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Tod

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Das rostige Tor quietschte als Frank Holden den Friedhof betrat. Es klang fast wie ein Jammern. Die Reihen der Grabsteine lag verlassen vor ihm. Es war bereits dunkel geworden. Kaum jemand hielt sich nach Anbruch der Nacht gerne auf einem Friedhof auf. Frank wusste nicht genau was ihn hierher geführt hatte. Langsam ging er an den Gräbern vorbei. Manche hier hatte er gekannt. Viele, um genau zu sein. Er war hier geboren und hatte den größten Teil seines Lebens hier verbracht. In einer Kleinstadt kannte man irgendwann einfach jeden. Andere waren vor seiner Geburt gestorben. Vor einem Grabstein, der noch sauber und neu aussah blieb er stehen. Maria Mahone, 1976-2006. 30 Jahre waren einfach nicht genug. Frank ließ sich auf der Kante der marmornen Grabplatte nieder. „Wer hat dir das angetan. Was ist mit deinem Mann geschehen. Wenn... wenn du ihn nur sehen könntest. Jeremy hat sich verändert.“ flüsterte er. „Ich weiß was mit ihm passiert ist“ sagte eine bekannte Stimme hinter seinem Rücken. Seine Nackenhaare richteten sich auf. In Panik sprang er auf und wirbelte herum. Was er sah ließ ihn erbleichen. Seine Hände begannen zu zittern. „Du … du …“ stotterte er. Selbst in der Dunkelheit konnte er den traurigen Ausdruck in den Augen der Frau erkennen, die ihn ansah. „Hallo Frank. Ich bin gestorben. Soviel habe ich bereits begriffen. Ich kann spüren, dass auch in Jerry etwas zerbrochen ist. Dafür ist etwas Neues entstanden. Alles andere verstehe ich ebenso wenig wie du.“ Frank keuchte. „Aber wie … warum …“. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf um das Bild das sich ihm bot zu vertreiben. Als er die Lider wieder hob war die Frau immer noch da. Etwas hatte sich allerdings verändert. Ein großer, südländisch aussehender Mann war aus den Schatten getreten. Eine fast greifbare Aura von … Kraft umgab ihn. Frank fand keinen besseren Ausdruck dafür. In seinen Ohren summte es. Ein Teil seines Verstandes registrierte, dass er sich nicht bewegen konnte. „Komm zu mir“, sagte der Mann mit einer dunklen, wohlklingenden Stimme. Wäre Frank dazu in der Lage gewesen, so wäre er der Aufforderung sofort gefolgt, aber seine Beine ignorierten die Impulse seines Gehirns. Testweise versuchte er einen Arm zu bewegen. Auch das gelang ihm nicht. Die Frau hingegen reagierte sofort. Sie trat auf den Mann zu. Wie ein Hund seinem Herren folgt, dachte Frank unvermittelt. Der Mann ergriff ihre Hand und lächelte. Sein Gesicht wandte sich Holden zu und veränderte sich dabei. „Sprich mit niemandem über das was du hier gesehen hast. Die Geschichte würde dir sowieso niemand glauben. Wenn du dennoch jemand anderem davon erzählst, dann werde ich wiederkommen um dich zu töten.“ Frank konnte den Blick nicht von den kalten Augen des Mannes nehmen. Irgendetwas stimmte auch mit diesen Zähnen nicht. „Ach übrigens. Du darfst Mahone einen Gruß von mir bestellen. Sag ihm, dass sich Alexis etwas geholt hat, was einst ihm gehört hat“. Der Mann lachte und wandte sich wieder der Frau zu. Für einen Augenblick verschwamm die Welt vor Franks Augen. Als sich sein Blick wieder klärte war er allein. Versuchsweise bewegte er einen Finger. Der Finger krümmte sich. Frank Holden begann zu rennen. Erst als ein Stechen eine Hälfte seines Körpers lähmte, blieb er keuchend stehen. War er verrückt geworden oder war das eben wirklich passiert? Er brauchte dringend eine Flasche. Egal was für eine. Hauptsache das Zeug darin war stark. Frank wusste nicht, wie er das Chaos in seinem Kopf sonst entwirren sollte. Mit schmerzenden Beinen ging er so schnell er konnte weiter. Er wollte nur so weit wie möglich von diesem Friedhof weg.


