Читать книгу SF-Abenteuer Paket Februar 2019: Fremde Erden - Harvey Patton - Страница 29

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Wir bewaffnen Otok und folgen dem Rest der Gruppe. Da die Stadt sich vor allem nach unten ausdehnt, ist der Justizpalast, in dem die Herrscher des Syndikats leben, quasi die unterste Schicht. So gelangen wir immer tiefer in die Anlage. Es erwarten uns weitere Rebellen, die bisher noch nicht bei unserer Gruppe waren und Salsbur und Otok Bericht erstatten.

„In der Stadt wird gekämpft. Die Leute schlagen sich zum Teil auf unsere Seite oder verstecken sich. Einige Banden nutzen das Chaos, um das Syndikat auszurauben, wo sie es können“, erklärt der Mann gerade Otok. Wir stehen in einer weiten großen Eingangshalle, die mit ihren Edelsteinverzierungen an den Wänden repräsentativ wirkt. Es sind verschiedene Wappen, die in regelmäßigen Abständen an den Wänden angebracht sind.

Womöglich war der Justizpalast schon vor dem Syndikat der Sitz der Macht hier auf Gunis?

„Das bedeutet“, unterbricht Otok meine Gedanken mit seinen Worten, „dass alles so verläuft wie geplant?“

„Der Vertreter der Weißen Königin ist im Süden zur Inspektion der Bergwerke und zu Feierlichkeiten des Provinzverwalters. Der Rat hat sich teilweise ergeben und Ratsmitglied Jol bietet seine Dienste für unsere Sache an“, erklärt der Mann nun Salsbur und Otok. Otok lacht ehrlich erfreut und auch Salsbur lächelt.

„Dass Ratsmitglied Jol sich anbietet, dachte ich mir. Der würde jedem dienen. Aber wir sind auf Unterstützer wie ihn leider angewiesen“, sagt Otok. „Nun, wir sollten ...“

Weiter kommt er nicht. In diesem Augenblick wird er von lauten Explosionen unterbrochen und einen Herzschlag später birst die Wand zu unserer Linken regelrecht.

Ich spüre, wie ich zur Seite gerissen werde und mich jemand an der Schulter von all dem wegzieht. Staub wirbelt auf und ich huste.

Ich sehe über die Schulter V3-RA, die mich hinter ein Trümmerstück zieht.

„Alles in Ordnung?“, fragt sie und mustert mich. Ich nicke.

Bevor ich dazu komme zu fragen, was das war, höre ich schwere Schritte.

Ich werfe einen Blick über das Trümmerstück und sehe einen der achtbeinigen Spinnenroboter, dessen um den kugeligen Torso verteilte Geschütze das Feuer eröffnen.

Dafür haben die Rebellen aber die falschen Waffen bestellt, geht mir ungewollt durch den Kopf. Sofort reiße ich den Kopf hinunter in Deckung, als eines der Geschütze in meine Richtung schwenkt. Die Projektile schlagen krachend in das Trümmerstück vor mir und Splitter fliegen in alle Richtungen.

Ich halte meine Pistole fest, die mir in diesem Moment unpassend klein erscheint.

Kurz richte ich mich aus der Deckung auf und ziele auf eines der Augen der Kreatur, eine Ausbuchtung für die optische Wahrnehmung.

Meine Schüsse beschädigen die Panzerung nur unwesentlich.

„Vera, hast du eine Idee? Kennst du den Bautyp?“

Ich hoffe, dass sie im Zweifelsfall eine Schwachstelle sehen kann, denn ich sehe keine.

„Dort“, sagt sie und deutet auf eine Ausbuchtung. „Dort kann man eine Granate befestigen.“

„Denkst du ...“

Sie nickt. „Gib mir Feuerschutz.“

Ich schüttle den Kopf. „Hörmal ...“

„Nein”, unterbricht sie mich. „Vertrau mir. Ich bin schneller und schaffe das.“

Ich seufze und nicke. Dann reiche ich ihr eine Granate. Sie robbt in Deckung von mir weg. Als sie endlich etwas Abstand hat, komme ich aus der Deckung und feuere auf den spinnenartigen Roboter. Wirkungslos verbeulen und schwärzen meine Schüsse die Panzerung. Eines der Geschütze schwenkt zu mir herüber und eröffnet das Gegenfeuer. In meiner Nähe erwischt es einen Rebellen, der nicht schnell genug in Deckung geht. In diesem Augenblick rennt V3-RA mit einer Schnelligkeit, die für biologisches Leben kaum zu erreichen ist, heran, springt aus dem Stand mehrere Meter in die Höhe und landet auf dem Torso des Spinnenroboters.

Er bewegt sich, was sie schwanken lässt. Doch die Fußsohlen ihres Körpers sind bei Bedarf magnetisch und so lässt sie sich nicht abschütteln.

Ihre schlanke Gestalt trotzt jeder Schwerkraft und der Spinnenroboter vermag sie mit seinen Beinen nicht ins Visier nehmen.

Sie steckt ihre Waffe weg, was bedeutet, sie hält sie in Hüfthöhe und sie haftet aufgrund von Magnetismus dort von allein. Daraufhin nimmt sie die Granate in die nun freien Hände und drückt den Pinn zur Seite, der den Zündknopf freigibt. Sie betätigt ihn, reißt mit der linken Hand ein Stück an der Verkleidung auf und steckt die Granate hinein. Dann deaktiviert sie ihre metallischen Fußsohlen, fällt zu Boden und rollt sich ab. Der Spinnenroboter hat sie registriert und versucht sie nun, da sie unter ihm ist, mit einem gezielten Tritt zu töten. Sie springt zur Seite, wird von einem der anderen Beine erwischt und weggeschleudert. Noch während sie in der Luft ist, explodiert die Granate.

Ich ducke mich in Deckung, keine Sekunde zu früh. Rauch und Trümmerstücke fliegen über mich hinweg, etwas zischt an meiner Wange vorbei und ich spüre mein eigenes warmes Blut dort entlanglaufen. Der Schnitt ist nicht tief. Es war verdammt knapp, ist mir klar.

