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3. Kapitel

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»Wird sie’s überleben?«

Verwirrt blickte Margot Thorrsen auf, als Brendans tiefe Stimme die Stille in der Kabine durchbrach. Sie hatte geglaubt, sie wäre mit dem schlafenden Mädchen allein. Eigentlich hätte sie sich inzwischen an das beharrliche Schweigen der Männer gewöhnen müssen, die sich ständig vor Feinden hüteten.

Der Wind war abgeflaut und es regnete nicht mehr. Sobald Brendan und Eric die Schiffe unter Kontrolle gebracht hatten, war Margot beauftragt worden, die englische Gefangene zu betreuen. Das Mädchen war bis auf die Knochen durchnässt gewesen, von lebensgefährlichem Fieber bedroht. Gegen Brendans Willen hatte Margot die Zofe der Engländerin holen lassen. Mit Bridies Hilfe hatte sie Eleanor von der nassen Kleidung befreit, den erhitzten Körper gekühlt und ihr eine Brühe aus Heilkräutern eingeflößt.

Der Tag nach der Sturmnacht war verstrichen. Jetzt, gegen Abend, hatte Eleanor noch immer nicht die Augen geöffnet. Aber in Margots Obhut schlief sie ruhig und friedlich. Verletzte und Kranke wurden stets von Frauen gepflegt, und Brendans Anwesenheit überraschte Margot, obwohl er diese Kabine bis zur Festnahme der Engländerin bewohnt hatte.

Margot kannte Brendan, seit sie mit Eric zusammenlebte. Wenn er an Kinderkrankheiten gelitten hatte, war er ihr oft anvertraut worden. Auch in Kriegszeiten blieben schottische Familien stets vereint. Erics Vater, ein Vetter Brendans, hatte Ilsa geheiratet, die Tochter eines Jarls von einer fernen nordischen Insel, die der norwegische König beherrschte. Deshalb war Eric von Norwegen stärker geprägt, als es sein Familienname Graham vermuten ließ. Und wegen der Kämpfe gegen die Engländer fühlten sich die Schotten ihren nordischen Brüdern enger verbunden als während der ersten Wikingerangriffe. Natürlich galt das auch für Brendan.

Sie hatte wirklich nicht erwartet, ihn in einer dunklen Ecke der Kabine zu entdecken. Ungeduldig beugte er sich vor. »Nun, Margot? Wird sie am Leben bleiben?«

»Ja, ich glaube schon«, erwiderte sie und wischte das Gesicht der Engländerin mit einem feuchten Tuch ab. Dann wandte sie sich zu Brendan. Dunkle Locken fielen ihm in die Stirn, die kraftvollen Hände lagen gefaltet im Schoß und die blauen Augen verrieten seine innere Anspannung.

Ein junger Mann, knapp zwanzig Jahre alt, kannte er den Krieg, seit er zu denken vermochte – Betrug und Verlust, Sieg und Niederlage. Er gehorchte William Wallace. Aber er hatte gelernt, selbst das Kommando zu führen, im Kampf oder auf der Flucht. Längst hatten die schottischen Patrioten die bittere Wahrheit erkannt, dass sie die Freiheit nicht durch einen einzigen Großangriff auf die Engländer erringen konnten, sondern nur in vielen kleineren Schlachten. Allein schon das Überleben war ein Triumph – jeder Tag, an dem sie weiterkämpften, selbst wenn alles verloren schien.

»Ist sie sehr viel wert?«, fragte Margot.

»Was?« Die Stirn gerunzelt, starrte er sie an.

»Ist sie sehr viel wert?«

Bevor er antwortete, dachte er zu ihrer Verwunderung eine Weile nach. »Aye, da bin ich mir sicher.«

Sie begann auf Gälisch zu sprechen, wie üblich, wenn sie unter sich waren, obwohl alle seine Männer auch das normannische Französisch der englischen Aristokratie beherrschten.

