Читать книгу Ben und Lasse - Agenten außer Rand und Band - Harry Voß - Страница 10

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Zum Glück haben die anderen gerade erst mit dem Eisessen begonnen, als wir zurück in den Klassenraum kommen. Wir bekommen also auch noch unsere Portion. Herr Jung ist gerade dabei, unsere gemalten Bilder zu loben: „Ich staune über so viele gute Ideen. Das zeigt mir, dass in jedem von euch schon ein guter Gedanke über Gott steckt. Wenn wir also über Gott reden und über das, was wir tief in unserem Herzen glauben, dann müssen wir nicht bei null anfangen. Jeder von uns hat einen Glauben. Und es ist gut, wenn wir miteinander darüber ins Gespräch kommen.“

Gerade will Herr Jung auf eins der Bilder zeigen, als wir von draußen aus der Halle einen schrillen und lauten Schrei hören. Alle in der Klasse erschrecken und schauen zur Tür. Drei Sekunden halten alle die Luft an. Auch Herr Jung und Frau Aust. Dann beginnen einige Mädchen zu schreien und alle anderen tuscheln laut und aufgeregt miteinander. Dann höre ich eine Frauenstimme, die hysterisch kreischt: „Herr Hohmann! Herr Hohmann!“

„Los, wir müssen nachschauen!“, brüllt Tobias und erhebt sich schon von seinem Stuhl.

Herr Jung beruhigt ihn: „Nein, das müssen wir nicht.“ Trotzdem geht er mit schnellen Schritten auf die Klassenzimmertür zu und schließt sie ab. Er legt sein Ohr an die Tür und lauscht, dann geht er wieder nach vorne zur Tafel und atmet einmal tief ein und aus. „Wenn dort draußen etwas Gefährliches passiert, dann ist es umso wichtiger, dass wir hier in der Klasse bleiben. Und wenn draußen nichts Gefährliches und auch nichts Schlimmes passiert, dann gibt es keinen Grund für uns, warum wir nach draußen gehen sollten. Wenn etwas geschehen ist, das uns alle angeht, werden wir sicher später darüber informiert. So, und jetzt esst in Ruhe euer Eis zu Ende.“

Damit sind alle einverstanden. Trotzdem fühlen wir uns merkwürdig in einer Klasse mit abgeschlossener Tür. Was geht hier vor sich?

In der großen Pause spricht sich schnell herum, was hier passiert ist: Das kostbarste und teuerste Bild ist in der vergangenen Schulstunde gestohlen worden. Obwohl vor der Schule und in der Halle ohne Unterbrechung der Sicherheitsdienst auf und ab gegangen ist, ist das Gemälde, das heute Morgen noch hinter Glas gehangen hat, verschwunden. Vor der leeren Glasscheibe steht eine dicke Traube von Schülern, die sich das alles ganz genau anschauen wollen und unzählige Geschichten darüber erzählen, wer hier angeblich was gesehen und gehört und erfahren haben will. Ein paar Lehrer drängen die Schüler immer wieder von der Bildergalerie zurück, aber sie haben keine Chance. Es werden immer mehr Schüler, das Gedränge wird immer stärker.

Herr Hohmann kommt zusammen mit zwei Polizisten in die Halle. Hinter ihnen kommt Frau Schwan, die Schulsekretärin, hergeklackert und drückt einen Stapel Ordner an ihre Brust. „Macht Platz! Macht sofort Platz!“, höre ich den Rektor rufen, während er grob die ersten Schüler zur Seite schiebt. Die Menge teilt sich. Schüler springen nach rechts und links zur Seite. Herr Hohmann drängt sich bis direkt vor die große Scheibe, hinter der heute Morgen noch „Venus und Amor als Honigdieb“ hing. „Da!“, sagt er fassungslos zu den beiden Polizisten und zeigt auf die Scheibe. „Es ist einfach weg. Und die Scheibe ist verschlossen wie immer.“

Einer der Polizisten fasst an den Rand der Scheibe und rüttelt daran. Sie bewegt sich nicht.

Herr Hohmann dreht sich zu seiner Sekretärin um. „Wer hat alles einen Schlüssel für diese Verglasung?“

„Ich weiß nicht.“ Frau Schwan hat die Augen weit aufgerissen. „Herr Merkendorf?“

„Der Hausmeister?“

„Ja.“

„Wer noch?“

„Na ja“, Frau Schwan drückt mit einem Finger ihre Brille an die Stirn. „Sie natürlich.“

„Ich.“ Herr Hohmann schaut kurz die beiden Polizisten an, dann wieder Frau Schwan. „Wollen Sie mir damit etwa unterstellen, dass ich das Bild gestohlen hätte?“

Frau Schwan erschrickt. „Selbstverständlich nicht, Herr Direktor. Aber Sie wollten doch wissen, wer einen Schlüssel hat. Und immerhin haben Sie einen Schlüssel.“

