Читать книгу Auf dem Schlachtfeld der Liebe - Heather Graham - Страница 6

2

Оглавление

Noch nie in ihrem Leben hatte Risa sich so unbehaglich gefühlt – derangiert, halb nackt, die Gefangene eines Rebellen. Und was sie am schlimmsten fand, er schien zu glauben, sie hätte nichts gegen die Situation einzuwenden, wenn er Ian wäre. Natürlich hatte es keinen Sinn, diesem elenden Schurken zu erklären, sie würde Ian ebensowenig in die Arme sinken. Dem Mann, der sie gewaltsam hier festhielt, brauchte sie überhaupt nichts zu erklären. Unglücklicherweise erhitzte seine Nähe ihr Blut, und sie mußte ihm möglichst schnell entrinnen.

»Wirklich nicht?« antwortete sie verächtlich. »Wollen Sie mich die ganze Nacht auf dieses Sofa pressen?«

Lächelnd hob er die Brauen. »Stellen Sie sich vor, ich wäre Ian. Dann wird’s Ihnen besser gefallen.«

»Oh, Sie unverschämter Kerl! Lassen Sie mich los! Wo bleibt Ihre Südstaatenehre, Sir?«

»Betrachten Sie’s als Gastfreundschaft eines Südstaatlers ...«

»Lassen Sie mich ...« Überrascht verstummte sie, weil er plötzlich aufstand. Sie kam nicht einmal dazu, aus eigener Kraft aufzuspringen, denn er ergriff ihre Hand und zog sie vom Sofa hoch. »Gehen Sie ins Gästezimmer. Dort finden Sie Kleider im Schrank, und dieser Raum ist ein etwas komfortableres Gefängnis. Vor der Tür steht ein Wachtposten, ein zweiter auf der Veranda, falls Sie so dumm wären, aus dem Fenster zu klettern. Zu Ihrer eigenen Sicherheit muß ich Sie warnen – das ist eine gefährliche Gegend, besonders für Leute, die sich hier nicht auskennen. Wenn Sie den Krieg überleben wollen, sollten Sie unsere Gastfreundschaft annehmen.«

»Warten Sie ...«

»Tut mir leid, ich muß mich beeilen, um Ian oder Alaina zu helfen. Sie sind doch hergekommen, um Alaina zu retten. Also halten Sie mich nicht auf.«

»Nur noch eine Frage. Wo ist das Gästezimmer?«

Er öffnete eine Tür, ließ ihr den Vortritt in einen Flur, folgte ihr lautlos und blieb ihr so dicht auf den Fersen, daß sie seinen Atem im Nacken zu spüren glaubte, wie den Hauch eines feuerspeienden Drachen. »Zur Linken«, sagte er kurz angebunden.

Zögernd betrat sie das Zimmer. Eine Lampe brannte auf einem Toilettentisch. Im Kamin mit dem hübschen Sims aus Korallengestein knisterte ein Feuer. Die Wände waren blau tapeziert. Auf dem Vierpfostenbett lag eine schöne Steppdecke. Ein Schrank, eine Truhe und ein Waschtisch hinter einem Paravent vervollständigten die Einrichtung. Als Risa sich in der Mitte des Raums umdrehte, sah sie Jerome auf der Schwelle stehen. Unsicher erwiderte sie seinen rätselhaften Blick.

»Wenn ich Ian und Alaina finde, würden Sie bedenken, daß die beiden verheiratet sind, Miss Magee?«

Mühsam bezwang sie ihren Zorn und schlang die Finger ineinander. »Hoffentlich denken Sie daran, wenn Sie Alaina begegnen, Sir.«

»Keine Bange, ich liebe sie wie eine Schwester.«

»Das freut mich«, bemerkte sie sarkastisch. Als er in den Flur trat und die Tür schließen wollte, erinnerte sie sich plötzlich schuldbewußt an ihren jungen Begleiter. »Einen Augenblick ... Was ist mit Finn geschehen?«

»Finn?«

»Mein Freund – der bei mir im Boot saß.«

»Ah, Finn ...« Betrübt schüttelte er den Kopf. »Wir müssen ihn hängen.«

»Machen Sie sich nicht lächerlich!« rief Risa bestürzt. »Was hat er denn verbrochen?«