Jeremy betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Dazwischen schoben sich immer wieder Bilder von blutgetränkten Laken und einem Wohnwagen der in Flammen stand. Der Spiegel in seinem Arbeitszimmer verriet ihm nicht, was er als nächstes tun sollte. Das hier war kein Märchen. In seinem Kopf war eine seltsame Leere. Das Telefon auf dem Schreibtisch läutete. Langsam griff er danach. Seine Hand schwebte einige Zeit reglos darüber, bis er mit einer ruckartigen Bewegung den Hörer von der Gabel riss. „Jerry? Verdammt Jerry sag doch was!“. Franks Stimme klang übermäßig laut und ziemlich nervös. „Was?“ sagte er nur. Sein Interesse an Unterhaltungen hatte im selben Maße abgenommen, wie das Gefühl der menschlichen Rasse anzugehören. „Gleich wirst du mich für verrückt erklären, aber ich muss dir erzählen was ich eben gesehen habe. Verdammt. Ich bin mir eigentlich gar nicht sicher was da passiert ist. Vielleicht... vielleicht bin ich einfach nur übergeschnappt und habe mir alles nur eingebildet.“ Jeremy hörte Schluckgeräusche und schloss daraus, dass Frank einem alten Freund zusprach. Er hatte schon immer versucht allen Problemen mit Whiskey zu Leibe zu rücken. Aber das bedeutete auch, dass Frank etwas wirklich Verstörendes erlebt haben musste. Diese Unterhaltung konnte vielleicht doch noch von Nutzen sein dachte Jeremy. „Komm zur Sache Frank“ sagte er. Am anderen Ende der Leitung kollidierte Glas klirrend mit einer harten Oberfläche. „Ich habe deine Frau gesehen“. Diese Worte hallten in Jeremys Kopf wieder. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis er begriff was Frank gesagt hatte. Die Welt um ihn herum schien ihre Farbe zu verlieren und verwandelte sich in etwas das wie ein altes Schwarzweißfoto aussah. Immer wieder dröhnte der eine Satz in seinen Ohren. “Ich habe deine Frau gesehen.” Noch vor ein paar Wochen hätte er Frank angebrüllt. Ihm gesagt er solle verdammt nochmal nüchtern werden und die dummen Scherze lassen. Vielleicht hätte er ihm auch geraten einen Psychologen anzurufen. Dann wäre er wahrscheinlich unter der Last der Erinnerung zusammengebrochen. Heute war das anders. Er wusste, dass Frank die Wahrheit sagte. Er konnte in Franks Gedanken lesen. Und er spürte, dass sie wieder da war. Er hatte das Gefühl, das bereits seit einigen Stunden wie ein lästiger Besucher an die Tür seines Bewusstseins klopfte, im selben Moment verstanden als die Tatsache ausgesprochen worden war. Maria war … nicht tot. Nicht mehr. Irgendetwas geschah in seinem Kopf. Nach Marias Tod war etwas eingeschlossen worden. Nun wurde es wieder freigelassen. Ein Teil von Jeremy, von dem er nicht gewusst hatte, dass er nicht mehr da war kehrte zurück in die Welt. Jeremy spürte eine Veränderung. Nur eine Kleinigkeit. Er verstand nicht, was es war, das sich geändert hatte. Noch nicht. „… nicht glauben. Da war noch ein seltsamer Kerl“. Franks Worte, die aus dem Hörer drangen wurden wieder klar. „Frank. Frank. Wen hast du gesehen? Was hat er gesagt“ stieß er hervor. „Was? Jerry? Verdammte Scheiße. Bist du wieder da?“. Franks Erleichterung, vom Alkohol verstärkt, war kaum zu überhören. „Ein Teil von mir weilt wieder unter den Lebenden. Ja. Aber nun sag mir endlich, wen du gesehen hast!“. Die letzten Worte hatte Jeremy geschrien. Frank atmete einige Male tief durch. „Ich soll dir Grüße von Alexis bestellen hat der Typ gesagt“. Die Welt vor Jerrys Augen färbte sich rot. Der Hörer entglitt seinen Fingern und schlug auf dem Tisch auf. Auf Franks Armen bildete sich eine Gänsehaut, als die Worte die Jeremy geflüstert hatte sein Ohr erreichten. „Ich werde dich töten Alexis Sedros. Ich werde kommen.“ „Jerry? Jeremy?“ Frank wartete auf eine Antwort. Als er hören konnte, dass eine Tür ins Schloss fiel wusste er, dass er keine mehr erhalten würde. Langsam ließ er den Hörer sinken. Die halb leere Flasche neben dem Telefon schien ihn höhnisch anzugrinsen.