Als ich aus der Deckung schaue, sehe ich den rauchenden Trümmerhaufen, der einmal der Spinnenroboter war. Große Teile sind in die Gegend geflogen, liegen hier und dort verteilt und ragen als Schrapnelle aus den Wänden.

Ich komme auf die Beine, entdecke Vera und laufe zu ihr.

„Alles in Ordnung?“, frage ich und helfe ihr auf. Sie nickt. Währenddessen kommt Otok zu uns. Er stützt Salsbur. Der Mann hat ein großes Schrapnell in seinem Bein stecken und das Gesicht vor Schmerz verzerrt.

„Wir müssen weiter“, sagt Salsbur entschieden. „Wir müssen so schnell es geht hinunter in die Kommandozentrale des Palastes.“

„Zeigt den Weg“, sage ich. Die verbleibenden Männer sammeln sich und gemeinsam mit den Rebellen dringen wir immer tiefer in das Gebäude ein.

Die Gegenwehr durch die Syndikatsleute hier wird geringer. Es sind nur eine Handvoll Syndikatsmänner anwesend. Viele von ihnen sind nicht bewaffnet und ergeben sich gleich.

Ich glaube nicht, dass ein Angehöriger der Flotte von Axarabor sich so verhalten würde, doch das Syndikat scheint seine Leute nicht sehr wertzuschätzen.

Dann sind wir endlich in der Kommandozentrale. Es ist ein großer, ovaler Raum mit drei Dutzend Arbeitsplätzen und einem großen Kartentisch in der Mitte. Holographisch sieht man dort eine Projektion der Stadt.

Sofort verteilen sich Otoks Leute an die Konsolen und geben einen Bericht über die Lage in der Stadt und auf dem Planeten.

„Wir bekommen Berichte aus dem Süden und Osten der Stadt“, erklärt einer der Rebellen an Otok gewandt. „Die Lage ist unter Kontrolle. Im Norden gibt es Schwierigkeiten mit dem Raumhafen. Das Stadtviertel ist unter Kontrolle, aber die Syndikatsleute haben sich verschanzt. Zwar halten wir die Landefelder und verhindern so, dass sie abhauen, aber sie wiederum halten den Rest der Anlage und wir kommen nicht an sie ran.“

„Sag ihnen, sie sollen ausharren und keinen weiteren Vorstoß wagen. Wir müssen erst einmal festhalten können, was wir abgebissen haben“, befiehlt Otok.

„Es gibt Schwierigkeiten im Westen bei den Industriebetrieben.“

„Frag im Süden, ob die Lage sich genug entspannt hat, um von dort Verstärkung zu schicken“, kommt von Salsbur der Befehl mit einem Blick zu Otok. Dieser nickte und genehmigte somit den Befehl.

Otok verbringt noch einige Zeit mit weiteren Befehlen. Sophitia, Vera und ich stehen etwas teilnahmslos daneben und warten ab. Unsere Arbeit ist, soweit ich das sehe, getan. Lediglich der Raumhafen ist ein Problem für uns. Ich nehme stark an, dass dort die Teile liegen, die wir brauchen, um unser Schiff wieder flott oder wenigstens ein neues Schiff zu bekommen. Wenn auch das Syndikat den Flugverkehr von und zu diesem Planeten stark reglementiert, so ist doch klar, dass sie selbst einige Raumschiffe haben, mit denen sie nicht nur Erze hier weg-, sondern auch neues Personal und Waffen herbeischaffen.

„Herr, wir haben ein Problem“, sagt nun auf einmal einer der Rebellen an seiner Konsole und winkt Otok zu sich heran. Salsbur folgt ihm leicht humpelnd. Endlich kommt ein weiterer Rebell mit einem gefundenen Erste-Hilfe-Kasten und beginnt, seine Wunden zu versorgen.

„Was ist es?“

„So wie es aussieht ist ein Raumschiff gerade im Flug in die Atmosphäre. Es ist ein Schiff des Syndikats.“

„Sie werden Verstärkung rufen“, flüstert Salsbur, und obwohl er so leise spricht, wirkt es, als wäre es das einzige Geräusch im Raum. „Sie werden mit Verstärkung zurückkommen.“

„Wir werden bereit sein“, erwiderte Otok entschieden.

„Dennoch haben sie jede Macht, unseren Aufstand niederzuschlagen. Sie haben dort im All Verstärkung“, erwidert Salsbur. „Wir sollten ...“

„Was sollten wir?“, erwidert Otok aufgebracht. „Um Hilfe bitten? Wen denn? Wir haben seit mehr als vier Generationen keinen Kontakt mehr, der nicht durch das Syndikat kontrolliert wird. Niemand würde zu unserer Rettung kommen, und selbst wenn? Wie sollten wir jemanden erreichen? Wir haben den Raumhafen, oh ja, aber nur die Landeplattform. Die Schiffe sind im Gebäude, das wir noch nicht einnehmen konnten und das wir nicht so einfach einnehmen können! Es ist eine Festung für sich und nur dort gibt es Möglichkeiten, diese Welt zu verlassen und Hilfe zu finden.“

„Ihr könntet um Hilfe rufen, ihr habt doch sicher Kommunikationsanlagen hier“, sagt nun Sophitia und auf einmal richtet sich alle Aufmerksamkeit im Raum auf sie. Ich seufze und sehe zu Vera. Ihr Blick scheint zu sagen: Du wolltest, dass wir ihr helfen. Ein einfacher Auftrag.

Ich versuche mit einem Blick zu erwidern, dass es mir leid tut. Denn ehrlich? Es tut mir gerade wirklich sehr leid.

„Ihr könntet“, fährt sie fort, als sie die Blicke aller auf sich spürt, „Axarabor um Hilfe bitten und ihnen anbieten, euch ihnen anzuschließen. Ihr habt euer Metall.“

„Und uns von einem Sklavendienst in den nächsten geben?“, erwidert Otok nun und spuckt die Worte geradezu aus. „Ich glaube nicht.“

Er sieht sie eine Weile an. Etwas versöhnlicher fährt er fort: „Ihr habt uns geholfen und vielleicht habt ihr recht. Wir könnten mit Axarabor handeln und selbstverantwortlich mit ihrer Hilfe gegen das Syndikat vorgehen. Doch wie? Ich glaube kaum, dass drei Schmuggler mir sagen können, wie ich sie erreichen kann.“

„Wen?“, fragt nun Sophitia verdutzt.