„Ach so. Ja. Richtig.“ Herr Hohmann kratzt sich am Kinn. „Und wo befindet sich der Schlüssel, den ich zu dieser Verglasung habe?“

„Normalerweise in der obersten Schulbade Ihres Schreibtisches, Herr Direktor.“

„Normalerweise? Was heißt das? Wo befindet er sich denn augenblicklich?“

„Ich weiß es nicht, Herr Direktor. Ich dachte, er liegt da immer noch.“

„Sie dachten das. Aha.“ Plötzlich wird er laut: „Dann schauen Sie gefälligst nach, ob er dort immer noch liegt!“

Frau Schwan drückt sich erschrocken die Brille gegen die Stirn. „Selbstverständlich.“ Sofort dreht sie sich um und klackert durch die Halle bis zur Treppe und verschwindet nach oben.

Einer der Polizisten schaut sich das Glas näher an: „Seltsam, dass der Alarm nicht ausgelöst wurde.“

„Das finde ich allerdings auch“, sagt Herr Hohmann und wirft einen kritischen Blick in die Menge der Schüler. „Wer von euch hat etwas gesehen oder bemerkt?“

Lasse steht ganz in der Nähe von Herrn Hohmann. Er streckt seinen Zeigefinger: „Wir konnten ja nichts bemerken, denn wir durften ja nicht die Klasse verlassen.“

„Das stimmt natürlich.“ Herr Hohmann fasst sich an seine Krawatte und fummelt an ihr herum, als wollte er den Knoten lockern. In diesem Augenblick erkennt er Lasse vor sich, über den er letzte Woche so gelacht hat. Sofort schmunzelt er und legt Lasse die Hand auf den Kopf. „Das hast du gut herausgefunden, kleiner Agent.“ Er beugt sich leicht nach vorne. „Und jetzt brauchen wir die Hilfe von richtigen Agenten wie dir. Hast du denn etwas Verdächtiges bemerkt?“

„Leider nein. Aber wissen Sie, Herr Ohmann, wir haben uns nicht ganz an die Regel gehalten. Mein Bruder und ich waren vorhin kurz in der Halle. Ich musste ganz dringend aufs Klo und mein Bruder Ben hat mir den Weg gezeigt. Aber da war das Bild schon weg. Hab ich recht, Ben?“

Lasse schaut mich an und klopft mir gegen den Arm. Sofort schaut mich auch Herr Hohmann streng an. Schnell antworte ich: „Ja, das stimmt. Das Bild war schon weg. Zuerst habe ich mich gewundert, aber dann habe ich gedacht, vielleicht ist es einfach weggeräumt worden, damit es nicht gestohlen wird. Oder es hätte ja auch sein können, dass der Besitzer es zurückhaben wollte. Es hätte also ganz viele Gründe geben können, warum das Bild nicht mehr da hängt.“

„Das stimmt“, sagt Herr Hohmann und schaut mich prüfend an. „Wie lange wart ihr in der Halle?“

„Nicht lange“, antworte ich. „Wir sind nur durch die Halle bis zur Toilette gegangen und wieder zurück. Wir sind nicht stehen geblieben und haben nichts gemacht.“

„Wer kann das bezeugen?“

Ich beginne zu schwitzen. Werden wir jetzt verdächtigt, das Bild gestohlen zu haben? „Niemand natürlich! Denn es durfte ja niemand die Klasse verlassen!“

„Das ist richtig“, sagt Herr Hohmann. „Niemand durfte die Klasse verlassen. Und ihr habt sie trotzdem verlassen.“

„Herr Jung hat es uns erlaubt“, mischt sich Lasse ein.

„Herr Jung“, wiederholt Herr Hohmann und runzelt die Stirn. „Aha.“ Plötzlich richtet er seinen Zeigefinger auf mich: „Wisst ihr, wo sich der Schlüssel zu der Sicherheitsscheibe befindet?“

„Natürlich nicht“, brumme ich.

Lasse schlägt mir gegen den Arm. „Na klar wissen wir das, Ben! Der Schlüssel liegt bei Herrn Ohmann in der obersten Schreibtisch-Schublade!“ Er hebt den Zeigefinger und grinst dabei Herrn Hohmann an. „Normalerweise!“

„Spinnst du?“, herrsche ich Lasse an. „Was soll denn Herr Hohmann jetzt von uns denken?“ Meine Lippe bebt, als ich den Schulleiter flehend anschaue. „Wir haben nichts damit zu tun! Wirklich nicht!“

Herr Hohmann zeigt auf Lasse. „Woher weißt du, wo der Schlüssel zu diesem Glas liegt?“

„Das hat die Frau mit den Klackerschuhen doch gerade gesagt!“

„Klackerschuhe.“ Herr Hohmann schmunzelt und tippt mit seinem Zeigefinger Lasse an die Brust. „Da hast du vollkommen recht, Herr Agent.“ Er schaut mich an und lächelt. „Ich weiß doch, dass ihr nichts damit zu tun habt. Ich wollte nur mal eure Fähigkeiten als Agenten testen.“ Wieder tippt er Lasse an die Brust. „Das hast du gut gemacht. Weiter so, Agent Null-Null-Sieben.“

„Agent Lasse“, verbessert Lasse.