Jeremys Finger gruben sich in die Tischplatte. Das Holz splitterte. Es gab keinen Grund an Franks Worten zu zweifeln. Maria war zurückgekehrt. Sie war kein Mensch mehr, aber sie existierte. Sedros musste davon gewusst haben. Er hasste den Gedanken, dass ihr zweites Leben mit den Idealen eines Wahnsinnigen begann. Würde er ihr etwas antun oder sie zu einem seiner Anhänger machen? Es gab auch noch eine andere Möglichkeit, aber an die wollte er nicht mal denken. Er sah in den Spiegel. Das Gesicht das ihm entgegen starrte hatte sich verändert. Etwas von der ausdruckslosen Leere war verschwunden. Scheinbar war die Wut nicht mehr der bestimmende Faktor seiner Existenz. Gefühle begannen seinem Hass Gestalt zu verleihen wie ein Bildhauer einem marmornen Block. Der innere Drang nach Rache, der ihn antrieb gewann eine völlig neue Qualität. Er konnte sich kaum noch konzentrieren, aber er musste sich unter Kontrolle bringen, wenn er keine Fehler machen wollte. Der blinde Hass und die Sehnsucht nach Maria machten ihn verwundbar. Frank! Frank musste ihm helfen. Er brauchte Informationen über Sedros. Irgendetwas. Er schloss die Augen und öffnete sie vor Holdens Haus. Er hatte Frank den Anblick seines plötzlichen Auftauchens ersparen wollen, um ihn davon abzuhalten zur Flasche zu greifen. Schnell überwand er die Stufen, die ihn vom Vordereingang trennten. Er klopfte. Etwas klirrte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Franks Wangen waren gerötet. „Hi Jerry“ murmelte er und trat schwankend einen Schritt zurück. In der rechten Hand hielt er eine Flasche. Die Flüssigkeit darin war zur Hälfte verschwunden. War wahrscheinlich nicht die Erste. Deine Vorsicht hättest du dir sparen können sagte eine Stimme in seinem Kopf. Jeremy trat mit einer schnellen Bewegung ins Haus, schloss die Tür hinter sich und schlug seinem Freund die Flasche aus der Hand. Glassplitter sprangen über die Fliesen. „Hör verdammt nochmal auf zu trinken. Ich brauche den Rest deines Gehirns, den du noch nicht in Whiskey ersäuft hast“. Er stieß Frank in Richtung Küche und drückte ihn dort unsanft auf einen Stuhl. Frank rieb sich die geröteten Augen. Unsicher griff er nach einer Kanne und goss den Kaffee darin in eine nicht mehr ganz saubere Tasse, „Ich bin nicht verrückt. Ich bin doch nicht verrückt, oder?“ sagte er. Jeremy ließ sich rittlings auf dem Stuhl neben dem Freund nieder. „Nein. Ich denke nicht. Noch nicht. Aber selbst wenn du es wärst würde mich das im Moment kaum interessieren.“ Jeremy griff nach Franks Schulter und zwang ihn, ihm ins Gesicht zu sehen. “Hast du sie... hast du Maria wirklich gesehen? Wie hat sie... Was...”. Jeremy schluckte trocken. Frank senkte den Blick. Er konnte Jeremy einfach nicht in die Augen sehen. “Ja” flüsterte er mit heiserer Stimme. Er fühlte sich plötzlich unangenehm nüchtern. “Sie war da. Sie hat... sie hat mit mir gesprochen. Und da war dieser Kerl. Dieser dunkelhaarige Typ. Hat mir gedroht mich umzubringen, wenn ich jemandem etwas erzähle.” Jeremys Gesicht näherte sich dem von Frank bis auf wenige Zentimeter. “Ein großer, schlanker Südländer? Ein Grieche vielleicht?” Frank lehnte sich so weit zurück wie er konnte. Die glühenden Augen die ihn beinahe gierig anstarrten machten ihm Angst. Sie erinnerten ihn an die Geschichten, die man als Kind über den Teufel hörte. “Keine Ahnung, ob es ein Grieche war. Es war dunkel. Aber groß war der Typ. Und ziemlich arrogant.” Jeremy ließ sich zurücksinken. “Sedros” sagte er. „Ich will alles über Alexis Sedros wissen, was in den Datenbanken der Polizei steckt, Und diesmal …“. Frank schüttelte Jeremys Hand ab und massierte sich die Schulter. „Ich hab bereits nachgesehen. Hab auch von hier aus Zugang. Erzähl das nicht rum. Wenn du absolut nichts über den Kerl weißt, dann weißt du genau so viel wie die Datenbanken.“ „Was soll das bedeuten?“ Jeremys Unruhe steigerte sich. „Soll heißen, dass es eine Menge Leute mit diesem Namen in den Staaten gibt. Die, die schon mal auffällig waren habe ich überprüft. Ich hab den Kerl nur kurz im Halbdunkel gesehen, aber ich bin mir trotzdem sicher, dass er nicht darunter ist. „Scheiße!“. Natürlich hatte die Polizei nichts über den Griechen in den Aufzeichnungen. Immerhin galt er seit einer Ewigkeit als tot. Außerdem wäre er sicher nicht dumm genug gewesen, seine Identität so einfach preiszugeben. Jeremy sprang auf und warf dabei beinahe den Tisch um. Denk an die anderen. Für einen Moment war Jeremy verwirrt. Dann begriff er, was die Stimme in seinem Kopf ihm sagen wollte. „Beaver. Ja das ist es!“ sagte er. Erneut wurde Frank Zeuge von etwas Seltsamem, das ihn an seinem Verstand zweifeln ließ. Jeremys Gestalt schien zu verschwimmen, weil er sich schneller bewegte als es möglich sein durfte. Musste am Alkohol liegen. Frank griff nach der Tasse und nahm einen Schluck. Vielleicht machte ihn das Koffein wieder etwas klarer im Kopf. Eines war jedenfalls sicher - Jeremy war nicht mehr da. “Du hättest dich wenigstens verabschieden können” murmelte Beaver und stand ächzend auf. Schwerfällig tappte er ins Wohnzimmer hinüber und ließ sich in seinen Stuhl sinken. Sekundenlang tastete seine Hand ins Leere, bis sie die Flasche fand, die neben ihm auf dem Boden stand. Frank öffnete den Verschluss und trank einen großen Schluck. Sofort entspannte er sich und begann nachzudenken. War Beaver nicht der Beamte vom FBI, der ihm bereits mehrmals während der Ermittlungen auf die Nerven gefallen war? Er nahm noch einen Schluck, um seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Und dann noch einen. Schließlich versank er in wohligem Vergessen.


