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Aus: Gesammelte Sprüche eines Bauchaufschneiders, Fartuloon

Erwarte nie, dass sich deine Lage nicht mehr verschlechtern kann. Sie kann es. Zu jedem Zeitpunkt und auf jede erdenkliche Weise.

Celkar: 6. Prago des Dryhan 10.500 da Ark

Dass im Stadtbüro von Arkon-Vision aufgeregte Mitarbeiter und Kollegen zu hören und zu sehen waren, gehörte in den Bereich des Alltäglichen. Aber dass dieses Durcheinander zu dieser Tonta herrschte – es war nach Mitternacht –, war nicht gerade häufig. Es gibt nicht den geringsten Grund für diese gezwungen wirkende Fröhlichkeit, dachte Bürochef Fimm Monhole, als eine besonders gut aussehende junge Frau, mit den Hüften schaukelnd, quer durch das Büro stolzierte und das Fenster aufgleiten ließ.

»Was ist denn bei euch los, Fimm?«, fragte ein Reporter, der schon nicht mehr nüchtern gewesen war, als er hereingekommen war.

»Der gewöhnliche Ärger nach Mitternacht«, raunzte Monhole. »Ab und zu verwandelt sich unser Büro in ein Irrenhaus.«

Der Reporter lachte und verschlang mit hervorquellenden Augen dieselbe junge Frau, die auf die Tür mit der Aufschrift Ruhe, Verführung, nicht stören! zuging, sie aufriss und hinter sich krachend zuschlug.

»Wer ist das?«

»Wer ist was?«, erwiderte Monhole zerstreut. Irgendwie würden sie auch die nächsten Tage durchstehen. Es gab immer ein solches Irgendwie. Heute beispielsweise mehrere Sensationen nacheinander: Prozessbeginn, eine lange Reportage mit hoher Einschaltquote, dann die Nachrichten der Prozessaussetzung, der Standgerichtsverhandlung und die Meuterei mit den aufregenden Aufnahmen. In wenigen Tontas würden sie mit Sicherheit den Kampf um das Gefängnis filmen, wenn auch nicht gerade an vorderster Front.

»Wer ist das Mädchen?«, wollte der Reporter wissen und hielt sich krampfhaft an einer Schreibtischecke fest.

»Welches Mädchen?«

Dharr und Prinkmon bearbeiteten die Aufzeichnungen. Sprach Ches noch einen einigermaßen guten Text und suchte die rhythmische Untermalung gut aus, war in den Frühnachrichten eine neue Sensation fällig. Motto: ARKON-VISION IST STETS DABEI!

»Dieses verdammt gut aussehende Mädchen. Kurze dunkelblau gefärbte Haare.«

Monhole hob die Schultern und brummte: »Keine Ahnung. War plötzlich da. Ich glaube, eine Sekretärin von nebenan. Ches ist an ihr interessiert.«

»Wer?«

»Ches Prinkmon«, schrie Monhole gereizt auf. Er schob den Mann zur Seite und ging auf die Tür zu, die im gleichen Augenblick aufglitt.

Ches steckte seinen Kopf mit den rot geränderten Augen durch den Spalt und schrie zurück: »Hier bin ich. Was ist los? Hat jemand gerufen?«

»Erstick an den Speicherkristallen«, empfahl Monhole und trat in den dunklen Raum ein. Er rammte den Verschluss der Tür zu und sah an der Frontwand des Raumes die Wiedergabe der Aufnahmen. Der Ton war schlecht ausgesteuert gewesen, aber dies schrieb er der Erregung Prinkmons zu. Sie würden nachbearbeiten und notfalls etwas Gemurmel mit Schreien aus dem Archiv hereinspielen und darüberlegen.

»Kein Grund dazu. Schon besoffen oder noch aufnahmefähig?«, murmelte Aderlohn vom Mischpult.

»Ich werde dir gleich zeigen, wer besoffen ist«, drohte Monhole und ließ sich in einen schweren Sessel fallen.

»Ich!«, kicherte die Frau und legte ihren rechten Arm auf Monholes Schultern.

»Danke, nicht interessiert.« Monhole stand jetzt und heute alles bis zum Hals. Er hatte es satt. Er fand alles ausgesprochen entbehrlich, am meisten sich selbst und seinen Beruf, der nichts anderes als Magengeschwüre, Leberschaden und Herzschlag hervorbrachte und das stolze Gefühl, Lehrmeister und Fremdenführer für Millionen und aber Millionen, wenn nicht für Milliarden zu sein, wenn genügend Arkoniden im ganzen großen Imperium ihre verdammten Geräte einschalteten.

Er schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als er Ches mit nüchterner, aber müder Stimme sagen hörte: »Wir sind gleich fertig, Fimm. Und ich schwöre dir, die nächste Sensation ist gleich fällig!«

Sie sollten aus dem Material einen zwanzig Zentitontas langen Bericht zusammenstellen, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gerichtsplanet allen Arkoniden bekannt war, die Existenz dieses gigantischen Gefängnisses aber naturgemäß deutlich weniger bewusst. Der Bericht enthielt alles: winziger geschichtlicher Rückblick, Gebäudeaufnahmen, Archivmaterial und natürlich das Aktuelle aus dem Gefangenenaufstand, ausgelöst durch Ogor, der wieder bei Neumond seinen Anfall bekommen hatte. Mehrmals bewegten sich dieselben Bilder vor dem Schirm; die Männer sprachen, einander abwechselnd.

