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Wichtig

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Es war noch früh am Morgen und der Jahreszeit entsprechend kühl. Ferdi stand an der Bushaltestelle. Er fror und die Warterei ging ihm auf die Nerven. Die Busse hatten seit der Einführung des neuen computergestützten Leitsystems etwas mehr Verspätung als sonst, und so rauchte er noch eine Schachtel Zigaretten, ehe der Bus eintraf.

Als er im Büro ankam, war kaum jemand anwesend. Die anderen erschienen entweder erst später oder hatten Termine bei irgendwelchen Kunden. Wie jeden Morgen schaltete Ferdi als erstes seine Kaffeemaschine ein, damit die Wärmplatte den Rest vom Vortag wieder auf Temperatur brachte. Nur montags schüttete er das, was vom Freitag noch in der Kanne verblieben war, dann doch lieber weg.

Vorsichtig rückte er einige der anderen Geräte ein Stück zur Seite. Beim Programmieren wurde sicherlich recht viel Kaffee verbraucht, aber rechtfertigte das die Anweisung, jeder müsse seine eigene Maschine mitbringen?

Es gab nichts als Probleme damit. In der Küche war nirgendwo mehr Platz. Und um all’ die Dinger in der Küche anschließen zu können, fehlte es natürlich an Steckerleisten.

Einige Kollegen liehen sich die Teile kurzerhand von irgendwelchen PCs, doch diese Problemlösung führte erwiesenermaßen zu Engpässen bei der Arbeit. Davon abgesehen flogen die Sicherungen heraus, wenn ausnahmsweise einmal alle bereits morgens im Büro weilten.

Das war schon etwas ärgerlich, denn es verursachte unerwünschte Ausfallzeiten bei Servern, die eigentlich im 24-Stunden-Betrieb laufen sollten. Wenn man wenigstens diese Rechner mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung ausgestattet hätte! Aber selbst das hatte die Geschäftsleitung ja aus Kostengründen abgelehnt.

Dann und wann störten die Kaffeesucht-basierten Stromausfälle außerdem Kollegen, die auf die dumme Idee kamen, ihren PC ein bisschen zu früh hochzufahren. Die etwas überharte Methode, mit der diese Rechner abgeschaltet wurden, führte in aller Regel zu einem nicht geringen Datenverlust.

Betroffene und Verursacher des Desasters diskutierten nach jedem dieser Ereignisse tagelang und mit großem Engagement nur noch die alles entscheidende Frage, ob man nicht eine Vorschrift erlassen solle, wer wann seine Kaffeemaschine einschalten dürfe. Da sich ohnehin niemand an eine entsprechende Anordnung halten würde, endeten die Debatten aber mit schöner Regelmäßigkeit zu Gunsten der Kaffeesüchtigen.

Diesen Morgen war aber ohnehin kaum jemand anwesend. Ferdi konnte sich ausnahmsweise in Ruhe der Arbeit widmen. Erst als Alfred hereinkam, war es damit vorbei.

Wie jeden Morgen packte er als erstes die Boulevardzeitung aus und begann zu lesen, während die anderen nach und nach hereintröpfelten, sich begrüßten und über den Ärger und die Probleme vom Vortag lamentierten.

„Guckt mal, was hier in der Boulvz steht!“ Alle Köpfe drehten sich zu Alfred.

„Dass du deine Kollegen warnen solltest, bevor du Boulvz sagst, damit sie ihre Regenschirme aufspannen können?“ Kurt konnte weder Alfred leiden, noch die Art, wie er die anderen bei der Arbeit zu stören pflegte.

Alfred ließ sich nicht irritieren. „Nicht ganz, aber du bist schon nah am Thema. Beim Reitturnier in Baadachen war das Wetter gestern so schlecht, dass drei Pferde samt Reiter auf dem Parcours ertrunken sind. Der Tierschutzverein sprach von einem einzigartigen Fall von Tierquälerei und hat eine Großdemonstration auf dem Turniergelände angekündigt.

Der Veranstalter sieht das aber wohl eher locker. Ein Sprecher nannte die Reaktion des Tierschutzvereins völlig überzogen. Außerdem seien die Tierschützer überhaupt nicht in der Lage, eine größere Zahl von Demonstranten mit Schwimmwesten auszurüsten.

