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2. Kapitel – Die geheimnisvolle Jenny

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Der ‚Wattkieker‘ lag etwas außerhalb des Inselortes auf halbem Weg zu dem großen Campingplatz am Ostende der Insel. Das landestypische Backsteingebäude stand geschützt in einer Mulde hinter den Dünen und war ein beliebtes Ausflugsziel. Von hier aus konnte man schöne Wanderungen auf dem sich schier endlos ausdehnenden Strand machen. Das Lokal war gut besucht, denn auch andere Urlauber hatten wohl die Werbung mit der Happy-Hour entdeckt. Robert und Nanni hatten jedoch Glück, denn gerade als sie das Lokal betraten, wurde ein kleiner Tisch in einer Ecke frei. Die Bedienung, ein junges, hübsches Mädchen mit einem fröhlich wippenden Pferdeschwanz, kam an ihren Tisch und nach einem freundlichen „Moin!“ fragte sie nach ihren Wünschen.

„Wir hätten gern zwei von ihren berühmten ‚Pharisäern‘.“

Während sie auf ihre Bestellung warteten, sah sich Robert in dem Lokal um. Ihn interessierten natürlich weniger das Gebäude und die Einrichtung, sondern viel mehr das Personal und die Gäste. Hatte die Tote irgendeine Beziehung zu diesem Lokal gehabt? Als das junge Mädchen ihnen die beiden Tassen servierte, versuchte Robert mit ihr ins Gespräch zu kommen und fragte sie:“ Warum heißt das Lokal eigentlich ‚Wattkieker‘? Hier kann man doch gar nicht auf das Watt sehen.“

Sie lachte. „Da sind sie nicht der Erste, der das fragt. Die Erklärung ist ganz einfach. Unsere Chefin hatte früher ein Restaurant auf der Wattseite der Insel, das jedoch abgebrannt ist. Sie hat dann dieses Lokal hier übernommen und weil ihr der alte Name so gut gefiel und ihre Stammgäste sie mit diesem Namen verbanden, hat sie ihn beibehalten.“

„Ich hätte da noch eine Frage.“ Robert zückte sein Handy aus der Tasche und zeigte der Frau das Foto von der Toten. Er hatte sie so fotografiert, dass nur der Kopf zu sehen war und der blutüberströmte Oberkörper nicht mit auf dem Bild war.

„Kennen Sie diese Frau zufällig?“

„Warum fragen Sie?“, reagierte die Bedienung misstrauisch.

„Nun ja, der Grund für meine Frage ist nicht sehr erfreulich. Ich bin pensionierter Kriminalbeamter und habe die Frau heute Morgen tot am Strand aufgefunden. In der Nähe lag ein Streichholzheftchen dieses Restaurants und da habe ich mir gedacht, dass die Tote hier vielleicht bekannt ist.“

Er war froh, dass die Bedienung nicht auf die Idee kam zu fragen, warum er nicht den Namen der Toten kannte.

„Ja, ich kenne sie. Das ist die Jenny, die arbeitet auch hier. Sie hat aber heute frei.“

Bei ihrer Antwort war ihr noch nicht bewusst geworden, dass Robert von einer Toten gesprochen hatte.

„Wer kann mir denn etwas über Jenny sagen?“

„Da fragen Sie am besten mal die Chefin. Ich sage ihr Bescheid.“

Nach einer Weile näherte sich eine sehr stämmig gebaute Frau ihrem Tisch. Sie trug ein ähnliches Outfit wie die Bedienungen. Eine schwarze Hose und ein schwarzes Oberteil mit dem gestickten Logo und dem Namen des Lokals. Im Gegensatz zu den hautengen T-Shirts ihrer Angestellten trug sie jedoch eine weit geschnittene Bluse, die ihren eindrucksvollen Busen verhüllte und die etwas aus der Form geratenen Hüften nur erahnen ließ.

„Kerstin hat mir erzählt, dass Sie sich nach Jenny erkundigt haben. Oh pardon, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Insa Folkerts. Mir gehört der ‚Wattkieker‘. Was ist mit Jenny?“, fragte die resolute Wirtin.