»Aber ich bin, hihi, betrunken.«

Die Frau kicherte richtiggehend nett, fand Monhole, aber er raffte sich auf, ignorierte das Klopfen an der Tür und fragte: »Welche Sensation, Ches?«

»Wir haben, denke ich, jemanden aufgenommen, der jemandem so ähnlich ist, dass kein Zweifel besteht. Du hast doch ein gutes Gedächtnis für Gesichter und Personen, nicht wahr?«

Das war fast Insubordination, mindestens aber eine Beleidigung. Fimm war berüchtigt dafür, von hundert Gesichtern, die er einmal mit einem gewissen Aufmerksamkeitswert kennengelernt hatte, achtundneunzig wiederzuerkennen.

»Aber ich bin nicht sehr … betrunken«, flüsterte die Frau und kicherte wieder provozierend.

Monhole fühlte eine Gänsehaut. »Ich denke, ich erkenne deinen Gefangenen wieder. Was sollen diese dämlichen Fragen?«

»Er baut nur vor. Er braucht aus unserem Reptilienfonds einen Haufen Geld für Kiln.«

Monhole glaubte, sich verhört zu haben. »Für wen?«

Ches sagte etwas weniger sarkastisch: »Eine beträchtliche Summe für Doomyh Kiln, den Herrn Direktor des metallenen Gefängnisses. Wir müssen unbedingt mit zwei Gefangenen reden.«

Mit Grabesstimme entgegnete Monhole: »Ihr seid alle beide verrückt. Seid ihr sicher, dass euch nicht einer der Gefangenen auf den Kopf geschlagen hat?«

»Ganz sicher«, entgegnete Dharr. »Warte auf unsere Aufnahmen, Chef.«

»Ich bin«, kicherte die Frau, »nur ein ganz klein wenig beschwipst. Singst du mir heute ein Schlaflied, Cheschen?«

»Selbstverständlich, mein Engel«, antwortete Prinkmon mit äußerster Sachlichkeit. »Mit einem sechs Pfund schweren Hammer.«

»Wie nett!«

Monhole ertappte sich bei dem Gedanken, dass man auch ohne einen falsch programmierten Neumond-Mikrocomputer jemanden genussvoll ermorden konnte, aber er bezwang sich mannhaft und fragte, noch immer verblüfft: »Langsam glaube ich, ihr meint es ernst. Was ist los? Raus mit der Sprache!«

Die Aufzeichnung lief ab. In diesem Fall kam es nicht auf stereoskopische Genauigkeit und farbliche Präzisionswiedergabe an. Aber die Bilder waren trotzdem scharf. Beschleunigt zogen die Aufnahmen vorbei, Prinkmons und Dharrs Stimmen zwitscherten und wimmerten, dann wurden die Bildfolgen langsamer und krochen schließlich träge in Zeitlupe dahin. Aus den Studiolautsprechern erscholl ein dunkles, dumpfes Donnern, vermischt mit zischenden Geräuschen der Apparatestatik.

»Hier. Sieh dir die beiden Gesichter an. Diese beiden!« Ches deute auf den Bildschirm. Als sei eine Lampe eingeschaltet worden, erwachte Monholes Erinnerungsvermögen. Ein junges Gesicht, ein schlanker Mann, und das runde Gesicht eines deutlich älteren, jedoch alterslos wirkenden Mannes. Beide Gesichter strahlten Energie und Klugheit aus.

»Sag, dass es nicht wahr ist«, murmelte Monhole, im Innersten getroffen. »Tatsächlich ist das die wahre Sensation! Bauchaufschneider Fartuloon und Kristallprinz Atlan! Hat sie außer euch noch jemand erkannt?«

Ches sagte augenblicklich: »Mit Sicherheit nicht.«

Voneinander wussten sie, dass sie politisch völlig indifferent waren, weil sie es sein mussten. Nahmen sie Stellung, konnte es sie den Kopf kosten. Außerdem hatten sie deshalb zusammengefunden und waren deshalb zu einem der besten Teams geworden, weil sie unabhängig und objektiv waren. Sie schilderten wertfrei, schnell und perfekt. Sie werteten nicht, sie sagten, was war, wer darin verwickelt war, und wie die Geschichte ablief. Sie registrierten, aber sie machten fremde Schicksale nicht zu ihrem eigenen Schicksal. Und jetzt waren sie auf eine Sensation gestoßen, auf den ganz großen Schock. Was sollten sie tun?

Monhole stand auf und ächzte. Er wusste, dass sie ab dem Zeitpunkt auf dem Zünder der Bombe saßen, an dem die Existenz der beiden Männer bekannt wurde. Noch waren sie unerkannt. Gefangene in der Meute von Deserteuren. Es war grotesk! Unfassbar! »Ches? Dharr … ihr habt zu schweigen. Wir wissen offiziell von nichts. Wir haben diese beiden Männer nicht erkannt. Verstanden?«

»In Ordnung.« Dharr wusste, dass in solchen Fällen der erfahrene Büroleiter immer recht hatte.

»Aber …«, fing Ches an.

Monhole sagte um eine Spur schärfer: »Ausreden lassen, Ches. Hast du verstanden? Wir kennen diese Männer nicht. Du gehst zu diesem Beutelschneider Kiln, erbittest nach der Niederschlagung der Revolte ein Interview unter schwerster Bewachung und allen möglichen Sicherheitsmaßnahmen und versuchst, die beiden aufzunehmen. Klar?«

»Das wird die Geschichte des Jahrhunderts. Du meinst, wir sollen versuchen, ihren Weg in den Tod oder in die Freiheit zu verfolgen?«

»Soweit möglich. Begriffen, du junger Spund?«

»Vollkommen, Erhabener.« Ches bewunderte den Alten. Der Mann wusste wirklich, wo es entlangging. »Ich habe begriffen. Was ist mit unserem Bericht?«

»Überspielt ihn in die Sendezentrale. Kommentarlos. Sie werden senden, das verspreche ich euch.«

»Ich bin schon fast wieder nüchtern, Chessilein«, schluchzte die Frau.