Hastig legte er einen Finger auf seine Lippen und flüsterte: »Norwegisch!«

Margot wechselte zu ihrer Muttersprache über. »Wenn wir den französischen König um Hilfe in unserem Kampf gegen die Engländer bitten wollen – wie kannst du Lösegeld für eine Engländerin verlangen?«

»Laut ihrer Zofe Bridie will sie ihren französischen Verlobten aufsuchen, den Comte Alain de Lacville.«

»Haben wir sie vor den Piraten gerettet? Oder ist sie eine Gefangene?«

»Das habe ich noch nicht entschieden«, erwiderte er nach einer kurzen Pause. »Ständig ändert sich die Situation. König Philipp verabscheut Edward. Aber manchmal fürchtet er ihn. Falls ihm ein Bündnis mit den Engländern zugutekommt, wird er sich dazu entschließen.«

»Wäre er denn dann bereit, unsere Wünsche zu erfüllen?«

»Aye. Vorerst ist nicht mit einem Bündnis zu rechnen. Und wenn doch, wird Philipp von Frankreich unseren William Wallace trotzdem willkommen heißen, den bewundernswerten Helden, der sich gegen Edwards Tyrannei erhebt und niemals kapituliert. Furchtlos segeln wir dahin, obwohl der englische König jedem Mann, der schottische Anführer auf hoher See überwältigt, ein Vermögen versprochen hat. Und wenn wir Frankreich erreichen, wird Philipp uns wohl kaum gefangen nehmen.« Abrupt stand er auf. »Wie auch immer – Lady Eleanor of Clarin muss am Leben bleiben, Margot. Zweifellos stellt sie einen hohen Wert dar.«

»Aye, Brendan.« Verwirrt schaute sie ihm nach, als er die Kabine verließ. Dann wandte sie sich wieder der Engländerin zu und betupfte das erhitzte Gesicht mit dem feuchten Tuch.

Die Lider der jungen Frau begannen zu flattern.

»Ah, endlich kommt Ihr zu Bewusstsein.«

Eleanor öffnete die Augen und starrte Margot verstört an.

»Schon gut, meine Liebe, bald werdet Ihr Euch erholen.« Das Mädchen antwortete nicht, und Margot merkte, dass sie immer noch Norwegisch gesprochen hatte. »Wie fühlt Ihr Euch?«, fragte sie auf Französisch.

»Ich bin durstig.«

Lächelnd goss Margot Wasser aus einem kunstvoll geschnitzten norwegischen Horn in einen Becher, den Eleanor dankbar ergriff. Mühsam richtete sie sich auf. Zunächst trank sie etwas zu schnell, dann langsamer, von Margot ermahnt.

»Danke.« Eleanor gab ihr den Becher zurück und sank kraftlos ins Kissen. »Wo ist meine Zofe? Geht es ihr gut?«

»Ja, Lady, sie wurde auf de Longuevilles Schiff, die Red Rover, gebracht.«

»Ganz allein – an Bord eines Piratenschiffs!«, rief Lady Eleanor entsetzt. »O Gott, und ich bin auf einem schottischen Schiff!«

»Nur teilweise. Eigentlich ist es ein norwegisches Schiff.«

»Natürlich. Aber – Bridie …«

»Keine Bange, sie ist nicht in Gefahr.«

»Wie könnt Ihr so sicher sein?«

Margot wollte die Engländerin beruhigen. Doch sie wusste nicht, was sie ihr versprechen sollte.

»Macht Euch keine Sorgen. Ihr wurdet nur von Eurer Zofe getrennt, weil man Euch misstraut.«

»Warum sollte man mir auch trauen?«

Unwillkürlich lachte Margot. Von dieser jungen Frau hatte sie schon viel gehört. Lady Eleanor hatte legendären Ruhm erworben, zahlreiche Soldaten um sich geschart, die an »Santa Lenoras« göttliche Sendung glaubten, und den Engländern bei Falkirk zum Sieg verholfen. Jetzt sah sie nicht wie eine Kriegerin aus, eher wie eine zerbrechliche Nixe mit zerzaustem rotgoldenem Haar, das ein fein gezeichnetes Gesicht umrahmte. Ihre großen graublauen Augen erinnerten an einen Gewittersturm über dem Meer. Trotz ihrer herausfordernden Frage wirkte sie verletzlich.

»Nun werde ich Euch allein lassen …«, begann Margot und Eleanor umklammerte angstvoll ihre Hand.

»Bitte, wartet!«

»Ich kann Euch nichts versprechen.«

»Wer seid Ihr? Die Frau des Norwegers?«

»Nein, wir sind nicht verheiratet. Eric ist der Enkel eines Jarls.«

»Aber …«

»Wir leben zusammen.«

»Oh – ich verstehe …« Verlegen senkte Eleanor den Blick. »Gibt es auch eine Gemahlin?«

»Bis jetzt hat er sich geweigert zu heiraten.«

»Sicher liebt er Euch.«

Daran zweifelte Margot nicht. Leichte Röte stieg ihr in die Wangen, und sie staunte, weil die Lady so freimütig mit ihr sprach – und kein bisschen hochmütig. Offenbar versuchte sich die Engländerin mit ihr anzufreunden.

