Читать книгу Und du kannst es schaffen! - Harald Lange - Страница 7
Wie findet das blinde Huhn zum Korn?
ОглавлениеIch kann leider nicht mit Stadtplänen umgehen oder Karten lesen, ist für mein Auge ein scheinbar unlösbares Problem. Irgendwie kann ich mich auf so einer Karte nicht orientieren, wenn ich sie unter dem Lesegerät vergrößere habe ich natürlich keine Übersicht mehr und somit ein Problem mit der Routenplanung. Folglich musste ich mir auch hier etwas einfallen lassen, wie ich an verschiedene Laufstrecken herankommen konnte. Wenn Sie sich eine Strecke von 30 Kilometern beispielsweise heraussuchen und diese jede Woche laufen, immer den gleichen Weg, das wird nicht nur für die Psyche langweilig, es langweilt auch Ihren Körper. Es ist dann weder ein Leistungsanstieg zu erkennen, Sie halten die Leistung maximal, das Leistungsniveau Ihres Körpers stagniert und Ihr Körper ist nur stets bemüht, dieses Level zu halten, auf das Sie die gewohnte Belastung durchstehen. Das ist nicht das Ziel eines Wettkampfläufers. Eher variiert man sein Training so, dass man gefasst in den Wettkampf gehen kann, gefasst auf einen unterschiedlichen Streckenverlauf, auf die dort herrschenden Wetterbedingungen und um sich zur Höchstleistung zu bringen. Unser Körper ist darauf ausgelegt, nur das Nötigste zu tun um zu überleben. Das können Sie übrigens auch in der Tierwelt beobachten. Will ich also abgehärtet in einen Wettkampf gehen und bestmögliche Leistung bringen ist es folglich ratsam, ein sehr abwechslungsreiches Training zu machen. Als ich mit meiner Frau Ende 2007 nach Bad Homburg gezogen bin, war es mir von Anfang an wichtig, mich hier einerseits zurechtzufinden und mir entsprechende Laufstrecken zu suchen, auf denen ich regelmäßig trainieren konnte. Nun ist meine Frau das genaue Gegenteil von mir. Ich betreibe Dinge bis ins Extreme, sie macht am liebsten gar nichts. Ohne jetzt an dieser Stelle weiter auf diese Gegensätze eingehen zu wollen will ich damit nur sagen, meine Frau ist mir hier keine große Hilfe wenn es darum geht, Strecken zu erkunden. Da ich sie auch leider nicht dazu bewegen kann, dass Sie mit dem Fahrrad fährt, mich sozusagen coacht und ich hinter ihr herlaufen kann, musste ich mir hier einen anderen Weg suchen. In der Regel mache ich das so, dass ich einfach loslaufe und versuche meine Umwelt laufend zu erkunden. Nicht selten verlaufe ich mich dabei und lande an Orten wo ich eigentlich nicht hin wollte und muss dann versuchen wieder nach Hause zu kommen. Wie gut das es in der heutigen Zeit GPS-Empfänger gibt. Ebenso etwas habe ich mir besorgt, einen schönen Forerunner 305. Dieses Gerät finde ich persönlich toll. Ich habe eine Übersicht über meine gelaufenen Kilometer, meinen Puls, meine Höhenmeter und vieles mehr. Ich kann mir die Daten dieser GPS-Uhr anschließend auf meinen PC ziehen und habe somit mein persönliches Tagebuch. Am Rechner kann ich meine Leistung vergleichen, Daten auswerten, habe meine durchschnittlichen Trainingswerte und kann mir sogar meine gelaufenen Strecken in Google Earth anschauen. Das GPS-System machte es mir nun möglich, einfach in den Wald zu laufen und auch heil wieder zurückzukommen. Im Wald sieht für mich immer alles gleich aus und ich habe dann oftmals Schwierigkeiten den richtigen Weg wieder zurückzulaufen. Nimmt man in Bad Homburg aber die falsche Abzweigung im Wald, so ist man schnell ganz wo anders, beispielsweise läuft man dann bereits in Richtung Oberursel ohne das anfangs mitzubekommen. Ich wundere mich dann immer nur wenn ich aus dem Wald rauskomme, dass die Ortschaft nicht wie die aussieht wo ich wohne. Und hier haben wir dann den kleinen Nachteil des Garmin Forerunner 305 oder ähnlichen Geräten die mit solch einer GPS-Funktion arbeiten. Zwar wird hier stets weiter an der Entwicklung