»Gleich bringe ich dich zu mir nach Hause«, versprach Prinkmon. »Wer ist im Büro?«

Dharr stieß ein heiseres Gelächter aus und rief: »Ich schlafe hier. Ich werde dich wecken, in deinem komischen Hotel.«

»Nettes Hotel«, maulte die Frau trotzig, stand auf und zerrte Ches mit sich.

»Ich denke, die Truppen werden im Morgengrauen angreifen«, sagte der Büroleiter völlig sachlich. »Ich gebe dir – euch – höchstens fünf Tontas Schlaf, nicht mehr. Halte dich bereit, ich werde Bescheid sagen, dass alles vorbereitet ist. Kamera klar, Dharr?«

Dharr gähnte nur provokativ und leitete die Daten durch ein Breitbandkabel zur Sendezentrale.

»Haut schon ab«, murmelte Monhole. Er schätzte diese Kerle. Und ausgerechnet der gejagte Kristallprinz befand sich unerkannt als Gefangener hier auf Celkar. Die Wunder nahmen kein Ende mehr. Es war nicht abzuschätzen, wann sie alle sich wieder ausschlafen konnten. Aber die Sensationen fanden jetzt statt, und sie hatten ihren eigenen Ehrgeiz, dabei zu sein.

Aderlohn Dharr stürmte noch vor Morgengrauen durch den Hotelkorridor, riss Ches aus dem Schlaf und raste mit ihm im Firmengleiter zum Gefängniskomplex. Fimm Monhole schien erfolgreich gearbeitet zu haben, denn dieser Pressegleiter war das einzige private Fahrzeug, das die Sperren passieren durfte. Hier in der Parkzone des Gefängnisses wimmelte es von Raumschiffgleitern der JERRAWON, von bewaffneten Kampfeinheiten und Robotern.

Kiln kam auf die Männer zugelaufen und rief: »Vorsicht. Halten Sie sich aus allem heraus. Die Soldaten haben direkten Befehl vom Imperator.«

»Was passiert eigentlich genau?«, wollte Ches gähnend wissen. Er machte einige Turnübungen, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen.

»Die Gefangenen halten ein Stück Versorgungstrakt und eine Ebene des Gefängnisses unter Kontrolle. Sie haben einunddreißig Geiseln – aber Sie kennen die Lage ja. Jetzt besetzen die Soldaten die strategischen Punkte und werden auf ein Zeichen angreifen. Sie müssen in der Nähe von Kommandant Twellzock bleiben. Hier ist er. He, Kommandant, Sonnenträger … das sind die mutigen Reporter, die gestern beinahe vom Pöbel nicht mehr freigelassen worden wären.«

Has’athor Twellzock steckte, bis an die Zähne bewaffnet, in einer Kampfuniform. Durch den Gesichtsschutz und den Helm war er nur an der Nummer seines Kampfanzugs zu erkennen. Er nickte den Journalisten zu, winkte und sagte barsch: »Los. Mitkommen.«

Lange Züge von Soldaten und Robotern schoben sich durch mehrere Eingänge in das Innere des riesigen Bauwerks, das auch in seinem kreisförmigen Innenhof voller Bäume und Gleiter den Eindruck einer Festung machte. Schweigend folgten die beiden Männer von Arkon-Vision.

Wieder schreckte ich aus einem flachen Schlaf auf. Es gab immer Geräusche hier in den Stollen; Flaschen klirrten, Waffen schlugen gegen Metall, Männer stritten sich, andere schnarchten laut. Mein erster Blick aus blinzelnden Augen galt der massiven Tür, hinter der die Geiseln eingesperrt waren. Inzwischen hatten die Gefangenen mehrere Verteidigungslinien eingerichtet, die durch Barrikaden aus Kisten, Ballen, Fässern und ziegelartig übereinander gestapelten Behältern aller Art gebildet waren. Ganz in unserer Nähe verlief ein solcher dicker, mannshoher Wall. »He, Premcest«, sagte ich deutlich und rüttelte meinen Freund an der Schulter. Inzwischen waren auch wir von demselben Staub bedeckt wie vorher Ogor. Irgendwo waren Fässer geplatzt, und man trug den Staub, der süßlich schmeckte, in alle Richtungen.

»Ja? Greifen Sie an?«

»So sieht es aus. Beziehungsweise hört es sich so an.«

Von rechts und links kamen Geräusche. Offensichtlich gab es nicht einmal mehr eine Lautsprecherwarnung. Orbanaschol hatte schon wieder einmal zugeschlagen. Sie würden rücksichtslos sein, die Männer von Sonnenträger Twellzock. Deutlich konnten wir schwere Schritte unterscheiden, leise, scharfe Kommandos und das Summen der Maschinen. Inzwischen hatten wir die möglichen Angriffswege erkannt, und überall dort warteten bewaffnete Gefangene. Wir hatten sogar in einem Magazin ein paar tragbare Lautsprecher gefunden und verteilt.

Ich sprang auf und rief: »Sie kommen. Die Raumsoldaten dringen ein.«

Von ganz weit links und, viel näher, auch von rechts, donnerten die ersten Schüsse der Verteidiger. Innerhalb eines Augenblicks waren alle Gefangenen alarmiert und auf den Beinen. Sie griffen fluchend nach ihren Waffen und verschwanden in der Deckung der Barrikaden. Noch mehr Schüsse dröhnten. Dann schrie ein Gefangener: »Wir haben einunddreißig Geiseln in unserer Gewalt.«

Zwischen einer Salve von schweren Entladungen, die an der ersten Barriere einschlugen und die gestapelten Verpackungsmaterialien in Flammen aufgehen ließen und auseinandersprengten, und einem Chor aus entsetzten Schreien und dem Trappeln von flüchtenden Verteidigern durchschnitt eine harte Stimme das Chaos. Ich erkannte sie sofort wieder. Twellzock! »Die Weise unseres Vorgehens wird sich nach dem Zustand der Geiseln richten. Wir haben eindeutige Befehle des Imperators. Räumt die Barrieren, lauft zurück in die Zellen, lasst die Geiseln frei.«

»Ihr werdet uns alle umbringen, ihr Gorkii«, schrie ein anderer Mann in den Handlautsprecher. Jetzt sahen wir jenseits der ersten, halb zerstörten Barriere die Roboter auftauchen. Sie waren in grünlich schimmernde Abwehrfelder gehüllt und bewegten suchend die Linsen und die Waffenarme. Drei Maschinen schoben die aufgetürmten Hindernisse mühelos zur Seite. Vor uns versammelten sich einige ratlose Bewaffnete vor dem Schott des Lagerraums.