»Wie ich bereits erwähnte, befinden wir uns im Kriegszustand. Und obwohl weder Sie noch mein unvernünftiger Vetter das zu berücksichtigen scheinen – dieses Gebiet gehört zu einem der Südstaaten. Ihr Freund Finn ist ein Yankee-Spion aus St. Augustine, nicht wahr?«

»Unsinn! Er ist nicht einmal Soldat – und sicher kein Spion.«

»Irgendwie fällt’s mir schwer, das zu glauben.«

»Verdammt, es ist die reine Wahrheit. Ich riskiere mein Leben, um eine Südstaatenspionin zu retten, und nun bedrohen Sie einen unschuldigen jungen Mann ...«

Seufzend verschränkte er die Arme vor der Brust. »Eine schwierige Situation. Wie ich zugeben muß, will ich ihn nicht hängen. Genausowenig möchte ich Sie gefangenhalten. Leider habe ich keine Wahl. Da Sie meine Männer belauscht haben und brisante Informationen besitzen, kann ich Sie nicht gehen lassen. Andererseits muß ich Ian und Alaina suchen. Aber ich darf Ihnen nicht gestatten, ein Blutvergießen heraufzubeschwören. Und deshalb sollten wir verhandeln.«

»Was? Ich verstehe nicht ...«

»Überlegen Sie mal, Miss Magee. Man hat mir erzählt, Sie seien halbwegs intelligent, obwohl Ihre Aktivitäten in dieser Nacht gewisse Zweifel aufkommen lassen ...«

»Wie können Sie es wagen!«

»Erlauben Sie mir, weiterzusprechen?«

»Nur wenn Sie mir versichern, daß ich nicht um das Leben eines Unschuldigen bangen muß.«

»Ihre verspätete Sorge ist wirklich lobenswert.«

Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt. Aber ihre Schuldgefühle hinderten sie daran, nachdem sie Finn tatsächlich vergessen hatte, trotz der beklagenswerten Umstände. Während Jerome McKenzie sie mit seinen unergründlichen blauen Augen musterte, fragte sie sich, ob er ihre Gedanken zu lesen vermochte.

»Sie wollen Ihren Freund am Leben erhalten«, fuhr Jerome McKenzie fort. »Also treffen wir eine Vereinbarung. Sie bleiben widerstandslos hier und machen meinen Männern und meiner Familie keinen Ärger. Und wenn ich zurückkomme, werden Sie sich nicht in die Arme meines Vetters werfen und ihn anflehen, Ihnen bei irgendwelchen Attacken gegen mich zu helfen. Verstanden?«

Fassungslos starrte sie ihn an. »Sie würden einen Menschen ermorden, falls ich mich weigere, Ihre Bedingungen zu erfüllen!«

»Wie wollen Sie wissen, was ich tun würde und was nicht?« entgegnete Jerome ausdruckslos. »Auf dieser Insel ist der Krieg mit besonderen Problemen verbunden. Nicht nur das Leben Ihres Freundes steht auf dem Spiel. Wenn Sie sich bei Ian beklagen, bringen Sie uns alle in Gefahr. Er ist der einzige Feind, den ich im Kampf fürchte – und ich bin der einzige, dem er niemals auf dem Schlachtfeld begegnen möchte. Tun Sie, was ich sage – dann dürfen Sie hoffen, daß Ian und Alaina den Krieg überleben werden.«

Als er die Tür schließen wollte, rief Risa: »Moment mal ... Lebt Finn noch?«

Jerome nickte.

»Schwören Sie’s?«

»Ja.«

»Wie kann ich Ihnen trauen?«

»Soeben habe ich Ihnen mein Wort gegeben.«

»Was zählt das Wort eines Mannes, der sich für einen anderen ausgibt?«

»O nein, Miss Magee, Sie haben sich gewünscht, ich wäre ein anderer. Zweifeln Sie nie an meinem Wort. Wenn ich etwas schwöre, kann man sich darauf verlassen. Und Sie?«

»Was meinen Sie?«

»Schwören Sie mir, keine Schwierigkeiten zu machen?«

»Das kann ich nicht ...«

»Sicher wäre Ihr Freund Finn tief betrübt, wenn er wüßte, daß Sie zögern, sein Leben zu retten.«

»Zum Teufel mit Ihnen ... Also gut, ich schwöre es!«

»Hoffentlich ist Ihr Wort ebensoviel wert wie meines. Und jetzt muß ich endlich gehen und Ian suchen – oder Alaina.«

»Aber wie soll ich das ertragen, untätig dazusitzen und zu warten – eine Gefangene in diesem Zimmer ...«

»Beten Sie darum, daß ich Ian und seine Frau bald finde. Denn Alaina treibt genauso gefährliche Spiele wie Sie.« Bevor sie ihn erneut zurückhalten konnte, schloß er die Tür.

