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Nachdem sie so lange im Meer geschwommen war und dann Brandy auf leeren Magen getrunken hatte, sank sie todmüde und benommen in die Koje. Sie schlief sofort ein. Als sie erwachte, sah sie nächtliches Dunkel vor dem Fenster der Kabine. Auf dem Schreibtisch brannte die Lampe. Da die Decke Risas Blößen nur teilweise verhüllte, fragte sie sich unbehaglich, wer hereingekommen war. Am Fuß des Betts lagen Kleidungsstücke – ein Männerhemd aus weißer Baumwolle und Breeches. Der Größe nach zu schließen, stammten die Sachen vom Jeremiah, einem hochgewachsenen, aber sehr schlanken Jungen.

Hastig zog sie sich an, bevor irgend jemand eintreten konnte. Obwohl sie vor dem Captain nichts mehr zu verstecken brauchte ... Voller Scham erinnerte sie sich an ihre kühne Entkleidungsszene. Nie wieder würde sie auch nur einen Schluck Brandy trinken. Aber sie fragte sich, ob ihr Verhalten nur mit dem Alkohol zusammenhing. Sie war so wütend gewesen – auf Jerome McKenzie, auf sich selbst.

Was wäre geschehen, wenn sie das Schiff der Deserteure erreicht hätte? Sie redete sich nicht ein, diese Männer hätten sich dem Norden hinlänglich verpflichtet gefühlt, um ihr zu helfen. Bei den Rebellen war sie tatsächlich besser aufgehoben.

Es klopfte an der Tür, und sie ließ Jeremiah herein, der ein Tablett auf den Schreibtisch stellte. »Ah, Sie sind wach und wohlauf, Miss Magee, und sicher halb verhungert. Ich hätte Ihnen schon früher was zu essen gebracht. Aber der Captain meinte, Sie würden schlafen, und ich wollte Sie nicht stören.«

Also war McKenzie in der Kabine gewesen. Warum fühlte sie sich erleichtert und zugleich beunruhigt? »Falls diese Sachen dir gehören ...« Sie zeigte auf ihre Kleidung. »Vielen Dank.«

»Ja, die sind von mir. Ihnen stehen Sie viel besser, Ma’am«, fügte er grinsend hinzu.

»Nochmals – danke.«

»Hoffentlich schmeckt Ihnen das Dinner. Krabben mit braunem Reis.«

»Bis jetzt kann ich nicht über die Verpflegung an Bord klagen.«

»Zum Glück haben wir einen guten Koch. Evan Deiter hat mal in Paris gearbeitet und dann in einem der besten Steak-Häuser von Virginia, vor der Eröffnung seines eigenen Restaurants. Das wurde von den Yankees niedergebrannt, als sie Jacksonville besetzten.«

»Oh ...«, murmelte Risa.

»Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich so gute Mahlzeiten bekomme. Die meisten unserer Soldaten müssen sich mit Zwieback und bitterem Kaffee begnügen.«

Sie setzte sich an den Tisch und musterte das sommersprossige Gesicht des Kammerstewards mit den strohblonden Haaren und blauen Augen. »Deshalb solltest du dich nicht schuldig fühlen, Jeremiah. Du bist noch zu jung, um in den Krieg zu ziehen.«

»So viele Burschen in meinem Alter sind schon auf den Schlachtfeldern gefallen. Und ich kann froh sein, daß ich Captain McKenzie auf der Lady Varina dienen darf.«

Statt zu antworten, kostete sie eine Krabbe, die köstlich schmeckte. Offensichtlich hatte der Schiffskoch ein vornehmes Restaurant betrieben. Das Essen sah nicht nur appetitlich aus, es war auch hübsch angerichtet, mit Melonenscheiben garniert, und neben der in Blütenform gefalteten Serviette stand ein Kristallglas mit rubinrotem Burgunder auf dem Tablett. Stöhnend betrachtete sie den Wein.

»Stimmt was nicht, Miss Magee?« fragte Jeremiah besorgt. »Hin und wieder finden wir Ungeziefer im Reis oder Maden im Rindfleisch. Deshalb serviert unser Koch am liebsten frische Meeresfrüchte ...«

»Nein, nein, alles in Ordnung. Aber könntest du mir vielleicht Kaffee bringen?«

»Mit oder ohne Milch? Wir haben sogar Zucker.«

»Einfacher schwarzer Kaffee wäre mir am liebsten.«

Dienstbeflissen verließ er die Kabine und kehrte nach wenigen Minuten zurück. Inzwischen hatte Risa den Teller heißhungrig leer gegessen und nahm dankbar eine dampfende Tasse entgegen. Was für ein netter Junge – seinem Captain treu ergeben und doch so eifrig bestrebt, eine feindliche Gefangene zu erfreuen ...

