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6. Frau Holle

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Mündlich

Frau Holle, die man in ganz Thüringen kennt, ist ein kleines, bucklichtes altes Mütterchen. Sie ist sehr häßlich und spielt den Leuten manchen bösen Streich, besonders wenn sie in den zwölf Nächten spinnen. Sie macht dann daß die Kühe Blut statt Milch geben, daß das Garn ungleich wird und die Leinwand bald zerreißt. Man fürchtet sie und spricht nur Gutes von ihr: das Böse flüstert man sich leise zu. Und wenn ein verwegner junger Bursch in der Spinnstube über sie spotten will und eine alte Frau dabei sitzt, springt sie wohl auf, hält ihm den Mund zu und murmelt, indem sie ängstlich nach dem Fenster sieht, „Gott segn’ uns, wenn sie das gehört hat.“

Frau Holle heißt sie auch im Magdeburgischen und um Naumburg, Weißenfels und Zeiz. Um Wollmirstedt dagegen, so wie um Eisleben (in Amsdorf, Ober- und Unterröblingen, Erdeborn, Helfta, Volkstädt, Helbra) und von da aufwärts nach der Saale zu in Hedersleben, Dederstedt, Schochwitz, Gorsleben wird sie allgemein Frau Wolle, in dem eine halbe Meile von Gorsleben dicht an der Saale gelegenen Zaschwitz aber, in Wettin und Beidersee Frau Rolle genannt.

Anmerkung:

Zu dem Wechsel des H und W in Holle und Wolle könnte man Herre und Werre (s. die folgende Anmerkung) und zu dem des W und R in Wolle und Rolle Formen wie Wasen und Rasen, Wocken und Rocken vergleichen: doch die Benennungen Harfe und Haken (Haupts Zeitschrift 4, 386), welche man für Harre, Harke braucht, machen es wahrscheinlicher daß sich hier Reste alter Euphemismen erhalten haben, durch die man den Namen der Göttin halb verschwieg, wie man jetzt in Flüchen und Ausrufungen, Kotz Wetter! Potz Blitz! und dergl. für Gottes Wetter, Gottes Blitz, Herr Je für Herr Jesus und Ähnliches sagt, aus Scheu den Namen Gottes, wenn man ihn unverändert ausspräche, zu entheiligen (Myth. 14). – Nach dem Fenster blickt die Frau wohl, weil sie fürchtet daß Holda wie sonst Berchta (Myth. 253) oder der Teufel (Kuhns märk. Sagen S. 379 Nr. 26), wenn man sie verletzt, plötzlich durch das Fenster schauen und eine Strafe verhängen wird.


Oberröblingen – Früheres Seebad. Postkarte um 1910.

Sammlung Harald Rockstuhl.

Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1845

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