Im Flur blieb er stehen, streckte seine Hände aus und sah sie zittern. Dieser verdammte Krieg – und die verdammte Rolle, die er darin übernommen hatte!

Zur Hölle mit Alaina, der kleinen Närrin, mit Ian, seinem ›Feind‹, und mit der albernen rothaarigen Schönheit, die er im Gästezimmer von Belamar gefangenhielt. Beinahe wäre sie gestorben. Er hatte befürchtet, nach ihrem unbedachten Sprung ins Meer wäre ihr Schädel beim Zusammenstoß mit dem Boot gebrochen. Und dann hatte sie, ehe er zu Wort gekommen war, seinen Plan erwähnt, die Maid of Salem zu kapern.

Jetzt kannte er Risa, die Frau, die Ian geheiratet hätte, wäre das Schicksal nicht dazwischengetreten. Bildschön und leidenschaftlich – und leichtsinnig. Anscheinend liebte sie seinen Vetter immer noch. Aber nun war sie Jeromes Gefangene und eine Gefahr für alle Beteiligten. Seine gutmütigen Eltern wollten demnächst ihr Heim im Norden verlassen und hierherkommen, um Alainas Anwesen zu hüten – eine Aufgabe, die sie übernehmen würden, während die restliche Familie auf verschiedenen Seiten kämpfte. Wenn Risa Magee seine Mutter oder seine Schwester um Gnade bat, würden ernsthafte Schwierigkeiten entstehen.

Wie auch immer, er mußte sich beeilen und Alaina retten. Doch er zögerte noch. Er hatte zu wenige Männer zur Verfügimg, um seine unvernünftige Gefangene streng bewachen zu lassen. Seine Drohung war nur ein Bluff gewesen. Und er beabsichtigte auch nicht, den armen Finn zu hängen. Aber wenn er Risa Magee belügen mußte, um sie von weiteren Aktivitäten im Dienste der Union abzuhalten, würde das sein Gewissen nicht belasten.

Sie durfte auf keinen Fall fliehen. Vielleicht gab es schmerzlose Maßnahmen, die sie daran hindern würden. Er lief aus dem Haus und erteilte seinen Männern die erforderlichen Befehle.

Eine Stunde lang wanderte sie im Gästezimmer auf und ab – zu rastlos, um sich zu setzen, zu nervös, um einen Fluchtversuch zu wagen.

Während das Kaminfeuer ihre spärliche feuchte Kleidung trocknete, fühlte sie sich immer unbehaglicher. Aus einem Impuls heraus öffnete sie den Schrank. Alaina war klein und zierlich, Risa ziemlich groß. Aber sie mußte ihre zerrissene Unterwäsche bedecken.

Wie sie bald feststellte, gehörten die Sachen im Schrank nicht ihrer Freundin. Sie fand eine Unterhose, ein Hemd und einige Kleider in ihrer Größe.

Auf dem Waschtisch stand ein Krug mit frischem Wasser. Rasch schlüpfte sie aus den schmutzigen Lumpen und wusch sich, dann trocknete sie ihren Körper ab und zog die Kleider an, die sie aus dem Schrank genommen hatte. Von wem stammten sie? Vielleicht hielt sich Ians Vetter eine Geliebte. Sehr gut. Hoffentlich würde die Frau in Wut geraten, wenn sie ihren geplünderten Schrank sah, und dem elenden Rebellen die Hölle heiß machen.

Oder war Jerome McKenzie verheiratet? Würde sich ein Ehemann so benehmen?

Das Blut stieg in Risas Wangen, als sie sich an den leidenschaftlichen Kuß erinnerte. Nein, daran wollte sie nicht denken. Sie mußte Pläne schmieden. Was genau hatte sie geschworen? Sie würde keine Schwierigkeiten machen. Nun, er war nicht mehr hier. Sie trat ans Fenster, öffnete die Vorhänge und schaute in die Nacht.