„Ich bin Robert Müller, Kripobeamter a.D.. Ich habe heute Morgen am Hundestrand ihre Mitarbeiterin tot aufgefunden und bin hier bei Ihnen, weil in der Nähe ein Streichholzheftchen Ihres Lokals lag. Ich dachte, dass die Tote vielleicht etwas mit Ihrem Lokal zu tun hat. Kerstin hat sie auf einem Foto auch tatsächlich als Kollegin erkannt. Es soll Jenny sein.“

Das a.D. hatte er mal wieder fast verschluckt und die Wirtin ging auch nicht darauf ein.

„Kann ich das Foto auch einmal sehen. Vielleicht hat sich Kerstin geirrt.“ Robert nahm sein Handy vom Tisch und zeigte der Wirtin das Foto vom Opfer. Sie betrachte es sehr aufmerksam.

„Ja, das ist unsere Jenny. Sie sagten, Sie haben sie tot aufgefunden? Wie das denn? Sie war doch kerngesund und dann am Hundestrand; sie hat doch gar keinen Hund. Also das ist ja alles sehr merkwürdig.“

„Leider muss ich Ihnen sagen, dass Jenny ermordet wurde.“

„Nein, das gibt‘s doch nicht. Ermordet? Sind Sie sicher?“

„Ja, sie wurde zweifelsfrei erstochen. Können Sie mir was zu ihrer Person erzählen? Wir wussten bis jetzt nicht, wer das Opfer war. Wir haben weder eine Handtasche noch Papiere bei ihr gefunden. Noch nicht einmal ein Handy, obwohl doch heute kaum noch jemand ohne so ein Gerät auskommt. Vor allem die Lebensjüngeren.“

„Ich kann Ihnen zwar etwas zu Jenny sagen, aber über ihr Privatleben weiß ich sehr wenig. Jenny heißt mit Nachnamen Hauptmann und ich habe sie als Saisonaushilfe eingestellt. Sie hatte sich auf eine Annonce in einem Internet-Jobportal hin bei mir beworben. Sie hatte wohl während ihres Studiums als Kellnerin gejobbt und wollte mit dem Job bei mir eine Auszeit überbrücken, bevor sie im Herbst ins Ausland gehen wollte. In der einwöchigen Probezeit habe ich schnell feststellen können, dass sie tatsächlich nicht das erste Mal in einem Lokal arbeitete. Sie war sehr freundlich und aufmerksam. Das ist bei den Saisonkräften nicht immer selbstverständlich. Ich habe da schon so einige katastrophale Erlebnisse gehabt, aber Jenny war wirklich gut.“

„Können Sie mir sagen, wo sie gewohnt hat und ob sie Freunde hier hatte?“

„Ich sagte ja schon, dass ich sehr wenig über ihr Privatleben weiß und auch nichts über ihr Leben, bevor sie auf die Insel kam. Nur, dass sie eben studiert hatte, ansonsten weiß ich nichts über sie. Ob sie Familie hat oder so. Beiläufig hat sie mal erwähnt, dass sie irgendwo in Niedersachsen aufgewachsen ist. Bei dem alltäglichen Stress bleibt auch wenig Zeit zum Klönen. Gewohnt hat Jenny in einem kleinen Mansardenzimmer hier oberhalb des Restaurants.“

„Haben Sie irgendwelche Papiere von ihr? Sozialversicherungsnummer oder Angaben zur Krankenkasse oder vielleicht eine Bankverbindung?“

„Da muss ich in meinem Büro nachschauen. Alle Bewerber müssen einen Fragebogen ausfüllen und darin auch persönliche Daten angeben. Definitiv weiß ich aber, dass Jenny mir keine Bankverbindung genannt hat. Sie wollte ihr Geld lieber bar erhalten. Das kam mir damals zwar ungewöhnlich vor, aber sie meinte, es wäre ihr zu umständlich, jedes Mal in den Ort fahren zu müssen, um an Bargeld zu kommen. Ich gab mich mit der Erklärung zufrieden, denn jeder hat ja so seine kleinen Macken.“