gearbeitet, allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht die Möglichkeit ein GPS mit Waldwegen zu besitzen. Mein Gerät kann sich lediglich GPS Punkte und gelaufene Strecken merken, es kann Sie aber nicht zu einer gewünschten Position bringen, wo man zuvor noch nicht war um diesen Positionspunkt zu speichern. Als ich in Bad Homburg zu laufen begann, war mein erstes Ziel immer die Saalburg mal zu erklimmen. Da ich keine Ahnung hatte wo diese nun ist, versuchte ich einfach grob in die Richtung der Saalburg zu kommen. Ich hatte natürlich damals noch nicht die Power wie heute, dass ich 16 Kilometer mal eben so laufen konnte. Also legte ich mir damals meine derzeitige Hauptroute zur Saalburg mit dem Fahrrad fest, da konnte ich mich auch mal verfahren, ist ja in dem Fall nicht ganz so anstrengend wie das Laufen für mich gewesen. Dort angekommen, speicherte ich mir gleich die GPS-Position der Saalburg in meinen Forerunner ab. Und nun lief ich von meinem zu Hause aus mit Hilfe des GPS-Systems verschiedene Wege zur Saalburg. Mein GPS zeigte mir den Punkt der Saalburg an und ich konnte somit von überall im Wald aus in ihre Richtung laufen. Nachteilig ist ebenfalls, dass ich keine Entfernungsangaben angezeigt bekomme. Und so erkundete und erkunde ich noch heute meine Umgebung ohne Stadtplan und Karten. Wenn ich mich also für einem Langstreckenlauf vorbereitete und ich mindestens 21 Kilometer laufen sollte, dann lief ich eben nicht immer den selben Waldweg, ich bog mal ab, lief in andere Ortschaften, versuchte von dort aus auf die Saalburg zu kommen und wusste von dort aus immer wie ich heimkommen sollte. Ich hatte auch die Entfernung, knapp 8 Kilometer, im Kopf. Meinen ersten Langstreckenlauf über 20 Kilometer hatte ich mir auch auf diese Art und Weise erarbeitet. Als ich das erste Mal wirklich auf die Saalburg und zurück lief, waren das 16 Kilometer. Mittlerweile habe ich feststellen können, dass es verschiedene Wege auf die Saalburg gibt, einige sind länger, einige kürzer. Ich überlegte mir also, wo ich die zusätzlichen 5 Kilometer hernehmen sollte, außerdem finde ich es doof, den gleichen Weg zurücklaufen zu müssen. Folglich kamen meine ersten 20 Kilometer so zustande, dass ich auf die Saalburg lief, einen etwas anderen Weg zurücklief und dann auf den Weg zu meinem Fitnessstudio abbog, welcher mir dann zusätzlich 5 Kilometer Distanz verschaffte. Die Busverbindungen zu meinem Fitnessstudio sind sehr schlecht, ich benutzte also sehr oft das Fahrrad um ins Studio zu gelangen. Da ich mit meinem Fahrrad auf der Hauptstraße nichts zu suchen habe und das für mich auch viel zu gefährlich ist, hatte ich mir eine Strecke zu meinem Fitnessstudio über Feldwege herausgesucht. Natürlich habe ich diese auch gleich mit meinem Fahrradcomputer gemessen. Das sind um die 2,50 Kilometer von unserem Haus bis zum Studio. Also brauchte ich nur von der Saalburg zum Fitnessclub laufen und von dort aus nach Hause, also nicht den direkten Weg nehmen. Nun musste ich mir aber Strecken suchen, die weit länger als 21 Kilometer sein sollten. Direkt an meinem Fitnessstudio gibt es einen Feldweg der nach Oberstedten und Oberursel führt. Den wollte ich mal ausprobieren und ich wollte ohnehin schon immer mal nach Oberursel laufen. Ich packte mich also für meinen vorhin beschriebenen ersten alleinigen Halbmarathon zusammen, konnte aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen dass dieses Highlight eintreffen wird. Was mir aber klar war, ich musste unbedingt auf die bislang trainierte Distanz von 20 Kilometer kommen, egal wie ich das anstellen würde. Somit lief ich nach Oberursel, wunderte mich wie schnell und vor allem nah dieses Örtchen erreicht war und lief von dort aus in Richtung Saalburg. Ich fand also einen Weg, der von Oberursel über