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3.2 Weitere Ausnahmen von der eingeschränkten Wahlfreiheit – Rechtsfolgen bei Verstößen

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Die unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 2 AktG bestehende Wahlfreiheit zwischen den Aktienarten ist allerdings in einigen Fällen weiter eingeschränkt. So ist die Ausgabe von Inhaberaktien gem. § 10 Abs. 2 S. 1 AktG dann nicht möglich, wenn diese vor der vollen Leistung der (Bar- oder Sach-)[48] Einlage ausgegeben werden sollen. Hierdurch soll es der AG erleichtert werden, ihren Einlageschuldner zu identifizieren,[49] denn ihr gegenüber gilt gemäß der unwiderlegbaren Vermutung aus § 67 Abs. 2 AktG derjenige als Aktionär, der im Aktienregister eingetragen ist,[50] auch wenn die Aktie bereits dinglich übertragen wurde. Wurde trotz ausstehender Einlageleistung eine Inhaberaktie ausgegeben, ändert dies zunächst weder etwas an dem wirksamen Entstehen der Aktie[51] noch an dem Bestehen der Einlagepflicht.[52] Allerdings besteht in einem solchen Fall das Risiko, dass ein Zweiterwerber die Aktie gutgläubig lastenfrei gem. § 936 BGB erwerben kann, also ohne gleichzeitig der Verpflichtung zur Einlageleistung ausgesetzt zu sein.[53] Die Aktie ist dann endgültig zur Inhaberaktie geworden und entsprechend zu behandeln.[54] Ein gutgläubig lastenfreier Erwerb kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Satzung auch die Ausgabe von Inhaberaktien generell zulässt.[55] Im Fall des gutgläubig lastenfreien Erwerbs bleibt der ursprüngliche Zeichner auch nach Übertragung zur Einlageleistung verpflichtet;[56] ergänzend haften zudem Vorstand und Aufsichtsrat gem. §§ 93 Abs. 3 Nr. 4, 116 AktG für den der AG entstehenden Schaden.[57] Zudem stellt der Verstoß gegen § 10 Abs. 2 S. 1 AktG eine Ordnungswidrigkeit nach § 405 Abs. 1 Nr. 1 AktG dar.

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Auch für die Nebenleistungs-AG nach § 55 AktG, bei der an die Inhaberschaft einer Aktie die Verpflichtung zur Erbringung von Nebenleistungen geknüpft ist, sind Namensaktien zwingend vorgesehen. Dies folgt aus § 55 AktG, der für die Nebenleistungs-AG eine Vinkulierung vorschreibt, welche wiederum nur bei Namensaktien möglich ist (§ 68 AktG).[58] Der Grund für den Zwang zur Namensaktie bei der Nebenleistungs-AG liegt seinerseits in dem Bedürfnis der AG, ihre Schuldner schnell und effektiv identifizieren zu können. Werden im Fall der Nebenleistungs-AG fälschlicherweise Inhaberaktien ausgegeben, werden wegen des Verstoßes gegen § 55 Abs. 1 S. 1 AktG die Nebenpflichten nicht wirksam begründet.[59] Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen § 55 Abs. 1 S. 2 AktG.[60] Der gutgläubige Erwerber einer solchen Aktie erwirbt lastenfreies Eigentum an der Aktie, mithin ist er nicht zur Erbringung der Nebenleistungen verpflichtet. Liegt ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 S. 3 AktG vor, enthält eine Nebenleistungsaktie mithin unvollständige oder unrichtige Angaben über die Nebenleistungspflicht, hat dies nicht die Unwirksamkeit der Nebenleistungspflicht zur Folge, so dass der erste Inhaber der Aktie in vollem Umfang zur Erbringung der vereinbarten Nebenleistung verpflichtet ist.[61] Erwirbt ein gutgläubiger Dritter diese Aktie, geht die Verpflichtung nur in dem verbrieften Umfang auf ihn über,[62] da er auf die Einhaltung der zwingenden Vorschrift des § 55 Abs. 1 S. 3 AktG vertrauen darf.[63] In diesem Fall ist auch der ursprüngliche Eigentümer nicht mehr zur Erbringung der Nebenleistungen verpflichtet, denn eine Trennung von Nebenleistungspflicht und Mitgliedschaft ist nicht möglich.[64]

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Daneben müssen gem. § 101 Abs. 2 S. 2 AktG auch Aktien, die ein Entsendungsrecht für Mitglieder des Aufsichtsrats begründen, als (vinkulierte) Namensaktien ausgestaltet sein.[65] Das sog. Inhaberentsendungsrecht wird den Inhabern dieser Aktien durch die Satzung eingeräumt und bildet mit der vinkulierten Namensaktie eine Einheit,[66] so dass das Entsendungsrecht immer dem jeweiligen Inhaber der Aktie zusteht.[67] Durch Übertragung der Aktie auf einen neuen Inhaber erhält der neue Inhaber das Entsendungsrecht.[68]

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Schließlich sind Steuerberatungsgesellschaften (§ 50 Abs. 5 S. 1, 2 StBerG), Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§§ 28 Abs. 5 S. 1, 2 WPO) und Investmentaktiengesellschaften (§ 109 Abs. 2 S. 3 KAGB) gehalten, ebenfalls nur (mit Ausnahme der Investmentaktiengesellschaften: vinkulierte) Namensaktien auszugeben.[69] Ähnliches gilt für Aktien von börsennotierten Luftfahrtunternehmen (§ 2 Abs. 1 LuftNaSiG) und gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen.[70]

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