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4.2 Grenzen der Gestaltungsfreiheit

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Zu beachten ist bei der Schaffung unterschiedlicher Gattungen lediglich, dass keine unentziehbaren Mitgliedschaftsrechte beeinträchtigt werden. Zu diesen unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten[104] zählt nach allgemeinen Regeln das Stimmrecht, wenngleich §§ 139 ff. AktG insoweit Sonderregelungen bereithalten.[105] Ebenso wenig ist es nach § 134 Abs. 1 S. 5 AktG zulässig, eine Aktiengattung zu schaffen, für die ein Höchststimmrecht gelten soll, während die Aktien anderer Gattungen keiner derartigen Beschränkung unterworfen sind.[106] Außerdem ist es nicht möglich, eine Aktiengattung zu schaffen, die den Aktionären kein Bezugsrecht einräumt.[107] Entsprechendes gilt für das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung,[108] das Rederecht,[109] das Auskunftsrecht[110] und das Recht eines Aktionärs, Hauptversammlungsbeschlüsse anzufechten.[111]

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Abgesehen von diesen Ausnahmen sind der Phantasie bei der Schaffung verschiedener Aktiengattungen keine Grenzen gesetzt. Es ist insbesondere möglich, eine Aktiengattung zu schaffen, deren Aktien nach § 237 Abs. 6 AktG eingezogen werden können.[112] Damit ist es möglich, Aktien zu schaffen, die mit den im englischen Recht schon lange etablierten redeemable shares jedenfalls zum Teil vergleichbar sind.[113] Soweit erst nach Gründung durch Mehrheitsbeschluss die Ermächtigung zur Zwangseinziehung in die Satzung aufgenommen wird, führt dies automatisch dann zur Schaffung einer neuen Aktiengattung, wenn im Anschluss an die Satzungsänderung durch Kapitalerhöhung neue Aktien geschaffen werden; denn nur diese jungen Aktien können dann ohne Zustimmung des betroffenen Aktionärs eingezogen werden, während die vor der entsprechenden Satzungsermächtigung ausgegebenen Aktien nur mit Zustimmung des betroffenen Aktionärs eingezogen werden können.[114]

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Im Schrifttum wird zudem vielfach die Schaffung sog. Spartenaktien (tracking stocks)[115] als eigene Aktiengattung diskutiert. Obwohl rechtlich grundsätzlich zulässig, kommen diese in der Praxis nur selten vor. Diese Aktiengattung soll wirtschaftlich nur an der Entwicklung einer einzelnen Sparte partizipieren, so dass Gewinne nur insoweit ausgeschüttet werden, als diese durch die jeweilige Sparte erwirtschaftet wurden. Da derartige Spartenaktien sich weit von dem gesetzlichen Leitbild der Aktie entfernen, sind hiermit eine Vielzahl schwieriger Rechtsfragen verbunden, deren höchstrichterliche Klärung noch aussteht.[116] Nur einige der bestehenden Probleme sollen im Folgenden aufgegriffen werden. Zunächst führt die Ausgabe stimmberechtigter Spartenaktien und deren rechtliche Einordnung als Aktiengattung dazu, dass für eine Vielzahl von Kapital- und Umstrukturierungsmaßnahmen Sonderbeschlüsse der Tracking-Stock-Aktionäre erforderlich werden (§§ 182 Abs. 2, 222 Abs. 2 AktG, 65 Abs. 2 UmwG), die mit einer Mehrheit von drei Vierteln zu fassen sind. Auch die Ausgabe stimmrechtsloser Spartenaktien hilft diesem durch die Sonderbeschlüsse bedingten Risiko einer Blockade durch die Spartenaktionäre wegen §§ 141, 179 Abs. 3 AktG nur bedingt ab.[117] Ein weiteres Problem stellt die unterschiedliche Interessenausrichtung der Aktionäre dar. Gewöhnlich haben Aktionäre, auch solche verschiedener Gattungen, ein gleichgerichtetes Interesse an der ökonomischen Entwicklung des Gesamtunternehmens. Im Gegensatz dazu haben Spartenaktionäre ein besonderes Interesse an der Förderung ihrer Sparte.[118] Und schließlich fehlt nach deutschem Recht eine einfach zu handhabende Möglichkeit, einmal ausgegebene Spartenaktien wieder abzuschaffen.[119]

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Zudem wird die Spartenbindung einer Tracking-Stock-Aktie durch § 58 AktG begrenzt. Es ist also auch bei entsprechendem Erfolg der Sparte, an der die jeweilige Aktiengattung wirtschaftlich beteiligt sein soll, nicht möglich, mehr Gewinn auszuschütten, als die gesamte AG erwirtschaftet hat – selbst wenn die jeweilige Sparte im Gegensatz zu den übrigen Sparten einen höheren Gewinn erwirtschaftet. Soweit eine solche Beteiligung an einer einzelnen Sparte wirtschaftlich gewünscht wird, sollte erwogen werden, die betreffende Sparte zur Neugründung auszugliedern (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG). Nach der Ausgliederung könnten dann Teile der Aktien an der neuen Gesellschaft, ggf. auch nur Vorzugsaktien, gesondert veräußert werden.

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Neben der durchaus verbreiteten Gattung der Vorzugsaktien ohne Stimmrecht i.S.d. §§ 139 ff. AktG finden sich in der Praxis namentlich Gattungen von Aktien, deren Inhaber bei der Verteilung des Liquidationserlöses bevorzugt oder benachteiligt werden (§ 271 Abs. 2 AktG) oder deren Inhaber bei der Gewinnverteilung bevorzugt behandelt werden, ohne dass ihr Stimmrecht ausgeschlossen wäre. Weniger verbreitet, aber gleichwohl rechtlich zulässig, sind diejenigen Aktiengattungen, die ihre Inhaber zur Erbringung bestimmter Zusatzleistungen verpflichten (§ 55 AktG).

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