»Selbst wenn er heiraten sollte«, fuhr Eleanor fort, »eine Ehe ist nur ein Vertrag, und er würde Euch auch weiterhin lieben. Vielleicht muss er aus irgendwelchen Gründen eine hässliche alte Hexe zur Frau nehmen.«

»Und warum werdet Ihr den Comte de Lacville heiraten?«

Eleanor holte tief Atem und schwieg.

»Kennt Ihr ihn?«, fragte Margot. »Ist er – grausam?«

»Alain war ein lieber alter Freund meines Vaters. Und er ist nicht grausam, sondern sanftmütig und gut.«

»Dann werdet Ihr glücklich sein?«

»Glücklich?«, wiederholte Eleanor gedankenverloren. »Wenigstens …«

»Was, Lady?«

»Wenigstens nicht unglücklich – oder einsam.«

Margot stand auf. Plötzlich gewann sie den Eindruck, sie – die Bürgerliche – wäre viel glücklicher als die Aristokratin.

»Bleibt bei mir!«, bat Eleanor.

»Tut mir Leid, jetzt muss ich gehen.«

»Sagt mir doch – ist Wallace an Bord dieses Schiffs? Fahren wir nach Frankreich? Was … wird mit mir geschehen?«

»Das werden die Männer entscheiden, Lady Eleanor. Aber – Ihr dürft sie nicht für brutale Ungeheuer halten.«

Eleanor warf einen kurzen Blick zur Kabinentür. »Wozu sie fähig sind, habe ich gesehen.«

»Dann habt Ihr nicht viel gesehen. Es sei denn, Ihr konntet beobachten, wie sich Edward von England verhielt …« Darauf gab die Gefangene keine Antwort und Margot fügte hinzu: »Später bringe ich Euch etwas zu essen. Bitte, habt keine Angst.«

»Da ich Santa Lenora bin, die Tapferkeit in Person, fürchte ich mich nicht.«

Margot wusste, dass die Lady log und sich selbst verspottete. Aber sie ließ es dabei bewenden.

»Bald komme ich wieder zu Euch«, versprach sie und eilte aus der Kabine.

Kurz nach dem Gewitter legte Williams Schiff längsseits der Wasp an. Wallace kam an Bord. Während die Männer im Bug saßen, tranken sie Ale aus norwegischen Hörnern.

Als junger Bursche war Brendan bei seinem Vetter Arryn in die Lehre gegangen. Durch ihn hatte er Wallace kennen gelernt. Niemals war er einem bewundernswerteren, klügeren Mann begegnet, einem größeren Krieger. Von seinen Feinden wurde Wallace oft unterschätzt. Obwohl er einer bürgerlichen Familie entstammte, hatte er eine ausgezeichnete Erziehung genossen. Er war ein hoch gewachsener, kräftig gebauter Mann. Aber seine Siege verdankte er nicht seinen körperlichen Vorzügen, sondern einer sorgfältig geplanten Strategie. Auch in der Niederlage geriet er nie ins Wanken. Für Schottland wäre er bereit zu sterben, und Brendan wusste, dass auch er dazu bereit sein musste, wenn er mit Wallace ritt. Aber er betete ebenso wie der Anführer täglich um sein Leben.

An diesem Abend wehte nur ein schwacher Wind. Der Mond berührte das Wasser. Wo sich der Himmel und das Meer trafen, war nicht zu erkennen. Genauso gut hätten sie irgendwo in der Ewigkeit segeln können.

»Ich mag diesen Piraten Longueville, Brendan«, erklärte William. »Weil er so aufrichtig ist.«

»Seit Jahren plündert er zahllose Schiffe.«

»Aye, und er gibt’s offen zu.« Williams Augen funkelten. Zum Anführer und Krieger geboren, sah er wahrhaft eindrucksvoll aus. Mit seiner tiefen Stimme und wohl gesetzten Worten vermochte er seine Anhänger immer wieder mitzureißen. Aber wer ihm nahe stand, kannte auch seine verborgenen Züge – seine Verletzlichkeit, seine Sehnsucht nach jenen seltenen Augenblicken, die ein Lächeln erlaubten.

