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4. KAPITEL

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Im Januar 2019 musste Daniel abreisen. Seine Gaststudienzeit in New York war vorbei. In Minsk sollte er nun seine Examina ablegen.

Wegen der Sonderregelungen für sein verkürztes Begabtenstudium und einer außergewöhnlichen Diplomarbeit zu »Informationssicherheit im Zeitalter von Fake News« berichteten die einheimischen Staatsmedien über den weißrussischen »Musterschüler«.

Das Außenministerium hatte ihn für ein dreimonatiges Praktikum, April-Mai-Juni 2019, eingeplant, das ihn auf seine Tätigkeit bei der weißrussischen Botschaft in Moskau vorbereiten sollte. Immerhin: Er musste keine Diplomatenschule besuchen. Daniel freute sich auf die neue Aufgabe.

Seine Promotion in Computerwissenschaften wollte er zurückstellen und von der Arbeitsbelastung in Moskau abhängig machen. Was in der Botschaft beim großen Bruder auf ihn zukommen würde, konnte er nicht einschätzen.

Das hatte er auch seinem Vater Artur und seiner Mutter Zlatislava bei seinem Kurzbesuch erklärt, zu dem er Randi mitgenommen hatte. Sie war für ein paar Tage in Belarus zu Gast, und natürlich war er nach seiner Rückkehr aus New York gleich an die Beresina gefahren, um Väterchen und Mütterchen in die Arme zu schließen und ihnen seine Freundin vorzustellen.

Obwohl Artur Lutschyna, Professor für Chemie, die Interessen und den universitären Werdegang seines hochbegabten Sohnes immer fördernd begleitet hatte – die damit verbundenen Abwesenheiten von Zuhause eingeschlossen – musste er bei der Begrüßung des Rückkehrers Tränen verdrücken – vor Stolz und aus väterlichen Gefühlen. Als Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät der Bezirksuniversität hatte er Einfluss und auch Zugang zum obersten Zirkel um Präsident Lukaschenko. So war es ihm auch gelungen, Daniels Mutter Zlatislava – 22 Jahre war sie Mutter und Hausfrau gewesen – wieder an ihrer alten Universität zu beschäftigen, zunächst als Dozentin, seit zwei Jahren als Professorin für Mathematik. Die Eltern fanden Randi überaus sympathisch, und Daniels neue amerikanische Freundin avancierte schnell zum Stadtgespräch.

Nach Randis tränenreichem Rückflug blieb für beide auf absehbare Zeit nur Skype. Randi hatte sich in New York umgehend einen Account eingerichtet und seitdem hatten sie jeden Samstag ein Date, um Neuigkeiten auszutauschen. Wann immer es ging, »trafen« sie um pünktlich 15:00 Uhr New York-Ortszeit, zur Erinnerung an ihren ersten Kuss.

Den hatte sie sich an einem Sommernachmittag gegeben. Randis Eltern waren zum Einkaufen in der nahen Mall.

Während Daniel sich mit dem Praktikum auf seine neue Aufgabe in Moskau vorbereitete, hatte Randi ihr Studium bestens abgeschlossen und ihre Doktorarbeit mit »Summa cum Laude«. So konnte sie als bereits Promovierte ihre Grundausbildung beim Army Medical Corps antreten.

Dort lernte sie das kleine Einmaleins des Soldatseins, wie Dienstgradbezeichnungen, das Salutieren, im Gleichschritt marschieren, sich im Gelände bewegen, Gesetzesgrundlagen, Streitkräfte- und Army-Strukturen, und so weiter. Daniel kommentierte ihre »Fortschritte« mit kaum verhohlener guter Laune, unterließ es aber, sich einige der Übungen per Skype demonstrieren zu lassen. »Daniel, du nervst«, war alles, was Randi dazu einfiel.

Näher lagen ihr die anschließende Fachausbildung und eine Ausbildung zum militärischen Führer.

In Fort Derrick meldete sie sich aufgrund ihrer universitären Ausbildung bei Colonel Dr. Jenkins zum Dienstantritt als »Lieutenant Dr. Allen«.

Er ignorierte ihren Doktortitel, grinste kurz und sagte Randi zu ihr. Sie sprach ihn mit »Colonel« oder »Sir« an.

Colonel Dr. Jenkings hatte einen Monat vor Randis Dienstantritt ein Gespräch mit seinem Verbindungsoffizier zur Central Intelligence Agency. Jenkins war instruiert und gewarnt. Er wusste, wer ihr Freund Dr. Daniel Lutschyna war, und dass der Mikrobiologe Lutschyna die CIA-Offerte abgelehnt hatte. Lutschynas Begründung war für Jenkins verständlich gewesen. Lutschyna hatte gegenüber Terry Moon darauf verwiesen, dass sein zweijähriger Arbeitsvertrag mit dem weißrussischen Außenministerium bereits vor Antritt des Gaststudiums unterzeichnet gewesen war.

»So macht man das im Lukaschenko-Reich«, hatte Jenkins diese Information im Gespräch mit dem Verbindungsoffizier kommentiert.

»Genau so hält man seine Auslandsstudenten wie mit einer Zange am Regime fest. Alle Alternativen hätten für Lutschyna ‚Flucht‘ bedeutet. Es hätte kein Zurück mehr gegeben. Der Familie hätten schwere Repressalien gedroht. So arbeiten nun mal Diktaturen«, hatte der Geheimdienstmann ergänzt.

Für Randi beziehungsweise Lieutenant Dr. Randi Allen verging ein Vierteljahr der Einarbeitung in ihrem Level-4-Biolabor, in dem sie viel lernte. Ihr gefiel der Umgang mit Kollegen aus den unterschiedlichsten Gegenden der USA; sogar ein Arzt aus Honolulu war dabei und ein Biologe, der ihr von den Traditionen der Dakota-Indianer erzählte.

