Читать книгу Sukiya oder Die große Liebe zum Tee - Hans Leip - Страница 6
Teeflucht
ОглавлениеObgleich beim Tee das Bedenkliche und Traurige der Welt vor der Tür bleiben sollte, gibt es doch wenig sonstige Gelegenheit, klar zu erkennen, nein, sich rückhaltlos einzugestehen, was draußen an Bedrohlichem lauert und schon durch die Wände fingert: Die gepeinigten Elemente, die Luft, das Wasser, die Erde, die, von den Abfällen und Beigaben menschlicher Erfindungen verunreinigt, sich zur Rache anschicken. Oder ist es nur das: Seit Enthüllung des Kernzerfalls drängt jeder Kern eifersüchtig zum Zerfall? Erstaunlich, was die Technik leistet! Ungeheuer des Menschen unverfrorener Mut zu jeder Industrie und jedem Prestige und jeder Geldquelle. Beteiligen wir uns und schweigen? Und gehen höchstens beim Tee ein wenig in uns, des unvermeidlichen Ausklangs vage gewiß, doch ihm für gute Augenblicke entrückt? Und entrückt vielleicht auch dem platten Zynismus neuerer Literatur und deren hilfloser Verzweiflung, auch dem Gewursel moderner Lyrik, dem Krampf der Malerei, der musikalischen Geräuschverfertigung, dem Beatleismus und sonstigen flüchtigen Bestialitäten? Nehmen wir’s gelassen hin, es dauert seine Weile. Eingerahmt vom Geschwätz der Gazetten, Antennen und Staatsvertreter, hat jedermann sich abzufinden und im besten Fall seinen Teil Frondienst abzuleisten und so sein Gewissen zu befriedigen und die Ansprüche seiner Nächsten. Keine Nashornhaut reicht mehr zur Abschirmung hin, um unversehrt die Gräser zwischen den Dornen zu ernaschen. Was macht es? Wir sind alle verletzt. Und wenige können sich wie ein kluges Tier ins Dickicht zurückziehen. Doch, auf Augenblicke vielleicht, wo wir dann unseren Tee mit Verständnis und Behagen zu trinken versuchen. Kleine gute Teeflucht!