»Also ist ein Unrecht nicht verwerflich, solange man’s eingesteht?«, fragte Brendan. »Dann müssten wir auch Edward verzeihen, weil er niemals leugnet, dass er Schottland erobern und alle Schotten vernichten will.«

»Ein ehrlicher Feind ist mir lieber als ein trügerischer Verbündeter.«

»Da muss ich dir zustimmen.« Brendan nahm einen großen Schluck aus seinem Trinkhorn. Dann schüttelte er den Kopf und versank in Schweigen. In der Tat, er gab William Recht. Bei Falkirk hätten die Schotten gesiegt, wäre John Comyn der Rote nicht mit seiner Kavallerie geflohen. Er war ein Vetter des entmachteten schottischen Königs John, in dessen Namen Wallace weiterhin für Schottland kämpfte. Und Robert de Bruce, der ebenso wie Comyn Ansprüche auf den Thron geltend machte, hatte niemals an Williams Seite gestanden. Manchmal kämpfte er für Edward. Aber nach der großen Schlacht hatten de Bruce und Comyn das Land in einem unheiligen, unsicheren Bündnis zusammengehalten. Bald hatte de Bruce sein Amt aufgegeben. Und jetzt kursierte das Gerücht, er würde demnächst einen Friedensvertrag mit dem englischen König schließen – ein Mann, der viel zu verlieren hatte.

»Heraus mit der Sprache, Brendan!«, befahl William.

»Hin und wieder frage ich mich …«

»Was?«

»Niemals bist du ins Wanken geraten, William. Du hast unbeirrt für Schottland gekämpft. Aber nicht für deinen persönlichen Gewinn. Ein paar Mal wollte Edward dich bestechen. König Haakon von Norwegen würde dich nur zu gern willkommen heißen, dir Ländereien schenken – und einen Titel. Jetzt weiß Philipp, dass du nach Frankreich segelst, und unser guter Freund, der Erzbischof von Lamberton, lobt dich auf all seinen Reisen überschwänglich. Schon vorher waren wir in Frankreich und wir wurden am französischen Hof hoch geehrt. Wir waren in Italien, in Rom. Nun versuchen wir Philipp von einem Pakt mit England abzuhalten, der Schottland schaden würde. Wie auch immer, in Frankreich wird man dich mit offenen Armen aufnehmen. Philipp begrüßt dich stets mit Freuden, vertraut dir das Kommando seiner Truppen an und belohnt dich großzügig. Aber stur, wie du bist, kämpfst du lieber für Schottland, statt französische Ruhmeslorbeeren zu ernten. Als wir grandiose Siege errangen, zogen unsere Aristokraten – zur Hölle mit ihren schwarzen Seelen – den Schwanz ein! Sie träumen von Schottland. Und dann streiten sie miteinander. Wer wird den Thron besteigen? Nur wenn ich gekrönt werde, bin ich bereit zu kämpfen ... O Gott! Manchmal frage ich mich, ob sich unsere Mühe überhaupt lohnt. Wie sollen wir Edward jemals bezwingen, wenn wir einander bekämpfen?«

Brendan fragte sich, ob er William erzürnt hatte. Doch der Anführer lächelte. Schließlich lachte er sogar lauthals und klopfte auf Brendans Schulter. »Also findest du mich stur?«

»Gelegentlich.«

»So ist es nun mal. Wenn Robert de Bruce mit mir reitet, verliert er alles. Er besitzt zu viel, was in den Händen des englischen Königs liegt. Nun möchte er eine englische Erbin heiraten. Angeblich ist er in die Schönheit verliebt. Oft genug hat ein Mann sich selbst, seine Seele oder sogar sein Land der Liebe wegen verloren.«

Eine Zeit lang schwieg William und Brendan drang nicht in ihn. Die Frau, die Wallace geliebt hatte, war von den Engländern grausam ermordet worden. Nicht zuletzt deshalb kämpfte er so leidenschaftlich gegen Edward.