Um Entgegenkommen zu zeigen, erwäge man aber, für die Pferde zukünftig Taucherbrillen und Schnorchel vorzuschreiben. Die Reiter sollen außerdem zumindest ein Freischwimmerzeugnis vorweisen können.“

„Vielleicht sollten wir dem Chef einmal vorschlagen, eine elektronische Regelung für das Reitturnier-Wetter zu entwickeln. Der wird diese Idee sicherlich mit Begeisterung aufgreifen,“ knurrte Kurt.

Alfred ließ sich immer noch nicht bremsen. „So schlecht ist die Idee doch gar nicht. Vielleicht schafft Dape es ja, die Stadtväter von Baadachen zu einem Vorschuss zu bewegen. Dann könnten wir wenigstens unsere Gehälter das nächste Mal pünktlich bekommen.“

„Wenn du meinst, Politiker seien noch dümmer als unsere Geschäftsführung, dann darfst du Dape meine Idee gerne vorlegen. Und jetzt lass mich in Ruhe weiterarbeiten.“ Mit diesen Worten wandte sich Kurt wieder seinem Bildschirm zu.

Gerade hatte er wieder einmal eine als „streng vertraulich“ gekennzeichnete Email aus der Chefetage empfangen. Gina würde es wohl nie lernen, dass sie nicht einfach ohne Nachzudenken jede Mitteilung vom Chef als Mail-an-alle verschicken durfte.

Bei Ferdi klingelte das Telefon. „Nein, Gina, ich habe im Moment überhaupt keinen Bock, mich um irgend so einen Vertriebsmenschen zu kümmern. ... Schön, dann sind sie eben Marktführer. Sag ihm, wir fänden das ja toll, aber bei unseren Lieferanten würden wir auf Unternehmen Wert legen, die ihr Geld in erster Linie in die Qualität ihrer Produkte investieren und nicht bloß in Marketing und Vertrieb.“

Ferdi legte auf. „Kommt jemand mit in die Kantine? Ich habe langsam Hunger.“ Die anderen sahen sich an.

„Eigentlich ist es ja noch ein bisschen früh, aber dann könnten wir vielleicht noch in Ruhe diskutieren, was wir mit Schapping machen,“ meinte Gerda.

„Mit was? Kann man das essen oder ist das ein neues Computerspiel?“ Ferdis Stimme klang, als habe man ihm gerade berichtet, dass im Kölner Zoo ein Affe mit acht Armen geboren worden sei.

„Nun ja, nicht direkt essen, aber man kann es schlucken. Es ist ein neuartiges Beruhigungsmittel, rezeptfrei, versteht sich. Es soll ziemlich stark sein. Wir wollten einmal darüber reden, ob wir es zukünftig bei allen Sitzungen einsetzen, oder nur, wenn unsere ‚Lieblingskunden’ dabei sind.“ Gerda wandte sich wieder ihrem Rechner zu, um noch einen Compile-Lauf anzustarten.

„Ich werde es wohl bei allen Sitzungen nehmen“, meldete sich Kurt. „Ich habe jedenfalls lange keine Besprechung mehr erlebt, bei der man auf so etwas ruhigen Gewissens verzichten konnte.“

„Nun übertreib´ mal nicht. Was Planungssitzungen mit der Geschäftsführung angeht, gebe ich dir ja recht, aber bei den Kunden könnten wir uns schließlich auf Behörden beschränken. Na ja, und vielleicht noch auf die Fälle, wo wir es als Subunternehmer mit einem anderen Softwarehaus zu tun haben. Aber das könnten wir wirklich in Ruhe beim Essen diskutieren. Also, wer kommt mit?“

Ferdi wurde langsam ungeduldig. Wenn jeder jetzt noch eben die Aufgabe zu Ende bringen wollte, an der er gerade saß, würde es nicht einmal zu einem gemeinsamen Nachmittagskaffee reichen.

Kurt musste unbedingt noch nachkarten. „Wenn die Geschäftsführung einmal nicht an den Planungen teilnimmt, dann vertritt sie einer der Abteilungsleiter, oder, noch schlimmer, einer vom Vertrieb. Und da hast gerade du noch nie auf deine Baldriantropfen verzichtet.“

„Nett, dass du mich hier vor allen anderen auf meinen Baldrianbedarf aufmerksam machst. Können wir jetzt essen gehen?“ Als niemand sich rührte, entschloss Ferdi sich, schon einmal alleine vorzugehen, um dem drohenden Hungertod zu entgehen.

Dape

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