Читать книгу Micha und die Verschwörung in Bethlehem - Harry Voß - Страница 6
Оглавление[no image in epub file]
2. Dezember
Als es dunkel wurde, trieb Micha die Ziegenherde in Richtung Dorf zurück. Seine Familie hatte sieben Ziegen. Michas Aufgabe war es, tagsüber auf sie aufzupassen. Ricky allerdings gehörte Micha allein. Als sie geboren wurde, hatte Michas Vater ihm das Zicklein geschenkt. „Dann passt du vielleicht auch besser auf die anderen auf“, hatte er gemeint. Ricky hatte sich schnell als eine sehr kluge Ziege herausgestellt. Seit ein paar Tagen konnte sie sogar kurz auf den Hinterbeinen stehen und ihm die Hufe wie zur Begrüßung reichen. Micha war sehr stolz auf dieses Kunststück.
Jakob und seine Männer hatten keine eigenen Schafe. Sie hüteten die Schafe der Reichen aus dem Dorf. Darum war deren Herde auch manchmal so groß, dass sie kaum mehr den Überblick hatten. Und im Grunde waren denen die Schafe auch ganz egal.
Am Dorfeingang kam Micha an der Tränke vorbei, einer großen Wanne aus Lehm, zu der die Schafe und Ziegen morgens und abends zum Trinken gebracht wurden. Mit gespreizten Beinen stand Michas Vater auf den beiden Seitenwänden der Tränke und fluchte laut vor sich hin: „Ein Dreck ist da wieder drin! Wo sind eigentlich die Hirten, die dafür zuständig sind, das hier sauber zu halten?“ Mit beiden Händen griff er immer wieder in die Drecksbrühe hinein, schaufelte Berge von Schlamm heraus und ließ sie neben die Tränke fallen. Seinen teuren Filzhut hatte er dazu nicht abgenommen, obwohl er bei jedem Bücken bedrohlich auf dem Kopf hin und her wackelte.
„Vater!“, rief Micha und rannte mit seinen Ziegen auf ihn zu. „Schau, was ich Ricky beigebracht habe! So eine kluge Ziege! Sie kann dir die Hufe geben! Pass auf!“
„Lass mich in Ruhe“, knurrte der Vater, balancierte sein Gewicht auf dem Rand der Tränke aus und beugte sich wieder nach vorne. „Du siehst doch, dass ich arbeite.“
„Los, Ricky“, rief Micha seiner dressierten Ziege zu. „Gib Vater die Hand. Sag schön Guten Abend.“ Ricky stellte sich gehorsam mit den Vorderbeinen auf den Rand der Tränke, hob dann eins der Beine und schlug mit dem Huf unsanft auf Vaters Po. Vater schrie laut auf, verlor das Gleichgewicht und fiel mit einem lauten Platsch bäuchlings in die Tränke.
„Ricky, ich glaub, das führen wir besser ein andermal vor“, sagte Micha vorsichtig und hob seine Ziege von der Tränke runter. Da tauchte der Vater aus dem Wasser auf und polterte los: „Micha!!!“ Das konnte er gut brüllen. Wenn Vater ihn so rief, klang das schon fast wie ein Schimpfwort. „Du Lausejunge! Das hast du absichtlich gemacht!“
„Nein, Vater!“, rief Micha erschrocken. „Warte, ich helfe dir!“ Micha wollte nach Vaters Hand greifen, da sah er den teuren Filzhut im Wasser schwimmen. Mit einem gezielten Griff hatte Micha den Hut aus dem Wasser gerettet und hängte ihn an einen Zaunpfahl in der Nähe. Danach war er ganz für den Vater da. Aber der Vater war sehr schwer. Die beiden brauchten mehrere Anläufe, um ihn endlich aus dem Becken zu ziehen. „Na warte, wenn wir zu Hause sind“, drohte der Vater und schüttelte sich wie ein Hund nach dem Baden. „Wo ist mein Hut?“
Micha zeigte auf den Zaunpfahl, aber da war kein Hut mehr. Die brave Ricky kaute genüsslich an einem Stück Filz, dem kläglichen Rest dessen, was bis eben noch ein Hut war. Vater holte einmal tief Luft und dann erschallte seine Stimme laut durchs ganze Dorf: „Micha!!!“
Jetzt gab es nur noch eins für Micha: abhauen. Er rannte ins Dorf. Bei jedem Schritt überprüfte er, ob er den schweren Goldsack noch in seinem Gürtel hatte. Ohne diesen Beutel wäre er sehr viel schneller gewesen. Aber den Beutel zu verlieren, konnte er sich jetzt nicht auch noch leisten.
Zacharias lobt Gott:
Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt. Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind.
Lukas 1,78-79a