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Klaus Mathiessen hatte sich mit seiner Frau und dem Doktor Wegberger eben zum Abendbrot hingesetzt, als es draussen klingelte.

Der Lehrer sprach mit seinem Sohne von dem neuen Hospital, dessen Bau in der letzten Sitzung der Stadtverordneten abermals besprochen und beraten, zuletzt aber wiederum hinausgeschoben worden war.

„Und dabei glaubst du nicht,“ sagte der junge Arzt, „wie not uns das neue Haus tut! ... Wir Ärzte sind gezwungen, jeden Tag Leute fortzuschicken, die der Anstaltsbehandlung dringend bedürftig sind! ... Die ganze Sache wächst sich zu einem öffentlichen Skandal aus! ... Und wenn ich nicht sozusagen eine Art von Beamtenstellung innehätte ...“

Doktor Wegberger kam nicht dazu, zu sagen, was er sonst wohl tun würde ... Die Tür ging auf und, hereinkomplimentiert von Frau Karoline, erschien der Versicherungsagent Küper, ein sehr grosser Mann von kompakter Figur mit schwarzem Haar und einem ungepflegten Schnurrbart, der die schlaffe, ausschweifende Mundpartie ein wenig verdeckte. Er hatte kleine listige Funkelaugen in seinem dicken, roten Gesicht und stotterte ziemlich stark, wenn ihn jemand beim Sprechen ansah.

Mit wortreichen Entschuldigungen näherte er sich dem Tisch und begrüsste die beiden Herren.

Klaus Mathiessen grüsste freundlich wieder. Robert Wegberger blieb eiskalt; er kannte den Agenten, der vermögend und Stadtverordneter war, genau. So erhob sich der Arzt, der es einfach nicht fertigbekam, mit einem so missliebigen Menschen zusammen am Tisch zu sitzen, unmittelbar nachdem der andere sich niedergelassen hatte, und verliess mit der kurzen Entschuldigung, er müsse noch arbeiten, das Wohnzimmer.

„Na ja, Robertchen, geh man!“ seine Mutter begleitete ihn bis zur Tür. „Und arbeite auch nicht zu lange mehr, hörst du? ... Er überanstrengt sich immer, der arme Junge, da kann man reden, was man will!“ sagte sie, an den Tisch zurückkehrend, nachdem sie selbst die Tür hinter ihrem Sohne geschlossen hatte. Und während ihr Benehmen vorher etwas Gedrücktes, unter einer übertriebenen Liebenswürdigkeit verborgen. Ängstliches gehabt hatte, schien sie nun auf einmal befreit und froh, wie wenn die Anwesenheit ihres Sohnes sie sehr geniert hätte.

Klaus Mathiessen merkte das wohl. Und ehedem hätte diese Veränderung im Wesen seiner Frau ihn misstrauisch gemacht und irgendeine Szene ahnen lassen — heut, zu dieser Stunde war ihm das ganz gleich.

Wahrscheinlich führte sie wieder etwas im Schilde, wovon Robert jedenfalls nichts hatte wissen sollen ... Oder es war auch nur die Erhöhung der Versicherungssumme, die sie dem Sohne natürlich verschwiegen hatte ... Gleichviel! Klaus Mathiessen lächelte! Er konnte jetzt lächeln über all den schmutzig verlogenen Kram, der ihn hier umgab ... Er war darüber hinausgewachsen, weit, weit! ... Nicht an seine Schuhe reichte die Welt, in der diese Frau lebte, mehr heran!

Der Agent fing unterdessen eine Unterhaltung an mit Mathiessen, er sprach über die Wahlen:

„... Wir rechnen natürlich damit, d .. d .. d .. dass Sie uns helfen, Herr Ma .. ma .. ma .. Mathiessen! Nich wahr, d .. d .. d .. d .. das ist doch selbstverständlich?“

Der Lehrer ertappte sich dabei, dass er dem anderen fortwährend auf die Lippen blickte und ihn so zum Stottern brachte. Er sah weg, und nun floss die Rede des Agenten gleichmässiger ... Mathiessen selbst besass die wundervolle Gabe, zuzuhören und nicht eher zu antworten, als bis er sich genau überlegt hatte, was er sagen wollte ... Hier dachte er nun gar nicht daran, sich irgendwie festzulegen. Er interessierte sich für die Aussichten, die die einzelnen Parteien bei der Wahl hatten, hielt sich klug in der Reserve und beobachtete dabei mit geheimer Schadenfreude seine Frau, die unruhig auf ihrem Sofaplatz umherrutschte und offenbar ganz andere Schmerzen hatte, als die nahe bevorstehende Stadtverordnetenwahl.