»Verhaltet euch richtig und vernünftig.«

Von beiden Seiten rückten die Angreifer vor. Die erste Linie bildeten schwere Kampfroboter, die dicht über dem Boden schwebten und eine undurchdringliche Reihe bildeten. Nicht eine einzelne Person hatte die Chance, zwischen den Schutzschirmen hindurchzukommen. An einigen Stellen brannten die Barrikaden. Schwarzer Rauch verdunkelte das Bild und hüllte die Beleuchtungskörper ein.

Fartuloon machte mir ein Zeichen. Wir sprangen geduckt hinüber zu der Gruppe, von der die Geiseln bewacht wurden. Neben uns konzentrierten mindestens dreißig Gefangene das Feuer aus den Beutewaffen auf einen der vordersten Robots. Die Schutzschirme der Maschine flackerten überlastet auf und erloschen, aber noch ehe die Kampfmaschine ausgeschaltet werden konnte, schob sich aufheulend eine andere an ihre Stelle. Dieser erste Teil des Angriffs erfolgte mit äußerster Langsamkeit, aber er hatte durchschlagenden Erfolg. Die Linie der summenden, blinkenden Maschinen sperrte den Gang von einer zur anderen Seite ab. Ununterbrochen schossen die Verteidiger, aber sie wichen in der gleichen Geschwindigkeit zurück, in der die Truppen vordrangen. Es war von Anfang an sinnlos gewesen.

»Was habt ihr mit den Männern vor?« Ich hielt einen Gefangenen fest, der sich am Schloss zu schaffen machte.

»Wir treiben sie raus. Sie sollen sich zwischen uns und die Robots stellen«, schrie er und schob mich zur Seite.

Ich drehte meinen Kopf und sah hinter den Robots, die noch dreißig Meter entfernt waren, die Raumsoldaten der JERRAWON. Sie sahen nicht weniger kriegerisch aus als die Maschinen. In den Händen trugen sie schwerste Schockwaffen, aber ich sah auch ebenso viele tödliche Strahler. »Das ist Unsinn. Die Roboter können sie nicht von uns unterscheiden. Wartet auf die Chance im Gerichtssaal. Ihr fordert nur heraus, dass wir hier erschossen werden, Freunde.«

Du spielst sehr gefährlich, zischte der Extrasinn.

»Geh weg. Sie sollen zuerst die Geiseln umbringen, dann uns«, schrie jemand und hob seine Waffe.

Der Bauchaufschneider lenkte ab, indem er laut aufschrie und auf eine Gruppe von Verteidigern deutete, die an uns vorbeirannten und sich hinter der nächsten Barriere versteckten. Unerbittlich summten die Maschinen näher. Wieder peitschten einige Schüsse aus Lähmwaffen auf. Männer neben uns brachen zusammen, andere sprangen zur Seite und warfen sich in Deckung. Ich bückte mich und nahm die Waffe eines Mannes an mich. Hinter mir öffnete der Bauchaufschneider bereits den Verschluss der stählernen Tür. Die Kette der Roboter zermalmte, verbrannte und rammte die letzte Barriere zur Seite und kam näher.

»Schnell, hinein«, rief Fartuloon unterdrückt und stieß die Tür auf. Ein Hagel von Schüssen wurde in unsere Richtung abgegeben, als wir uns durch den Spalt der Tür zwängten. Hinter uns glühten die Ränder der Stahlplatte auf, die Einschläge erzeugten Geräusche wie Hämmer. Die Geiseln standen schweigend da und starrten uns an. Fartuloon lachte und warf einem von ihnen die Waffe zu. »Euch geschieht nichts. Wir haben die anderen abgelenkt.«

Sie schwiegen, und auch ich entledigte mich der Waffe. Dann gingen wir einige Schritte zur Seite. Ich sagte in möglichst leichtem Tonfall: »Die ganze Sache war aussichtslos. Die Truppen sind da, in wenigen Zentitontas haben sie uns wieder zurückgetrieben. Man wollte euch vor den Gefangenen aufstellen.«

Einer der Männer schüttelte den Kopf. Ihnen allen stand der Schrecken des Wartens auf den Tod oder das Überleben deutlich in den Gesichtern. Wir lehnten uns an die Wand und warteten. Jeden Augenblick würden die Soldaten hier eindringen.

»Warum habt ihr euch um uns gekümmert?«

»Weil wir nichts gewinnen, wenn ihr sterbt. Wir verlieren mit Sicherheit unser Leben an Ort und Stelle. Immerhin haben wir noch eine Chance, wenn morgen oder später verhandelt wird.«

»Es scheint, dass es noch ein paar Vernünftige unter diesen Irren dort gibt«, stellte jemand fest.

Inzwischen hatten die Sperrlinien der Roboter die Gefangenen in der Mitte des Gangsystems zusammengedrängt. Die Soldaten, die nach anderen Gesichtspunkten vorgingen, schwärmten nach rechts und links aus und drangen in die Räume und Hallen ein. Und jetzt wurde die Tür aufgerissen, und mit vorgehaltenen Waffen sprangen sieben Soldaten in den Lagerraum hinein. Sie schienen sofort erfasst zu haben, dass hier keine Gefahr mehr drohte.

