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Das Schiff

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Der Lohn unserer Arbeit war das Sehen. Jeder von uns hatte, je nach Veranlagung, dazu beigetragen. Wir hatten Planeten auf neue Umlaufbahnen gesetzt, einen riesigen Gasplaneten als eine Art Staubsauger eingeschaltet, der die Erde vor Meteoritenschauern und Kometen schützte — ja, wir hatten eine neue Welt erschaffen.

Bis ins kleinste Atom ist sie durchdacht; ein zusammenhängendes System der Perfektion.

Jedes Teil unserer Welt ist miteinander verwoben, nichts ist nur zum Selbstzweck vorhanden. Eins griff ins andere und ergab ein Ganzes. Es funktionierte ohne Ergänzung, da es sich aus sich selbst heraus erneuerte.

Als wir dann die Erde zum ersten Mal im Ganzen sahen, jubelten wir und dankten Adonai, denn er war die treibende Kraft, es waren seine Ideen und wir alle durften mithelfen.


Adonai war schon da, als er die Erde, die offenen Räume und den ersten Teil der Staubmassen des ertragfähigen Landes noch nicht gemacht hatte. Als er die Himmel über die Planeten baute, als er die Fundamente der Erde abmaß, spannte er den Norden aus über dem leeren Raum und hängte die Erde auf am Nichts. Er legte ein Netz von magnetischen Feldern um den Planeten, damit die Elementarteilchen nicht in den Raum entfliehen konnten. Die Rotationen erzeugten Gravitation, sie hielt den Inhalt des Universums in ihren Bahnen.

Es war unsere Belohnung sein fertiges Werk sehen zu dürfen. Wir umarmten uns vor Freude und konnten es nicht fassen: So schön hatten wir uns die Erde nicht vorgestellt.

Wir waren vorher, mit weiten Schwingen dunkler Materiepartikel hinter uns her ziehend, durch ein galaktisches Wurmloch geschleudert und in das vierte All, ziemlich am Ende des zweiten Universums rausgekommen. So mussten wir drei Monate durch die Finsternis, bis zum Ende der Nachbargalaxie Centaurus A reisen. Von der Erde war sie dreizehn Millionen Lichtjahre entfernt.


Unser Schiff ist nicht materiell; es besteht aus Billionen von freien, geistigen Quantenideen. Dadurch konnte es zur gleichen Zeit an verschieden Orten sein. Da die Zeit bei uns nicht existiert, sind diese Quantensprünge wie Gedankensprünge möglich. Das hat auch einen Nachteil: Wir sind gezwungen, in sphärischer Trigonometrie zu fliegen. Das bedeutet, die beiden Koordinaten des Ausgangs- und Endpunktes mussten in direkter Linie auf die Millisekunde genau in einer Geraden festzulegen sein.

Wir können keiner Materie ausweichen. Selbst das kleinste Staubkorn würde mitgerissen. Sollten wir durch eine Sonne gehen, würde sie durch den Quantenorkan unserer Geschwindigkeit explodieren und in eine nicht berechenbare Länge gedehnt. In dieser Länge entstünde ein Sog, ein Teilchenstrudel, der alle Materie in seiner Nähe anziehen und in langen Fahnen mit sich reißen würde.

Durch diese Aspekte wurde selbst der endlose Raum der Universen kleiner und enger.

Wir waren gezwungen selbst den aktiven Spirallilien der Galaxien, die Radio-, Röntgen-, Submillimeter-Strahlung und Elektroden ins All schleuderten, auszuweichen, um kein schwarzes Loch zu hinterlassen. Das wäre die Multikatastrophe, dass Aus für jedes Sonnensystem.


Ein digitales Quanten-Hologramm in vier Dimensionen für jedes Universum stand uns zur Verfügung. In diesen Hologrammen berechnete die Mathematik unseren Kurs.

Die Mathematik berechnete daher eine Gerade nach der anderen und navigierte mit äußerster Genauigkeit. Sie steuerte unser Schiff durch die Vorgabe unserer Gedankensätze.

Das war ihr Element, sie war glücklich und jetzt richtig wichtig. Einen ihrer Gedankengänge konnten wir mithören: „Endlich bin ich mal ich selbst und habe etwas zu tun.“Es hätte nicht viel gefehlt, dann hätte sie auch noch ein Liedchen gesummt.

Ja, der Quantencomputer war zu einer selbstdenkende Maschine programmiert und hatte so ganz nebenbei, ohne ernste Absicht auch ein paar Gefühle mitbekommen.

Sehnsucht nach Zärtlichkeit

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