Endlich hielt sie’s denn auch nicht mehr aus und griff nach ihrer wenig rücksichtsvollen Art mitten hinein in die Unterhaltung:

„Wie is es denn nu mit den Policen, Herr Küper?“

Der sah die Frau listig von der Seite an.

„Die habe ich bei mir, Frau Mathiessen, die hab’ ich hier!“

Er zog ein Kuvert aus der Tasche seines weiten, braunen Jacketts und wandte sich an Mathiessen.

„Ich habe ja Ihrer Frau meine Bedenken nich vorenthalten, lieber Herr Mathiessen; aber ich denke, weil sie doch sagte, dass es auf Ihren besonderen Wunsch wäre ... nich wahr, Herr Mathiessen?“

Der Lehrer blickte gross auf, und sofort fing bei seinem Gegenüber die Sprache wieder zu stolpern an:

„N .. n .. n .. na, nich wahr. Frau Mathiessen, wir haben doch l .. l .. l .. l .. lang und breit darüber gesprochen?“

Die Frau nickte nur bedeutungsvoll und sah dann ihren Mann wie in still lächelndem Vorwurf an, dass er den armen Herrn Küper wieder so fixierte.

Mathiessen, ganz perplex, erwiderte ihren Blick.

Der Agent kam, unbeachtet, auch besser vorwärts.

„I .. i .. ich hab’s ihr ja gesagt, Ihrer Frau, Herr Mathiessen, die Summe ist eigentlich so schon hoch genug, ... aber Sie, Herr Mathiessen, Sie sind ja doch’n verständiger Mann ... wenn Sie’s für recht halten und ’s sogar selber beantragen ... dann ... n .. n .. n .. natürlich, dann muss ich’s doch machen!“

Der Lehrer sah stumm vor sich nieder ... Er? ... Er hatte das gewollt? ... Natürlich! Er hatte ja selbst den Antrag auf Erhöhung der Police gestellt, hatte die Formulare selbst hingebracht zu dem Agenten! ... Ein Grauen überkam ihn, wenn er an die Verlogenheit dieses Weibes dachte ... Aber was wollte sie nur damit? ... Was beabsichtigte sie denn mit dem Vorschieben seiner Person in dieser widerwärtigen Angelegenheit? ... War es auch nur wieder ihre krankhafte Verlogenheit, die nichts, aber auch gar nichts ohne Intrige fertigbrachte? Oder verfolgte sie hier doch einen bestimmten Zweck mit ihrem Vorgehen? ... Denn letzten Endes beabsichtigte sie doch immer irgend etwas mit ihren Lügen und Verdrehungen; nur dass ihre Pläne und Plänchen oft nicht zur Vollendung kamen, weil sich in diesem ränkesüchtigen Geiste immer schon ein neues Ziel vor das alte schob, ehe das noch erreicht war.

Der Agent redete unablässig; er spasste mit der Frau, der er die Spesen und Sporteln erklärte, die der neue Versicherungsantrag von ihr forderte, und die ihr zu hoch erschienen.

Klaus Mathiessen sah die beiden heimlich an; das war der Mann, der zu Karoline gepasst hätte! ... Da hätte sich listige, von keiner Rücksicht beengte Schlauheit zur augendienerischen Geschmeidigkeit gefunden! Und in ihrer nur ganz äusserlich verhüllten Brutalität wären sie beide einander gleich und gewachsen gewesen! ... Aber sicherlich! Dieser alte Junggeselle, dem man trotz seiner Fünfzig alles Üble nachsagte, der hätte sich wohl gehütet, die mundfertige und in ihrer Eifersucht keine Grenzen kennende Frau zu ehelichen! Wie sie umeinander herumschlichen und sich gegenseitig schöne Redensarten machten, wie ein paar grosse, schnurrende Katzen, das war schon köstlich! ... Klaus Mathiessen merkte mit stillem Behagen, dass all der Ekel und Widerwille, den seine Frau noch eben in ihm weckte, einer schmunzelnden Betrachtung wich ... Wie merkwürdig und interessant waren die beiden doch im Licht ihrer verschlagenen Instinkte! ... Nur allein bleiben mit der Frau nachher, wenn der Agent weg war, das hätte Lehrer Mathiessen nicht gekonnt.