„Die Regierung des gewählten Hochadmirals. Wir wissen, dass sie existiert, aber wir haben seit Generationen keinen Kontakt mehr zum Rest des Universums. Das Syndikat kontrolliert jeden Start und jede Landung. Wir haben immer mal wieder Neuankömmlinge, die hier als Sklaven des Syndikats dienen, und von ihnen wissen wir Neues. Es gibt Frachterpiloten des Syndikats, die man bezahlen kann, um Neues zu erfahren und auch, ja, um euch das Angebot zu machen, uns mit modernen Waffen zu beliefern. Doch über welche Frequenzen, ja, wie sollen wir denn Axarabor erreichen?“

Er sieht zu dem Rebellen, der an der Konsole für die Kommunikation steht. „Dort sind doch sicher Kontakte gespeichert. Doch wohl kaum jemand außerhalb des Syndikats, oder?“

„Nein, Herr“, sagt der Mann, während er sich durch die Menüs schaltet, „es sind Syndikatskontakte und viele verschlüsselte Kontakte. Auf manche habe ich so gar keinen Zugriff. Es wird ein Passwort oder auch eine Stimmregistrierung benötigt.“

Wieder sieht Otok zu uns. „Ihr seht“, sagt er und tritt zu Sophitia. „Wenn ich es könnte, würde ich es tun. Ich würde das Leid verringern, doch wir müssen uns auf eine Belagerung einstellen. Solange wir den Raumhafen nicht vollkommen unter unserer Kontrolle haben, können wir euch natürlich gerne bezahlen. Doch wie mir Salsbur sagte, braucht ihr Ersatzteile. Die kann ich euch nicht geben, solange ich keinen Zugriff auf sie habe.“

Ich spüre die Anspannung im Raum und sehe V3-RAs Blick. Sie hält meine Hand und in diesem Augenblick weiß ich, dass ich eine Entscheidung treffen muss. Ihr Blick verrät mir, dass sie mich unterstützen wird.

„Du musst es entscheiden“, flüsterte sie. Ich weiß, sie hat recht. Es gibt eine Möglichkeit, diese Leute zu retten.

Ich schließe kurz die Augen. Natürlich bin ich als Infanterist aus der Flotte von Axarabor ausgetreten, doch was ich nie aufgegeben habe, sind die Ideale dieser Organisation. Sie schützt und bewahrt den Frieden und das kann ich hier und jetzt tun.

„Ich kann der Raumflotte ein Angebot machen“, sage ich. Es wird vollkommen still im Raum. Sophitia und auch Otok sehen mich an, als sei ich verrückt.

„Was? Wie?“, fragt Sophitia und Otok hebt fragend die Augenbrauen.

Ich beiße mir ein wenig auf die Unterlippe und spüre, wie Vera mir die Hand erneut drückt.

„Vera und ich sind nicht nur im Auftrag von euch hier als Schmuggler. Wir sind gewissermaßen Doppelagenten, weil wir ebenfalls Informationen sammeln sollen für Axarabor. Man kann und will dort nicht präventiv gegen das Syndikat vorgehen, weil man nicht einfach eine Welt angreifen wird, die nicht den eigenen Vorstellungen entspricht. Dafür ist das, was als eine gute Regierung gilt, schon im Sternenreich etwas zu divers, als dass man nun anfangen würde, anderen Nichtmitgliedern des Sternenreiches seine Lebensart aufzuzwingen. Dennoch hat man zur Kenntnis genommen, wie Sie sich hier erheben wollen, und ich sollte nicht nur die Waffen, sondern auch Informationen liefern – Informationen wie ob Ihr Aufstand vielversprechend ist, ob man mit Ihnen in Kontakt treten solle und ob Sie Interesse an einer Mitgliedschaft im Sternenreich hätten.“

Stille, wirklich vollkommene Stille. Nur die Computer um uns herum verursachen elektrisches Surren und Geräusche.

Als erstes findet Sophitia ihre Stimme wieder. Sie tritt an mich heran und schlägt nach mir. Ich weiche gekonnt aus.

„Du hast mich benutzt!“, ruft sie. „Du hast diesen Auftrag benutzt, um ...“

„Nein“, unterbreche ich sie und weiche einen Schritt zurück. „Ich arbeite für die Flotte Axarabors. Aber den Auftrag hast du mir sowieso geben wollen. Du wolltest mich, weil du dich auf mich verlassen kannst, und ich habe nicht vorgehabt, dich zu betrügen. Ich wollte lediglich zusätzlich einige Informationen sammeln.“

„Seien Sie still“, sagt Otok und kommt nun zu uns. Einige der umstehenden Rebellen haben ihre Waffen locker in den Händen, abwartend, was nun geschieht und jederzeit bereit einzugreifen. Ich hoffe sehr, dass keiner einen zu lockeren Abzugsfinger hat.

„Sie können also mit Axarabor Kontakt aufnehmen?“

„Mit meinem Vorgesetzten in der Flotte, ja“, schränke ich ein. „Aber dazu müssen Sie mich an Ihre Kommunikationsanlage lassen.

Otok sieht zu Salsbur und nickt. Ich trete an die Konsole und der Rebell, der dort gerade noch stand, stellt sich neben mich. Ich brauche nicht lange, um mich zurechtzufinden, doch dann macht sich die Ernüchterung breit.

„Es geht nicht!“, erkläre ich und zeige Otok das Problem. „Als wir angriffen, hat jemand vom Syndikat eine der Verbindungen zur den Sendeeinheiten zerstört“, erkläre ich. Der Rebell neben mir schiebt mich zur Seite und überprüft einige Einstellungen. Dann nickt er.