Nach einer Weile ergriff William wieder das Wort. »Glaub mir, Robert de Bruce ist immer noch Schottlands Freund. Aye, er strebt nach der Krone. Diesen Wunsch hegt seine Familie schon seit Jahrzehnten. Weiß Gott, vielleicht wäre er der richtige Herrscher. Auch John Comyn will König werden. Beide sind mächtige Männer. Und ich bezweifle, dass Comyn uns bei Falkirk absichtlich im Stich ließ. Viel mehr glaube ich, dass seine Pferde einfach durchgingen und er seine Streitkräfte nicht mehr unter Kontrolle bekam.«

»Du beurteilst ihn viel zu freundlich. Immerhin vermuten einige unserer Gefährten, er hätte deine Niederlage bei Falkirk gewünscht. Obwohl er eng mit Baliol verwandt ist, will er ihn nicht auf dem Thron sehen, weil er die Krone für sich beansprucht.«

»Darin liegt das Problem«, meinte Wallace. »Die Schwäche dieser Männer ist meine Stärke. Die Krone ersehne ich nicht. Nur die Freiheit.«

»Aber das Heer ist geschlagen.«

»Allerdings. Ohne den Beistand des Adels kann ich zwar einige Krieger rekrutieren. Aber nicht genug, die mir in selbstmörderischer Kühnheit folgen würden, um Edward zu bekämpfen. Vorerst nicht. Zunächst müssen wir diplomatische Methoden anwenden und im Ausland Hilfe suchen.«

Nachdenklich starrte Brendan aufs Meer.

»Und was meinst du, mein junger Freund?«

Seufzend schüttelte Brendan den Kopf. »Als du das Amt des Verwalters niedergelegt hattest und die Freiherren in Peebles zusammenkamen, schlug einer meiner Verwandten vor, deine Ländereien müssten beschlagnahmt werden, weil du das Land ohne Erlaubnis der Versammlung verlassen hattest. Sir David Graham!«

»Zum Glück war mein Bruder Malcolm da und konnte diese Dummheit verhindern«, entgegnete William belustigt.

»Allein schon der Gedanke …«

»Im ganzen Land haben sich die Grahams ausgebreitet. Dass du diesen Namen trägst, werfe ich dir nicht vor, Brendan. Und David steht hinter Comyn, was man ihm nicht verübeln darf. Mein Bruder unterstützt Robert de Bruce schon seit langer Zeit. Immer wieder erklärt er mir, wir müssten unseren Baliol vergessen und uns an Bruce halten. Eines Tages würde er Schottland vor den Engländern retten und regieren. Ah, Brendan! Während das Blut floss, war es oft schwierig, den Überblick zu behalten. Bruce und Comyn warten auf Edwards Tod. Und der Sohn des Königs feiert lieber mit seinen Freunden, statt in den Krieg zu ziehen. Vielleicht ist Geduld unsere beste Waffe gegen Edward. Bis in alle Ewigkeit kann er nicht leben.«

»Verzeih mir – er lebt schon viel zu lange.«

»Nun, jetzt segeln wir zu einem anderen König, zu Philipp von Frankreich. Wie du sagst, wird er uns willkommen heißen und sich freuen, weil wir einen reumütigen Piraten mitbringen.« Mit schmalen Augen musterte Wallace den jungen Mann. »Und eine Erbin. Eine interessante Reise, nicht wahr? Wie ich hörte, ist Lady Eleanor immer noch sehr krank.«

»Inzwischen geht es ihr besser«, erwiderte Brendan irritiert. »Margot sagt, sie wird genesen. Und Margot irrt sich nur selten. An ihrer Krankheit ist die Lady selber schuld, weil sie unbedingt im Meer schwimmen wollte.«

Lachend schlug William auf seine Schenkel. »Allen Widrigkeiten zum Trotz! Eine Frau nach meinem Herzen!«

»Wohl kaum. In ihren Augen bist du ein gefährlicher Feind mit Hörnern auf dem Kopf, vom Teufel persönlich auf die Erde geschickt.«

»So sehen mich viele Engländer. Angeblich ritt ich aufs Schlachtfeld, in die Häute gehüllt, die ich meinen Gegnern bei lebendigem Leib abgezogen hatte. Ich bemale mich wie ein Heide. Nun, ich mag einiges verbrochen haben, bevor sich Edward an mir und an Schottland verging. Über diese Frau weiß ich Bescheid. Bei Falkirk befehligte sie einen englischen Trupp. Weil mehrere Männer, angeblich unter meinem Kommando, ein Dorf niederbrannten. Sicher, ich habe mehrere englische Dörfer geplündert und verwüstet, aber niemals Unschuldige ermordet. Erinnere die Lady an Berwick, wo englische Soldaten sogar eine schwangere Frau niedermetzelten.«

»Daran soll ich Lady Eleanor erinnern? Wir befinden uns in einer schwierigen diplomatischen Position. Und die Lady ist ein wertvolles Pfand. Ich dachte, du würdest …«

»Nachdem du sie aus dem Meer gefischt hast, bist du für sie verantwortlich.«

»Denk an unsere wichtige Mission. Vielleicht solltest du mir die Lady nicht anvertrauen.«

»Warum nicht?«, fragte Wallace erstaunt.