Flackerndes Blaulicht spiegelte sich in einer großen Pfütze. Der Regen war in ein nicht minder lästiges Nieseln übergegangen. Jim Beaver zog den Kragen seiner Jacke hoch und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte den Tatort verlassen um Luft zu schnappen. Zumindest hatte er das den Kollegen gesagt. In Wahrheit hätte er sich oben beinahe übergeben. Und das, obwohl er seit mehr als 10 Jahren mit solchen Szenen konfrontiert wurde. Eigentlich wunderte es ihn gar nicht, dass ihm gerade dieser Tatort Probleme machte. Das Verbrechen hatte einen gewissen Bezug zu den Vorfällen in seinem Haus vor einigen Tagen. Die Vampire änderten ihr Verhalten. Es schien als würden sie bestrebt sein aus den Schatten zu treten. Die Frau von Mahone war nur der Anfang gewesen. Dieser Tatort hier strotzte nur so von Spuren. Und Blut. Die Monstren hatten sich nicht die Mühe gemacht auch nur irgendetwas beiseite zu schaffen. Sedros hatte unter Garantie damit zu tun. Ob er direkt daran beteiligt gewesen war oder nicht - der Grieche wurde zunehmend zu einem Problem. Beaver warf die Zigarette in den Rinnstein. „Ruhig bleiben“ murmelte er. Langsam drehte er sich um. Er musste wieder hinauf. Die Zigarette hatte ihm nur einen kurzen Moment des Abstands verschafft. „Reiß dich zusammen Jim. Reiß dich zusammen.“ Ruckartig öffnete er die Tür.

„Agent Beaver? Alles in Ordnung mit ihnen?“ Besorgt musterte ihn der Beamte, der als Verbindungsmann zwischen den verschiedenen Abteilungen am Tatort abgestellt worden war. „Alles … klar“ keuchte Jim. Er war bis ins sechste Stockwerk gerannt. Hatte versucht vor seinen Ängsten davonzulaufen. Er schluckte trocken. Seine Atmung beruhigte sich langsam. „Was sagt die Spurensicherung? Haben sich die Profiler endlich eine Meinung gebildet?“ fragte er. Der Beamte kratzte sich am Hinterkopf. „Nun ja. Es gibt keine Fingerabdrücke. Keine Fasern, kein Gewebe unter den Fingernägeln der Opfer, einfach nichts. Scheint so, als hätte es für die Menschen hier keine Möglichkeit gegeben, sich zur Wehr zu setzen. Aber gegen wen? Die Spurensicherung hat nichts Verwertbares gefunden. Und was die Profiler betrifft … die sind sich nur in einem einzigen Punkt sicher. Nämlich, dass es mehrere Täter gegeben haben muss. Darauf deuten auch verschiedene Schuhabdrücke hin, die nicht zu den Leichen gehören. Durch das viele Blut ist das relativ leicht zu erkennen.“ Jim nickte. Er hatte nichts anderes erwartet. „Sonst noch was?“ Der Beamte schüttelte den Kopf. „Kaum einer hier hat schon einmal derart zugerichtete Leichen gesehen. Aber das ist auch schon alles.“ Jim bedankte sich und betrat die Wohnung. Er versuchte dabei das Blut und den abscheulichen Geruch zu verdrängen. Er und seine Kollegen konnten hier kaum etwas tun. Die Polizisten die später ebenfalls versuchen würden nicht vorhandene Spuren zu sichern hatten keine Ahnung von der Existenz der Monster, die für das hier verantwortlich waren. Er und die Leute seiner Abteilung waren nur hier um Hinweise, die jemanden zum Nachdenken bringen konnten verschwinden zu lassen. Aber es gab nichts zu beseitigen. Jim stützte sich gegen die Wand und atmete tief durch. Er wusste was hier geschehen war, hatte aber keine Ahnung was er dagegen unternehmen sollte. „Agent Jannsen! Agent Manor! Kommen Sie her.“ Zwei Männer in dunkeln Anzügen kamen auf ihn zu. „Wir überlassen der Polizei den Tatort. Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun“. Die Agenten nickten schweigend. Sie hatten verstanden und das genügte. Jim stieg über einige menschliche Gliedmaßen, die verstreut auf dem Boden lagen hinweg und trat hinter einen kleinen drahtigen Mann mit dunklen Haaren. „Lieutenant Johnsen?“ Der Mann drehte sich um. Beaver sah in stechende schwarze Augen. „Ah, Agent Beaver. Was kann ich für das FBI tun?“ Kaum verhohlener Sarkasmus schwang in den Worten mit. Jim sah darüber hinweg. „Der Tatort gehört ihnen. Ihren Abschlussbericht lassen sie bitte an mein Büro zustellen.“ Er reichte dem Beamten eine Karte, auf der seine Abteilung im Bureau kodiert war. Johnsen konnte das Grinsen nicht vollständig unterbinden. „Ihr Wunsch ist der Polizei Befehl. Special Agent.“ Er steckte die Karte ein und wandte sich grußlos ab. Wieder einer dieser Bullen, der sich durch das FBI bevormundet fühlte und die Agents für arrogante Arschlöcher hielt, dachte Beaver. „Jannsen, Manor! Wir gehen“. Die beiden Männer folgten ihm, als er das Apartment verließ. Jim fühlte die Unruhe, die ihn nervös machte, seitdem er den Tatort betreten hatte. Diesmal waren die Kreaturen beinahe zu weit gegangen. Eigentlich war „beinahe“ nicht ganz das richtige Wort. Trotzdem hatten sie keine Spuren hinterlassen, die auf etwas anderes als einen Haufen psychopathischer Irrer hindeuteten. Auf einer Art Club der Serienkiller. Er hatte keine Ahnung was sie damit bezweckten. War das vielleicht eine Botschaft an andere ihrer Art? Eine Übung bevor sie anfingen so etwas in großem Stil zu veranstalten? Oder wurde ihnen einfach nur langweilig nach all den Jahrhunderten des Versteckspiels? Was auch immer. Es war Zeit etwas dagegen zu Unternehmen. Sedros und seine Anhänger mussten aufgehalten werden. Mit drastischen Mitteln. Beaver stieg in den dunklen Ford und wartete bis seine beiden Kollegen die Türen geschlossen hatten. Wütend gab er Gas und raste in die verregnete Nacht.