das Forellengut, die Sportanlage Oberstädten, bis hin auf meine mir bereits bekannte Saalburgstrecke führte. Folglich lag es nahe, auf jeden Fall nochmal die Saalburg zu besuchen. Dort angekommen stelle ich fest, dass ich für all das bis jetzt Gelaufene gerade mal 1 Stunde und 30 Minuten gebracht hab, ich lag etwa bei 15 Kilometern, das war eindeutig zu wenig. Ich freute mich also, dass ich so schnell auf der Saalburg angekommen war und lief von dort aus eine mir bekannte Strecke zurück nach Hause. Nein, kein Schreibfehler, ich meine tatsächlich nicht „meine mir bekannte“, sondern „eine mir bekannte Strecke“. Denn wie gesagt, ich speichere mir meine eigene Karte im Kopf ab und weiß dadurch, wie ich Strecken verkürzen, verlängern, ja sogar erschweren kann. Somit kam ich auf meine vorhin beschriebene Halbmarathondistanz.
Über eine Bekannte, Petra vom Ghospelchor, für den ich trommle habe ich erfahren, dass der Weg zum Vergnügungspark Lochmühle ganz nett sein soll, er hätte auch wohl die Distanz die ich für mein Marathontraining benötige. Sie erklärte mir ungefähr wie ich da hinkommen konnte. Oftmals habe ich das Gefühl, dass Sehende Wege nicht so exakt erklären können wie Sehbehinderte. Das liegt wohl auch daran, dass es Ihnen als Sehender völlig egal ist, ob da ein gelbes Haus steht oder eine blaue Bank, Sie brauchen diese Orientierungspunkte nicht, Sie können Schilder lesen und Straßennamen, oder markante Gebäude wie beispielsweise eine Schule von Weitem erkennen. Ich kann das alles leider nicht und schon gar nicht im Lauftempo. Blinde und Sehbehinderte orientieren sich anders, sie brauchen Orientierungspunkte. Ich orientiere mich nicht immer nur nach sichtbaren Orientierungspunkten, das können auch andere Sachen sein. Wenn Sie an frisch geschlagenem gestapeltem Holz vorbeilaufen und beim Zurücklaufen sich verlaufen und diesen Geruch wieder wahrnehmen, kann Ihnen das helfen wieder auf den richtigen Weg zu finden. Mir gelingt es nach wie vor leider nicht immer, stets den Weg von der Saalburg runter zu laufen, den ich mir vornehme zurückzulaufen. Dadurch laufe ich manchmal unfreiwillig auf mir noch unbekannten Wegen und komme oftmals zu einem „Aha-Erlebnis“, wie eben beschrieben, man kommt auf eine bekannte Route und stellt fest, was man nicht noch alles an Variationen laufen könnte. Nun laufe ich ja wie gesagt bei jedem Wetter, leider trifft man dann bei schlechtem Wetter so gut wie niemanden. Ich wollte natürlich von dem Moment an als ich von dieser Lochmühlenstrecke wusste, sofort versuchen dort hin zu laufen. Nun, beim ersten Mal konnte ich mit Petras Beschreibung gar nichts anfangen, lief nach Seulberg, musste dort in den Ort um jemanden zu fragen wie ich nun zur Lochmühle weiterkommen kann. Der mir beschriebene Weg brachte mich nicht zur Lochmühle, aber in den Wald zurück an eine Abzweigung, wo das Schild „Zur Saalburg“ auftauchte. Da ich bereits 1,5 Stunden unterwegs war zog ich es vor, nicht weiter nach der Lochmühle zu suchen, sondern auf die Saalburg zu laufen, von der aus ich mich wieder orientieren konnte. Da man die Lochmühle auch über die Saalburg erreichen kann und das eine Kurzdistanz von ca. 2 Kilometern steil bergab ist, könnte ich ja auf der Saalburg nochmal nach dem Weg fragen, die 2 Kilometerchen noch mitnehmen und dann mit der Bahn von der Lochmühle aus heimfahren. Das Dumme war jetzt nur, auf der Saalburg war kein Schwein, es schneite wie verrückt und ich stapfte alleine durch den Tiefschnee, der mir bis fast an die Knie ging. Zum Glück gab es immer wieder mal Spuren auf den Hauptwegen von Fahrzeugen, in die konnte man reinlaufen und sich so angenehmer fortbewegen. Ich bin allerdings sehr froh wenn ich im Wald kein Auto sehe, die verpesten die Umwelt schon genug, die müssen nicht noch im Wald rumfahren. Da