Inzwischen hatten sich die Wolken aufgelöst, ein heller Mond hing am indigoblauen Himmel. Sollte sie hinausklettern? Sie konnte unmöglich hierbleiben, und Jerome McKenzie würde wohl kaum ernsthaft erwarten, daß sie nicht fliehen würde. Aber während sie sich ihre Chancen ausrechnete, ging draußen jemand vorbei – ein Wachtposten, ein Gewehr an der Schulter. Diese Männer würden sie nicht erschießen – und Finn auch nicht hängen. Oder?

Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür, an die im selben Moment geklopft wurde. Risa zuckte zurück. »Ja?« rief sie unsicher.

»Darf ich reinkommen?« Eine leise weibliche Stimme. Alaina?

Hastig riß Risa die Tür auf. Eine hochgewachsene, schlanke Frau stand ihr gegenüber, eine exotische Schönheit mit rabenschwarzem Haar, goldbraunen Augen und ebenmäßigen Gesichtszügen. Als sie anmutig eintrat, wurde sie von zartem Parfumduft umweht. Auch in ihren Adern floß Indianerblut, was Risa sofort erkannte. Das mochte ihr diesen ungewöhnlichen Reiz verleihen.

Mißtrauisch wich Risa vor ihr zurück. In diesem Haus konnte jeder ihr Feind sein. »Guten Abend, Miss Magee. Ich bin Jennifer, Ians Kusine und Jeromes Halbschwester.«

Jennifer? Diesen Namen kannte Risa. Alainas gute Freundin, deren Mann zu Beginn des Krieges bei Manassas gefallen war. Dieser Verlust hatte sie schmerzlich getroffen.

»Natürlich – Jennifer«, murmelte Risa. »Freut mich ...«

»Jerome hat erklärt, Sie würden uns verlassen, sobald er zurückkommt. Eigentlich dachte ich, Sie würden schon schlafen. Bitte, verzeihen Sie die Störung – ich wollte sehen, ob Sie etwas Passendes zum Anziehen gefunden haben. Er sagte, Sie seien mit Ihrem Boot verunglückt. Tut mir leid. Es war so tapfer von Ihnen, Alaina zuliebe hierherzukommen. Welch eine treue Freundin Sie sind ... Kein Wunder, daß Ian soviel von Ihnen hält! Und Alaina mag Sie auch sehr gern. Anfangs war sie furchtbar eifersüchtig auf Sie. Doch dann schrieb sie uns, wie lieb und gut Sie sind ... O Gott, da stehe ich herum und schwatze. Aber der Krieg verwirrt uns alle ein bißchen. Ich habe ein Dinnertablett für Sie vorbereitet. Und da Sie noch wach sind, will ich’s Ihnen bringen.«

»Danke«, erwiderte Risa. »Bleiben Sie bitte hier – und reden Sie mit mir.« Ein Bootsunfall! Also wirklich!

»Erst mal hole ich das Tablett ...«

»Bemühen Sie sich nicht. Ich kann in der Küche essen – oder im Speisezimmer.«

»Oh, das macht mir keine Mühe.« Jennifer eilte in den Flur, und Risa wollte ihr folgen. Aber da trat ihr einer von Jerome McKenzies jungen Seemännern in den Weg, ein hübscher rotblonder Bursche.

»Entschuldigen Sie, bitte.« Sie versuchte sich an ihm vorbeizuschieben. Doch das ließ er nicht zu.

»Tut mir leid, Ma’am.«

Enttäuscht kehrte sie ins Gästezimmer zurück. Wenig später trat Jennifer mit dem Tablett ein, das verlockende Düfte verströmte, und stellte es schwungvoll aufs Bett. »Frischer Schnappbarsch mit Zitronenscheiben, aufgebackenes Brot, Tomatensalat und eine Key-Limonenpastete, aus den Früchten der speziellen kleinen Limonenbäume von Belamar. Ach ja, und Jerome meinte, Weißwein würde am besten zum Fisch schmecken.«

»Möchten Sie nicht mit mir essen ...« Risa hörte einen schrillen Schrei und unterbrach sich verwirrt.

»Das wird mein kleiner Sohn Anthony leider nicht gestatten«, entgegnete Jennifer lächelnd und ging zur Tür. »Guten Appetit«, fügte sie freundlich hinzu, als wäre Risa ein willkommener Gast.

