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Begegnung der nassen Art

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Am letzten Dienstag vor den Osterferien gab der Winter noch einmal eine Abschiedsgala mit Hagel, Schnee und Sturm. Philipp gönnte seinem Drahtesel Ruhe und holte stattdessen seine Schwimmsachen heraus, um mal wieder Langstrecke zu trainieren. Dummerweise ist es oft so, dass die unterschiedlichsten Leute am selben Tag die gleiche gute Idee haben. So merkte er erst an der Hallen-Eingangstür den Spiele- und Spaß-Tag und das Gedrängel vieler Kinder mit ihren Eltern vor dem Drehkreuz. Das würde reichen, um stehend Badewasser zu verschlucken, nicht aber, um zu trainieren, dachte er enttäuscht.

Als er aber die Duschen verließ und das Schreien und Plantschen mit Gummitieren überblickte, entdeckte er zwei abgetrennte Schwimmbahnen. Nur ein DLRG-Mann übte sich im Klamottenschwimmen, die andere Bahn war frei, so dass er doch seine vierzig Bahnen angehen konnte. Er überlegte nicht lange, riss die Schwimmbrille über die Augen und schoss mit einem flachen Startsprung in das aufspritzende Wasser.

Mit gleichmäßigen ruhigen Kraulbewegungen schob er sich durch das unruhige Element, atmete hinten in rhythmischen Abständen ein und drückte die Luft gegen den Wasserwiderstand nach unten aus. Er lag flach wie ein leicht hin und her schaukelndes Bügelbrett im Wasser, ließ sich die letzten zwei Meter ruhig treiben und

stieß sich nach einer eleganten Salto-Wende wieder in die Gegenrichtung ab. Bahn um Bahn spulte er die Strecke ab, dachte an die Namen seiner Klassenkameraden und nahm unter sich die schimmernden Lichtreflexe auf den Kacheln des Hallenbodens wahr. Nachdem er die letzte Bahn schwer atmend abgeschwommen hatte, Kopf im Wasser, die Hände nach vorn gestreckt, um gleitend den Beckenrand zu berühren, spürte er plötzlich statt des Beckenrands zwei Hände, die sich gleichzeitig auf seine linke Schulter und den Kopf legten und ihn sanft aber kräftig unter die Oberfläche drückten, so dass er überrascht Wasser schluckte und spuckend und prustend wie ein Walross mit rotem Kopf aus den Wellen auftauchte.

Wütend Wasser tretend und hustend blickte er um sich, den Übeltäter zu erwischen. Aber da war im Wasser niemand zu entdecken, der infrage käme. Er hob sich mit Schwung aus der Bahn auf den Beckenrand und musterte die Kinder in seiner Nähe. Plötzlich entdeckte er einen weißen Bademantel, aus dem ein auffallend unbeteiligtes und harmlos aussehendes blasses Gesicht hervorschaute:

„Panne! - Das wirst du mir büßen!“, rief er halb ärgerlich, halb lachend. Aber Anne, kaum dass sie sich entlarvt fühlte, schlüpfte aus ihrem Bademantel und stürzte sich mit einem gehechteten Bauchklatscher in die von Mondgesicht soeben verlassene Bahn. Nun begann eine wilde Verfolgungsjagd. Anne, die ausgeruht und sehr gut im Brustschwimmen war, eilte mit kräftigen Stößen voran. Aber gegen Philipps Kraulstil hatte sie keine Chance. Nach fünfzehn Metern holte er sie ein, schrie fairerweise kurz: „Luft anhalten!“, tauchte ab, erwischte den linken herabhängenden Fuß von Anne, umfasste ihn mit beiden Händen und zog ihn in zwei Meter Tiefe, so dass Annes Kopf trotz Strampelns unter Wasser geriet. Als er hochblickte und sah, dass es ihm gelungen war, ließ er los und schwamm nach oben. Ungefähr gleichzeitig durchstießen beide die Oberfläche. Diesmal war es Anne, die hustete, aber sofort zum Gegenangriff überging, indem sie Philipp eine volle Ladung Wasser ins Gesicht spritzte. Beide hielten ihre Oberkörper durch Treten über Wasser und bespritzten sich gegenseitig, bis der Schwimmmeister sie zur Ordnung rief: „Hey, ihr Beiden da! Gespielt wird drüben und nicht hier in der Schwimmbahn.“

