Читать книгу Ben und Lasse - Agenten sitzen in der Falle - Harry Voß - Страница 5

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Ich weiß noch nicht, ob dieses Wochenende ein aufregendes wird. Es könnte sein, dass wir richtige Schätze finden. Verschollene Juwelen in einer alten Kiste im Keller. Oder eine verborgene Schmuckkiste unter dem Bett oder hinter dem Kleiderschrank. Eine Schatzkarte. Einen Geheimgang. Aber eigentlich fürchte ich, dass wir bloß ein langweiliges Wochenende verbringen, an dem Mama und Papa den ganzen Tag in einem heruntergekommenen Haus herumwühlen, alte Klamotten wegwerfen, unzählige Ordner mit Papieren durchstöbern und wir am Ende nach Hause fahren, ohne einen Schatz gefunden zu haben.

Wir sind mit dem Auto unterwegs nach Süddeutschland. Papa fährt, Opa Heinrich sitzt auf dem Beifahrersitz. Mama, mein Bruder Lasse und ich sind zu dritt auf der Rückbank eingequetscht. Lasse, zwischen Mama und mir, schmiert unentwegt in seinem neuen Notizblöckchen herum, das er sich vor ein paar Tagen gekauft hat. Hin und wieder zeigt er mir stolz seine Kritzeleien: „Schau, Ben. Erkennst du das? Das ist der Schatz, den wir finden werden! Ein Goldschatz!“

Ich kann auf dem Block beim besten Willen nichts erkennen, das aussieht wie ein Schatz. Trotzdem sage ich: „Aha. Sehr schön.“ Dann schaue ich wieder aus dem Fenster und male mir in Gedanken aus, was wir in den kommenden Tagen alles finden und entdecken könnten oder auch nicht.

Unser Ziel ist ein Haus in der Nähe von München, in dem bis vor Kurzem eine entfernte Tante mit Namen Gertrud gewohnt hat. Wenn ich es richtig verstanden habe, war sie die Tante von Opa Heinrich. Krass, dass die überhaupt noch so lange gelebt hat, denn Opa ist auch schon über 70. Gertrud ist vor ein paar Wochen mit 92 Jahren gestorben. Jetzt steht ihr Haus leer und gehört niemandem, weil die Frau keine Kinder hatte. Und ihr Ehemann Hubert lebt schon ganz lange nicht mehr.

Irgendein Mensch aus dem Dorf, der sich bis zuletzt um Tante Gertrud gekümmert hat, hat bei Opa Heinrich angerufen: Die nächsten Verwandten sollen jetzt bitte kommen und sich anschauen, ob es im Haus noch brauchbare Gegenstände gibt oder ob da vielleicht sogar einer der Verwandten drin wohnen will. Opa braucht kein zweites Haus. Anschauen will er es sich trotzdem. Vielleicht findet er dort ja Familienfotos von früher oder andere Dinge, die er noch gebrauchen kann. Außerdem muss geregelt werden, was mit dem Haus passiert: Ob es verkauft werden soll, vermietet oder sonst was. Dafür sind nämlich die nächsten Verwandten zuständig.

Opa hat Mama und Papa gefragt, ob sie nicht mit ihm nach Bayern fahren könnten, um da ein bisschen herumzustöbern. Und die haben nun dieses verlängerte Wochenende dafür ausgesucht: Der Donnerstag ist ein Feiertag, am Freitag haben Lasse und ich schulfrei und Papa muss auch nicht zur Arbeit. So haben wir vier Tage Zeit, um dort nach Schätzen zu suchen.

Heute ist Mittwoch. Nach der Schule sind wir losgefahren. Bis nach München brauchen wir einige Stunden. Es ist eng im Auto und Opa muss andauernd zur Toilette, darum halten wir an fast jeder Raststätte, die auf dem Weg liegt. Dazwischen erzählt er von früher und dass er die verstorbene Tante gar nicht richtig gekannt hat. Es muss da irgendeinen Familienstreit gegeben haben, als er noch klein war. Jedenfalls kann er sich auch nicht erinnern, jemals in dem Haus gewesen zu sein, das wir jetzt aufsuchen werden.

„Schau her, Ben“, kommt es wieder von Lasse, „ich kann schon sehr gut schreiben. Aber nicht nur das. Ich kann sogar Geheimschrift schreiben!“ Er hält mir seinen Block unter die Nase. „Kannst du lesen, was hier steht?“

Lasse ist sechs Jahre alt und geht in die erste Klasse. Ich fürchte, er ist dort nicht der Beste im Lesen und Schreiben, denn normalerweise lässt er sich von mir alles vorlesen. Er behauptet immer, er könne noch nicht lesen und er müsse das auch nicht, denn immerhin sei er erst im ersten Schuljahr. Heute dagegen kommt er sich wie ein Schreib-Profi vor. Mit seiner Erstklässler-Schrift hat er mit riesigen Buchstaben aufgeschrieben: „NEB ASSEL“.

