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Der magische Feuerzangenbowle-Topf

»Schau, Opa wollte, dass ich dir das schenke!« Mit diesen Worten überreichte mir meine Mutter am ersten Advent lächelnd einen alten, nein, was sag ich, einen uralten, verbeulten Feuerzangenbowle-Topf aus Kupfer.

Mein Opa war im vergangenen Sommer mit knapp neunzig Jahren verstorben. Ich habe ihn mein ganzes Leben lang unglaublich bewundert und geliebt. Und er liebte mich. Aber was hatte Opa denn bitte mit diesem seltsamen Geschenk bezwecken wollen? Ich runzelte die Stirn. War das wieder einer seiner legendären Streiche, bei denen er regelmäßig jemanden aus der Verwandtschaft in die Falle tappen ließ? Ja, mein Opa war schon ein riesiges Schlitzohr gewesen, ein Lausbub im Herzen bis zu seinem letzten Tag.

Meine Mutter bemerkte meinen verwirrten Blick und meinte: »Ganz ehrlich, Johannes, ich habe keine Ahnung, warum er dir das unbedingt vermachen wollte. Aber es war einer seiner letzten Wünsche.« Und während sie mir ein weißes Kuvert reichte, fügte sie hinzu: »Diesen Brief hat er mir noch dazugegeben. Vielleicht steht dort was Aufschlussreiches drin.«

Neugierig öffnete ich den Brief, zog das kleine, vergilbte Blatt Papier heraus und hoffte nun, eine Erklärung zu bekommen. Allerdings trug das, was ich da las, nicht zur Klärung bei, sondern verwirrte mich noch viel mehr. Dort stand:

Mein lieber Johannes,

ich vermache dir eines meiner wertvollsten Besitztümer: meinen magischen Feuerzangenbowle-Topf.

In Liebe,

dein Opa

Opa, Opa, da hast du mir zum Abschied also noch mal einen riesigen Streich gespielt. Wahrscheinlich lachst du dich im Himmel gerade darüber schlapp, wie ich mir meinen Kopf über die Bedeutung dieses Kupferkessels zerbreche.

Natürlich nahm ich den Feuerzangenbowle-Topf an mich und stellte ihn auf einen Ehrenplatz in unserer Wohnung – obwohl es meine Frau und meine Kinder seltsam fanden. Aber schließlich war es das letzte Geschenk meines Opas, und das wollte ich, auch wenn es alt und verbeult war und ich die Bedeutung nicht verstand, in Ehren halten.

Zwei Wochen später, also am zweiten Adventssonntag, sah ich durchs Fenster, wie es draußen begann, wunderbare, weiße Flocken zu schneien. Der erste Schnee des Winters war wie immer etwas ganz Besonderes. Als ich mich vom Fenster abwandte, fiel mein Blick auf Opas Kupferkessel, den ich ehrlich gesagt die letzten Tage nicht sonderlich beachtet hatte.

Da schoss mir eine Idee durch den Kopf. Sofort konnte ich meine Kinder und meine Frau davon überzeugen, und alle packten mit an. Während ich mit meiner Tochter die Rotwein- und Rum-Reserven aus dem Keller holte und Orangen, Zimtstangen, Nelken, Zuckerhut und Orangensaft herrichtete, schrubbte mein Sohn mit meiner Frau den uralten Kessel. Als der Topf sauber war, zumindest einigermaßen, und es langsam zu dämmern begann, gingen wir nach draußen und entzündeten in der Feuerschale ein Lagerfeuer mitten in unserem Garten.

Ich holte den Schwenkgrill und hängte Opas Kupferkessel hinein. Darüber band ich mit Draht unsere Zuckerhuthalterung. Jetzt konnten wir Wein und Orangensaft und alle Zutaten, die man für eine richtige Feuerzangenbowle so braucht, in den Kessel geben, und der mit Rum übergossene Zuckerhut wurde entzündet. Die bläuliche Flamme sah herrlich aus und die Schneeflocken glänzten fröhlich im hellen Schein des Feuers.

»Oh, wie lecker es bei euch duftet«, riefen die Nachbarn von der einen Seite herüber.

»Oh, wie wunderbar es bei euch im Schneegestöber glänzt«, riefen die Nachbarn von der anderen Seite herüber.

»Oh, wie gemütlich es bei euch aussieht«, staunten die an unserem Garten vorbeikommenden Spaziergänger.

Und alle luden wir ein, mit uns eine Tasse der wunderbaren Feuerzangenbowle zu trinken und sich am Glanz des Lagerfeuers zu freuen. Für die Kinder brachte meine Frau süßen Kinderpunsch und für die kleinen und großen Schleckermäuler Lebkuchen und Spekulatius. Zwanzig, vielleicht sogar dreißig Leute, alte und junge, standen fröhlich in unserem Garten, redeten und lachten und genossen diesen märchenhaften Vorweihnachtstag.

Als ich in die Runde blickte und diese unbeschwerte gemeinsame Freude sah, wurde es mir auf einmal völlig klar: Genau das hatte mein Opa gemeint. Genau deshalb war der Topf für ihn ein so wertvoller Besitz gewesen: Gemeinsames Reden. Gemeinsames Lachen. Gemeinsame Weihnachtsfreude. Ganz leise flüsterte ich in die Nacht:

»Magisch, Opa! Dein Feuerzangenbowle-Topf ist wirklich magisch.«

Weihnachtswunsch

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