Jeremy trat aus den Schatten. Blaulicht ließ sein Gesicht rhythmisch in der Dunkelheit aufleuchten. Er brauchte das Apartment nicht zu betreten. Beavers Gedanken hatte ihm alles in absoluter Klarheit gezeigt. Es war als hätte er direkt durch die Augen des Beamten gesehen. Ein stechender Schmerz fuhr durch sein Gehirn, als Bilder von Maria aufblitzten. Hatte sie Sedros begleitet? Seine Frau zerfetzte eine Kehle. Zerriss einen Menschen wie Papier. Kleine blaue Flammen begannen über seine Finger zu tanzen. Jerry schüttelte heftig den Kopf. Er sah hinauf in den Himmel und ließ die Regentropfen in sein Gesicht prasseln. Es gab keinen Beweis, dass Maria hier gewesen war. Es gab nur einen Weg die Wahrheit herauszufinden. Er musste Alexis Sedros fragen. Das Gespräch würde ihr letztes sein. Einer von ihnen würde danach nie wieder auch nur eine Frage beantworten. Jeremy spannte seine Muskeln. Er beschleunigte, wie ein Mensch es niemals gekonnt hätte. Nach einigen Minuten tauchten die Rücklichter des Wagens, in dem sein Wegweiser zu Sedros saß vor ihm auf. Seine Beine bewegten sich noch etwas schneller. Augenblicke später rannte er neben dem Wagen her. Seine Hand stieß vor. Der Ford wurde herumgeschleudert. Beaver konnte das Fahrzeug nicht unter Kontrolle halten. Die Räder prallten mit Wucht gegen die Randsteine. Ein Reifen platzte. Die Beamten sahen wie die Welt sich vor ihren Augen umkehrte. Metall kreischte gequält. Jeremy sah zu wie der Wagen auf dem Dach dahin schlitterte bis die Kollision mit einem Strommasten ihn zum Stillstand brachte. Sein Körper verließ die Wirklichkeit und kehrte neben der verbeulten Fahrertür wieder in die Realität zurück. Mühelos riss er die Türe aus dem Rahmen und warf sie beiseite. Beaver hing bewusstlos im Gurt. Er blutete aus einer Wunde an der Stirn, war aber am Leben. Jeremy konnte sein Herz schlagen hören. Die beiden Agenten, die ihren Vorgesetzten begleitet hatten waren ebenfalls weggetreten. Aber auch ihre Herzen schlugen. Jerrys Hand berührte den Mann, der ihm den Weg weisen konnte. Etwas geschah.

Agent Manor öffnete die Augen. Er hustete qualvoll. Blut sammelte sich in seinem Mund. Er spuckte aus. Seine Erinnerung kehrte schnell zurück. Sie hatten einen schrecklichen Unfall gehabt. Der Wagen war von irgendetwas getroffen worden und von der Straße abgekommen. Er hustete erneut. Langsam drehte er den Kopf. Sein Gesicht verzerrte sich. Jede Bewegung tat weh. Aus den Augenwinkeln konnte er Jannsen hinter sich sehen. Er war noch nicht wieder zu Bewusstsein gekommen. Der Sitz neben ihm war leer. Wo zum Teufel war Beaver? Er konnte doch nicht einfach ausgestiegen sein, ohne sich um seine Kollegen zu kümmern. War er gegangen um Hilfe zu holen? Aber warum hatte er nicht das Handy oder das Funkgerät verwendet? Wie zum Hohn leuchtete das kleine Display des Geräts in beruhigendem Grün. Das Ding schien noch zu funktionieren. Langsam streckte er die Hand nach dem Mikrofon aus.