Brendan hob sein Trinkhorn. »Weil wir uns schon einmal begegnet sind. Bei Falkirk.«

»Oh?«

»Beinahe hätte sie mich getötet.«

»Dich?« Wallace zog die Brauen hoch. »Nur wenige Männer wissen ihr Schwert so gut zu schwingen wie du.«

»Wir alle sind verletzlich.«

»Ausgerechnet du? Ach ja, sie nahm ihren Helm ab und fand deine Achillesferse. Nun, Rache ist süß, und wie ich gestehen muss, habe ich gewisse Feinde mit dem größten Vergnügen getötet.« Williams Miene verdüsterte sich. »Deshalb fürchte ich, in der Hölle zu schmoren, zur Strafe für meinen übermächtigen Hass.« Er holte tief Atem, und Brendan fragte sich, ob der Anführer an den Mörder seines Vaters oder der geliebten Frau dachte. War die Rachsucht sein Lebensinhalt geworden? »Aye, Rache ist süß«, wiederholte Wallace. Sein Zorn verflog und seine Stimme klang wieder belustigt. »Natürlich will ich dir nicht anempfehlen, das Mädchen umzubringen. Immerhin gibt es gewisse Grenzen.«

»Keine Bange, ich werde sie nicht hinrichten.«

»Das musst du entscheiden.«

»Sie möchte zu ihrem französischen Verlobten reisen.«

»Dann denk an ihren Wert. Geld können wir immer gebrauchen. Und wir müssen diplomatisch vorgehen. Zu viele Leute halten uns für brutale Ungeheuer.«

»Also soll ich die Lady wie einen hoch geschätzten Gast behandeln?«

»Auch das musst du selbst entscheiden, mein Freund. Und vergiss nicht – ich finde es keineswegs schrecklich, dass man uns als Ungeheuer betrachtet.« William stand auf und streckte sich. »Jetzt gehe ich schlafen. Wenn es dunkel wird, übernimmt Eric die Wache. Seine Frau ist bei ihm. Übrigens, er bot mir sein Bett an, was ich dankbar annahm – bevor ich wusste, dass du aus deiner Kabine vertrieben wurdest.«

»Das stört mich nicht. Ich kann mich überall zusammenrollen. Letzte Nacht habe ich in einem Sessel neben Lady Eleanors Koje geschlafen.«

»Trotzdem …«

»William, wann hast du zuletzt inneren Frieden gefunden? Sorg dich nicht um mich und genieße die Annehmlichkeiten von Erics Kabine.«

Nach einer kurzen Pause bat Wallace: »Sei nicht entmutigt – schon gar nicht meinetwegen, Brendan. Erinnerst du dich an Stirling?« Plötzlich ballte er die Hände. »Das Gefühl der Freiheit! Bei Falkirk haben wir verloren – aber nicht so viel, wie du vielleicht glaubst. Aye, gute Männer sind gestorben. Aber das Land hat gespürt, was Freiheit bedeutet. Deshalb werde ich den Krieg fortsetzen. Selbst wenn ich sterbe, werden sich die Menschen nach der Freiheit sehnen. Diesen Traum kann uns Edward niemals nehmen. Wir kämpfen für Schottland.«

»Aye, für Schottland!«, bestätigte Brendan und dachte an seinen eigenen Schwur. Für Schottland, für die Freiheit. Für diese Ziele lohnte sich die Mühe, auf welchem Schlachtfeld auch immer. Dafür würde er sogar sterben.

William nickte ihm zu und ging unter Deck.

Von einer seltsamen, unheimlichen Angst erfasst, fuhr sie aus dem Schlaf hoch. Und dann erkannte sie, was sie erschreckt hatte. Er war zurückgekehrt.

Auf dem Schreibtisch brannte eine Kerze, die nur wenig Licht spendete – aber genug, um den Mann zu beleuchten. Er stand in der Tür und beobachtete Eleanor. Wie lange er sie schon anstarrte, wusste sie nicht – sie empfand nur ein wachsendes Unbehagen.