Und da kam er zu einer neuen Verwunderung über sich selber ... der Agent Küper erhob sich eben und sagte:

„Na, adieu, Frau Mathiessen! ... Adieu, Herr Mathiessen!“

Der Lehrer hatte aufgeblickt und dem Agenten gerade in sein vom vielen Alkohol entflammtes Gesicht gesehen. „L .. l .. l .. l .. leben Sie wohl!“ Er näherte sich, von Mathiessens Auge schadenfroh festgehalten, der Tür. Da sagte der Lehrer:

„Warten Sie doch, Herr Küper, ich begleite Sie noch ein Stückchen ...“

Frau Karoline, die ebenfalls aufgestanden und mit zum Ausgang gegangen war, die fuhr herum:

„Was, du willst noch fortgehen?“

„Ja ...“

Er sah sie fest an. Und zum erstenmal in ihrem ehelichen Zusammenleben wich das Auge der Frau vor dem ihres Mannes, irrte hin und her und versank in Schwäche.

Damit ging er hinaus auf den Korridor, nahm seinen Schlapphut vom Riegel und sagte, wieder hereintretend:

„Warte nicht auf mich, Karoline! ... Kommen Sie doch, Herr Küper ... adieu!“

Er küsste sie nicht auf die Stirn, wie er sonst, einer Art von Pflichtgefühl folgend, immer getan hatte ... Er nickte ihr zu, nahm einen heimlichen Blick des Argwohns und der trotzigen Drohung voller Gleichmut mit sich auf den Weg und betrat an Küpers Seite die Strasse ... Wenige Schritte von seinem Hause entfernt verabschiedete er sich von dem Agenten.

Der Mond stand über der Strasse, deren letzte Passanten in den Häusern verschwanden. Bei dem Kriegerdenkmal, in der Nähe des alten Brunnens, der seines guten Wassers halber gesucht war, standen noch ein paar Mägde mit ihren Burschen ... heimliches Lachen ... Laute, an deren Klang man hörte, dass sie Zärtlichkeiten sagten, trafen des Lehrers Ohr, der weiterging, durch die alte Baustrasse, zum Tore hin, wo der mittelalterliche Wachtturm breit und wuchtig in die blaue Nacht ragte.

Lehrer Mathiessen ging hinaus aus der Stadt. Und wie er die Strasse entlangschritt, deren linke Seite der alte Kirchhof einnahm, da sah er sich selber wieder als Schüler der Präparandenanstalt.

Er sah sich dort drüben im dunklen Eingang verschwinden, hinter die Ligusterhecken, in den Alleen, wo all die Jugend abends promenierte, die hier ihr Herz in Liebe schlagen fühlte ... Denn er war nicht allein, der langaufgeschossene Junge mit dem hellen Kraushaar, der kurz vor seinem Lehrerexamen stand ... An seiner Seite, durch das schweigende Dunkel, das die alten Bäume und vielleicht auch die längst Verstorbenen mit ihrem geheimnisvollen Flüstern belebten, ging ein blondes, schlankes Mädchen, das er immer einer Lilie verglichen hatte; so zart war sie gewesen, die Gertrud Florian, und so blass hatte sie ausgesehen ... In der Nacht freilich, in der stummen, seligen Frühlingsnacht, in die Faulbaum und Flieder ihre Düfte gossen, beim Schluchzen der liebenden Vögel hoch oben in den dunkeln Baumkronen, da spürte er nur den brennenden Hauch ihres roten Mundes und lauschte der verhaltenen Sehnsucht in ihren Worten, die noch ihren Teil von der grossen Daseinsfreude begehrte, ehe der Unerbittliche kam, der sie fortnehmen wollte für immer ... Nur dass der junge, hellhaarige Präparand zu schüchtern war und ihr Werben nicht verstand ... Er sprach ehrfurchtsvoll zu ihr, mit geheimem Beben und wagte nicht, den fiebernden Mund zu küssen, der sich ihm, ach so gern, geboten hätte! ... Dann kam das Examen, das Klaus Mathiessen mit allem Lobe bestand. Und als junger Lehrer in ein entferntes Dorf verschlagen, nahm der Jüngling das Bild der blonden Trude in seinem Herzen mit sich; am Abend seines Fortgehens hatten sie einander ihre junge Liebe gestanden ... Briefe flogen hinüber — herüber; bis eines Tages ihre Mutter, die von dem heimlichen Verlöbnis wusste, statt der Tochter schrieb: Die Trude sei unpass, hoffe aber bald selber ihren Bräutigam zu sehen, der ja in den Michaelisferien nach Hause kommen wollte.

