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Harald Dasinger

Die Hure

Aus dem Leben eines Callgirls

Psychologisches Erotik-Drama

Für Elena Ilinykh

„Du aber liebe mich, auch wenn ich schmutzig bin; denn wenn ich weiß gewaschen wäre, lieben mich ja alle.“

(Fjodor Dostojewski )

„Bei Weibern weiß man niemals, wo der Engel aufhört

und der Teufel anfängt.“ (Heinrich Heine)

BÜHNENBILD und PERSONEN

werden jeweils in den einzelnen Szenen

aufgeführt und detailliert beschrieben

PROLOG

Professor aus den Kulissen

Professor: So, meine Damen und Herren... Wenden wir uns nun, so lange die Zeit heute noch reicht, einige Mythen der Prostitution zu... Und zwar - Mythos eins: Prostitution bedeutet sexuelle Selbstbestimmung der Frau, die Verwirklichung ihrer sexuellen Freiheit. Nur ist sie das bei weitem nicht, da es einzig und allein nur um die Erfüllung der sexuellen Wünsche der Sexkäufer geht und nicht um die Prostituierte als Mensch, als Frau und um ihre Sexualität, sage, ihre eigenen Wünsche, Leidenschaften oder auch Begierden geht. Somit kann das System der Prostitution weder als normal, noch als progressiv angesehen werden. Die meisten dieser Frauen empfinden ihre Tätigkeit nicht als Sex, als Erfüllung der eigenen Lust, sondern als Missbrauch. Als seelische und körperliche Vergewaltigung. Darum versetzen sie sich auch während des Vollzugs des sexuellen Aktes in einen mentalen Zustand, der sie vom tatsächlichen Geschehen abkoppelt - sie lassen es einfach geschehen, ohne dabei irgend etwas zu empfinden. Dieser mentale Zustand, in der Psychologie Dissoziation genannt, stellt eine Art Schutzmechanismus dar. Indem sie sich mental vom Geschehen abkoppeln, versuchen sie, sich seelisch zu schützen, da es oft nicht nur zu langfristigen psychischen Problemen, sondern auch zu einem gestörten Verhältnis zum eigenen Körper und der eigenen Sexualität kommt. Um diesen Zustand - des Missbrauchs, der Erniedrigung, der permanenten Vergewaltigung überhaupt ertragen zu können, greifen diese Frauen meistens zu Alkohol, Drogen und Psychopharmaka. Was sie wiederum in eine andere Abhängigkeit, mit späteren schweren gesundheitlichen Folgen führt. Und diese Abhängigkeit führt zu einer weiteren - und zwar zu der von ihren Zuhältern und den Bor-dellbesitzern, die sie mit dem nötigen - sagen wir mal - „Stoff“ versorgen, um sie

gefügig zu machen - so lange sie nur genügend Profit einbringen. Somit sind sie diesen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert - legale Sklavinnen ihrer Herren. Da Prostitution hierzulande ja legal ist... Und das ganze wird dabei sowohl von den Medien, als auch der Politik verschönert, welche die Prostitution mit Arbeit gleich setzen. Man spricht von „Sexarbeit“ und „Sexarbeiterinnen“, von freier Berufs-wahl und „Arbeitsrechten“... Obwohl es sich keinesfalls um eine Tätigkeit wie je-de andere handelt... Womit wir bei zweiten Mythos über die Prostitution wären.

Prostitution ist bei weitem keine Tätigkeit wie jede andere, denn der Alltag einer Prostituierten ist bei weitem nicht selbstbestimmt. Diese Frauen sind ständig mas-sivem Druck ausgesetzt, Angst ist ihr ständiger Begleiter - Angst vor gewalttätigen Kunden und Zuhältern, Angst, nicht genug Geld zu verdienen oder im Falle von sich illegal aufhaltenden Frauen, Angst ausgewiesen oder abgeschoben zu werden, Angst, schwanger oder krank zu werden, da viele Sexkäufer mit ausländischen Frauen ungeschützten Sex wollen. Ständig sind sie sowohl physischer, als auch psychischer Gewalt von allen Seiten ausgesetzt. Was - wie bereits erwähnt - zu chronischen körperlichen Beschwerden und Missbrauch von Narkotika und Alkohol führt. Hinzu kommen noch psychische Probleme wie Depressionen und Traumata. Immer wieder kommen Traumata aus der Vergangenheit zum Vorschein, da ein Großteil dieser Frauen bereits in der Kindheit und frühen Jugend physische Gewalt und Misshandlungen erlebt haben... Doch darum schert sich keiner, heißt es doch immer wieder: ja, sie machen es doch freiwillig... Wie „freiwillig“ das alles jedoch ist, lassen wir mal so dahin gestellt... Nehmen wir doch nur einmal die vielen noch nicht einmal volljährigen Prostituierten aus dem Ausland, die wegen ihrer finanziellen Notlage keine andere Möglichkeit des Überlebens sehen, als sich - mehr oder weniger freiwillig - in die Prostitution zu begeben. „Ar-mutsprostitution“ nennt man dieses Phänomen... Nun ja... Nur erfolgt „Armut-sprostitution“ keineswegs freiwillig. Viele Migrantinnen aus den armen osteuro-päischen Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Moldawien, Ukraine, Georgien etc., werden oft von den eigenen Familienmitgliedern dazu gebracht, sich im Ausland

zu prostituieren, um die Familie finanziell zu unterstützen. Sie sehen einfach keine andere Möglichkeit der Armut zu entfliehen, als sich zu prostituieren. Oft nehmen sie sich vor, dies nur für einige Jahre machen, nachdem sie genug Geld verdient hätten, jedoch ist ein ausstieg aus der Prostitution dann so gut wie nicht mehr möglich. Es gibt kein Entkommen aus diesem Teufelskreis der Gewalt, der Abhängigkeit von Zuhältern, Drogen und Alkohol. Außerdem leiden sie an einem mangeln-den Selbstwertgefühl aufgrund der Erniedrigungen, die sie Tag täglich erfahren; sie verfügen nur über ein geringes Bildungsniveau, geschweige denn über eine Be-rufsausbildung; sie sprechen weder die Landessprache, noch kennen sie ihre Rechte...

Ein Klingeln ist zu hören

Professor: So, meine Damen und Herren - das wäre es für heute. Beim nächsten Mal behandeln wir weitere Mythen über die Prostitution... Und - ich möchte Sie bitten, sich Gedanken über dieses Thema zu machen... Ich hoffe auf eine angeregte und lebhafte Diskussion... Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Man hört, wie als Zustimmung auf Tische geklopft wird und das Gemurmel von Leuten, die einen Saal verlassen

I. AUFZUG

Die Hure. Aus dem Leben eines Calllgirls

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