»Also lebt Ihr noch«, sagte er ausdruckslos. Wäre sie gestorben, hätte es ihn vermutlich nicht gestört.

Da sie eine Antwort für überflüssig hielt, sagte sie nichts. Er nahm seinen wollenen Tartan von den Schultern und hängte ihn an einen Haken neben der Tür. Langsam ging er zum Schreibtisch und ergriff die Kerze. Als er zur Koje schlenderte, zuckte Eleanor unwillkürlich zusammen. Die Kerze schien ihm mitten ins Gesicht. »Was habt Ihr vor?«, fragte sie beklommen. Obwohl sie nicht mehr fieberte, fühlte sie sich immer noch sehr geschwächt.

»Angeblich seid Ihr sehr viel wert, und ich wollte sehen, warum.«

Ungeduldig schob sie seine Hand mit der Kerze beiseite. Im nächsten Augenblick bereute sie ihr unbedachtes Verhalten. Vielleicht hätte sie ihm die Kerze aus der Hand schlagen und ein Feuer verursachen können …

Aber er schien nicht verärgert zu sein. Er kehrte zum Schreibtisch zurück und stellte die Kerze ab, sank auf einen Stuhl und musterte Eleanor.

»Warum seid Ihr hier?«, fauchte sie.

»Dies ist meine Kabine.«

»Tatsächlich? Und warum bin ich hier?«

»Allzu viel Platz haben wir nicht an Bord der Wasp, Lady. Unsere Gäste müssen wir so gut wie möglich unterbringen – vor allem impulsive Frauen, die vielleicht ein mitternächtliches Bad im Meer nehmen möchten.«

»Ich bin kein Gast, sondern eine Gefangene.«

»Ein Gast und eine Gefangene – das ist manchmal einerlei.«

»Piraten, Mörder – Schotten. Auch da gibt’s kaum einen Unterschied.«

Im Kerzenschein sah sie sein Gesicht nur undeutlich. Aber sie glaubte die Anspannung in seinen Zügen wahrzunehmen. »Das könnte man auch von den Engländern behaupten. Sogar noch schlimmere Dinge.«

Sein Tonfall empfahl ihr, das Thema nicht weiter zu verfolgen. Aber anscheinend hatte sie keine andere Wahl, sie musste seinen Blick ertragen und mit ihm reden. Müde schüttelte sie den Kopf und verfluchte ihre Schwäche. Gerade jetzt hätte sie ihren Verstand und ihre ganzen inneren Kräfte gebraucht, um diesen Mann zu bekämpfen. »Seid Ihr nur hierhergekommen, um mich zu quälen?«

Erstaunt hob Brendan die Brauen. »Quäle ich Euch, Lady?«

Darauf gab sie keine Antwort. Doch sie wünschte, sie hätte es getan, denn er stand auf und setzte sich zu ihr auf die Koje.

»Quäle ich Euch?«, wiederholte er.

»Allerdings!«

»Gut. Dass es mir so leicht fallen würde, wusste ich nicht.«

»Ihr seid grausam …«

»Beinahe hättet Ihr mich getötet. Obwohl ich Euch nichts zuleide tat.«

»Damals trafen wir uns auf einem Schlachtfeld.«

»Wo ich fast meine letzte Ruhe gefunden hätte.«

»Es ist schon so lange her.«

»Und jetzt seid Ihr eine Lady, die übers Meer segelt, geradewegs in die Arme eines reichen, vornehmen Comte, der Euch heiraten wird.«

»Ja.«

»Leider gibt’s ein paar Haare in der Suppe in Gestalt von Piraten, Mördern – und Schotten.«

»Würdet Ihr mich bitte in Ruhe lassen?«

»Ah! Ich soll Euch verschonen?«

»Ja, denn …«

»Bei unserer ersten Begegnung habe ich Euch verschont.«

»In der Tat!«, stieß sie hervor. »Und jetzt wollt Ihr mich anders behandeln? Nehmt Euch in Acht! Ich kann sehr gut mit einem Schwert umgehen. Vielleicht werdet Ihr Eure letzte Ruhestätte auf dem Grund des Meeres finden!«

Brendan lächelte sanft und neigte sich zu ihr. »So gefährlich seht Ihr gar nicht aus.«

»Welch ein elender Schurke Ihr seid. Sogar für einen Schotten! Ich war krank …«

»Sehr krank.«

»Verschwindet!«

»Nein.«

Die Augen geschlossen, sank sie in das Kissen zurück. »Nun? Was wird mit mir geschehen? So wertvoll bin ich doch gar nicht. Nach meiner schweren Krankheit sehe ich gewiss nicht besonders reizvoll aus …«

»Nicht im Mindesten«, stimmte Brendan bereitwillig zu.

