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Am Montag in der zweiten Stunde kommen tatsächlich die Erstklässler in unsere Klasse. Bea und Jonathan haben dafür gesorgt, dass genügend Stühle im Raum sind. Alle können Platz nehmen. Vorne auf dem Lehrerpult stehen mehrere Packungen Eis. Mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen.

Als Lasse mich sieht, rennt er sofort auf mich zu und blökt: „Das ist cool, dass wir bei euch sind, was? Wer ist denn eigentlich der Bruder von Sina?“

„Jonathan“, sage ich und zeige auf den Jungen, der heute zufällig neben mir sitzt.

„Du bist das?“, fragt Lasse begeistert.

Jonathan nickt. „Ja, warum?“

„Danke für das Eis!“, strahlt Lasse. „Malst du mir auch so ein schönes Bild wie das für Sina?“

Jonathan grinst: „Ja, kann ich machen.“

„Kommst du heute Nachmittag zu uns nach Hause?“

„Ich denke, ihr seid bei Herrn Hohmann zum Eisessen.“

„Ach ja, richtig!“ Lasse klatscht sich an die Stirn und lacht laut los. „Dann komm doch trotzdem. Du kannst vorher mit dem Lego Star Wars von meinem Bruder spielen, und wenn ich nach Hause komme, malst du mir ein Bild!“

Jonathan reißt die Augen auf und schaut mich an: „Cool, du hast Lego Star Wars?“

„Ja.“

„Sollen wir heute zusammen Lego Star Wars spielen?“

„Ja, von mir aus.“ Ich habe viel zu selten Leute aus der Klasse zu Besuch. Das wäre heute eine gute Gelegenheit. Aber dass Lasse meint, er kann darüber bestimmen, wer mit meinem Lego spielen darf, passt mir eigentlich nicht.

„Super!“, freut sich Lasse und sucht sich einen freien Platz im Klassenraum.

Herr Jung begrüßt unsere Gäste und erzählt, was wir am Freitag hier besprochen haben und warum wir finden, dass eigentlich ein bisschen auch Jonathan gewonnen hat. Frau Aust fügt hinzu, Sina habe ihr heute Morgen gesagt, sie wolle die hundert Euro gar nicht für sich behalten, sondern für die Klassenkasse spenden. „Und zwar fünfzig Euro für eure Klasse und fünfzig Euro für unsere Klasse“, sagt sie fröhlich.

Alle klatschen begeistert.

Auch Herr Jung freut sich: „Da können wir uns ja noch in Ruhe überlegen, was wir uns von diesem Geld kaufen wollen.“

Lasse streckt seinen Finger in die Luft und zappelt auf seinem Stuhl.

Herr Jung nimmt ihn dran: „Hast du schon eine Idee?“

„Nein“, antwortet Lasse. „Ich wollte fragen, ob ich mal zur Toilette gehen darf!“

Alle lachen laut.

„Hat das auch Zeit bis zur Pause?“, schmunzelt Herr Jung. „Heute Morgen vor Unterrichtsbeginn hat Herr Hohmann uns Lehrer noch mal extra darauf hingewiesen, wir sollen darauf achten, dass während der Schulstunden niemand durch die Flure rennt. Der Sicherheitsdienst muss jedes Mal nachschauen, wenn einer durch die Ausstellungshalle läuft, wer das ist und was er dort will. Es reicht ihnen, dass in den Pausen dort so ein großes Gedränge ist. Darum hat er uns ausdrücklich gesagt, dass alle in den Klassen bleiben sollen.“

„Na gut“, sagt Lasse. „Dann mache ich in die Hose.“

Herr Jung lacht. „Na, wenn es gar nicht anders geht, dann musst du eben mal schnell zur Toilette flitzen.“

Lasse springt von seinem Stuhl auf. „Okay! Und wissen Sie, Herr Lehrer, ich kann so heimlich durch den Flur schleichen, dass mich niemand erwischt. Nicht die Wachleute und nicht der Herr Dings.“

„Herr Hohmann“, berichtigt ihn Herr Jung.

Lasse legt kurz seinen Finger auf den Mund: „Wie noch mal?“

„Hohmann.“

„So heißt der Rektor?“

„Ja.“

„Bei dem wir heute Nachmittag Eis essen?“

„Ja.“

Lasse kichert. „Ein lustiger Name. Bestimmt heißt er so, weil er vor lauter Arbeit immer ‚Oh Mann!‘ sagen muss!“

Herr Jung lächelt. „Das kann sein. Er heißt aber nicht Ohmann, sondern Hohmann. Vielleicht sagt er ja beim Arbeiten immer ‚Hoh Mann!‘“

Lasse lacht laut. „Sie sind lustig! ‚Hoh Mann!‘ sagt doch keiner!“

„Alles klar“, drängt Herr Jung. „Dann lauf mal los, ohne dich erwischen zu lassen. Weißt du, wo unsere Toiletten sind?“

„Nein, nicht so richtig. Aber mein Bruder Ben kann ja mitkommen und es mir zeigen. Ja, Ben?“

Ich werde knallrot.

