Читать книгу Nuclatom - Hans J Muth - Страница 12
5. Kapitel
ОглавлениеDie Zeit davor/Auf der Suche
An diesem Morgen wachte ich von Alpträumen geplagt, schweißgebadet auf. Immer wieder war Felix aufgetaucht, hatte mir zugewinkt und war dann einfach wieder verschwunden. Dann folgte das Quietschen von Autoreifen. Dies war der Moment, der mich jäh aus dem Schlaf riss. Ich sah zu meiner Armbanduhr, die ich auf dem Nachttisch abgelegt hatte. 7:30 Uhr. Ich fühlte mich wie gerädert. In der Nacht war ich mehrfach aufgewacht und hatte immer eine geraume Zeit gebraucht, um wieder einzuschlafen.
Ich stand auf, duschte und kleidete mich an. Appetit auf ein Frühstück hatte ich nicht. Ich brühte mir eine Tasse Instant-Kaffee auf und überflog die Tageszeitung. Natürlich war Nuclatom wieder ein Thema, wie es in jeder Woche mindestens einmal der Fall war. Ministerpräsidentin will Frankreich zum Abschalten von Nuclatom bewegen war die heutige Schlagzeile.
Ich lächelte für mich und dachte an Don Quichote. Wir Deutschen sollen es schaffen, die Betreiber des dazu bewegen, das Kernkraftwerk Nuclatom abzuschalten? Sie meinte es ernst, da hatte ich keine Zweifel. Wie aber heißt es so schön in unserer deutschen Gerichtsbarkeit: Ein untauglicher Versuch am tauglichen Objekt! Doch sie versuchte es und die Formulierung fand ich gut: Wenn die deutschfranzösische Freundschaft ernst genommen wird, gilt es auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen und dazu gehört, dass der Weiterbetrieb von Nuclatom ein inakzeptables Risiko darstellt, denn im Falle eines größeren Unfalls sind vor allem die Nachbarländer vom radioaktiven Fallout betroffen ganz zu schweigen von der Verseuchung des benachbarten Flusses den Atomtransporten durch unsere Region und dem strahlenden Erbe, das wohl irgendwo verbuddelt werden soll.
Ich legte die Zeitung beiseite. Was konnte ich tun, um die Wahrheit über Felix' Tod herauszufinden. Ich musste meine Gedanken sammeln. Ich musste herausfinden, warum man Felix vorsätzlich überfahren und getötet hatte. Felix verlangte es von mir, das spürte ich. Immer wieder tauchten in meinen Gedanken seine letzten Worte auf:
„Sabotage, sei vorsichtig!"
Was hatte er mir noch sagen wollen? Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Sabotage? Was sollte sabotiert werden? Das Werk? Nuclatom? Wie sollte das gehen? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Was meinte Felix nur?
Obwohl ich normalerweise zu Fuß in der Stadt unterwegs war, zog ich es heute vor, nicht auf meinen Geländewagen, einen Ford neueren Modells, zu verzichten. Kurze Zeit später saß ich in einem Bistro der Stadt in Fensternähe bei einer Tasse Kaffee und sah dem regen Treiben der Fußgänger zu. Doch ich konnte mich den Menschen nicht so widmen, wie ich es sonst tat, wenn ich meinen Espresso an dieser Stelle trank. Dann war es interessant zu sehen, wie vielfältig die Menschen als Einzelpersonen doch sind, wie sich sie verhielten oder wie sie als Teile der Wohlstandsgesellschaft ihr oftmals üppiges Gewicht durch die Straßen transportierten.
Heute war es anders. Ich sah durch die Menschen hindurch, geplagt von meinen Gedanken und dem Unwissen dessen, was ich tun konnte.
Ich überlegte. Man hatte Felix nicht von einer Minute auf die andere vom Leben zum Tod befördert. Ich konnte mir vorstellen, dass es da schon einen gewissen Vorlauf gab. Hatte man etwas von ihm verlangt, das er nicht einhalten konnte, nicht einhalten wollte? Schuldete er jemandem Geld, das er nicht zurückzahlen wollte. Oder wurde er gar erpresst? Ich musste es in Erfahrung bringen
Ich rief nach der Bedienung, zahlte und verließ das Bistro. Wenige Minuten parke ich meinen Offroader vor einem Mehretagenhaus am Rande der Stadt, vor dem Anwesen, in dem sich die Wohnung von Felix befand.