»Jemand verletzt?«, schrie einer.

»Alles in Ordnung.«

»Und diese beiden hier?«

»Sie haben die anderen abgelenkt. Wir bringen sie zurück in die Zelle. Klar?«

Der Anführer deutete auf zwei Soldaten und schnarrte: »Ihr geht mit. Wir sind gleich mit den anderen fertig. Los, raus!«

Sie brauchten uns nicht in die Zellen zurückzuschleppen; wir gingen selbst. Hinter den Robotern strömten Hunderte von Soldaten herein und bildeten Ketten bis hinauf in den Korridor. Als wir, umgeben von erschöpften Wärtern, die Nebenräume verließen, hörten wir wilde Schreie, Schüsse und Kommandos. Wir blieben stehen und starrten in die Richtung des Kampfes.

Vier Soldaten versuchten, Ogor festzuhalten. Er schlug wild um sich, riss sich los, flüchtete ein paar Schritte und wurde wieder eingefangen, prügelte sich abermals mit den Raumsoldaten herum. Dann richtete einer die Schockwaffe zwischen die Schulterblätter des Gefangenen und feuerte. Ogor brach auf der Stelle zusammen und wurde von den Soldaten weggetragen.

»Das ist der Einzige, der noch echte Chancen hat«, murmelte Fartuloon.

»Wahrscheinlich. Ihr sollt morgen alle pauschal verurteilt werden. Darüber hinaus keinen Kommentar.«

Es sieht düster aus, flüsterte der Logiksektor.

Wir wurden nicht misshandelt. Die Soldaten und zwei Wächter führten uns in die alte Zelle zurück. Wir waren müde, duschten schnell und schliefen bereits, als die anderen Gefangenen zurückgebracht wurden.

Primm flog und flatterte aufgeregt durch die Zelle. Schließlich blieb er auf der offenen Wandklappe sitzen und starrte mit seinen winzigen Augen auf die vielen Männer, die sich um Ogor kümmerten. Der Mann lag lang ausgestreckt auf seiner Liege, aber acht breite Energiefesseln lagen um seine Gliedmaßen und um Brust und Becken. Gerade war die belebende, schocklösende Spritze injiziert worden. Ogor erwachte ganz langsam. Genauer: das, was noch nicht Prothese und Positronik war, fand langsam wieder ins Leben zurück.

»Wie lange dauert es noch, bis der Verteidiger kommt?«, fragte der Assistent des Gefangenenarztes.

»Keine Ahnung«, brummte Doomyh Kiln. »Ich habe ihm gesagt, dass er sich beeilen soll.«

Inzwischen befanden sich sämtliche Gefangenen wieder in den Zellen. Abschürfungen, Brandwunden und einige Dutzend Verstauchungen waren behandelt worden. Es herrschte Ruhe. Die Aufräumungsarbeiten in den Depots und Lagerräumen gingen zügig voran.

»Wird er sterben?«, fragte ein Raumsoldat mit hochgeklapptem Helmvisier.

»Nein.« Kiln nickte dem Soldaten zu. »Aber wir haben erkannt, dass er tatsächlich einen Schock erlitt. Er hat sich seit seiner Einlieferung hervorragend und ruhig verhalten. Als sei er noch Kommandant eines Schlachtkreuzers. Und plötzlich schlägt die Folgeerscheinung des Korratz wieder zu. Wir haben alle gesehen, wie er durchdrehte. Er prügelte sich mit Ihnen wie ein Roboter.«

»Endlich tot. Ich werde wegfliegen schnell-schnell«, zwitscherte pfeifend der Primm.

»Das ist richtig. Er war ein richtiges Energiebündel.«

Ogor öffnete die Augen, bewegte aber den Kopf nicht. Er starrte von einem Mann zum anderen. Dann sagte er leise: »Ich hatte einen Anfall, ja?«

Nicht ganz unbeeindruckt erklärte Kiln, was vorgefallen war. Schließlich senkte er die Stimme und meinte: »Das ist unser Chefarzt. Sie befinden sich in bester Überwachung; jederzeit ist schnelle Hilfe möglich.«

»Ich brauche keine Hilfe. Gestern war Neumond, nicht wahr?«

»Ja.«

Einige Augenblicke lang herrschte ein niedergeschlagenes Schweigen. Ratlos sahen sich die Männer an. Sie wussten nicht, wie sie am besten reagieren sollten. Wenn nur der Anwalt endlich kommen würde.

»Wo steckt Terna, mein Verteidiger?«

»Wir haben ihn gerufen. Er muss jeden Moment hier eintreffen. Warum wollen Sie ihn sprechen?«

»Ich habe ihm etwas zu sagen.«

»Etwas Wichtiges, Ogor?«

»Nicht für Sie. Wichtig nur für mich. Warten wir, bis Terna kommt. Ich bin es satt.«

Er schloss die Augen und entspannte sich. Die Männer warteten, nicht weniger ratlos als zuvor. Sie bedauerten Ogor, denn jetzt kannten sie die Wahrheit. Aber sie half niemandem. Fünfzehn Zentitontas später brachten Wächter und drei Raumsoldaten den Anwalt in die Zelle.