„Er hat recht“, sagt er. „Die Sendeanlage an sich ist funktionstüchtig, aber wir können nicht senden. Unser Zugang ist beschädigt worden. Von hier aus komme ich nicht an die Sendeanlage heran.“

„Können wir direkt senden?“, fragt nun Sophitia. „Von dort, ich meine, wenn wir zur Sendeanlage gehen und uns dort anschließen.“

„Das würde gehen, aber es ist im Westen der Stadt“, erwidert der Rebell nun und sieht fragend zu Otok. Es klingt wie ein Todesurteil.

Der Westen ist noch immer umkämpft, rufe ich mir selbst ins Gedächtnis. Das ist schlecht und ich ahne, in welche Richtung das Gespräch gehen wird.

Ich blicke zu V3-RA. „Wir könnten in den Westteil der Stadt und direkt eine Nachricht senden“, sage ich.

„Wir können jemanden schicken“, erwidert nun Salsbur. „Ihr müsst euch der Gefahr nicht aussetzen. Ihr macht schon genug, indem ihr vermutlich weit über eure Befehle geht.“

Ich nicke, muss aber widersprechen. „Leider muss ich selbst gehen. Es geht nicht nur um ein Passwort, das ich eingeben muss, es geht um mein Stimmenprofil und darum, dass ich von der anderen Seite identifiziert werden kann. Ich gehe.“

„Ich begleite dich“, stellte nun V3-RA klar. „Notfalls kann ich direkt mit dem System kommunizieren. Zudem muss dich ja jemand beschützen.“

Ich zwinkere ihr zu. „Wir brauchen eine Karte der Stadt, damit wir den Weg finden.“

„Ich gebe euch mehr als das“, stellt Otok klar und winkt einen der Rebellen heran. „Ihr bekommt vier Männer als Geleitschutz.“

Ich gebe ihnen die Frequenz meines kleinen Kommunikators, den ich im Ohr stecken habe, und bekomme eine Karte der Stadt auf meinen Handcomputer. Sophitia sieht mich noch immer wütend an, gesellt sich aber schweigend zu uns, als Vera und ich in Begleitung von vier Rebellen den Kontrollraum verlassen und hinauf in die Stadt gehen.

Vera eilt mit mir durch ein endloses Gewirr von Korridoren und Gängen erreichen wir die Vorhalle in der noch die rauchenden Trümmer des Spinnenroboters liegen. Von dort aus geht es durch einen weiteren Zugangstunnel in die unterirdische Stadt. Schließlich gelangen wir in die Zentrale gewaltige Höhle der Stadt. Die weiten Straßenzüge mit den unterschiedlich hohen Gebäude ragen vor uns auf. Hier und dort wächst ein Gebäude geradezu von der Decke herab und ähnlich wie bei einem Stalaktiten treffen sie sich irgendwann mit den höchsten Gebäude, die von unten hinaufwachsen.

Es ist noch Kampflärm zu hören. Sirenen erschallen und es gibt Durchsagen in einer Sprache, die ich nicht gut verstehe. Es ist ein örtlicher Dialekt, aber die Botschaft ist klar: Zuhause bleiben und sich einschließen.

„Kartek“, sagt nun Sophitia, die zu mir aufschließt. Wir sind in einen leichten Trab verfallen, zwei der Rebellen vor uns, zwei hinter uns. V3-Ra läuft links neben mir, Sophitia nun rechts.

„Ich bin dir dankbar“, sagt die blonde Frau zu mir.

„Wofür?“, frage ich Sophitia.

„Egal wie das ausgeht, du tust das Richtige.“

Ich sage darauf nichts. Sie hat von Anfang an gewollt, dass wir uns einmischen, nehme ich an. Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie wusste, dass ich für Axarabor arbeite. Ich traue ihr das zu und auch bin ich nicht restlos von ihrem Entsetzen gerade im Kommandoraum überzeugt. Vielleicht hat sie mir den Auftrag auch deswegen geben wollen, gerade damit Axarabor von dieser Welt erfährt. Aber ich habe jetzt andere Sorgen. Meine Pistole ruht in meiner Hand und ihr vertrautes Gewicht ist eine seelische Stütze. Es mag albern klingen, aber es beruhigt mich. Ich bin zu lange bei der Infanterie gewesen, glaube ich.

Wir müssen uns nun dem Westviertel der Stadt nähern. Die Gebäude hier sind eindeutig Industriebauten. Große weite Hallen wechseln sich ab mit weiten Flächen, auf denen tausende Dinge gestapelt sind. Es gibt Stapel von Kanistern genauso wie von gewaltigen quadratischen Containern.

Wir werden langsamer. Der Anführer unserer Gruppe, ein Rebell namens Tulva, hält auf einmal die Hand hoch und die Gruppe stoppt.

Es sind Schüsse zu hören, nicht weit vor uns, keine zwei Straßen weiter, denke ich.

„Dort“, sagt er und zeigt auf einen großen Gebäudekomplex, der sich hinauf in die Decke des Gewölbes schraubt. „Dort oben ist der Kontrollraum für die planetare Kommunikation. Über dem Turm auf dem Felsplateau über unser aller Köpfen ist eine interstellare Sendeanlage.“

In diesem Moment beginnen sie auf uns zu feuern. Energiestrahlen und Projektile fliegen um uns herum. Wenige Zentimeter neben mir explodiert etwas und Dreck spritzt hoch in mein Gesicht. Ich springe zur Seite und reiße Vera mit mir, um sie aus der Schussbahn zu kriegen.

Tulva ruft etwas, doch in diesem Augenblick gehen mehrere Granatengeschosse auf uns nieder und die Detonationen verschlucken jedes Geräusch. Mein Trommelfell gibt nur noch ein infernalisches Piepen von sich und ich sehe verwirrt zu Vera. Ihr Mund bewegt sich, doch ich höre nichts. Dann greift sie meine Hand und ich folge ihr weg vom Kampfgeschehen in eine Seitengasse. Ich vertraue ihr und gerade bin ich vollkommen hilflos, wie mir schmerzlich bewusst ist.