Die Straße vor dem Haus war relativ wenig vom Fahrzeugverkehr frequentiert, obwohl sich in einer Entfernung von etwa 200 Metern ein Discountmarkt befand. Die Ursache hatte ich schnell erkannt. Der Verkehr, den oberhalb des Discounters ein Zubringer der Bundesstraße ausspuckte, bog entweder nach links und damit entgegengesetzt von meinem Standort ab oder aber die meisten Fahrzeuge, die in meine Richtung kamen, bogen auf den Parkplatz des Supermarktes ab.
Nur wenige Fahrzeuge hatten ein anderes Ziel und fuhren an mir vorbei in Richtung des westlichen Stadtteils. Umgekehrt verhielt es sich genauso. Die aus dem Supermarkt herausfahrenden Autos bogen nach links ab, offensichtlich um das erworbene Gut nach Hause zu transportieren. Nur wenige dieser Fahrzeuge kamen in meine Richtung.
Mir war das recht, denn ich hatte kein großes Verlangen, vor oder im Hause der Wohnung von Felix gesehen zu werden.
Mein Blick überflog die Klingelschilder, von denen es insgesamt acht, zum Teil arg verblasste Exemplare, gab. Das zweite von oben auf der rechten Seite gehörte zu Felix‘ Wohnung. F. Hormeyer stand auf weißem Hintergrund in kräftigem Schwarz von Hand geschrieben. So war Felix. Immer musste alles sauber und akkurat sein. Sein Klingelschild hob sich deutlich von den anderen ab. Ich selbst stand heute das erste Mal vor diesem Haus. Felix und ich hatten uns entweder bei mir oder in einem Lokal getroffen, wenn wir das Bedürfnis hatten, miteinander zu reden.
Die Eingangstür des Hauses war verschlossen. Ich überlegte kurz. Dann drückte ich auf einer der beiden Klingeln der Wohnungen im Erdgeschoss. Es dauerte nur Sekunden, bis der Summer ertönte. Ich trat in das Treppenhaus und sogleich öffnete sich die Tür der rechten Wohnung. Eine ältere Frau mit zerzaustem grauem Haar streckte ihren Kopf durch den Türspalt und sah mich fragend an.
„Entschuldigung", sagte ich und setzte ein freundliches Lächeln auf. „Es war ein Versehen. Ich wollte zu Hormeyer. Tut mir leid." Ich hoffte, dass die Nachricht vom Felix‘ Tod noch nicht bis hierher gedrungen war, doch da täuschte ich mich.
„Schon wieder Polizei?", krächzte die Alte. „Ihre Kollegen waren doch eben schon hier. Was hat er denn ausgefressen, dieser Hormeyer, dass man sich so um ihn kümmert?"
Ich versuchte die Nachricht schnellstmöglich zu verdauen. Polizei? War durchaus möglich. Aber warum wusste die Frau nicht, dass Felix tot war. Polizisten, die ihren Ermittlungen nachgingen, würden sich im Haus nach dem Vorleben des Toten erkundigen und Fragen nach seinem Bekanntenkreis stellen. Ich beschloss, vorsichtig vorzugehen.
„Ja, ja", winkte ich lächelnd ab und versuchte ihr glaubhaft zu machen, dass wichtige Ermittlungen durchzuführen seien und dass es durchaus sein könnte, dass die Polizei noch mehrere Male hier auftauchen würde. Wenn sie mich schon für einen Polizeibeamten hielt, offensichtlich glaubte sie, ich sei ein Kriminalist, wollte ich vorbeugen, für den Fall, dass ich es für nötig finden würde, noch einmal herzukommen.
Die Frau schloss kopfschüttelnd die Tür und ich stieg die Treppe hinauf in die dritte Etage. Dann stand ich vor der Wohnung mit einem weiteren Klingelschild: F. Hormeyer. Während ich noch überlegte, wie ich in die Wohnung gelangen konnte, fiel mir der Lichtschimmer auf, der entlang der Schlossseite zu mir herüber fiel.
Die Tür war unverschlossen und stand einen kleinen Spalt weit auf. Ich verhielt mich einen Moment still und lauschte ins Innere der Wohnung. Es blieb still. In der Wohnung schien sich niemand aufzuhalten. Doch warum war die Tür unverschlossen? Wäre die Polizei hier gewesen, hätten sie die Tür wieder verschossen, ja, unter Umständen sogar versiegelt.
Ich wartete noch einen kleinen Moment und als sich im Inneren immer noch nichts regte, drückte ich die Tür langsam auf. Die Sonne schien auf der gegenüberliegenden Seite grell in die Wohnung und blendete mich für einen Augenblick. Als meine Augen dem Lichtschein auswischen und sich an die normale Helligkeit im Raum gewöhnt hatten, bot sich mir ein Bild der Verwüstung.