Im selben Moment öffnete Jim Beaver die Augen. Ein milchiges Etwas war alles was er erkennen konnte. Er blinzelte angestrengt. „Was zum Teufel“ krächzte er. Ein bekanntes Gesicht schälte sich aus dem Weiß. Jeremy Mahone. Seltsame Augen starrten ihn an. Die Pupillen des … Mannes wurden von einem dunklen roten Ring umschlossen. Was war bloß aus diesem unauffälligen Durchschnittstypen geworden? Beaver hatte ihn überprüft. Ein Bilderbuchbürger. Mahone schien kein Vampir zu sein. Das war immerhin schon mal etwas dachte Beaver. Er musste sich keine Sorgen machen, dass der Kerl ihm die Kehle aufriss um sein Blut zu trinken. Was noch viel wichtiger war – wo war er hier überhaupt? Und wie war er hier her gekommen? Warum starrte Mahone ihn an, als würde er etwas von ihm erwarten? „Wo …“ sagte er und wurde sofort von einem zischenden Laut unterbrochen. „Still.“ Jeremy drückte den Beamten in den Stuhl zurück. „Sie sind in Sicherheit. Ich war gezwungen sie... anzuhalten. Mag sein, dass ich dabei etwas unsanft vorgegangen bin.“ Der Agent lachte. „Unsanft …“ murmelte er. Jeremy ging nicht weiter darauf ein. „Ich brauche ihre Hilfe. Sagen sie mir, wie ich an Sedros herankomme.“ Beaver versuchte erneut zu lachen. Zunehmende Kopfschmerzen und ein Brennen in der Brust verwandelten den Ton in ein Keuchen. „Sie wollen meine Hilfe? Warum … haben sie nicht einfach gefragt, anstatt mich und meine Leute beinahe umzubringen?“. Jeremy sah dem Agent in die Augen. „Hätte das gereicht?“. Beaver seufzte. „Natürlich nicht. Warum sollte ich Sie dabei unterstützen Sedros ausfindig zu machen? Entweder tötet er Sie, oder macht Sie zu einem seiner Anhänger. Jaja. Ich weiß, dass Sie stark sind. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was Sie eigentlich sind. Aber gegen einen Vampir, der seit Jahrtausenden unter uns weilt haben Sie keine Chance.“ Jeremy wurde ungeduldig. So kam er nicht weiter. Er umfasste den Unterarm des Beamten mit zwei Fingern und übte leichten Druck aus. Es knackte leise. „Scheiße. Lassen Sie das!“ schrie Beaver. Jeremy lockerte den Griff nicht. „Hören Sie zu! Sie sagen mir was ich wissen will und ich lasse Sie hier zurück. Am Leben. Wenn Sie beschließen mich zu verarschen, dann töte ich Sie. Danach kümmere ich mich um Ihre Familie“. Seine Stimme war kaum lauter geworden, aber seine Pupillen hatten sich rot gefärbt. Die Ringe, die Beaver gesehen hatte, hoben sich nicht mehr vom Rest des Auges ab. Der Beamte presste den Rücken gegen die Lehne des Stuhls, auf dem er saß. Er wollte soweit als möglich von dieser Kreatur abrücken. Angst kroch langsam an seinem Rückgrat empor. Er hatte sein Gegenüber unterschätzt. Mahone war möglicherweise kaum weniger gefährlich als dieser wahnsinnige Grieche. Womöglich war er auch genauso verrückt wie der Vampir. Nur die Beweggründe der beiden Männer, wenn man sie so nennen konnte, waren unterschiedlich. Der eine wollte die Menschen zu Schlachtvieh degradieren, der andere wollte einfach nur seine Frau. Vielleicht war es gar keine schlechte Idee, wenn die beiden sich gegenseitig umbrachten. „Gut. Ich sage Ihnen, wo Sie mit Sicherheit einige seiner Anhänger finden können. Möglich, dass Sie über die an ihn rankommen.“ Jeremy entspannte sich etwas. Beaver atmete tief ein. Sein Gesicht verzerrte sich als der Schmerz in seiner Brust erneut aufflammte. „Sie müssen nach Boston. Gehen Sie in die Clubs. In den Under-Club zum Beispiel. Suchen Sie nach den dunklen Ecken. Mit Ihren Fähigkeiten dürfte es nicht schwierig sein die Vampire zu finden. Viele davon gehören zu Sedros´ Leuten. Aus einem Grund den wir nicht kennen konzentrieren sie sich auf Boston.“ Jerry legte erneut seine Hand um den Arm des Agenten. Beaver zuckte zusammen. „Das ist alles was wir wissen” sagte er hastig. “Es gibt keine besonderen Treffpunkte. Keine auffällige Häufung bestimmter Verhaltensweisen. Die Vampire sind vielleicht tot, aber sie sind nicht blöde. Nicht wie in den Filmen.