In der Gasse können wir wieder stehen. Ich entsichere meine Pistole und behalte alles vor mir im Auge. Währenddessen feuert Vera aus unserer Deckung immer wieder auf die Angreifer. Sie ist verdammt gut. Ihre Androidenreflexe vermögen es, mehrere Ziele gleichzeitig anzuvisieren.

Mein Gehör kehrt langsam zurück, auch wenn mir das bei all dem Waffenfeuer nicht sonderlich viel nützt. In diesem Augenblick kommt ein schwer bewaffneter Syndikatsmann um die Ecke in die Gasse und ist in einem Satz bei mir. Er hebt sein Gewehr, das viel zu lang und groß ist, um es hier anständig gebrauchen zu können. Ich reiße die Pistole hoch, verziehe den Schuss und setze einen Faustschlag mit der Linken nach. Er taumelt, ich packe mir seinen Gewehrgriff und reiße daran. Er krallt sich an sein Gewehr, will es bei dem Gerangel nicht verlieren.

In diesem Augenblick kommt mir Vera zu Hilfe. Ich spüre den Lauf ihrer Waffe an meiner Wange, als sie aus der Bewegung heraus feuert. Der Schuss geht fehl, zieht nur eine Handbreit neben dem Kopf des Syndikatssöldners vorbei. Seine dicke Panzerung und der Helm behindern zwar seine Bewegungen, doch er ist immer noch erstaunlich schnell. Er lässt einfach das Gewehr los, was mich zurücktaumeln lässt. Ich stoße dabei gegen Vera, die uns nicht fangen kann, und wir krachen beide zu Boden. In diesem Augenblick springt der Söldner mit einem kurzen Messer in der rechten Hand auf mich zu. Ich rutsche zur Seite, gerade weit genug, damit die Klinge meinen Hals verfehlt. Dafür erwischt er Veras Wade, die nicht schnell genug reagieren kann. Sie tritt den Söldner mit ihrem freien linken Fuß über meinen Kopf hinweg und lässt ihn wegkriechen. Wir kommen wieder auf die Beine. Sie betrachtet ihre Verletzung nicht, sondern nutzt nun den Abstand zwischen uns und dem Söldner. Drei Schüsse in seine Brust lassen seine Rüstung aufplatzen und töten ihn.

„Wie geht es dir?“, frage ich und sehe mir das Bein von Vera an. Die Klinge hat einige Leitungen verletzt, doch äußerlich scheint der Schaden nicht schlimm zu sein.

„Ich denke, es geht“, sagt sie ausweichend. Ich bemerke, dass ihr Fuß sich nicht korrekt bewegt. Er reagiert zu langsam. Ihr Bewegungsablauf ist dadurch weniger gleichmäßig. Dennoch ist es keine wirklich gefährliche Verletzung, vor allem weil es sich bei ihr ja nicht um eine Wunde handelt, die sich entzünden kann.

„Wir müssen weiter“, sagt Vera.

Ich erkenne Tulva nicht mehr in dem Durcheinander. Ein Teil der Gruppe scheint sich von uns weg zu bewegen und lenkt das Feuer auf sich. „Lass uns gehen. Vielleicht kommen wir hinter die feindliche Linie oder wir kommen allein weiter“, stimme ich ihr zu. Mit unseren Waffen im Anschlag schleichen wir durch die Seitenstraße und landen auf einer weiten Fläche, auf der Frachtbehälter gestapelt sind, hunderte von Schritten weit. Es ist alles zu hoch gestapelt, um es noch zu überblicken. Das meiste sind genormte, mehr als drei Schritte hohe kistenförmige Behälter, die ihrer Aufschrift nach Hezokal-Erz beinhalten. Wir schleichen weiter zwischen den Kisten hindurch und kommen endlich am Turm an. Die Schüsse haben aufgehört. Ich kann nur das Beste hoffen für den Rebellen Tuval und seine Männer. Bei Sophitia mache ich mir keine großen Sorgen. Diese Frau würde alles überleben, denke ich.

Der Turm ragt vor uns auf und vereint sich weit über unseren Köpfen mit einem weiteren Bau.

„Denkst du, es gibt einen Aufzug oder nur Leitern?“, frage ich Vera gekonnt locker und sie lacht gekünstelt über meine Bemerkung.

„Das kannst du besser“, bemerkt sie zu meinem Witz und öffnet eine schwere metallene Tür, die in den Turm führt. Ich aktiviere die kleine Lampe an meinem Handgelenk und leuchte in den Korridor vor uns.

„Ja, aber auf mich wurde geschossen, das beschäftigt mich dann immer eine Weile“, versuche ich die nicht ganz so lustige Bemerkung zu entschuldigen. Sie zwinkert mir dafür zu. Wir schleichen herein. Das Gebäude wirkt militärisch, was nicht verwundert. Das Syndikat wird hier einige Söldner beschäftigen. Nicht alle davon werden aus ihren eigenen Reihen sein.

In den Gängen begegnet uns niemand. Wie ausgestorben liegen die Korridore vor uns. Wer auch immer hier Dienst getan hat, muss draußen in den Straßen sein und kämpfen. Vielleicht aber, so geht es mir durch den Kopf, sind sie auch alle geflohen. Wieso auch nicht? Es sind Söldner und die dienen in erster Linie ihrem eigenen Geldbeutel.

Wir schleichen weiter, immer darauf bedacht, ob doch jemand auftaucht. Schlussendlich finden wir in einem der Seitengänge einen Aufzug. Es gibt einen indirekten Hinweis auf unser Ziel, nämlich die Technikabteilung. Also fahren wir dort hinauf.

Auch dort erwarten uns leere Korridore. Als ich an einer Abzweigung vorbeikomme, höre ich auf einmal ein Geräusch und bemerke aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Doch es ist zu spät. Jemand richtet eine Waffe auf meinen Kopf.

„Keine Bewegung“, sagt jemand, den ich nur schwach aus dem Augenwinkel erkennen kann. Ich denke, der Satz gilt mir genauso wie Vera, die einen Schritt links hinter mir steht. „Hände langsam heben. Waffen fallen lassen.“

Die Stimme des Mannes zittert leicht, als er das sagt. Ich glaube nicht, dass er ein Mann der Gewalt ist. Man kann hören, ob jemand schon mal eine Waffe gehalten hat.