ich auf der Saalburg nun keine Menschenseele fand, lief ich von dort aus wieder heim. Ich fragte nochmal Petra nach dem Weg, das brachte mich aber nicht wirklich weiter. Sie sagte mir lediglich, dass wir Beide das mal mit dem Fahrrad abfahren könnten, aber bitte nicht im Schnee. Dieses mühsame herausfinden von neuen Laufstrecken hilft mir wie gesagt, einen eigenen Plan in meinem Kopf zu entwickeln und mir neue Navigationspunkte in meinem GPS-System abspeichern zu können. Meinen ersten 3 Stunden und 20 Minutenlauf, sagen wir mal „Abenteuerlauf“ absolvierte ich am 18. Dezember 2010. Ich sage Ihnen, die Dinge kommen anders als man denkt und ich hatte zu diesem Zeitpunkt wirklich noch nicht vor, die 3 Stunden Distanz zu laufen und schon gar nicht zu überschreiten. Ich machte mich wie immer zum Laufen fertig, es hatte am Vortag heftig geschneit und ich wusste, dass meine, sagen wir Hauptstrecke (Oberursel, Forellengut, Saalburg, meine Wohnung), sehr zugeschneit war und das Stück nach Oberursel über den Feldweg zu gefährlich war. Ich kann Ihnen nicht sagen warum das so ist, aber die Waldwege sind zwar zugeschneit, lassen sich aber mit einem gewissen Kraftaufwand schon laufen. Dieser Feldweg nach Oberursel aber ist vereist und sehr hubbelig, da fahren wohl auch Autos lang und es sind dadurch von den Anwohnern mehrere PKW-Spuren, die dann vereisen, es schneit drauf und Sie können sich auf dem Weg dann leicht verletzen, in dem man umknickt, stürzt, wie auch immer. Also fragte ich mich an diesem 18. Dezember 2010 überhaupt erst einmal, wie ich die Distanz heute laufen soll und wo lang eigentlich wenn nicht da lang, wo ich immer lang laufe. Eine neue Strecke bei dem Sauwetter zu suchen ist natürlich nicht ratsam, Sie finden kaum bis gar keine Unterstützung auf der Strecke. Und was tat ich? Genau. Ich suchte natürlich bei solch einem Sauwetter nach einer neuen Strecke, warum auch nicht, wenn man die alte schon nicht laufen kann? Ich sagte ja schon, was ich mir in den Kopf setze, das will ich erreichen. Und ich wollte zur Lochmühle, das konnte doch nicht so schwer sein oder? Ich lief also nochmal mit neuem Mut in die von Petra beschriebene Richtung. Bald war ich im Feld, kein Mensch zu sehen und ich lief und lief und lief. Es ging immer geradeaus, der Tiefschnee mein ständiger Begleiter und weil noch nicht genug Schnee da war, schneite es auch kräftig weiter. Eine Skibrille hätte ich gebraucht um klar zu sehen. Aber ich beschwere mich nicht, im Gegenteil, es war schon schön da draußen, ein Panorama sage ich Ihnen, man kann es nicht in Worte fassen. Die Sonne kam später noch raus als sich der Schneefall beruhigte und der Wald wurde zu einer herrlichen Winterlandschaft, unbeschreiblich schön. Da plötzlich, ein Mensch, ja ein echter Mensch, der mit seinem Hundchen spazieren ging. Den fragte ich nochmal nach dem Weg zur Lochmühle. Er versicherte mir, es geht weiter geradeaus über die Bundesstraße drüber, am Waldrand rechts, dem Weg weiter folgen. Außerdem guckte er mich mit großen Augen an, wollte fast schon fragen ob ich verrückt sei, diese Strecke bei dem Wetter zu laufen. Ich finde es süß wenn die Leute sagen: „Wow, das ist aber ein ganz schönes Stück!“ Ist es wirklich ein ganz schönes Stück, erfreut es mich mit Stolz. Reden sie von 6 Kilometern, find ich es süß und sag dann immer: „6 Kilometer sind kein Problem, keine Sorge das schaffe ich.