Herr Jung sieht mich an: „Von mir aus. Aber beeilt euch bitte.“

Ich seufze und gehe mit Lasse vor die Tür. Ausgerechnet jetzt, wo es Eis gibt, muss kein anderer aufs Klo als mein kleiner Bruder. War ja klar. Wir müssen uns echt beeilen, sonst essen die alles ohne uns auf. Wir gehen den Flur entlang. Alles ist still und leer. Hier ist wirklich keiner unterwegs, wie es Herr Hohmann angeordnet hat. Dann kommen wir an der Ausstellung in der Eingangshalle vorbei. Irgendetwas ist anders, denke ich im Vorbeigehen. Hängen die Bilder in einer anderen Reihenfolge? Egal. Wir haben keine Zeit und gehen so schnell wie möglich zu den Toiletten. Lasse verschwindet in einer der Toilettenzellen. Ich höre, wie der Klodeckel nach hinten gedonnert wird, kurz darauf ein Strullern und von Lasse ein tief seufzendes: „Aaaaaaaaaah.“

Ich gehe in dem kleinen Flur vor den Zellen auf und ab und warte, bis Lasse fertig ist. Durch das kleine Klofenster sehe ich, wie die Wolken recht schnell am Himmel entlangziehen. Draußen ist es sehr windig. Den gepflasterten Weg hinter der Schule kann ich nicht erkennen, weil das Fenster höher angebracht ist als mein Kopf. Ist ja auch richtig so, denn niemand will, dass jemand von außen reinschauen kann, wie man hier pinkelt. Außerdem ist draußen sowieso nichts Besonderes zu sehen, denn das Fenster geht nicht nach vorne zum Schulhof, sondern nach hinten. Ich schaue mir die Wolken an und warte, bis Lasse fertig ist.

Plötzlich sehe ich, wie etwas großes Braunes von oben am Fenster vorbei nach unten fällt. Fallen da etwa schon vor lauter Sturm die Backsteine von der Schule? Ich gehe ans Fenster. Das Fensterbrett ist so hoch, dass ich mit meinen Händen gerade so eben dran komme. Aber wenn ich mich fest daran klammere und mit den Füßen an der Wand hochlaufe, kann ich mich so weit hochziehen, dass ich mich mit den Unterarmen auf dem Fensterbrett abstützen kann. Vor dem Fenster steht ein Lieferwagen von einer Reinigungsfirma. Ein Eimer und ein Putzlappen sind auf der Seite aufgemalt, „Putz und Blitz“ steht in blauen Buchstaben daneben. Zwei Männer in weißen Latzhosen stehen davor. Der eine hält ein braunes Päckchen in der Hand, fast so groß wie eine Tischplatte, und legt es hinten in den offenen Wagen. Ich glaube, das ist das, was da gerade heruntergeworfen wurde. Was ist das? Eine Schranktür? Was Putzleute alles sauber machen müssen … Der andere Mann schaut nach oben und gibt mit erhobenem Daumen ein Zeichen, dass das Paket ohne Schaden unten angekommen ist. Dann steigen die Männer ins Auto und starten den Motor.

In diesem Augenblick kommt Lasse aus seiner Zelle: „Was guckst du da, Ben? Bist du neugierig?“

„Ich gucke gar nichts.“ Ich lasse mich von der Fensterbank gleiten und springe auf den Boden. „Die Putzfirma hat ihr Auto beladen und fährt weg.“

Lasse grinst. „Und das findest du spannend?“

„Spannender als dir beim Pinkeln zuzuhören.“ Ich gehe auf die Ausgangstür zu und zeige auf das Waschbecken. „Hände waschen nicht vergessen.“

Als wir durch die große Halle gehen, um zurück zu meiner Klasse zu gelangen, weiß ich plötzlich, was sich verändert hat: Das teure Bild hinter der Glasscheibe hängt nicht mehr da. Die Scheibe ist noch wie vorher an der Wand angebracht. Das Bild dahinter fehlt. Sicher wurde es in ein extra Geheimversteck gebracht, damit ihm hier nichts passiert.

„Schau mal, Ben“, ruft Lasse auch gleich. „Da fehlt ein Bild!“

„Ja, das ist mir auch gerade aufgefallen“, sage ich.

„Ist das geklaut?“

„Ja“, gebe ich zurück. „Ich habe es in meine Schultasche gesteckt. Aber sag’s keinem weiter.“

Lasse bleibt stehen und haut sich erschrocken auf den Mund. „Wirklich?“ Er legt seinen Kopf schief. „Aber das Bild ist doch viel zu groß für deine Schultasche!“

„Das war ein Witz, Lasse. Ich weiß nicht, wo das Bild ist. Wahrscheinlich hat es jemand abgehängt, damit morgen eure wertvollen Gemälde vom Malwettbewerb dort aufgehängt werden können. Die sind ja jetzt auch mehrere Millionen Euro wert.“

Lasse grinst und setzt sich wieder in Bewegung. „Das kann natürlich sein, Ben. Boah, das wird klasse! Alle aus der Schule werden vor unseren Bildern stehen und staunen! Und damit sie keiner klaut, hängen sie hinter Glas! Was für eine tolle Idee!“

Ich schüttle den Kopf und gehe auf meine Klasse zu. Während ich die Tür öffne, sehe ich am Ende des Flures, wie Herr Merkendorf, unser Hausmeister, mit einer Leiter in der Hand aus dem Werkraum kommt. Von wegen, niemand darf sich im Flur aufhalten.

Ben und Lasse - Agenten außer Rand und Band

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