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Das Leichentuch

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(Sinsebal hört, daß auf der Straße noch immer geschossen wird)

Mein Fensterkreuz ist unbekannten Nacken aufgelegt, die schleppen es fort. Da sagte ich mir, das ist die Nacht.

Was sieht mich so grausig an? Es wird auf und nieder gezogen vom Rad der Maschinengewehre, die schweigen die ganze Nacht nicht. Sie greifen fest in die Blutseile, die aus den Wunden laufen. Schon beißen die Radzähne in meine Ohren, reißen in meine Augen.

Aber als ich ganz hilflos war, nahm mich Gott zu sich und setzte mich an die ratternde Maschine mit großer Gewalt, das Leichentuch zu nähen für die Toten. Da wurden ihre Gesichterhöhlen voll sanften Lichtes, und sie sahen mir zu und baten mich um ihr Liebstes aus der Kindheit, das sollte ich hineinsticken.

Da stickte ich ihrer Mutter liebes Schelten und ihres Vaters großmächtigen Sankt-Peters-Bart hinein. Da wurden sie sehr still, und ihre Augen schlossen sich zu und waren andächtig.

Danach stickte ich auch eine Lokomotive und ließ das Meer in sie münden und setzte die Sonne mitten unter den Kessel, und ich spannte ihren Lastwagen hinterdrein voll gelber Früchte und Torten, damit sie reisen könnten, wohin ihre liebste und längst erwürgte Sehnsucht es vormals sich gewünscht hatte.

O Tag, komm nicht so bald; meine Ohren sind fern an den Rädern, die sprechen von ferne: Fahr mit! Fahr mit!

Die Nächtezettel der Sinsebal

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