“ Die Hand ließ den Arm los. Jeremy wusste, dass Beaver die Wahrheit sagte. Er hatte festgestellt, dass er die Gedanken von Menschen lesen konnte. Wenn sie nervös waren oder Angst hatten. Nachdem er Beaver bedroht hatte, kannte er jeden Gedanken, der dem Beamten während ihrer … Unterhaltung durch den Kopf gegangen war. „Sie haben sich selbst sehr geholfen“ sagte er. „Versuchen Sie nicht mir in die Quere zu kommen. Tun Sie sich diesen Gefallen“. Jeremy machte sich nicht die Mühe die Halle, in die er den Beamten nach dem Unfall gebracht hatte in menschlicher Manier zu verlassen. Ein Oval voll mit Finsternis entstand direkt vor ihm und schien ihn zu verschlingen als er hinein trat. Dann verschwand es spurlos. Genau wie er. Jim Beaver barg sein Gesicht in den Händen. Mahone wurde immer mehr zum Alptraum. Noch nie hatte er seinen Job mehr gehasst. Wieso musste gerade jetzt alles den Bach hinuntergehen? Seine ursprüngliche Idee schien plötzlich keinen Sinn mehr zu ergeben. Wenn jemand wie Mahone einen Krieg mit dem Griechen anzettelte, konnten die Auswirkungen katastrophal sein. Was wenn die Menschen erfuhren, dass sie eigentlich nicht die dominierende Rasse auf diesem Planeten waren, wie sie es so gerne glaubten? Beaver schluckte den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte hinunter. Es hatte keinen Sinn sich in Ängsten zu verlieren. Er griff in die Innentasche seines Jacketts und zog sein Telefon hervor. Ein Wunder, dass das Ding den Unfall unbeschadet überstanden hatte. War vielleicht doch kein Fehler gewesen, dass das Bureau ein paar Dollar mehr für die Geräte mit metallener Hülle hingeblättert hatte. Als er es einschaltete piepte es mehrfach. Sein Vorgesetzter hatte mehrmals versucht ihn zu erreichen. Auch die Nummer von Agent Manor schien mehrfach auf. Er wählte einen der Einträge und drückte die Wähltaste. Es klingelte. Einmal nur. Ein knackender Laut erklang als der Anruf angenommen wurde. „Jim! Ich dachte schon wir hätten dich verloren! Wo bist du?“ Erleichterung durchflutete den Körper des Beamten wie ein erfrischender Windstoß. „Ich erkläre das alles später. Ich habe keine Ahnung wo ich bin. Lass mein Mobiltelefon orten und schicke jemanden, der mich hier abholt.“ „Bitte“ fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. „Geht es dir gut Jim? Bist du verletzt?“ fragte die Stimme? Beaver sah an sich herab. Sein Anzug war teilweise zerrissen und Blutflecken ließen das Hemd aussehen wie einen Scherzartikel, den Kinder zu Halloween kauften. Kopf und Brust fühlten sich an, als hätte er einen Boxkampf bestritten. „Nein und ja“ sagte er einfach. „Wir haben deinen Aufenthaltsort bereits eingegrenzt. Ein Industriegebiet östlich der Stadtgrenze. Ich schicke sofort ein Team los. Halt durch, hörst du?“ Jim drückte das Telefon fester ans Ohr. „Danke“. Er konnte sich glücklich schätzen, dass sein Boss großen Wert darauf legte so schnell wie möglich auf unerwartete Situationen zu reagieren. Beavers Finger öffneten sich ohne dass er es wollte. Das Mobiltelefon fiel zu Boden. Sein Kopf sank auf die Brust. Er war ohnmächtig geworden. Eine halbe Stunde verging, bis die Stille in der Halle jäh unterbrochen wurde. Ein Tor bewegte sich quietschend. Grelles Licht fiel auf die zusammengesunkene Gestalt von Agent Beaver die schief in dem einsam dastehenden Stuhl hing. „Holt ihn da raus und bringt ihn in den Lieferwagen!“. Zwei Männer in Kampfanzügen rannten in die Halle und zogen Beaver in die Höhe. Im Laufschritt trugen sie ihn hinaus. Es klickte mehrmals als Waffen gesichert wurden. „Wir haben ihn. Zurück in die Fahrzeuge!“ Der Mann der die Anweisungen gegeben hatte zog ein Telefon aus seiner Tasche und wählte eine Nummer. „Auftrag erledigt. Wir bringen den Verletzten zu seinem Bestimmungsort“ sagte er. Ohne ein Antwort abzuwarten legte er auf. Sie verwendeten abhörsichere Leitungen. Aber man wusste ja nie. Es war besser gewisse Informationen nicht über das Telefonnetz auszutauschen. Die Türen mehrerer Fahrzeuge wurden zugeschlagen und das Brummen von Motoren lag in der Luft. Einige dunkle Geländewagen entfernten sich von der Lagerhalle und verschwanden schließlich. Eine dunkelhaarige Frau und ein untersetzter Mann mit einer auffälligen Tätowierung an seinem Hals erhoben sich hinter der Brüstung auf dem Dach der Lagerhalle. „Wir hätten ihn töten sollen. Gleich hier und jetzt.“ Die Frau schnaubte. „Alexis hat uns verboten einzugreifen. Wir haben gesehen, was wir sehen sollten. Diese arroganten Beamten glauben immer noch, dass sie wirklich etwas gegen uns ausrichten könnten. Sie mischen sich ständig in Dinge, die zu groß für sie sind. Lass uns verschwinden.“ Der Tätowierte ballte die Fäuste. „Ich hoffe nur, dass Sedros bald aufhört Spielchen zu spielen!“ Wütend trat er gegen die Brüstung. Einige Ziegel brachen heraus und flogen davon. Zwei Schatten lösten sich vom Dach und landeten beinahe lautlos auf der Straße. Neugierig beäugte eine Ratte das Geschehen. Ihre Schnurrbarthaare zitterten aufgeregt. Sie hatte noch nie Raubtiere gesehen, die sich so schnell bewegten. Als sie sicher war, dass die Räuber verschwunden waren, löste sie sich aus ihrer Starre und huschte davon.