„Nein“, sage ich und drehe langsam den Kopf. Ich sehe in den Lauf einer Waffe. Der Mann, der sie hält, zittert leicht. Seine Stirn ist verschwitzt. Er trägt einen Werkzeuggürtel über seinem Gewand und ich erkenne einen Spannungsmesser daran.

„Sie sind nicht vom Syndikat, richtig?“, frage ich. „Sie sind von der Technikmannschaft. Das alles hier ist für Sie eine Arbeit, ohne Überzeugung für die Weiße Königin.“

Er nickt und noch immer richtet er seine zitternde Waffe auf mich.

„Ich soll hier auf alles aufpassen“, murmelt er.

„Wie ist Ihr Name?“

„Was?“

„Ihr Name, wie nennen die anderen Sie. Wie wollen Sie genannt werden?“, frage ich. Ich drehe mich langsam und ruhig weiter, sodass ich ihm nun meine Vorderseite zuwende.

„Ilkom“, sagt er. „Hören Sie, gehen Sie. Ich muss hier Wache halten, während die Unruhen andauern, aber ich würde Sie ungern erschießen“, versucht er mir zu erklären.

Ich nicke.

„Das verstehe ich, Ilkom“, sage ich und gehe langsam einen Schritt auf ihn zu.

„Bleiben Sie da“, sagt er. Ich nicke erneut beruhigend und mache einen Satz nach vorne, greife mir seine Waffe und drücke sie hoch. Ein einzelner Energieschuss löst sich und schlägt in die Decke, wo er eine geschwärzte Stelle hinterlässt. Vera ist sofort heran und hilft mir, Ilkom niederzuringen.

Als wir ihn entwaffnet haben, richtet Vera ihre Waffe auf ihn.

„Gut“, sage ich und werfe ihr einen Blick zu. „Wir wollen Ihnen nichts tun, Ilkom. Also lösen wir das einfach: Sie zeigen uns, wo wir eine Möglichkeit haben, direkt auf das Kommunikationssystem zuzugreifen. Wir wollen eine Botschaft senden.“

„Propaganda, die man in der ganzen Stadt hört? Oder planetenweit?“, fragt er und wirkt etwas entspannter, als es auf einmal um eine technische Frage geht. Manche Menschen sind, glaube ich, glücklich, wenn sie nur noch ihr Gebiet betrachten müssen.

„Nein, interstellare Kommunikation.“

„Gut, folgen Sie mir.“

Während wir losgehen, füge ich noch hinzu: „Denken Sie daran, wir wollen Ihnen nichts tun. Aber wir müssen einen Zugriff auf die Kommunikationsanlage finden. Klar?“

Er nickt nervös und eilt mit uns durch das Gewirr an Gängen und Korridoren.

Wir gelangen in einen großen Kontrollraum, der ausgestorben vor uns liegt. Es ist ein rechteckiger Raum mit einem Dutzend Arbeitsplätzen. Bildschirme zeigen unterschiedlichste Informationen an, ein gutes Drittel der Systeme im Raum ist allerding abgeschaltet. Er geht zu einer der Konsolen und aktiviert einen Bildschirm. Was darauf zu sehen ist, erkenne ich. Man kann hier gewissermaßen die Frequenz bei der interstellaren Kommunikation einstellen. Ich nicke Vera zu und löse den Mann ab. Er stellt sich einige Schritte entfernt hin und versucht tunlichst nicht auf den Bildschirm zu sehen. Er ist klüger, als er aussieht. Er weiß, dass es Informationen gibt, für die man eher umgebracht wird, als dass jemand ein Risiko eingeht. Andererseits wundert es mich nicht sonderlich. Immerhin arbeitet er für das Syndikat, da wird er so etwas gelernt haben.

Ich schaffe es, die korrekte Frequenz einzustellen, und sende eine Reihe von Zahlen als Authentifikationscode. „Hier ist Kartek Tezal von Gunis. Ich will Leutnant Ezarad sprechen. Es handelt sich um eine nur teilweise sichere Verbindung. Bestätigen.“

Es vergeht eine Weile, bevor endlich eine Stimme antwortet – eine Stimme, die ich inzwischen gut kenne, auch wenn ich kein Gesicht dazu sehe oder je gesehen habe.

„Hier Leutnant Ezarad.“

„Geh mit ihm raus“, raune ich Vera zu.

Sie verlässt mit Ilkom den Raum, bevor ich antworte: „Hier Kartek Tezal. Ich befinde mich aktuell auf Gunis.“

„Wieso nehmen Sie Kontakt auf? Ist die Mission bereits abgeschlossen.“

„Die Mission lief nicht wie geplant“, erwidere ich und beginne ruhig zusammenzufassen, was geschehen ist. Als ich meine Zusammenfassung beende, schweigt der Leutnant eine ganze Weile – so lange, dass ich mir schon Sorgen mache, dass die Verbindung nicht existiert. Doch eine kleine Anzeige vor mir sagt, dass sie noch existiert.

Schlussendlich höre ich Leutnant Ezarad seufzen. Es klingt, als würde er ein ganz schönes Gewicht auf den Schultern haben.

„Nun gut. Es gefällt mir nicht, was Sie da gemacht haben. Aber ich werde dem Rat des gewählten Hochadmirals das Gesuch von Gunis unterbreiten. Dann erhalten Sie Ihre Antwort.“

„Wie lange wird das dauern? Ich will ja nicht der Spielverderber sein, aber ...“ Im Hintergrund höre ich Schüsse. Ich werfe einen Blick über die Schulter. Vera steht im Eingangsbereich des Raumes, Ilkom irgendwo außerhalb meines Sichtfelds im Korridor. Die Schüsse kommen aus einiger Entfernung, sind aber kräftig und laut. Es müssen schwere Waffen sein, die dort eingesetzt werden. „Wir sind hier mitten in einem Bürgerkrieg.“

„Warten Sie“, kommt als Antwort und wieder vergeht einige Zeit, bis endlich die Worte des Leutnants zu hören sind. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es nur ein Leutnant ist. Der Dienstgrad ist zu niedrig um soviel zu sagen zu haben. Na ja, oder aber er spricht direkt immer mit jemand sehr wichtigem. Manchmal ist es vielleicht besser, wenn eine wichtige Entscheidungsfigur im Sternenreich von Axarabor jemand anderen für sich sprechen lässt. Dann ist man es am Ende nicht gewesen und kann alles abstreiten.