»Hier bin ich, Ogor. Ich habe erfahren, was passiert ist. Mit dieser Beweisführung werden wir siegen, und in ein paar Tagen sind Sie frei und rehabilitiert. Wir werden es schaffen, Kommandant Ogor.«

Ogor sagte leise: »Macht diesen verdammten Mist hier weg. Ich werde euch nicht umbringen. Los, öffnet die Fesseln.« Die Armfesseln und die Brustfesseln wurden abgeschaltet. Ogor richtete sich auf und sagte mit förmlich versteinertem Gesicht und ohne jegliche sichtbare Regung: »Ich bin nicht arm, Terna. Vor allen Zeugen erkläre ich, dass aus meinem Nachlass Ihre Rechnung bis auf den letzten Chronner beglichen wird. Ich habe in der Verhandlung gesagt, dass ich eine letzte Möglichkeit entdeckt habe, meinen Mikrocomputer zu beeinflussen. Ich bin lebensüberdrüssig, Terna. Der letzte Tag hat es mir gezeigt. Für mich gibt es nur noch eines: das Ende.«

Terna rief aufgeregt, seine Finger zitterten vor Erregung: »Du bist verrückt, Ogor. Wir sind kurz vor der Wende, vor deinem Sieg. Und du willst resignieren?«

In seiner Erregung duzte er ihn. Damit bewies er, nur für den Mediziner zu erkennen, sein durchaus normales Verhalten in dieser Frage. »Ich bin nicht verrückt. Ich bin dieses Zustands zwischen Tod und Irrsinn überdrüssig. Ich schalte mich ab.«

»Nein«, schrie Rotnam Terna auf.

»Doch. Ich habe keine Lust mehr. Die Aussichten für die nächsten Jahre sind keineswegs so, dass ich daran etwas fände. Danke dir, Terna – du hast es wirklich versucht. Danke und Ende.« Er schloss die Augen. Dann bäumte sich sein Körper wie unter der Einwirkung eines starken Stromschlages auf und sank schlaff in sich zusammen.

Alles ging ganz schnell vor sich. Der Mediziner kam gar nicht dazu, entsprechend zu reagieren. Als er sich nach vorn warf, war es bereits zu spät. Er setzte zwar sein Diagnosegerät an, aber als er den haarfeinen Rauchfaden aus der Schädeldecke des ehemaligen Kommandanten aufsteigen sah, die Anzeigeinstrumente betrachtete und schließlich kopfschüttelnd zurücktrat, wussten alle, dass Ogor tot war.

»Danke und Ende«, wiederholte Terna kopfschüttelnd. »Was für eine komplizierte Art, die Ruhe herbeizuführen.«

Die Raumsoldaten verließen schweigend die Zelle. Auch auf dem Korridor herrschte Totenstille.

Doomyh Kiln senkte den Kopf und sagte in einem fast echten Tonfall: »Der arme Kerl. Das hat wohl niemand erwartet.«

»Nein«, sagte Terna. »Nur er selbst. Und wenn Sie mich alle für verrückt erklären – ich kann ihn verstehen.«

Er blickte den Körper noch einmal an und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie der Primm durch den Raum raste und schließlich in gerader Linie zwischen den Gitterstäben durchschoss und geradeaus weiterflog, bis er als winziger, hellblauer Punkt in der Sonnenglut des frühen Mittags verschwand. Dieses Kapitel war für alle Zeiten zu Ende.

Doomyh Kiln stand auf und sagte leise: »Entschuldigung. Ich werde das Nötige veranlassen. Ich muss noch nach den beiden Reportern sehen. Sie sind einschlägig interessiert und kümmern sich um die Gefangenen.«

»Schon gut«, erwiderte der Bauchaufschneider.

Der Direktor des Gefängniskomplexes ging durch die offene Zellentür und näherte sich der weiter entfernt liegenden Zelle, in der die Journalisten jene beiden Gefangenen interviewten, denen man mit einiger Sicherheit das Leben der meisten Geiseln zu verdanken hatte. Arkon-Vision hatte gut für die Sondergenehmigung gezahlt.

Diesmal gab es nicht die geringste Chance, sich zu befreien. Und selbst wenn es sie gegeben hätte, würde sie niemand ergriffen haben. Mindestens ein Dutzend Raumsoldaten hielten die Gefangenen in dieser Zelle in Schach. Das Schott stand weit offen, an der Wand des Korridors lehnte entspannt, aber wachsam, eine zweite Gruppe Soldaten. In dem riesigen kreisringförmigen Korridor patrouillierten die Wärter. Auch sie waren inzwischen mit scharfen Waffen ausgerüstet worden.

»Wie kamen Sie dazu, den Wärtern zu helfen?«, fragte Ches Prinkmon ruhig. Inzwischen wusste er, dass sich sein Verdacht zur Gewissheit verstärkt hatte. Die Männer waren Fartuloon und Atlan, der Kristallprinz und sein Freund und väterlicher Lehrmeister. Dies war die Wahrheit. Dharrs Kamera richtete sich immer wieder auf die Gesichter der Gefangenen.

»Wir hielten es für sinnlos, die Geiseln als Waffe, Kaufobjekt oder Tauschware zu benutzen. Es hätte nichts geändert, im Positiven«, sagte Premcest.

Dharr und Prinkmon wussten, dass sie eine Ausnahmegenehmigung hatten. Kiln war bestochen worden. Nur auf Grund dieser Tatsache durften sie jetzt hier arbeiten, und dank der Bestechung hatten sie auch die Niederschlagung des Aufstands filmen und kommentieren können.

»Sie nennen sich Lothor?«, wandte sich Prinkmon an den jüngeren der Männer.

»Ja.«

Prinkmon hatte sich auf einen der einfachen Stühle gesetzt und schrieb oder zeichnete irgend etwas auf seinen Block. Die Kamera richtete ihre blau verspiegelte Linse auf den einen oder anderen Gefangenen. Sie alle hockten teilnahmslos und müde auf ihren Pritschen. Nur Lothor und Premcest zeigten eine gewisse gespannte Wachsamkeit.

»Wie sind Sie hierhergekommen?«, fragte Dharr hinter der Kamera hervor. Seine Stimme klang betont lässig.

