehr böse, wenn unsereins auf eigene Hand vorgeht.“
Auf die Aufforderung seines Kameraden, der Schultze I hiess, und von den Kollegen der dicke Schultze genannt wurde, entfernte sich Schmidt, der jüngere Kriminalschutzmann, ein hübscher, stattlicher, blonder Mensch, dem man den gewesenen Kürassier ansah.
Wie er aus der Tür trat, huschten mehrere dunkle Gestalten die Treppe hinab.
Wahrscheinlich Gäste des Herrn Schmeisser, die hier kriminalistische Studien machen wollten.
„Na, ihr habt es wohl sehr eilig!“ rief der blonde Kriminalschutzmann und ging die hölzerne Treppe hinab.