Erbost öffnete sie die Augen und sah ihn immer noch lächeln .

»Vielleicht halte ich es für meine Pflicht, Euch zu quälen, Lady«, murmelte er und beugte sich noch näher zu ihr hinab.

Am liebsten hätte sie ihn ins Gesicht geschlagen.

Sie spürte noch etwas anderes – ein sonderbares Feuer in ihren Wagen. Entnervt schrie sie ihn an: »Geht endlich weg!« Und dann hob sie doch noch eine Hand und versuchte, ihn zu ohrfeigen. »Nein, Lady!« Mühelos packte er ihr Handgelenk und sie begann am ganzen Körper zu zittern. »Das ist meine Kabine und ich werde hier schlafen.«

»Aber …«

»Auch die letzte Nacht habe ich hier verbracht.«

»Was? Zum Teufel mit Euch! Also ist es Eure Pflicht, mich zu quälen? Nur zu! Eins müsst Ihr allerdings bedenken. Eine entehrte Erbin ist nicht halb so viel wert wie eine reine Braut. Außerdem würdet Ihr den Zorn des französischen Königs heraufbeschwören …«

»Den Zorn des französischen Königs?« Spöttisch verzog er die Lippen. »So viel seid Ihr wert?«

»Aye«, bestätigte sie frostig.

»Wer hätte das gedacht …« Abschätzend betrachtete er ihr Gesicht. »Würden wir auch den englischen König erzürnen?«

»Natürlich«, erwiderte sie und zwang sich mühsam zur Ruhe.

»Wunderbar!« Er ließ ihre Hand los und stand auf. »Vielleicht muss ich härtere Maßnahmen ergreifen, als ich zunächst dachte.«

Schweigend schaute sie ihm nach, während er zum Schreibtisch ging, und wünschte, sie hätte ein Schwert in ihrer Reichweite – und zwei starke englische Soldaten, die ihn festhalten würden, wenn sie ihn erstach. Im Augenblick hatte sie wenig Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten .

Brendan ergriff eine Karaffe und goss Wasser in einen Becher. Nachdenklich trank er ihn leer, dann setzte er sich wieder auf den Stuhl und schlug die Beine übereinander. »Wenn Ihr genesen seid, werdet Ihr wieder etwas besser aussehen.«

Wie gern hätte sie ihm irgendetwas an den Kopf geworfen. Soeben hatte er angedeutet, sie sei im Augenblick so reizlos, dass sich eine Vergewaltigung kaum lohnen würde.

Gott sei Dank, du Narr!, dachte sie. Und obwohl es klüger gewesen wäre, den Mund zu halten, rief sie wütend: »Zweifellos hat mich die Krankheit furchtbar mitgenommen. Aber das sollte Euch nicht kümmern. Wie ich höre, haben die Schotten eine besondere Vorliebe für Schafe.«

»Aye, gewöhnlich sind sie viel hübscher als die Frauen«, entgegnete er beiläufig.

»Nun, dann will ich dem Allmächtigen danken, weil er so hübsche Schafe erschaffen hat.« Sie drehte sich zur Seite, starrte die Wand der Kabine an und verstand nicht, warum sie ausgerechnet mit diesem Mann ein so albernes Gespräch führte.

Sekunden später hätte sie fast aufgeschrien.

Nichts hatte sie vor seiner Nähe gewarnt. Nicht einmal ein sanfter Luftzug.

Aber er war an ihrer Seite und wisperte in ihr Ohr: »Vielleicht wird sich Eure äußere Erscheinung noch bessern, bevor wir Frankreich erreichen, Lady.«

»Lieber sterbe ich!«

»Aye, das würde auch ich vorziehen. Aber die Pflicht ruft …«

Sein leises Gelächter schürte ihren Zorn. Endlich verließ er die Kabine und sie seufzte erleichtert auf.

Und doch – seine Finger hatten ihr Haar etwas zu lange berührt.

Geisel der Leidenschaft

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