Unterstützt wurde Randi von einer Assistentin, Specialist Jane Hopkins.

Daniel sollte Randi wie verabredet bei einem Besuch in Rom wiedersehen. Einstweilen versorgte sie ihn mit Geschichten aus Fort Derrick und hoffte, dass sie nicht unter die Geheimhaltungsstufen fielen.

»Vor einiger Zeit«, berichtete sie Daniel, »ist mir hier ein Mann mittleren Alters aufgefallen, weil er hier so gar nicht hinpasst. Er geht im Verwaltungstrakt des Labors ein und aus. Immerhin hat das Labor die höchste Sicherheitsstufe, die es gibt; eine Einstufung der Weltgesundheitsorganisation, Level 4.«

»Er hat sich dir nicht vorgestellt, der Herr?«

»Nein. Aber er fällt auf: Er ist Mitte dreißig, eher athletisch gebaut und im Gegensatz zu den Wissenschaftlern trägt er auch keinen weißen Kittel, sondern einen Anzug mit Krawatte.«

»Noch was?«

»Ja. Er scheint sich kolossal zu langweilen. Oder nein, eher: Er wirkt irgendwo total relaxt, so als würde ihn das alles nichts angehen.«

»Das ist in der Tat merkwürdig«, sagte Daniel. »Hast du was unternommen?«

»Ja, ich habe ihn einfach angesprochen. Wie er heißt und was er hier machen würde. Wie ein Wissenschaftler würde er ja nicht aussehen. Außerdem hatte ich den Eindruck, ihn irgendwo her zu kennen.«

»Und?«

»Das kann gut sein, hat er mir ohne Zögern geantwortet. Er habe oft in New York zu tun. Wahrscheinlich sei es an der Columbia Universität gewesen, wo wir uns gesehen haben. Er hat mich dann gefragt, ob ich dort studiert hätte.«

»Und sein Name?«

»Terry Moon.«

Daniel fiel fast die Kinnlade nach unten, als Randi den Namen ihres Gesprächspartners erwähnte.

Besagter Terry Moon stellte sich ihr in der Folge als Verbindungsbeamter zur übergeordneten Behörde, des ‚Center for Desease Control and Prevention’ in Atlanta vor. Das war, wie oft bei Geheimdienstmitarbeitern, nur die halbe Wahrheit. Moon erwähnte nicht, dass er Mittelsmann zwischen den bei den Vereinten Nationen akkreditierten Geheimdiensten, dem US-Militär und der internationalen Forschung war.

»Was hat er noch gesagt?«, fragte Daniel neugierig.

»Er schien mir sehr eitel zu sein.«

»Wieso?«

»Er hat ein bisschen damit geprahlt, dass er auch an der Columbia studiert habe.«

»Okay.«

»Und weil er eitel ist, hat er mir dann sofort erzählt, dass er Politikwissenschaften und Humanmedizin studiert habe. Und jetzt kommt’s: Er fand das selbst so ungewöhnlich, dass er mir sofort erzählen musste, warum.«

»Nämlich?«

»Die Medizin sei eine soziale Wissenschaft, und die Politik wäre nichts weiter als Medizin im Großen.«

Daniel schwieg.

»Ich habe es auch nicht verstanden, Daniel. Aber Mr. Moon war ja auch noch nicht fertig. Er gestand sofort, dass das Zitat nicht von ihm sei. Das hätte ein deutscher Arzt, Rudolf Virchow, der auch Politiker war, geschrieben. Ihm ist ein pathologisches Museum in Berlin zu verdanken, dessen Besuch er mir sehr empfehlen würde, wenn ich einmal auf dem alten Kontinent zu tun hätte. Der Besuch dieses Museums würde einen kompletten Horrorfilm ersetzen.«

So begann Randi Allens Zusammenarbeit mit Dr. Terry Moon, dem Geheimagenten mit Diplomatenpass.

Dass Daniel mit Randi schon über ihn gesprochen hatte, ohne seinen Namen zu erwähnen, das konnte Terry Moon zu diesem Zeitpunkt nur erahnen. Es wäre ihm auch nicht unlieb gewesen, denn die Interessen der USA zielten auf beide Wissenschaftler, einzeln und als Paar.

Dr. Terry Moon hatte sich während seiner medizinischen Ausbildung gar nicht auf Pathologie spezialisiert. Er hatte sich mehr mit Psychiatrie auseinandergesetzt und bei den Psychologen Vorlesungen besucht. Seine Ausbildung bei der CIA beinhaltete dann zusätzlich die Wahrheitsfindung bei Gefangenenbefragungen, auch mit Hilfe von »Waterboarding« und mit Scheinhinrichtungen. Er hatte auch eine Einweisung in die Verfahren der Gefangenenlager Bagram und Guantanamo erhalten.

Gewalt war trotzdem nicht die Sache von Mr. Moon. Er war zwar auch im Nahkampf und im Überleben jenseits der eigenen Linien ausgebildet, doch bevorzugte er die subtileren Mechanismen der Psychologie.

Als Einsteiger hatte Terry Moon allerdings für kurze Zeit Dienst bei der berüchtigten CIA-Verhöreinheit leisten müssen. Die Einheit wurde von Präsident Obama aufgelöst, und ihre Aufgaben waren an das »Federal Bureau of Investigation« übergegangen.

Dr. Terry Moon kannte sich jedenfalls aus, und er hatte Zugang zu sämtlichen sicherheitsrelevanten Bereichen des Biolabors, zu Forschern, zu Bakterien und zu tödlichen Viren.

Das Geheimnis der Pandemie

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