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4) Die Toten von Schwarzenbroich

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Im Kriegswinter 1944/45 strömten Teile der deutschen Wehrmacht durch die Eifel über die Reichsgrenze zurück in das noch existierende Deutsche Reich. Groß war die Zahl der Verwundeten, die auf ärztliche Hilfe hofften – meist vergebens. Das Sterben gehörte in dieser Zeit zum täglichen Leben. Im Hürtgenwald, einem Ausläufer der Nordeifel, bestand bis in die vierziger Jahre das ehemalige Restkloster Schwarzenbroich als ruinöses Relikt aus dem 12.Jahrhundert, unweit der Laufenburg, eines stattlichen mittelalterlichen Bauwerks. Das Zisterzienser Kloster ging auf eine gräfliche Stiftung zurück und besaß in der Region umfangreiche Ländereien. Das änderte sich nach dem Einmarsch der Franzosen während der französischen Revolution. Die Klöster wurden vielerorts säkularisiert, ihr Besitz öffentlich gemacht, verkauft oder zerstört. Schwarzenbroich erging es nicht anders. Noch bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges waren die Ruinen des Klosters ein beliebtes Ausflugsziel bei Wanderern. Später Sperrgebiet wegen des nahen Westwalls, dann Korridor der aus dem Westen zurückströmenden Reste der deutschen Wehrmacht. In dieser Zeit hielten sich auch Kampfeinheiten und Verwundete sporadisch in der klösterlichen Ruinenanlage auf, was den Alliierten nicht verborgen blieb. Im Zuge der nachfolgenden Kampfhandlungen wurden die baulichen Überreste des Klosters Schwarzenbroich dem Erdboden gleich gemacht. Die Erinnerung an die verlustreichen Kämpfe um Monte Cassino in Italien drängten sich auf. Also wurde beschlossen, die noch bestehenden Ruinen der Klosteranlage durch Bombenangriffe und Artilleriebeschuss zu zerstören. In den Novembertagen des Jahres 1944 begann noch vor Morgengrauen die Vernichtung von Schwarzenbroich. Die Verwundeten und Frontsoldaten wurden von der Wucht des Angriffs und seiner Heimtücke völlig überrascht. Ein Entkommen aus den inneren Bereichen der Klosteranlage war schwerlich möglich. Das Schreien der sterbenden Verwundeten, die sich schon gerettet glaubten, übertönte sogar das Heulen der Bomben und das Stakkato der Bordkanonen. Schwarzenbroich wurde nie mehr aufgebaut. Die ausgebrannten Restmauern des Klosters ragen noch heute plötzlich und unerwartet wie verstümmelte Extremitäten eines gemarterten Leibes aus einem wild wuchernden Urwald vor den Wanderern aus dem Boden. Der Besucher spürt die Intensität des Leidens und der Schmerzen, die in diese Mauern eingebrannt sind. Wer in den Tagen von November auf Dezember diesen Ort der Qualen aufsucht, dem wird das klagende Wimmern der Sterbenden wie feines Gewisper aus den Mauern zugetragen. So kann man es zuweilen von den alteingesessenen Einheimischen erfahren, welche diese Zeit noch als Kinder erlebt haben und diesen Ort des Schreckens, der Leiden und Qualen in diesen Tagen nach Möglichkeit meiden. Legende - Fiktion - Realität - Memento Mori - Besinne dich deiner Sterblichkeit!

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