Jeremy warf sich den Mantel über. Sein Blick irrte ziellos durch das Schlafzimmer. Bilder aus der Vergangenheit tauchten auf und verschwanden wieder. Er hörte Marias Lachen. Sah auf seine schlafende Frau herab. Geisterbilder, die seine Sinne narrten. Es war Zeit dieses Haus zu verlassen, das nicht mehr seine Heimat war. Ein Knurren entrang sich seiner Kehle. An die Mischung aus Wut und … etwas anderem, die so oft seine Gefühle beherrschte hatte er sich noch immer nicht gewöhnt. Er wusste nicht genau was aus ihm geworden war. Aber wie immer wenn dieser Gedanke in seinem Kopf aufflammte wurde das Feuer sofort gelöscht. Er schloss den Reißverschluss der Tasche die er mit nach Boston nehmen würde. Seine Fähigkeiten alleine würden vielleicht nicht ausreichen, um die Antworten zu erhalten die er brauchte. Nicht so lange er sie nur in Ansätzen begriff und sie noch weniger beherrschte. Der Waffenladen in den er eingebrochen war hatte einige Spielzeuge enthalten, die ihm weiterhelfen mochten. Ob sie gegen Vampire Wirkung zeigten wusste er nicht. Es kam auf einen Versuch an. Viel wichtiger war es allerdings, mit den Anhängern von Sedros in Kontakt zu kommen. Das würde er nicht schaffen, indem er wahllos jeden tötete der auch nur im Entferntesten wie ein Blutsauger aussah. „Schade“ murmelte er. Nach genau diesem Vorgehen verlangte etwas in ihm. Vehement. Noch einmal blickte er sich um, bevor er die beiden schweren Sporttaschen ergriff und das Gepäck zum Wagen trug. Er wusste nicht, ob er jemals in das Haus zurückkehren würde, das so viele Jahre lang sein … ihr … Zuhause gewesen war. Er öffnete den Kofferraum und warf die Taschen, die eine Menge Waffen und nur ein paar seiner persönlichen Sachen enthielten hinein. Kurz hielt er inne und drückte die Stirn gegen den geöffneten Deckel des Kofferraums. Das Durcheinander in seinem Kopf wollte sich auch jetzt nicht lichten. Er musste … nein er wollte den Griechen töten. Er wollte Maria wieder sehen. Was danach kam war ungewiss. Knirschend verbog sich das Metall unter seinen Fingern. Unbewusst hatte er zu hart zugegriffen. Seine Kräfte waren ihm selbst manchmal unheimlich. Wie immer wischte etwas seine Gedanken sofort zur Seite, wenn er anfing darüber nachzudenken, was aus ihm geworden war. In einer fließenden Bewegung richtete er sich auf und drückte den Deckel ins Schloss. Ein sanftes Klicken belohnte ihn für die Mühe, die er sich gab, seine Wut nicht an dem Wagen auszulassen. Dass ein Teil seiner Gefühle zurückgekehrt war, hatte sich nicht unbedingt als Vorteil herausgestellt. Der kalte Hass war noch mehr zu heiß lodernder Wut geworden. Jeder Gedanke an Maria kam einem Brandeisen gleich, das auf seine Seele gedrückt wurde. Jeremy stieg in den Wagen. Er ließ den Motor an, manövrierte das Fahrzeug aus der Parklücke und fuhr langsam die Straße hinunter, die ihm so vertraut war, wie das Haus das er eben verlassen hatte. An der ersten Kreuzung bog er nach rechts ab. Auf die Old Main. Bei Chicopee würde er auf den Messechusetts Turnpike wechseln. Und so weiter. Bis nach Boston. Er war noch nie dort gewesen. Oder in sonst einer der großen Städte. Er liebte das Leben in Kleinstädten. Zumindest hatte der Mann der er gewesen war, so empfunden. Der Fuß auf dem Gaspedal des Wagens schien schwerer zu werden. Mit 80 Meilen raste Jeremy an dem Schild vorbei, das den Übergang von seinem Zuhause in den Rest der Welt kennzeichnete. Hoffentlich kam niemand auf den Gedanken ihn anzuhalten. Seine Augen glühten, als er in den Rückspiegel starrte, bis die Tafel, die den Namen seines Heimatortes trug in der Dunkelheit versank.




Jeremy

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