„Was hat sie denn so verdient?“

„Mit Trinkgeld, und sie hat mit ihrer freundlichen Art einiges bekommen, kam sie so ungefähr auf 2.000,- Euro im Monat jetzt zu Beginn der Saison.“

„Und die Sozialabgaben, die Lohnsteuer. Wie wurden die gezahlt?“

Die Wirtin wurde ein wenig verlegen und meinte kleinlaut: „Darum kümmert sich mein Steuerberater. Der macht immer eine Halbjahresabrechnung und so lange war Jenny ja noch nicht bei uns.“

„Nun gut, ich bin nicht von der Steuerfahndung. Das wird schon O.K. sein. Ich habe noch eine Bitte. Kann ich mir mal Jennys Zimmer ansehen?“

Die Wirtin zögerte kurz. „Ohne Durchsuchungsbefehl? - Ach, wird schon in Ordnung sein. Sie sind ja auch nicht von der Steuerfahndung.“

Sie lächelte ihn an und ging voraus zu einer Tür bei den Garderobenhaken, auf der in großen, unübersehbaren Buchstaben ‚Privat‘ stand. Direkt hinter der Tür verbarg sich eine steile Treppe, die in das Mansardengeschoß führte. Oben schloss sich ein kleiner Flur an, von dem auf jeder Seite vier weitere Türen abgingen.

„Hier wohnen meine Saisonkräfte. Insgesamt habe ich 6 Zimmer; die ersten beiden Räume sind eine Toilette und ein kleines Badezimmer. Die Zimmer sind mit dem Notwendigsten möbliert und auch mit einem Fernseher ausgestattet. Meine Mitarbeiter sind ganz froh, dass sie hier wohnen können und ein wenig Komfort haben, denn im Ort sind die Wohnungsmieten recht hoch. Verpflegt werden sie über unsere Restaurantküche, so dass es ihnen also eigentlich an nichts fehlt. Wenn sie mal in den Ort wollen, können sie entweder eins unserer Mietfahrräder nehmen oder mit dem Bus fahren. Aber meistens sind sie nach ihrer Schicht ziemlich abgespannt und haben eher Lust am Strand zu relaxen. Nur an ihrem freien Tag fahren sie hin und wieder mal in die Stadt oder aufs Festland.“

„Wie sieht es denn mit Besuch und Freundschaften aus?“, wollte Robert wissen.

„Während der Saison ist dafür kaum Zeit und ich gucke da auch nicht so genau hin. Wir sind ja kein Kloster. Bisweilen kommt schon mal ein Freund oder Bekannter vorbei.“

„Auch bei Jenny?“

„Nö, eigentlich nicht, wenn ich mich recht erinnere.“

„Sie hatte keine Freunde? Sie war doch eine recht attraktive Frau und sehr gepflegt. Da hat doch auch bestimmt der ein oder andere Gast mit ihr geflirtet.“

„Ja, das schon, aber ich habe nicht mitbekommen, ob sie sich außerhalb unseres Restaurants mal mit jemanden getroffen hat.“

„Hatte sie unter den anderen Mitarbeitern jemanden, mit dem sie sich angefreundet hatte?“

„Vielleicht mit Jens. Die Beiden haben öfter zusammen eine Raucherpause hinter dem Gebäude gemacht und dabei geklönt.“

„Jens, und weiter?“

„Jens Overmann, ein Student aus Bremen, der jetzt schon die dritte Saison bei mir jobbt. Haben Sie noch Fragen? Ich müsste mich mal wieder um meine Küche kümmern, denn um diese Zeit ist bei uns immer viel los. Sie können sich aber gerne noch ein wenig umsehen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen schon mal ein bisschen weiterhelfen.“

„Ja, danke. Ich denke, mit Ihren Hinweisen lässt sich die Tote identifizieren.“

Die Wirtin ging in Richtung Treppe, drehte sich aber noch einmal kurz um und bat darum, dass Robert sie bitte informieren solle, wenn er etwas Neues wüsste und lud Nanni und Robert noch zu einem Pharisäer auf Kosten des Hauses ein.