»Mit einem Raumschiff, junger Mann«, sagte der Gefangene.

Scheinbar achtlos bewegte Prinkmon den Notizblock. Dann klappte er ihn so nach vorn, dass ihn der ältere, kleinere und dickere der beiden ausgesuchten Gefangenen sehen konnte. Sofort richteten sich die Augen Premcests darauf. Er sah eine einfache Zeichnung, aber sie war von erschreckender Bedeutung. Ein Strichmännchen! Ein kleiner Mann mit einem dicken, runden Bauch, in dem ein breiter Schnitt, schon fast ein Schlitz klaffte. Ein medizinisches Skalpell, unschwer als solches zu erkennen, verursachte diesen Schnitt. Der simpel gezeichnete Patient grinste grimmig. Die Bedeutung dieses Bildes war von klarer Bedeutung: Yoner-Madrul-Bauchaufschneider. Der Gefangene zeigte kein Erschrecken, aber er war plötzlich ruhiger und zurückhaltender. Er blickte betont gleichgültig an der Kamera vorbei auf die Waffen eines der Raumsoldaten.

»Dass Sie mit einem Schiff landeten, ist klar«, sagte Prinkmon in vertraulichem Ton. »Aber woher kamen Sie? Warum befinden Sie sich unter den Gefangenen? Und aus welchem Grund haben Sie sich derartig uneigennützig für das Leben von Männern eingesetzt, die Ihnen eigentlich gleichgültig sein könnten? Welche Pläne haben Sie für die nächste Zeit?«

Der andere Gefangene hatte ebenso schnell das Bild gesehen und den Sinn erkannt. Der Reporter wollte ihnen damit sagen – und nur ihnen –, dass er sie in der Masse der Gefangenen von Serrogat erkannt hatte.

»Wir kamen von Serrogat«, sagte der jüngere. »Außerdem lassen wir uns ungern ausfragen.«

»Was haben Sie dort gemacht?«

»Fragen Sie die anderen«, murmelte Premcest. »Und wir haben deshalb die Wärter geschont, weil sie auch nur Arbeiter sind, die nichts anderes als ihre Pflicht taten.«

»Und was unsere Pläne betrifft«, ergänzte der andere und lehnte sich auf seiner Pritsche demonstrativ zurück, »da erkundigen Sie sich besser bei einem der Richter. Vermutlich werden wir alle umgebracht, wenn nicht ein Wunder geschieht.«

»Wunder«, knurrte der Kameramann, »gibt es bekanntlich alle Tage.«

»Nicht für die Gefangenen von Serrogat«, entgegnete Premcest, drehte sich herum und zog seine Decke über die Ohren. »Ende des Interviews!«

Ohne Aufregung klappte Ches Prinkmon das Notizbuch zu und stand langsam auf. »Uns interessieren die einzelnen Schicksale. Deswegen haben wir einige Gefangene befragt. Schließlich erlebt man es nicht alle Tage, dass ein solcher Riesenprozess stattfindet.«

Im selben Moment tauchte Kiln in der offenen Zellentür auf. Er berührte den Kameramann kurz an der Schulter, schüttelte Prinkmon die Hand und sagte mit dumpfer Stimme: »Ogor ist tot!«

Prinkmon wirbelte erschrocken herum. »Wie das?«

»Er hat sich, wie er es selbst erklärte, abgeschaltet. Er war lebensüberdrüssig. Der letzte Anfall hat ihm den Rest gegeben.«

Prinkmon erwiderte nach einer kurzen Pause des Überlegens: »Wir werden in diesem Fall, wenn es gestattet ist, auch noch den Rest der Reportage filmen. Danke, Kiln. Wir haben einige interessante Beobachtungen hier machen können. Die Schicksale der Gefangenen sind bemerkenswert.«

Kiln deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Beeilen Sie sich. Der Leichnam mit einem Brandloch im Schädel wird gerade abtransportiert.«

Die Anwesenheit oder Abwesenheit der beiden Männer änderte nichts an der Lage, in der sich Premcest und Lothor befanden. Sie waren weiterhin Gefangene. Sie würden wie alle anderen am nächsten Tag vor Gericht stehen. Prinkmon sah, dass sie darüber nachdachten, was die Vorfälle der letzten Zentitontas zu bedeuten hatten, oder was sie in ihrem Fall bedeuten konnten, nachdem sie erkannt worden waren. Die Reporter wollten ihre Geschichte, ihre Sensation. Und sie würden sie auch bekommen, wenn sie die Existenz der beiden Gegner des Imperators an Orbanaschol verrieten. Der Gefängnisdirektor, die beiden Männer von Arkon-Vision und die Soldaten verließen die Zelle. Die Tür schloss sich wieder mit einem endgültigen Geräusch.

Zufällig trafen sich Fimm Monhole und der Verteidiger Ogors im Büro der Sendegesellschaft; Prinkmon und Dharr hatten Terna mitgenommen und ihn auf einen Drink eingeladen.

»Eine aufregende Sache ist das hier«, sagte Terna. Es war früher Abend. Im Augenblick herrschte hier eine geradezu fabelhafte Ruhe.

»Sie sollten uns in voller Aktion sehen«, sagte Monhole. »Habt ihr, was ihr wollt?«

»Natürlich. Wir sprechen uns nachher noch.« Ches Prinkmon mischte einige Getränke und reichte Terna, der sich noch immer nicht gefasst hatte, ein gefülltes Glas. »Wer ist eigentlich der beste Verteidiger für ganz große Fälle? Nicht dass ich ihn brauchen würde – ich frage aus berufsmäßiger Neugierde.«

Terna zog die Schultern hoch und biss sich auf die Unterlippe. »Wenn Kaarfux mit den siebenhundertsiebenundsiebzig Tricks noch arbeiten wollte, wäre er unbestreitbar der Beste. Aber er ist nicht interessiert. Ich habe ihn mehrmals in der Ogor-Sache gebeten. Jedes Mal Fehlanzeige.«

Er trank einen gewaltigen Schluck. Mit steigendem Interesse betrachtete er die Einrichtung dieses großen Büroraums und die vielen verschiedenen Nachrichtengeräte. Aber ihm fiel auch die brennende Intensität auf, die dieser jüngere Mann an sich hatte. Ein fanatischer Einfall schien Ches Prinkmon gepackt zu haben und riss ihn ruhelos vorwärts.