„Ich habe Rücksprache gehalten“, sagte nun Leutnant Ezarad. „Wir entsenden die Fregatte YOSHARIA. Sie ist das nächste verfügbare Schiff der Flotte und kann bereits in einem halben Tag bei Ihnen sein. Allerdings muss das Ganze trotzdem noch durch den Rat des gewählten Hochadmirals. Also würde ich vorschlagen, dass die YOSHARIA einen Patrouillenflug macht, der sie sehr nahe zu Ihnen bringt. Sie verstehen?“

„Vollkommen“, erwidere ich und muss tatsächlich lächeln. Wenn die YOSHARIA zufällig nur wenige Lichtminuten an Gunis vorbeikommt, würde das natürlich im Falle einer positiven Entscheidung des Rates das Ganze ... beschleunigen.

„Ich danke Ihnen“, sage ich und die Verbindung wird ohne weiteren Kommentar beendet.

Dann kontrolliere ich meine Waffe und trete hinaus zu Ilkom und Vera.

„Erledigt“, sage ich. „Konntest du alles hören?“

Ich weiß, dass ihr Gehör bedeutend besser ist als meines, somit vermute ich, dass Vera gelauscht hat.

Sie nickt.

„Lass uns Sophitia suche gehen“, sagt sie. „Hier ist es nicht sicher.“

Ich seufze.

„Bist du sicher?“, frage ich halb ernst, halb im Spaß. Natürlich werden wir sie nicht im Stich lassen. Ich glaube, wir würden uns damit beide unwohl fühlen.

Wir eilen den Turm hinunter, auch wenn mir diese Bezeichnung bei einem Gebäude, das in einer Höhle steht, nicht recht behagt. Ilkom nehmen wir mit, wir sagen ihm aber nichts. Der Arme leidet ziemliche Ängste, das kann man sehen. Ich weiß, was ich mit ihm tun werde. Als wir unten endlich wieder auf die Straße gelangen, hören wir Kampflärm. Einige Straßen weiter wird gekämpft. Da wir nicht wissen, wo die anderen Rebellen und Sophitia sind, ist es besser als jede andere Richtung. Immerhin wird geschossen, also wird dort irgendwer von unserer Seite sein.

Wir eilen durch die Straßen des Industriebezirks und gelangen auf eine Straße, die abrupt endet und den Platz freimacht für eine große Lagerhalle, über und neben der schwere Gerüste hängen. Die Maschinen lassen mich an eine kleine Werft denken. Irgendetwas, um Fahrzeuge herzustellen, ist es sicherlich.

Eine Reihe Syndikatssöldner errichtet gerade mit Frachtkisten eine Barrikade. Vereinzelt schießen Leute aus der Lagerhalle hinaus, doch es sind nur wenige Schüsse.

„Ich nehme mal an, wir haben unsere Rebellen gefunden“, stelle ich fest. „Oder irgendwelche Rebellen.“

„Sieht so aus. Aber das dort unten sind mehr als zwanzig Söldner“, sagt V3-RA. „Das ist etwas viel für uns zwei, selbst wenn wir den Überraschungsmoment haben.“

Ich muss ihr recht geben, aber das darf doch nicht einfach sein! Wir können die dort drinnen nicht einfach sterben lassen. Blitzschnell mustere ich die Umgebung, um irgendeine Form von taktischem Vorteil herauszuschlagen.

Dann erkenne ich einen Kran, der auf sechs schweren Beinen ruht. Ich nehme an, dass diese Beine beweglich sind und er dem Verladen dieser Container dient. Ich grinse und V3-RA folgt meinem Blick. Sie sieht mich besorgt an und schüttelt den Kopf, während sie sagt: „Wenn es denn sein muss!“

„Lenk sie ab“, sage ich. „Aber gib mir Vorsprung!“

„Sie hält mich kurz an der Schulter und haucht mir einen Kuss auf die Wange. „Sei vorsichtig.“

„Du kennst mich.“

„Eben.“

Mit diesen Worten laufe ich los und beeile mich, die drei Querstraßen schnell hinter mich zu bringen, bis ich endlich an dem Kran bin. Ilkom lasse ich bei Vera zurück.

Er ist am Rand der Freifläche abgestellt, vermutlich damit er für weitere Fahrzeuge nicht im Weg steht. Als ich näher dran bin, erkenne ich, dass hier eine Ladesäule aus dem Boden ragt, die in eines der Beine eingeklinkt ist. Also bekommt er gerade neue Energie! Auf einer Welt wie Gunis ist es sicherlich auch einfach, alles mit Strom zu versorgen. Sonnenenergie ist schließlich ausreichend vorhanden.

Ich beeile mich hinzukommen und entdecke eine kleine Leiter, die hinauf zu dem kugeligen Torso des Krans führt.

Ich klettere so schnell es geht hinauf. Über den Lärm, den ich verursache, muss ich mir keine großen Sorgen machen, immerhin schießen die Rebellen in der Lagerhalle noch immer auf die Söldner und diese geizen nicht mit Gegenfeuer. Bisher hat keine Seite einen Vorteil. Die Rebellen sind gut verschanzt, wie mir von meiner erhöhten Aussicht hier klar wird. Man kommt nur durch ein großes Tor in die Halle hinein und das ist geschlossen und ziemlich massiv, vermutlich gegen Diebstahl gesichert. Die wenigen Fenster sind schmal und beinahe wie Schießscharten angelegt. Dafür haben die Söldner das Problem, dass sie in der Stadt am Verlieren sind. Normalerweise würden sie hier problemlos gewinnen, indem sie einfach auf Verstärkung warten und so lange verhindern, dass die verbarrikadierten Rebellen entkommen. Doch es wird keine Verstärkung in absehbarer Zeit geben. Irgendetwas werden sie tun müssen, um das Ganze zu einer Entscheidung zu bringen und die Rebellen herauszuzwingen.