Er kam auch und fand seine Liebste mit roten Rosen auf den schmalen Wangen in ihrem weissen Bette ruhend ... Und wie sie dann beide allein, ganz allein waren, da sagte das Mädchen mit hastiger, zitternder Stimme und mit Augen, die nichts mehr verbargen, nichts mehr verbergen wollten, zu ihm:

„Nun hab’ ich nichts gehabt von dir! ... Ich sterbe, und ich weiss nicht, wie es ist, wenn man sich ganz lieb hat ...“

Dann war die Mutter, eine zage, ängstliche, nicht kluge Frau hereingetreten, und die Tochter hatte geschwiegen.

Aber diese Worte seiner blassen Liebsten, die wenige Wochen später hinausgetragen wurde auf den Friedhof, diese Worte waren dem Lehrer immer nachgegangen und hatten ihn beschützt, dass er sein Herz und sein Leben nicht verzettelte in törichten Liebeleien ... Ja, er war der Verstorbenen wohl zu treu gewesen, hätte sonst vielleicht mehr vom Leben und Lieben gekannt und wäre nicht so leicht an jenem Abend, da die verwitwete Frau Doktor Wegberger ihm ans Herz sank, sich und seinem stillen Ideal untreu geworden.

Das ging dem langsam Hinschreitenden alles durch den Sinn, wie eben jetzt neben ihm in den alten Bäumen des ehemaligen Gottesackers eine späte Nachtigall schlug. „Nun hab’ ich nichts gehabt von dir!“ klang es wieder .. Aber die es sprach, war nicht tot! ... Sie lebte, wenn sie auch das blonde Haar der längst Hingeschiedenen trug und mit denselben Augen wie die Jugendliebe in sein Leben blickte.

Da merkte Klaus Mathiessen, dass sein Herz nicht auf den Pfaden der Vergangenheit, dass es im köstlichen Rausch der Gegenwart wandelte und dass er auf dem Wege war, sie zu suchen, der nun sein ganzes Selbst gehörte ... Und als ihm das erst klar geworden war, da hemmte auch kein inneres Bedenken mehr seinen Fuss ... Er wusste den Weg, er ging ihn mit der heissen Hoffnung, sie, die er liebte, zu finden.

Noch ein paar Villen lagen rechts und links an der Strasse ... Aus einer klangen Gläser und frohe Menschenstimmen, und im leuchtenden Ausschnitt des Verandaeingangs erschienen bunte Gestalten und lachende Gesichter ... Dann schloss sich die Heckenwand wieder neben dem jetzt rascher ausschreitenden Lehrer; aber die Heiterkeit, die Lust der Gäste folgte ihm in der stillen Nacht und machte sein Herz noch zuversichtlicher ... Einmal sah er sich um: die Kleinstadt mit ihrer dunkeln Enge, ihren kleinlichen und widrigen Geschichten lag hinter ihm — vor ihm breitete sich jetzt das Land unter dem silbernen Glanz des Mondes ... Im Korn zirpten Heimchen. Ein Singen und geheimes Tönen war in der Luft, das, vielleicht nur dem Ohr des einen Mannes vernehmbar, sein Herz so froh erhob und ihn wie auf Flügeln gleiten liess.

Da vor ihm in der Nacht, die wie dunkelblau durchsichtiges Glas schimmerte, stieg es schwarz empor ... Es rauschte leise und flüsterte von dort, und langsam lösten sich Bäume, schwarzschattende Rüstern und Tränenweiden aus dem Düster, die ihr dunkles Haar bis auf den Spiegel eines bleifarbenen Gewässers herniederliessen.

Das war ein Ort, der am Tage nicht weniger melancholisch deuchte als in der Nacht, wo des Mondes irre Lichter über die stummen Fluten huschten ... Aber dies Wasser ging weiter im trägen Lauf am Garten des Kommerzienrats Hindorf vorüber.

Und im Kahn, der irgendwo im Gesträuch gelegen hatte, trieb nun ein schlanker Mann, der die Ruder so leise führte, als dürfe er mit ihrem Plätschern die Nacht nicht erwecken.

Am Steg, wo der Mond mit der zitternden Welle spielte, band der, dessen Herz nicht minder bebte, den Nachen fest ... Dann stieg er behutsam tastenden Fusses ans Land.