Hinter ihr blieb die Tür offen, und Risa rannte in den Flur. Aber da stand nach wie vor der junge Seemann.

Wortlos schloß er die Tür, und sie lehnte sich erbost dagegen, von dem unvernünftigen Impuls erfaßt, das Dinnertablett quer durchs Zimmer zu schleudern. Doch dafür war sie viel zu hungrig. Sie setzte sich aufs Bett und begann zu essen. Der Fisch schmeckte köstlich. Durstig griff sie nach dem Weinglas.

Dann jedoch zögerte sie. Jeromes Gastfreundschaft ... Lieber würde sie ihm den Wein ins Gesicht schütten! Sie nippte daran. Ein ausgezeichneter Tropfen. Offenbar war der Rebell ein Weinkenner. Nun, immerhin hieß er McKenzie, wenn er auch einem etwas wilderen Familienzweig entstammte. Sie aß weiter und redete sich ein, sie würde die Mahlzeit aus feindlicher Hand nur akzeptieren, um Kräfte für ihre Flucht zu sammeln.

Danach stellte sie das Tablett auf den Toilettentisch und begann wieder umherzutigern. Für Alaina hatte sie ihr Bestes getan. Nun mußte sie ihre Landsleute erreichen, um sie vor der geplante Attacke auf die Maid of Salem zu warnen.

Plötzlich wurde ihr schwindelig. Sie wankte zum Bett und sank auf die Steppdecke. Ihr wurde schwarz vor Augen. In diesem Zustand konnte sie nicht fliehen. Und genau das hatte man bezweckt.

Eine Droge – im Wein ...

Wie aus weiter Ferne hörte sie das Türschloß rappeln und versuchte, die Augen zu öffnen.

»Ah – sie schläft«, sagte eine sanfte Frauenstimme.

»Offensichtlich«, bestätigte die Stimme eines Mannes. Tief, ein bißchen rauh. Jerome McKenzie war zurückgekommen.

Verzweifelt kämpfte Risa gegen eine neue Ohnmacht an. Sie mußte wissen, was geschehen war. Doch sie konnte ihre Lider nicht heben und brachte kein Wort hervor.

»Sobald sie aufwacht, nehme ich sie mit.«

»Armes Mädchen! Was glaubst du, wie sie sich auf einem Rebellenschiff fühlen wird?«

»Sie versteht die Situation.«

»Mußt du uns schon wieder verlassen?«

Die Tür wurde geschlossen, und Risa hörte nichts mehr. Vergeblich bemühte sie sich, wach zu bleiben. Nach wenigen Sekunden schwanden ihre Sinne.

Geräusche. Stimmen. Irgendwo im Flur. Diesmal gelang es ihr, die Augen zu öffnen. Mühsam hob sie den Kopf, der sich wie Blei anfühlte.

»Anscheinend geht’s ihr gut.«

O nein, dachte sie. Doch dann merkte sie, daß man nicht über sie sprach.

Jennifer redete mit einer älteren Frau, die ihr eine Antwort gab, und Risa erkannte jene sanfte, leise Stimme wieder. Nun mischte sich ein Mann ein, und ihr Herz schlug schneller.

Ian! Endlich!

»Macht euch keine Sorgen«, sagte die ältere Frau. »Die Wunde ist sauber, der Puls schlägt normal. Schau doch, Ian, sie atmet tief und gleichmäßig. Zum Glück wurde sie nicht allzu schwer verletzt.«

Erleichtert seufzte Risa auf, als sie dem Gespräch entnahm, von wem die Rede war. Alaina.

Also hatte Jerome seinen Vetter und dessen Frau gefunden. Jetzt konnte er seine Gefangene nicht länger festhalten. Sie wollte aufstehen. Doch da begann sich der Raum zu drehen.

Wieder Stimmen. Draußen vor der Tür. Jerome McKenzie, der mit dem Wachtposten sprach.