Ich erreiche den kleinen Kontrollraum des Krans. Er ist nur wenige Schritte groß und so angelegt, dass ein Pilot die Beine und das Laufen des Krans kontrolliert, während der andere den Arm und die Hebemechanik bedient.

Leider bin ich natürlich nur allein, doch das wird reichen.

Ich setze mich an die Steuerkontrollen und betrachte die Symbole auf dem Bildschirm. Es ist nicht völlig unlesbar, auch wenn es Begriffe und Zeichen gibt, die mir nichts sagen. Ich löse die Kontrollen und Ladekabel und starte den Hauptantrieb. Surrend erwecke ich die Hauptmaschine, und die spinnenartige Konstruktion erwacht zum Leben, erhebt sich mit bestialischem Quietschen. Auf den Außenkameras, deren Bilder mir auf einen Bildschirm linker Hand projiziert werden, sehe ich, dass V3-RA mit ihrem Ablenkungsmanöver begonnen hat. Sie wirft ihre verbliebene Granate auf die Söldner, die völlig überrascht sind von einem neuen Feind in ihrem Rücken. Ich manövriere den Kran in großen Schritten genau auf ihre Gruppe zu. Jetzt ist ihnen V3-RA erstmal egal. Sie feuern auf den Kran und Dutzende rote Lampen beginnen an den Kontrollen zu blinken. Eines der Beine wird von einem Granatwerfer getroffen und fällt aus, was mich natürlich nicht stört. Zum Glück erkennen die Leute in der Lagerhalle ihre Gelegenheit und nutzen das allgemeine Chaos zum Ausbruchsversuch.

Sie stürmen heraus und nehmen die Söldner unter Feuer. Währenddessen versuche ich gezielt mit einem Bein des Krans eines der Fahrzeuge der Söldner zu erwischen. Irgendeine Sperre verhindert, dass ich die Beine einzeln bewege, doch mir gelingt es, diese abzuschalten und ich ramme das Bein des Krans in das Fahrzeug. Es explodiert und Trümmerteile fliegen umher, während plötzlich eine weitere Granate an der Flanke des Krantorsos explodiert. Der Kran bekommt bedrohliche Schieflage und ich begreife plötzlich, wofür diese Sperre war. Sie verhindert, dass der Kran mit seinem erheblichen Gewicht unaustariert sein kann, indem die Beine immer nur zu mehreren bewegt werden können. Leider ist er jetzt in Schieflage und strauchelt. Ich schnalle mich sofort an und halte mich fest, während der Kran aus dem Gleichgewicht gerät und langsam zu Boden kracht. Er reißt dabei die halbe Halle mit ein und eine Staubwolke wird aufgewirbelt, die jedwede Sicht unterbindet. Ich werde in die Gurte gerissen und Alarmsirenen ertönen. Dann endlich kommt der Kran zum Halten. Auf dem Bildschirm ist nichts mehr zu erkennen, so viele Fehlermeldungen überlagern sich gegenseitig. Ich deaktiviere den Antrieb des Krans und es wird dunkel um mich herum. Dann beleuchte ich mit meiner Handgelenklampe den Weg zum Ausgang und öffne die Schleuse des Kommandoraums mit einem hydraulischen Hebel. Erst jetzt erkenne ich einen Fehler in meinen Überlegungen: Die Tür lässt sich nicht öffnen – nicht weil die Hydraulik das Schloss nicht geöffnet hat, sondern weil irgendein Trümmerstück die Tür blockiert!

Ich fluche und schlage gegen die Tür, doch nichts bewegt sich. Mehrmals atme ich tief ein und überlege, was meine Optionen sind. Dieser Krankontrollraum ist sicherlich nicht komplett hermetisch abgeriegelt, aber der Sauerstoff kann durchaus knapp werden, wenn er auf eine mechanische Ventilation fußt. Ich krame meinen Handcomputer heraus und überprüfe den Sauerstoffgehalt. Die Messeinrichtung darin ist nicht besonders präzise, aber gut genug mir mitzuteilen, dass der Sauerstoffgehalt existent und niedrig ist und, nachdem ich das Ding eine Weile laufen lassen habe auch, um mir zu sagen, dass er abnimmt.

Dann höre ich ein metallisches Kreischen von über mir und blicke besorgt hinauf zur jetzt schiefstehenden Decke des Kontrollraums. Wie viel Schutt liegt wohl darauf? Wie viel Gewicht verträgt dieses Ding?

Erneut höre ich ein Kreischen von Metall und dann atme ich erleichtert auf. Die Schleuse öffnet sich und V3-RA steht dort. Sie lächelt und nimmt mich in den Arm.

„Bei Setna, es geht dir gut“, sagt sie und ihre Umarmung raubt mir fast den Atem. „Wir haben die Söldner draußen vertrieben. Sophitia ist nicht bei ihnen, aber wir haben inzwischen Funkverkehr in der Stadt, weil die Rebellen eine Reihe eigene Sendestationen aufgebaut haben. Daher weiß ich, dass sie es zurückgeschafft hat. Zudem hat uns Salsbur gemeldet, dass ein Schiff der Raumflotte von Axarabor im Orbit ist.“

„Wieso das? So schnell?“ Ich sehe im Hintergrund Ilkom einem verwundeten der Rebellen helfen. Ich glaube, ich werde verschweigen wo wir ihn gefunden haben.

„Sie haben wohl einen Hilferuf gehört und auf Initiative des Kapitäns sind sie nun hier.“

„Damit umgehen sie den Rat des gewählten Hochadmirals. Die Welt ist befriedet, bis die sich entschieden haben ... Das klingt nach einer Dehnung von Befugnissen“, sage ich und lache ehrlich erleichtert. Mir soll es egal sein. Für die Leute hier ist es jedenfalls nicht schlechter als die Herrschaft des Syndikats.

SF-Abenteuer Paket Februar 2019: Fremde Erden

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