»Kaarfux?«, fragte er unruhig und wandte sich nach Dharr um, der in der technischen Abteilung verschwand.

»Ich kenne ihn. Er wohnt außerhalb von Kutenarynd in einem idyllischen Tal. Züchtet Blumen.« Monhole winkte ab. »Ein alter Mann, war aber seinerzeit tatsächlich in jedem Gerichtssaal gefürchtet.«

»Ich verstehe. Er nimmt nur noch die Jahrhundert-Strafsachen, wie?«

»Wenn überhaupt«, sagte der Anwalt und trank das Glas leer. Auf alle Fälle würde er morgen wieder in der Arena der Gerechtigkeit sein, um den Prozess gegen die Verräter zu beobachten. Er wusste schon jetzt, dass keiner der Gefangenen wirklich eine Chance hatte. Man würde sie in einzelnen Lifttransporten in die Tiefgeschosse der Arena bringen und dort erschießen. Er schüttelte sich und streckte Ches die Hand entgegen. »Danke fürs Mitnehmen. Ich arbeite hier gleich in der Nähe. Ich gehe zu Fuß, es ist nicht weit.«

»Schon gut. Sehen wir uns morgen in der Arena?«

»Ja. Sie sind sicher dort, nicht wahr? Und Sie berichten über den Prozess?«

»Damit müssen Sie rechnen. Ja, unser ganzes Team wird dort sein. Gerade jetzt wird alles vorbereitet.«

Ches Prinkmon blickte dem Anwalt nach und wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann drehte er sich herum und sah Monhole in die Augen. »Ich bin politisch nicht interessiert«, sagte er leise und drängend. »Aber das ist natürlich die Geschichte des Jahrhunderts. Wir haben sie erkannt. Zweifelsfrei! Ich zeichnete einen Bauchaufschneider, und Fartuloon verstand genau, was ich meinte. Ich muss die beiden aus der Masse der anderen Gefangenen herauslösen. Wir brauchen Sie. Wenn wir diese Geschichte ausschlachten …«

Monhole schüttelte nachdenklich den Kopf und stellte eine Frage. »Du willst sie befreien?«

»Unsinn. Aber Orbanaschol will durch dieses Gerichtsspektakel von seiner eigenen Notlage ablenken. Mit diesem Massen-Todesurteil wird er die Essoya beschwichtigen. Wenn sich dabei auch noch herausstellt, dass Fartuloon und der gesuchte Kristallprinz unter den Gefangenen sind, gibt das eine grässliche Überraschung. Die beiden waren, glaubt man den Gerüchten, schon oft für eine spannende und unverhoffte Wendung der Lage gut. Bringen wir etwas Zündstoff hinein, werden sie reagieren. Verstehst du? Und niemand wird uns etwas anhaben können, nicht einmal der verrückte Diktator selbst.«

»Du bist«, sagte Monhole nicht ohne Missbilligung, »erst ein paar Tage da, und schon bist du ebenso scharf wie der älteste Profi.«

»Mir liegt die Sache im Blut. Machst du mit, Erhabener?«

»Lasse mich nachdenken, Ches.« Er ging zurück in sein kleines Büro und warf die Tür hinter sich zu.

Prinkmon bezwang seine Unruhe und das immer wieder auftauchende Gefühl, ersticken zu müssen, und ging hinüber zu Dharr. Sie bereiteten ihre kurzen Sendungen vor. Sie stellten einen neuen Bericht über Ogor zusammen und versahen ihn mit den Bildern, die sie eben im Gefängnis aufgenommen hatten, dann bastelten sie zwei Tontas lang an dem Bericht über die Gefangenen. Er würde morgen als Einstimmung auf die Prozessberichterstattung gesendet werden, und man würde ihn mehrmals wiederholen.

»Brauchst du den Gleiter heute noch?«, fragte Prinkmon schließlich. Inzwischen war es Abend geworden.

»Nein. Brauchst du ihn? Wozu?«

»Ich muss einen wichtigen Besuch machen.«

»In Ordnung. Nimm ihn, aber morgen früh musst du mich abholen und zur Arena der Gerechtigkeit bringen!«

»Alles klar.«

Sie schüttelten sich kurz die Hände. Dharr arbeitete weiter, Ches Prinkmon setzte sich in den Gleiter der Arkon-Vision und blieb kurze Zeit darin schweigend und nachdenklich sitzen. Er wusste, dass sich in den nächsten Tontas und Tagen viele Schicksale erfüllen würden. Auch seines war darunter. Die Unruhe verließ ihn nicht, aber er war sicher, dass nach kurzer Zeit seine Karriere als Reporter steil aufwärts führen würde. Einfluss, Geld und die Bewunderung aller waren ihm ebenso sicher wie der Neid der Kollegen. Aber morgen musste es genau die Überraschung geben, die er vorausplanen konnte. Er nickte, grinste sich selbst zu und startete die Maschine. Er schwebte in die Nacht hinaus, nachdem er mehrmals auf dem Stadtplan nachgesehen hatte. Seine Gedanken kreisten um die Sensation, die der Kristallprinz und der Bauchaufschneider hervorrufen würden. Die Sensation – seine große Tonta, seine Chance.

Atlan 45: Vorstoß der Rebellen (Blauband)

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