»Schläft Miss Magee?«

»Wie ein Lämmchen, Captain.«

»Bringen Sie das Boot mit dem Nachschub zur Lady Varina. Im Morgengrauen gehe ich an Bord. Was ist mit der Maid of Salem

»Die steuert hierher, und ihr Begleitschiff ist in den Untiefen auf Grund gelaufen – so wie Sie’s unseren Männer befohlen haben, Captain. Zum Glück war der Kapitän klug genug, um sofort zu kapitulieren, und er versicherte unseren Leuten, die Beute, die wir suchen, sei unterwegs, mit planmäßigem Kurs.«

»Verluste? Verletzungen?«

»Beim ersten Schußwechsel wurde ein Yankee getötet, und eine Kugel traf Jimmy Meyers ins Bein. Ein glatter Durchschuß. Wenn er morgen in nüchternem Zustand aufwacht, ist er wieder putzmunter.«

»Und die Yankees?«

»Gestrandet, Sir, mit genug Wasser- und Lebensmittelvorräten. O’Hara dachte, Sie würden die Landsleute der armen Schiffbrüchigen verständigen, damit sie abgeholt werden können – nachdem wir die Maid of Salem gekapert haben.«

Dann herrschte wieder Stille. Behutsam richtete Risa sich auf, blinzelte und schüttelte den Kopf. Jede winzige Bewegimg fiel ihr unendlich schwer. Großer Gott, welche Droge hatte man ihr verabreicht? Aber sie mußte aufstehen und verschwinden – oder Ian finden.

Irgendwie schaffte sie es, aus dem Bett zu steigen. Sie wankte zur Tür und öffnete sie. Kein Wachtposten, dem Himmel sei Dank! Während sie sich mit einer Hand an der Wand entlangtastete, folgte sie dem Flur im Schneckentempo und bekämpfte ein heftiges Schwindelgefühl. Plötzlich erstarrte sie. In ihren Augen brannten unerklärliche Tränen, als sie Ians Stimme hörte. Sie blieb im Dunkel stehen und spähte in den Salon, wo die zwei Vettern vor dem Kamin standen.

Nun wußte sie, warum sie Jerome beim Anblick seines Rückens für Ian gehalten hatte. Beide waren gleich groß, breitschultrig und muskulös, abgehärtet vom Krieg, in dem sie seit zwei Jahren kämpften. Aber jetzt sah sie in Jerome McKenzies Gesicht mit den hohen Wangenknochen das indianische Erbe noch deutlicher. Ein faszinierendes Gesicht, im rötlichen Feuerschein ...

»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll«, seufzte Ian.

Jerome zuckte die Achseln und grinste etwas verlegen. »Manchmal ist Blut dicker als der Krieg.«

»In der Tat. Und ich wünschte, wir könnten den Kampf beenden.«

»Das geht nicht«, erwiderte Jerome leise.

»Nein, natürlich nicht. Tante Teela sagte, Risa würde noch schlafen, und ich möchte sie nicht stören. Richtest du ihr aus, ich wäre ihr von ganzem Herzen dankbar?«

»Das weiß sie ohnehin.«

»Segelt sie mit dir?«

»Das haben wir doch schon besprochen. Ich will sie möglichst bald auf neutralen Boden bringen.«

»Risa – auf einem feindlichen Schiff?«

»Sie versteht, in welcher Position ich mich befinde.«

»Gewiß, Risa versteht alles«, meinte Ian.

O nein, protestierte Risa stumm. Wie traurig seine Stimme klang ... Er liebte seine Frau. Aber er hat auch mich geliebt, dachte sie, und mit mir von der Zukunft geträumt. Vor so langer Zeit ...

Er schüttelte Jeromes Hand. »Nun will ich mich verabschieden. Ich muß meine Männer wissen lassen, daß ich am Leben und unverletzt bin. Kümmert euch inzwischen um Alaina.« Zögernd fügte er hinzu: »Und um Risa. Wahrscheinlich wird sie Höllenqualen ausstehen. Sie ist eine überzeugte Unionsanhängerin. Trotzdem wird sie dich auf dein Schiff begleiten und nicht zulassen, daß wir einander ihretwegen töten.«

Von glühendem Zorn erfaßt, beobachtete Risa die beiden Männer. Offenbar hatte sie nach Luft geschnappt, denn sie wandten sich zur Tür. Jerome sah sie im Schatten stehen und eilte zu ihr. Als sie schwankte, legte er einen Arm um ihre Taille. »Oh, Sie sind erwacht, Miss Magee.«