Frau Schwan kommt die Treppe herunter geklackert. „Der Schlüssel liegt ordnungsgemäß in der obersten Schublade Ihres Schreibtischs, Herr Direktor!“

„Aha.“ Herr Hohmann fummelt an seiner Krawatte herum. „Wer hat alles Zugang zu meinem Schreibtisch?“

Frau Schwan drückt sich die Brille gegen die Stirn. „Nun ja … so lange der Schreibtisch nicht abgeschlossen ist, könnte jeder die Schubladen öffnen …“

„Und war der Schreibtisch abgeschlossen?“

Frau Schwan lächelt verlegen. „Äh, nein, Herr Direktor.“

Herr Hohmann stemmt seine Hände in die Seiten. „Aha? Und warum nicht?“

„Ich … also … bisher gehörte es nicht zu meinen Aufgaben, Ihren Schreibtisch abzuschließen, Herr Direktor.“

Herr Hohmann geht mit großen Schritten auf die Treppe zu und brüllt dabei laut: „Also hätte es sozusagen jeder in dieser Schule sein können! Jeder Lehrer und jeder Schüler!“ Er bleibt plötzlich stehen und dreht sich zu seiner Sekretärin um. „Wissen Sie, wo der Alarm für das Sicherungsglas ausgestellt wird?“

„Ja, Herr Direktor“, haucht sie unsicher. „An dem Knopf im Tresor im Sekretariat. Das wissen Sie doch!“ „Aha. Und wer hat Zugang dazu?“

„Ähm …“, Frau Schwan sieht sich nach allen Seiten um, „Sie und ich, Herr Direktor … und ähm … alle, die wissen, wo der Schlüssel zum Tresor liegt …“

Herr Hohmann stemmt wütend die Hände in die Seite: „Und wer in diesem Haus weiß, bitteschön, wo der Schlüssel zum Tresor liegt?“

„Soviel ich weiß“, Frau Schwan wischt sich etwas Schweiß von der Stirn, „ist jeder von den Lehrern schon mal am Tresor gewesen … immerhin liegen ja auch die Abschlusszeugnisse darin und so weiter …“

„Jeder?“ Der Schulleiter hebt seinen Zeigefinger bis weit über seinen Kopf. „Jeder?“ Laut brüllt er: „Jeder kann also den Alarm ausschalten und jeder kann die Scheibe öffnen? Das ist ja nicht zum Aushalten!“ Herr Hohmann dreht sich um und geht weiter. Die Polizisten folgen ihm.

Frau Schwan schnauft und wackelt hinterher.

Lasse läuft ihnen nach. „Herr Ohmann! Herr Ohmann!“

Herr Hohmann dreht sich zu Lasse um, beugt sich nach vorne und beginnt sofort wieder zu lächeln. „Was ist denn noch?“ „Können wir denn trotzdem heute Nachmittag zu Ihnen zum Eisessen kommen? Oder fällt das jetzt aus, nur weil ein Böser ein Gemälde gestohlen hat?“ Herr Hohmann streckt seinen Rücken gerade und fummelt am Knoten seiner Krawatte herum. „Öhm“, macht er. Er schaut Frau Schwan an, aber die sagt nichts. Er schaut sich in der Menge der Schüler um und macht noch mal: „Öhm.“ Dann wendet er sich wieder Lasse zu und gewinnt sein Lächeln zurück. „Also … natürlich findet das Eisessen statt. Das habe ich euch doch versprochen. So lange die Polizei hier in der Schule nach Spuren sucht, stehe ich sowieso nur im Weg herum.“ Er grinst, tippt Lasse zweimal an die Stirn, dreht sich dann endgültig um und schreitet die Treppe nach oben.

Lasse kommt zu mir zurück und grinst übers ganze Gesicht. Ich stehe noch wie gelähmt da und bin nass geschwitzt von dem kurzen Moment, in dem ich dachte, ich werde hier des Diebstahls an dem Bild verdächtigt. Erschöpft atme ich aus und schaue Lasse an. „Toll gemacht, Lasse. Um ein Haar hätte er gedacht, wir waren es!“

„Quatsch!“, lacht Lasse. „Der wollte doch nur testen, ob wir gute Agenten sind!“

Ich weiß nicht. Irgendwie fühle ich mich unwohl. Aber ich weiß nicht warum.

Ben und Lasse - Agenten außer Rand und Band

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