Читать книгу Die Nächtezettel der Sinsebal - Hans Leip - Страница 8
Der Soldatengarten
Оглавление(Sinsebal erinnert sich eines Straßenaufruhrs)
Es plärrten die Hinterhöfe in meinen Traum und die frühen Liederbücher. Da blühte es aus dem Staub der Schulbänke. Ein hölzerner Säbel wurde eisern und rötete sich.
Da wuchs im Morgenrot der Soldatengarten. Seine Gitter waren Bahnhöfe und Rathäuser. Geschrei stand in der Luft, das war geronnen, und man hörte es noch nicht. Die Pflastersteine waren weiß und durstig darunter und wollten es trinken. Schon trommelte der Schreck spitz auf meinen Bauch, und das Blut wollte aus mir brechen, die durstigen Steine zu besänftigen; denn ich war reif, zu empfangen, und das Leben schrie über mir und fürchtete sich vor dem Tod.
Da war auf einmal aller Luft der Wind abgeschnürt, und ein grauer Glanz zog sich zusammen auf den Helmtöpfen, darin die grauen Disteln gepflanzt sind. Die grauen Disteln, das sind die Soldaten. Still und stachlig warten sie vor der Menge. Es ist Revolution! flüstert ein alter Mann, und der Speichel tropfte ihm in den Bart. Da spannten sich die Gitter, daran das Schwarze sich stemmte, lüstern, den stillen Garten zu zerstampfen. Ich wollte davonlaufen, aber da hielt mich eine Kralle, und ich war in der Kralle und schrie. Da hob sich die Luft, zerbarst und stürzte zusammen. Da brüllte die Einsamkeit des Soldatengartens auf und hämmerte. Hämmerte die Nietenköpfe ins Pflaster, daß sie rotglühten, hämmerte die Menschenbolzen in die Mauern und in die Panzer der Erde, hämmerte die Schreckpforten zu, die Schreipforten, die donnernden Tore. Hämmerte Nägel in mein Fleisch, Nägel in meine Hände.
Da war ich hinaufgeworfen gegen die Dachsimse und hing darangenagelt zu beiden Seiten. Da trank der graue Garten unter mir das rote Blut.