“ Aber 6 Kilometer können sich ziehen. Die können sich so ziehen, das glauben Sie gar nicht. Ich lief also weiter und mir war von nun an klar, dass ich hier nicht mehr einfach umkehren konnte, ich wusste den genauen Weg nicht mehr. Klar hätte ich das GPS-System nutzen können, der Forerunner hat eine „Track-back-Funktion“, damit können Sie die gelaufene Strecke exakt zurücklaufen, das wäre aber mit den ganzen Schlenkern wieder ganz schön weit gewesen -fast schon zu weit, ich hatte ja nicht vor an diesem Tag schon einen 30 Kilometerlauf zu machen. Also lief ich weiter und bekam es im Wald leicht mit der Angst zu tun, wusste einfach nicht wo lang. Erst kam ich an etlichen Waldwegen vorbei, ich sollte ja auf dem besagten Weg bleiben. Der ging irgendwann steil bergab. Unten angekommen traf ich wieder zwei Leute und versicherte mich, ob ich noch auf Kurs sei. Angeblich nicht, ich müsste dem Weg weiter folgen, links wieder das Heruntergelaufene zurück hinauflaufen und dann mich rechts halten, ich könnte die Beschilderung sicher nicht übersehen -wenn die wüssten.... Dann wurde es wirklich unangenehm. Ich war wider im Wald und der Weg zog sich und zog sich. Das ging so 20 Minuten. Zugegeben, nicht lange, aber wenn Sie Angst haben, sehr lange. Ich schwor mir die nächste Abzweigung abzubiegen und da wir ja nicht im afrikanischen Dschungel sondern im Taunus sind, muss es ja dann irgendwann mal in einen Ort gehen. Dort frage ich dann nach dem nächsten Bahnhof und fahre nach Hause. Tja, es ging aber nicht rechts oder links ab. Es ging geradeaus weiter und weiter. Mir ging durch den Kopf, wie lange ich das noch durchhalten könnte und was wenn ich nicht mehr kann? Ich wollte das Rote Kreuz anrufen und fragen, ob die mich im Wald orten könnten. Ich verwarf meine Ideen und versuchte ruhig zu bleiben und ruhig weiterzulaufen. Ich war jetzt 1 Stunde und 50 Minuten unterwegs, klar, der Tiefschnee kostet Kraft und man muss langsamer laufen, ansonsten überpowert man sich schnell. Da, eine Straße! Was hatte ich mich darüber so gefreut, wo eine Straße ist, habe ich einen Orientierungspunkt und wenn ich ihr folgen muss, irgendwann kommt ein Ort. Ich überquerte die Straße, da am anderen Ende eine Frau am Ausparken war. Ich ging an ihr Auto und winkte, sie öffnete mir das Fenster und fragte was ich wolle. Ich fragte sie nach dem Weg zur Lochmühle und sie sagte mir, ich wäre da, 200 Meter weiter wäre schon der Bahnhof. Tatsächlich! Ich hatte es geschafft. Ich brauchte 2 Stunden für die 17 Kilometer. Mir ging schon durch den Kopf, wenn ich erstmal die 30 Kilometerläufe machen soll, dann laufe ich zur Lochmühle und wieder heim und das die Distanz ja gar nicht so schlimm sei, von wegen über 20 Kilometer. Ich ging zum Bahnhof und wollte eine Bahn bekommen. Diese sollte erst eine Stunde später fahren. Ich dachte daran den Gleisen zu folgen, das fand ich aber dann doch nicht so eine tolle Idee. Die Haltestelle an der Lochmühle heißt Saalburg. Da fiel mir wieder ein, dass es zur Saalburg doch von hier aus nur knapp zwei Kilometer laut Erzählungen sein dürften und wenn die Haltestelle doch schon Saalburg heißt, ob ich die noch anlaufe und von dort aus den Bus nehme? Dann bräuchte ich keinen Zug und nicht warten und frieren. Ich dehnte mich kurz auf, startete meinen Forerunner und lief los. Natürlich wieder mal in die falsche Richtung. Zwar lief ich Richtung Saalburg, da mein Forerunner aber keine Wege gespeichert hat, kann ich mich nur nach Punkten orientieren und den gewünschten Punkt über diverse Wege anlaufen. Dort wo ich lang sollte gab es aber keinen Weg, da war der Ponyhof und somit eine Sackgasse, kann ja schlecht drüber hinweg schweben. Also kehrte ich um, lief an der Schnellstraße lang bis ein Waldweg kam. Dem folgte ich und siehe da, mein Forerunner zeigte mir an, dass es der Weg sein muss, der geradewegs zur Saalburg führen würde, das tat er auch. Ich kam an der Saalburg an und war überglücklich. Ich lief diesen Weg nicht nur weil kein Zug fuhr, sondern ich wollte auch wissen wie man über die Saalburg zur Lochmühle laufen kann. Da ist zudem noch ein Bahnhof wenn ich mir mal eine lange Route dorthin aussuche und dann doch nicht mehr