„Was soll das denn heißen?“, frage ich.

„Das sind unsere Namen“, erklärt er stolz. „BEN und LASSE. Aber damit man es nicht herausfindet, habe ich sie in Geheimschrift geschrieben. Klasse, was?“

„Ja, klasse, Lasse.“ Ich bin nicht wirklich an seinen Spielchen interessiert. „Und wie lautet der Schlüssel?“

„Schlüssel? Was denn für ein Schlüssel?“

„Na, irgendwie muss man das Rätsel ja lösen können. Wenn man etwas in Geheimschrift aufschreibt, muss man selbst doch später noch wissen, wie man es wieder löst. Oder wenn man eine Botschaft an jemand anderen schreibt, die nur der andere lesen können soll, dann muss derjenige wissen, wie man das wieder entschlüsselt. Also, wie man das richtig lesen kann.“

„Tja, da staunst du, was?“ Lasse grinst, als hätte er das Geheimschrift-Schreiben gerade erst erfunden. „Das verrate ich natürlich nicht, sonst ist es ja nicht mehr geheim.“

„Ach so. Ja. Klar.“ Ich schaue aus dem Fenster.

„Na gut, ich verrate es dir“, schiebt Lasse hinterher. „Ich habe die Wörter einfach rückwärts geschrieben.“ Wieder hält er mir den Block hin. „Ben heißt rückwärts NEB. Und Lasse heißt rückwärts ASSEL.“

„Da stimmt aber was nicht. Lasse heißt rückwärts ESSAL.“

„Ach so.“ Er schaut sich seine Buchstaben genauer an. „Mensch, dann ist es ja noch geheimer als geheim! Es ist rückwärts geschrieben und dann auch noch die Buchstaben vertauscht! Da kommt kein Mensch drauf!“

„Nee. Wirklich nicht. Du bist echt der Geheimschriften-Meister.“ Ich schaue wieder zum Fenster raus.

„Ja, findest du? Prima! Ich muss ja auch ein Geheimschriften-Meister sein. Denn wir sind doch die Meister-Agenten!“

„Das stimmt. Hätte ich fast vergessen.“

Lasse beugt sich nach vorne: „Opa, wusstest du, dass Ben und ich Meister-Agenten sind?“

Opa lacht. „Ja, ich glaube, das hast du schon das eine oder andere Mal erzählt.“

„Wenn wir groß sind, werden wir Polizisten!“, erklärt Lasse. „Wie Papa. Was, Papa?“

„Davon bin ich überzeugt“, grinst Papa.

Auch wenn das aus dem Mund meines kleinen Bruders etwas lächerlich klingt, hat er doch recht. Für uns beide steht unser Berufswunsch jetzt schon fest. Wir werden Polizisten. So wie Papa. Also – ich zumindest. Ob Lasse so ein guter Polizist wird, bezweifle ich. Und mit sechs Jahren kann man das auch noch nicht wirklich wissen. Da will man ja alle zwei Wochen etwas anderes werden. Aber ich bin immerhin schon elf Jahre alt und gehe in die fünfte Klasse. Da muss man sich schon Gedanken um die Zukunft machen. Und weil Papa ein richtig guter Polizist ist, will ich das auch werden. Ich habe schon hier und da mitgeholfen, Schmuggler oder andere Ganoven zu fangen. Um Weihnachten herum, als ich zum ersten Mal Papa bei einem Fall geholfen habe, habe ich mir sogar eine Anstecknadel gebastelt mit der Aufschrift: „Agent Benjamin Baumann“. Und weil Lasse mir ein bisschen bei der Aufklärung geholfen hat, habe ich ihm zu Weihnachten auch einen Anstecker geschenkt. Darauf steht: „Agent Lasse Baumann“. Er ist aus Goldpapier ausgeschnitten und hinten mit einer Sicherheitsnadel beklebt. Sieht etwas peinlich aus, aber Lasse liebt seine Agentennadel. Seitdem jedenfalls bin ich Agent. Geheimagent natürlich. Denn andere müssen das nicht wissen, sonst machen sie sich nur lustig. Lasse dagegen muss allen auf die Nase binden, dass er ein Agent ist, und gleich darauf seine Agentennadel herumzeigen.

„In einer Stunde sind wir da“, kündigt Papa jetzt an.

„Das ist gut“, erwidert Opa. „Können wir trotzdem noch mal bei der nächsten Raststätte anhalten? Ich glaube, ich muss mal aufs Klo.“

Ben und Lasse - Agenten sitzen in der Falle

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