Ging die Gänge, wo Flieder und Salweide mit Rotdornbüschen wechselten, hinauf und erstieg die Terrassen. Da duftete es von den Rosenbeeten; wie Wolken süssbetäubenden Atems von tausend glühenden Lippen wogte es um den Mann, der trunken von Liebe und Sehnsucht die Nacht durchsuchte.

Nicht über die Kieswege, mitten durch das tauige Gras des grossen Rondells, zwischen den Bosketts japanischer Sträucher und silberner Tannen, trieb es ihn zu der Laube hin, einer Jasminlaube, die ganz in Blüte stand.

Er wusste, sie liebte diesen Duft ... Und wie die Liebenden keine Gesetze des Möglichen achten, vertraute er der Sturmflut seines seligen Herzens, dass sie die Geliebte herbeitragen würde zu ihm, in Nacht und Dunkelheit.

Er sass in der Laube. Er schickte seine suchende Seele aus, mit der wilden Weisung, nicht ohne ihr vergöttertes Selbst wiederzukehren ... Doch seine Seufzer blieben allein, unerwidert von einer grossen Liebe, die ihn ganz erlösen sollte.

Da schlich er der Villa näher ... Er sah Licht ... Er stieg die Steinstufen einer Veranda hinauf und sah sie, die Geliebte, die allein, über das Buch, das vor ihr lag, hinstarrend, im Sessel lehnte.

Er klopfte leise.

Aufschreckend hob sie sich im Sessel ... und erkannte, wie er sein Antlitz an die Scheiben presste.

Ihr Aug’ flog im Gemach ... sie kam ...

Und wortlos, wie zwei, die den Tod selber herausfordern um ihrer Leidenschaft willen, schlichen sie beide in den mondbeschienenen Garten.

Sie hielt seine Hand, die Hand, die sie nicht lassen wollte, an jenem Abend, wo sie ihm Herz und Seele entschleierte — sie hielt seine Hand glühend in der ihren!

Sie gingen schnell, von ein und demselben Gedanken beseelt, die Laube zu erreichen.

Der Mondschein erhellte den Garten — jeder hätte die beiden Menschen sehen können, die von ihrem Schicksal gejagt dahineilten ... Sie dachten nicht daran, oder sie konnten an nichts anderes mehr denken, als an sich selber ganz allein! ... Ihr Angesicht, vom Glanz des Mondes und von trunkener Begeisterung erhellt, hing wie bewusstlos an dem Manne, dem ebenso Gedanken und Ideen nur auf einen Punkt zusammenstrahlten — ihr nahe zu sein und sie zu besitzen.

So verschwanden sie in der Laube, die ihre Blätter und blühenden Ranken hinter ihnen dicht verschloss ... Das Geisterangesicht des Mondes schaute herab ... Die Nacht mit ihren tausend Ohren lauschte atemlos ... Es war, als seien die beiden hinabgeglitten durch die dunkellaubige Pforte ins Reich der Schatten ... Und die Zeit zerfloss im Duft der Blumen, in der silbernen Ruhe der Nacht und in der letzten Leidenschaft zweier Menschen, die mit der Welt sich selber vergassen.

Auf einmal kam irgendwoher ein misstönendes Geräusch ... ein Tuten ... und Blasen ... dann fing eine Glocke zu schreien und zu klagen an ... Und dort drüben, über dem düsteren Komplex der Häuser und Dächer, die im Mondlicht, im weisslichen Dunst verzitterten — dort drüben glomm und glostete es auf einmal im roten Schein.

Eine Gestalt tauchte auf vor der Laube, an die sich die zweite bald schmiegte.

Sie lauschten ... gingen ängstlich um die weiss überschneiten Jasminbüsche.

„Es brennt ... in der Stadt ...“, sagte er leise.

Sie küssten sich, wie in stiller Abwehr gegen alle Dinge, die von dort an sie heranwollten.

Da plötzlich durchzuckte es den Mann, der in die Richtung des Brandes starrte, dessen Feuerarm jetzt lodernd empordrohte ... Und der Lehrer stöhnte.

„Wo ist das? ... Am Markt? ... Wo? ... Um Gottes willen!“

Irgend etwas riss entzwei in Klaus Mathiessens Brust ... Er wand sich, als habe er im Flammenschein Schreckliches gesehen.

„Ich muss fort, Liebes!“

Sie hielt ihn.

„Du!“

Ein Schauer von Küssen ...

Dann ging er, eilte, verfolgt von ihren brennenden Blicken.

Feuer!

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