zurücklaufen kann. Auf der Saalburg angekommen wurde mir natürlich schnell bewusst, dass an diesem Tag keine Busse fuhren, die Saalburg wurde aufgrund der Schneeverhältnisse nicht angefahren. Ich sah auf meinen Forerunner und war jetzt 2 Stunden und 30 Minuten unterwegs. Ich fühlte mich gut, hatte in dieser doch langen Zeit aufgrund des Wetters erst 20 Kilometer absolviert. Was tat ich also? Ich entschied mich von der Saalburg aus nach Hause zu laufen, ich würde den kürzesten Weg über die Saalburgstraße nehmen. Wenn man die Saalburgstraße in Bad Homburg immer weiter geradeaus läuft, kommt man an eine große Kreuzung. Wenn man diese überquert, kommt man in den Wald und wenn man diesen doch recht steilen Anstieg hochläuft, mündet diese Strecke direkt in meine Hauptstrecke, welche ich immer zur Saalburg hochlief. Was hoch geht, geht klarerweise auch runter. Ich unterschätzte aber die Länge ein wenig, schaffte sie aber. Ich kam zu Hause an mit einer Zeit von 3 Stunden und 20 Minuten auf meinem Forerunner und einer motivierenden Distanz von 27 Kilometern. Ich hatte also meine ersten 27 Kilometer, wenn auch ein wenig unfreiwillig, an diesem Tag zurückgelegt. Mein gesamter Organismus verkraftete das gut, ich hatte keine großen Probleme. Dass die Muskulatur sich bemerkbar macht, man Hunger bekommt und erst einmal alles lieber tun würde als laufen, ist eine normale Sache über die man sich nicht zu wundern braucht. Mich hat dieser 18. Dezember 2010 insofern motiviert weil ich jetzt weiß, ich kann jetzt schon 3 Stunden am Stück laufen, ich schaffe 27 Kilometer ohne Probleme und es kann nur bergauf gehen. Und zudem habe ich eine neue Strecke kennengelernt. Die habe ich mir zwar noch nicht gemerkt, aber ich habe sie mir fast gemerkt. Und wenn ich die Strecke noch ein paarmal angehe, werde ich sie sicher auf Anhieb finden und laufen können. Sollte ich mich ein paarmal verlaufen - kein Problem, lernen wir wieder neue Strecken kennen. Somit hat alles seine Vor- und Nachteile, auch das Verlaufen. Aber die Sache hat auch erhebliche Nachteile, die manchmal nicht ungefährlich sind. Da es leider oft Wege gibt, die neben einer Straße langführen und plötzlich enden, ist es mir dummerweise schon einmal passiert, dass ich der Straße in der Hoffnung folgte, der Weg würde schon bald wieder weiterführen und stattdessen auf einer Autobahnauffahrt landete, was weniger schön und gefährlich war. Ich nahm die Sache mit Humor und fragte meine Frau als ich heim kam, ob sie von einem Verrückten gehört hätte, der auf der Autobahn rumläuft. Sie fand das nicht komisch. Ich musste auch mal auf der Saalburgchaussee heimlaufen, einer Schnellstraße zur Saalburg, weil ich die Orientierung im Wald verloren hatte und den Weg zur Saalburg noch nicht sicher kannte. Rein nach Gehör musste ich mich nun orientieren. Ich hörte die Straße schon von Weitem und lief einfach durch den Wald in Richtung dieser Straße. Als ich sie fand, wurde es langsam dunkel, ich hatte keine LED-Lampe an diesem Tag dabei da ich nicht annahm, ich würde so lange unterwegs sein. Also folgte ich der Schnellstraße entlang nach Hause. Unter der Brücke angekommen, über die ich beim Hinlaufen drüber gekommen bin, fragte ich mich wie ich da nun hochkommen sollte. Ich wollte die Wiesenhänge hochklettern und weil mir das auf der Seite der Straße wo ich mich gerade befand unmöglich schien, überquerte ich die Schnellstraße - riskantes Manöver. Ich kletterte also den Hang hoch, hatte eine kurze Hose an und durfte durch Dornen laufen, was ich auch schmerzhaft wahrnahm, aber mir blieb keine andere Wahl. Hätte ich gewusst was ich später wusste, dann hätte ich der Saalburgchaussee einfach nur weiter folgen müssen, ich wäre automatisch auf die Saalburgstraße gekommen und von dort aus hätte ich locker heimlaufen können.