Nanni hatte das Gespräch mit der Wirtin mit kritischer Miene verfolgt und war gar nicht damit einverstanden, dass Robert sich so intensiv mit diesem Mord beschäftigte.

„Sag mal, wie willst du Nele Jansen erklären, dass du hier ihren Job übernommen hast?“

„Naja, ich musste doch erst einmal feststellen, was an Aikas Fund dran war. Hätte ich das Nele direkt erzählt, hätte sie mich wahrscheinlich gefragt, ob ich bei meinem Dienstunfall auch was am Kopf abbekommen hätte. Und weil wir nun einmal hier waren und sogar das Opfer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit identifizieren konnten, war es doch normal, noch ein wenig nachzufragen. Außerdem erspare ich Nele die umständliche Fahrt auf die Insel und kann ihr so eine Menge Zeit sparen.“

„Dich treibt die reinste Nächstenliebe, du alter Spürhund!“, lächelte Nanni und gab ihm ein Küsschen. Nun möchte ich aber das Angebot der Wirtin annehmen und noch einen Pharisäer genießen.“

Während der ganzen Zeit, die sie in dem Zimmer verbracht hatten, war Aika schnüffelnd durch den Raum gegangen und war immer wieder vor dem Bett stehengeblieben.

Nun wedelte sie aufgeregt mit ihrem langen Schwanz und schaute immer wieder zu ihrem Frauchen und ihrem Herrchen auf.

„Was willst du uns zeigen Aika? Hast du wieder was Interessantes entdeckt?“, Nanni war nun ebenfalls neugierig geworden und beugte sich zu ihrem Hund hinab. „Ich kann hier aber nichts sehen.“

Aika schob nun ihren Kopf unter die lose herabhängende Bettdecke und legte sich flach hin. sich auf. Sie schob sich unter das Bett und kläffte leise. Robert war derweil in dem Zimmer neugierig umhergegangen ohne zu wissen, wonach er eigentlich suchen sollte.

„Komm doch mal hier her. Ich glaube, unser Hund hat wieder etwas entdeckt.“

Robert bückte sich vor dem Bett und versuchte Aikas Entdeckung zu sehen. Aber erst als er sich auf die Knie begab, konnte er weit genug unter das Bett sehen und einen kleinen Koffer hervorziehen, der dort offensichtlich versteckt worden war. Er legte ihn auf das Bett und noch bevor er aufgestanden war, hatte Nanni den Koffer schon geöffnet. Auch sie hatte nun ein gewisses Jagdfieber gepackt.

„Och, der ist ja leer! Aber ein edles Stück, von einer namhaften Designermarke. War bestimmt recht teuer. So toll finde ich den aber nicht. Wenn das ein edles Teil sein soll, dann ist er aber schlampig verarbeitet.“, meinte sie enttäuscht. „Schau, hier ist das Futter gar nicht richtig vernäht.“

Nanni untersuchte den Koffer noch etwas näher und stellte fest, dass das Futter im Deckel sehr unfachmännisch mit einem ganz anderen Faden vernäht war als die übrigen Nähte. Robert schob Nanni ein wenig zur Seite um besser sehen zu können und tastete das Futter vorsichtig ab.

„Du, ich glaub, hier ist etwas versteckt. Ich fühle da einen kleinen Gegenstand.“

Noch bevor Nanni etwas entgegnen konnte, hatte Robert sein Schweizer Offiziersmesser, das er immer bei sich trug, aus der Hosentasche gezogen und fing an vorsichtig das Futter aufzutrennen.

