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Das Nadelbuch

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(Sinsebal erwacht eines Nachts, und ihr ist, als müßte sie manche Erinnerung aufschreiben)

Nun hebt sich meine Decke steil. Sie liegt der schwarzen Nacht auf.

O du süßer Tisch! War ich ein klein Kind, daß ich darunter kroch, in Dielenritzen die Nadeln stach, die meiner Mutter vom Schoß fielen. Silberne Nadelknopfreihe wie sanfte Abendperlen, die nicht weh tun, gebettet im Feudeldreck. Wann war denn die Zeit, daß die Spitzen sich wandten, in meine Finger stachen, in meine Schultern, in meine Knie, in meine roten Lippenkreise?

Kleine Nacht! Ach, kleine Sammetpfotennacht, wie schwarz machst du die Tropfen Blut, darob doch meine Augen schlafen sollen. Bist du verliebt in mich? O du, verliebt, daß ich an dich und an keins gedenken soll. Still! Nun ist meine Hand dir über! Schmal steigt sie über dich, scharf auf, hell von Mond. Nun bist du hart zurück, so flach, so steil gestreckt. Was will meine weiße Decke hinter meiner Hand? Sie spreitet sich dir an, du trägst sie, starr dir angelegt, kleine, einsame Nacht.

Was geht meine Hand von mir? Ist meine Hand mir über? Nun legt sie alle Nadeln von mir fort, aus meinen Fingern, aus meinen Schultern, meinen Knien, aus meinen roten Lippenringen, die im Herzen sich verflechten.

Hatte ich ein Nadelkissen, hergeweht ein Geschenk, war wie eins der kleinen Brüste, als ich sechzehn war.

Nun liegt eine Hand mir breit gehöhlt. O Lust, sprich nicht von ferne! O andre Hand, du klirrst vom Schreiben der Stunden. Von allen Spitzen schreibt das schwarze Nachtblut, Wort, Schrei und das erstickte Nichts, auch den Pulsschlag, Liebster, als du schliefest, und die Geschichten zwischen Wand und Unerforschlichkeit.

Nun hebt sich meine Decke wie ein Blatt. Nun ritzen alle Nadeln ihren Weg. Nun hebt sich meine Decke wie ein Buch.

Nun blättern seine Seiten aus mir auf.

Die Nächtezettel der Sinsebal

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