»Erstaunlich, nicht wahr?«

Seine Augen verengten sich, und sein kraftvoller Körper versperrte ihr die Sicht auf Ian. »Allerdings«, stimmte er zu, so leise, daß Ian nichts hörte. »Wagen Sie bloß nicht, meinen kriegsmüden Vetter um Hilfe zu bitten. Sie haben mir Ihr Wort gegeben, Miss Magee. Halten Sie sich dran, oder ich hänge Sie eigenhändig auf, mit den Füßen nach oben!«

»Drohen Sie mir?«

»Nicht nur das. Keine Sekunde lang würde ich zögern, meine Drohung wahr zu machen.«

»Sie haben mich mit einer Droge betäubt!«

»Leider war’s nötig. Verzeihen Sie mir. Aber die Droge war offensichtlich zu schwach. Benehmen Sie sich vernünfig, ich warne Sie.«

Ehe sie antworten konnte, kam Ian zu ihnen. »Risa, wie gut, daß du erwacht bist!« Mitfühlend betrachtete sie seine eingefallenen Wangen, die glanzlosen Augen. Er war durch die Hölle gegangen.

»Vielen Dank, meine Liebe.« Er befreite sie von Jeromes Arm und zog sie an seine Brust, mit der tiefen Zuneigung eines guten Freundes.

»Alaina ist gerettet – nur das zählt.«

»Aber nun mußt du mit meinem Vetter segeln, diesem schurkischen Rebellen«, sagte er sanft. Sie spürte seine Lippen auf ihrer Stirn, dann wurde sie von ihm weggerissen, und Jerome umschlang wieder ihre Taille. »Wir müssen aufbrechen, Ian.«

Besorgt strich Ian über Risas Wange. »Bist du sicher, daß du ...«

Jetzt könnte sie ihn um Hilfe bitten. Natürlich würde er sich verpflichtet fühlen, sie in seine Obhut zu nehmen. Da sie Jeromes Pläne kannte, durfte er sie nicht freilassen. Und wenn sie ihn verriet, würde womöglich Blut fließen – in diesem Salon. »Alles in Ordnung, Ian.« Beinahe erstickte sie an diesen Worten. Er berührte ihre Schulter, und sie schloß die Augen. Verzweifelt zwang sie sich, nicht daran zu denken, was geschehen wäre, wenn ... Als sie die Lider hob, war er verschwunden. »Wo ...«, flüsterte sie.

»Wann immer wir uns trennen, weiß keiner von uns, wohin der andere geht«, entgegnete Jerome. »Danach fragen wir nicht. Belamar ist uns heilig, für alle McKenzies neutraler Grund und Boden. Jetzt müssen auch wir beide das Haus verlassen, Miss Magee.«

»Warten Sie, ich habe Alaina noch nicht gesehen – und ich bin so schwach ...«

»Immerhin waren Sie stark genug, um durch den Flur hierherzuschleichen. Wollten Sie meinen Vetter bitten, Sie aus der Gefangenschaft zu befreien und sich gegen mich zu stellen?«

»Nein, ich versuchte nur ...«

»Zu fliehen? Obwohl Sie mir Ihr Wort gegeben haben? Erinnern Sie sich? Sie haben geschworen, keinen Ärger zu machen, wenn ich Ihren Freund am Leben lasse.«

»Nein, ich wollte nicht fliehen – ich ging einfach nur den Flur entlang. Aber ich warne Sie – wenn Sie Finn was angetan haben ...«

»Lügen Sie nicht, Miss Magee. Natürlich haben Sie einen Fluchtversuch unternommen. Und danken Sie dem Himmel, daß ich Ihrem Schwur mißtraut und kein Menschenleben riskiert habe.«

»Wie können Sie es wagen, so mit mir zu reden ...«

»Oh, ich wage sehr oft, die Wahrheit auszusprechen.«

»Gewiß – was Sie für Wahrheit halten! Ich begleite Sie nicht. Mir ist schwindlig, und ich ...«

»Tut mir leid, Sie müssen mit mir kommen.«

»Dafür bin sich zu schwach ...«

»Hören Sie zu jammern auf!« unterbrach er sie ungeduldig. Kobaltblaue Augen starrten sie an. »Sobald wir die Maid of Salem gekapert haben, lasse ich Sie frei.«

Dann nahm er sie auf die Arme, obwohl sie vehement protestierte, und trug sie in die Morgendämmerung hinaus.

Auf dem Schlachtfeld der Liebe

Подняться наверх