„Meinst du, dass das richtig ist? Solltest du nicht doch Nele informieren?“

„Wer weiß, was da verborgen ist. Vielleicht ein ganz harmloser Gegenstand. Wir schauen uns den jetzt erst einmal an. Nele kann ich dann immer noch anrufen.“

Während dieses Gesprächs hatte Robert die Naht des Kofferfutters so weit geöffnet, dass er mit der Hand unter den Stoff fahren konnte und den Gegenstand ertasten konnte. Das Teil war aber irgendwie am Kofferdeckel fixiert worden und er konnte es nicht ablösen. Erst als er das Futter so weit aufgetrennt hatte, dass er es herunterklappen konnte, sahen sie ihren Fund. Ein USB-Stick war mit Panzerband in den Deckel geklebt worden.

„Nun musst du aber wirklich Nele informieren. Wenn sich diese Jenny so viel Mühe gegeben hat, den Stick zu verstecken, könnte der was mit ihrem Tod zu tun haben.“

„Ja, ich rufe sie gleich an. Dabei fällt mir auf, dass wir bisher weder bei der Leiche noch hier in ihrem Zimmer ein Handy oder Smartphone gefunden haben, bei einer Frau ihres Alters heutzutage doch ein selbstverständlicher Gegenstand.“

„Ja, eigenartig.“, pflichtete ihm Nanni bei.

Robert fummelte sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer von Neles Dienststelle, die er vorsorglich in seinem Telefonbuch gespeichert hatte.

Statt Nele meldete sich jedoch eine andere weibliche Stimme.

„Theda de Vries. Was kann ich für Sie tun?“ „Robert Müller. Kann ich bitte Nele Jansen sprechen?“

„Nein, das geht leider nicht. Sie ist im Augenblick nicht im Haus. Kann ich Ihnen helfen? Ich bin ihre Assistentin.“

„Nein Danke. Aber richten Sie ihr bitte aus, dass ich versucht habe sie zu erreichen und dass sie mich bitte zurückrufen möchte. Es ist wichtig.“

Die Assistentin antwortete leicht pikiert: „Ich werde es ihr ausrichten.“, und brach das Gespräch ab.

„Bis Nele zurückruft können wir uns ja noch ein wenig umschauen.“, meinte Robert und schaute seine Frau abwartend an, denn er erwartete, dass sie damit nicht einverstanden sein würde. Aber Nanni hatte keine Einwände. Im Gegenteil!

„So nah war ich während deiner ganzen Dienstzeit nie an einem Mordfall. Jetzt bin ich richtig neugierig. Mal sehen, ob wir noch was Interessantes finden.“

Mit dieser für Robert überraschenden Bemerkung drehte sie sich zu dem Kleiderschrank um und öffnete die Doppeltür. Auf der rechten Seite hingen ordentlich auf Kleiderbügeln einige Blusen und zwei Jacken neben etlichen Hosen, vornehmlich Jeans. Im anderen Teil des Schranks lagen in den Fächern Pullover, T-Shirts, Unterwäsche und Strumpfhosen. Nanni schaute sich die Oberbekleidung näher an und stellte erstaunt fest: “Du, Robert, komm mal her. Das sind alles Klamotten ganz edler Designermarken. Exklusiv und teuer.“ „Ach so ‘n Aufnäher oder Schild sagt doch gar nichts. Solche Fummel werden doch heute zu Hauf kopiert und gefälscht.“

„Nee, nee, die hier sind echt. Fühl mal die Stoffe. Und außerdem hätte die Tote dann auch sicherlich noch Bekleidung von anderen Herstellern, aber hier sind wirklich nur Topmarken.“

Nanni nahm einen Stapel Pullover aus dem obersten Fach, um ihn näher zu untersuchen und legte ihn auf das Bett. Robert, der hinter ihr stand, blickte in das Fach und gab einen kleinen Überraschungspfiff ab.