Sogleich tauchten sie unter der Abgrenzung durch und setzten ihren nassen Kleinkrieg, der sich inzwischen zu einem neckischen Krieg-mich-doch entwickelt hatte, über Gummimatten, Schlauchboot und Gummirutsche fort, bis Anne schließlich keuchte: „Aufhören, ich kann nicht mehr. Friede, ja…? Ich hol eben mein Handtuch.“ „Aber das nächste Mal, wenn du jemanden untertauchen willst, warnst du ihn gefälligst. Das war echt fies von dir.“ „Ich wusste gar nicht, dass du so gut im Freistil bist“, lenkte Anne ab. „Wie viele Bahnen hast du geschafft?“ „Vierzig, also tausend Meter.“ „Verzählst du dich nicht?“ „Fast nie. Ich schwimm alle Namen unserer Klasse ab.“ – Dickes Fragezeichen bei Anne. „Wir sind zwanzig Schüler. Ich denke je zwei Bahnen an einen Namen und brauche nicht stumpfsinnig bis vierzig zu zählen.“ „Und bei welcher Runde bin ich dein Zahlenersatz?“, fragte Anne herausfordernd. „Bei der letzten“, grinste Philipp. „War ja klar. Dann hab ich den richtigen Riecher gehabt, den hochnäsigen Mond untergehen zu lassen“, war ihre bissige Reaktion.

Und fast hätte es wieder einen handfesten Streit gegeben, wenn nicht Annes kleiner Bruder Pitt spöttisch schon von weitem rief: „Was sich liebt, das neckt sich!“ Wütend sprang Anne auf, um das kleine Lästermaul ins Wasser zu stoßen. Aber der war schneller und Anne ging mit rotem Kopf zurück, indem sie verärgert zischte: „Kleine Brüder können eine richtige Plage sein.“ „Ach mach dir nichts draus, so sind kleine Brüder eben“, sagte Philipp onkelhaft. „Ich wäre jedenfalls froh, wenn ich noch einen kleinen Bruder oder eine große Schwester hätte.

Sind deine Eltern eigentlich auch hier?“ Kaum hatte er die Frage gestellt, nickte Anne mit dem Kopf und wies auf die Gegenseite des Schwimmbeckens, von wo aus ihr Vater sie eben entdeckt hatte. Der umrundete das Becken und kam lächelnd auf die Kinder zu: „Hallo Philipp. Na, hast du auch die gleiche gute Idee gehabt, bei diesem Wetter den Spieltag zu nutzen?“ „Tag, Herr Mitscherlich! Reiner Zufall! Eigentlich hätte ich lieber einen ruhigeren Tag für mein Schwimmpensum gehabt. Aber zum Glück war noch eine Bahn frei und ich konnte meine Strecke abschwimmen.“

„Na, aber eben sah es mir eher so aus, als ob ihr Beiden mehr Spaß als sportliche Leistung im Wasser gesucht habt. Sag mal, Philipp, was hast du eigentlich in den Osterferien vor?“ „Och, nichts Besonderes. Meine Mutter erwartet Feriengäste, und ich helfe ihr ein bisschen mit Einkäufen oder beim Zimmerservice. In der übrigen Zeit gehe ich schwimmen oder fahre mit meinem Bike. Vielleicht gehe ich auch mal etwas joggen.“ Philipp vermied das Wort Training, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen. Annes Vater bohrte nicht nach, sondern steuerte auf sein eigentliches Angebot zu. „Hättest du nicht Lust und Zeit, mit uns einen Tagesausflug zur Heinrichhöhle zu machen? Pitt ist während der Ferien mit den christlichen Pfadfindern unterwegs und Anne hat sonst nur ihre Eltern zum Streiten“, grinste er mit einem kurzen Seitenblick auf Anne. Empört drehte die sich zu ihrem Vater und trommelte mit ihren Fäusten auf seinen Oberarm: „Papa, du bist echt fies. Ich streite gar nicht, und außerdem könntest du mich ruhig fragen, ob ich das auch möchte, ja?“ „O, entschuldige bitte, Mademoiselle Mimosa, dass ich vergaß, dich zuerst zu fragen. Aber ich dachte, ihr hättet eure Feindschaft schon ein wenig begraben.

Also, würdest du es erlauben, dass Philipp uns begleitet? Ich habe nämlich zufällig von Frau Noffke gehört, dass Philipp sich in der Gegend gut auskennt und schon mal Gäste auf solchen Touren begleitet hat. Stimmt doch Philipp, oder?“ „Nur zweimal, aber ich kenn mich hier in der Gegend ganz gut aus, weil ich mit meinem Bike ziemlich viel herumkomme.“ „Also, Anne, was ist?“

Anne fand die Idee im Grunde gut und freute sich insgeheim, wenn sie daran dachte, was sie schon mit ihrem kleinen Bruder an Abenteuern erlebt hatte. Nur allein machte es halb so viel Spaß. Und eine Freundin hatte sie noch nicht. Also lenkte sie ein: „Okay, du kannst mitkommen, Philipp. Ich fand es nur unfair, Papa, dass du mich einfach damit so überfallen hast. Willst du denn überhaupt, Phil?“ „Klar komme ich mit. Ich kann es doch nicht verantworten, dass ihr euch irgendwo in der Höhle oder im Felsenmeer verlauft“, erwiderte er und fühlte sich schon halbwegs als ortskundiger Fremdenführer.

Mondgesicht und Panne im Archenland

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