„Da haben wir ja ein Laptop! Hätte mich auch gewundert, wenn die Frau nicht so ein Gerät gehabt hätte. Aber irgendwie passt das alles nicht so recht zusammen. Sie hat hier als Saisonkraft sicher nicht schlecht verdient, aber solche Klamotten konnte sie sich davon bestimmt nicht leisten und der Laptop ist, wenn ich mich nicht täusche, auch ein Modell der Spitzenklasse.“

In dem Augenblick ertönte die Melodie „Rolling home“ von Roberts Handy, den Song hatte ihm ein Kollege kurz vor seiner Pensionierung als Klingelton auf sein Handy aufgespielt, als er das Gerät auf seinem Schreibtisch liegen gelassen hatte, während er an einer Besprechung teilgenommen hatte.

„Müller“, meldete sich Robert etwas barsch, denn er fühlte sich gestört. Liebend gern hätte er jetzt erst einmal den Laptop näher untersucht. Als sich jedoch Nele meldete, schaltete er sofort in den Freundlichkeitsmodus um.

„Hallo Nele, schön dass du zurückrufst. Ich, oder besser wir, haben ein paar interessante Entdeckungen gemacht, die dich bestimmt weiterbringen.“

„Wieso wir? Hast du jetzt schon eine Sonderkommission auf der Insel gebildet?“

„Natürlich nicht, aber Nanni und unser Hund haben mir ein wenig geholfen. Mehr oder weniger zufällig sind wir mit Aikas Hilfe auf ein Lokal gestoßen, in dem das Mordopfer als Saisonkraft gejobbt hat. Die Einzelheiten erspare ich mir jetzt. Bei der Toten scheint es sich jedenfalls um eine ‚Jenny Hauptmann‘ zu handeln. Sie hat hier im ‚Wattkieker‘ gearbeitet und auch dort gewohnt. Ich habe mir auch mit Einverständnis der Wirtin ihr Zimmer ansehen dürfen. Wir, das heißt meine ‚SoKo‘ und ich, haben dabei einige interessante Entdeckungen gemacht.“

„Du scheinst ja deinen Urlaub richtig zu genießen. Ich dachte, ihr wolltet euch auf der Insel erholen. Jetzt ist es wohl mehr ein Abenteuerurlaub.“

Dabei konnte man ahnen, wie Nele bei diesen Bemerkungen grinste.

„Aber nun mal ernsthaft. Was habt ihr denn entdeckt?“

„Erst einmal sehr edle, teure Bekleidung, die darauf schließen lässt, dass die Tote ihren Lebensunterhalt nicht mit den Einkünften aus der Tätigkeit als Saisonaushilfe bestritten hat. Unser Hund hat unter dem Bett einen Koffer erschnüffelt, in dem ein USB-Stick versteckt war, und in ihrem Schrank haben wir schließlich ein nur notdürftig verstecktes Laptop gefunden.“

„Na, herzlichen Glückwunsch, Herr Kommissar! Hört sich so an, als ob uns das weiterbringen kann. Wir haben nämlich von der Spusi keine verwertbaren Hinweise erhalten. Sie haben auf zwei Zigarettenkippen die DNA von der Toten gefunden und auf einer anderen die DNA einer unbekannten Person. Das bringt uns im Augenblick nichts und wir tappen weiterhin im Dunklen. Sag mal, könntest du mit euren Funden zu uns aufs Festland kommen? Unsere Experten könnten Laptop und USB-Stick mit den Möglichkeiten, die sie hier haben, untersuchen und du könntest uns währenddessen ausführlich von den Aktivitäten der SoKo ‚Inselmord‘ berichten.“

Robert zögerte ein wenig, weil er Nanni nicht den Urlaub verderben wollte. Nanni hatte das Telefongespräch jedoch mitgehört und lächelte ihren Robert nun an und meinte: “Nun sag schon zu. Du hast doch sonst keine ruhige Minute mehr hier auf der Insel. Und außerdem kann ich deine Abwesenheit nutzen und die Übersetzung fertigbekommen.“

Robert strahlte und sagte Nele zu, gleich am nächsten Morgen mit der Fähre aufs Festland zu kommen. Nele würde ihm einen Dienstwagen schicken und ihn so gegen 11:00 Uhr in ihrer Dienststelle in der Kreisstadt erwarten.


Die Tote vom Hundestrand

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