»Wenn Sie Ihren Kaffee getrunken haben, führe ich Sie zu Mr. Douglas, Ma’am.«

»Mr. Douglas?«

»Mr. Hamlin Douglas, der Erste Offizier.«

»Und was will er von mir?«

»Er wird Sie an Land bringen.«

»Warum?« fragte sie nervös, obwohl sie mittlerweile überzeugt war, daß Jerome McKenzie nichts beschließen würde, was ihr schaden könnte.

»Weil wir hier übernachten. Und der Captain meint, Sie müßten in einem Hotel schlafen, denn er will nicht dauernd hinter ihnen herschwimmen ...« Verlegen unterbrach er sich, die Wangen feuerrot. »Tut mir leid.«

»Schon gut, Jeremiah. Ich soll die Nacht in einem Hotelzimmer verbringen, damit ich nicht davonschwimmen kann. Das verstehe ich.«

»Also, wenn Sie bereit sind ...«

Sie nickte, stellte die leere Tasse auf den Tisch und erhob sich. Bisher war sie noch nie auf den Bahamas gewesen. Doch sie hatte gehört, daß die Briten, die mit den Südstaaten sympathisierten, hier manchmal Schiffe für die Rebellen ausrüsteten und sie mit Nachschub versorgten. Außerdem trieben sich zahlreiche Piraten auf den Inseln herum. Risa wußte nicht, was sie an Land erwartete.

Wie sich die Dinge auch entwickeln mochten, sie würde versuchen, ihren Vorteil daraus zu ziehen.

Das Royal Inn, ein kleines Hotel, lag an einer Nebenstraße in der Nähe des Hafens und gehörte Jay Eagle, einem entfernten Verwandten der McKenzies. Vor fünfzehn Jahren hatte er Florida verlassen und mit James McKenzies finanzieller Unterstützung das Royal Inn gebaut. Hier fand James’ Sohn Jerome ein Zimmer, wo er unbesorgt schlafen konnte, in der Gewißheit, daß Jay ihn rechtzeitig vor allen Gefahren warnen würde. Zudem wurde ihm in diesem Haus die Möglichkeit geboten, seine Geschäfte ungehindert und anonym zu erledigen.

Zusätzlich war das Royal Inn genau das richtige Quartier für seine Gefangene. Sollte sie doch schreien und gegen die Tür hämmern, so lange sie wollte – niemand würde ihr zur Flucht verhelfen. Zwei Männer würden sie bewachen, Jimmy von der Lady Varina und Big Tim, der für Jay Eagle arbeitete.

Bis jetzt hatte Miss Magee keinen Laut von sich gegeben. Hamlin Douglas hatte dem Captain berichtet, sie sei ihm vor einigen Stunden ins Hotel gefolgt und eine mustergültige Gefangene gewesen.

Nun saß Jerome mit Michael O’Hara und Julio Garcia, einem steinreichen Mexikaner, im Privatsalon des Royal Inn. Von Amerikanern und Engländern hielt Julio nicht viel, aber er liebte das Geld, und so hatte er sich mit den Blockadebrechern eingelassen. Der schlanke, dunkelhaarige, elegant gekleidete Mann hatte im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg gegen General Winfield Scott gekämpft.

Da die Mexikaner den Krieg verloren hatten, haßte er die amerikanische Regierung und machte eifrig Geschäfte mit den Blockadebrechern. Und er diskutierte gern über die Kriegssituation. Er sprach sehr schlecht Englisch, und seine beiden Leibwächter, die sich in respektvoller Entfernung postiert hatten, verstanden diese Sprache überhaupt nicht.

Glücklicherweise war Jeromes Spanisch ausgezeichnet. Viele Händler aus Mittel- und Südamerika besuchten die Florida-Küste. Außerdem sprachen viele Seminolen Spanisch.

Während ihres Krieges gegen die United States Army hatten sie den Spaniern Waffen und Vorräte abgekauft. Nun lauschte Julio einem leidenschaftlichen Plädoyer Michael O’Haras, der das Recht des Südens auf Rebellion verfocht. Auch Michael beherrschte die spanische Sprache. Einer seiner entfernten Verwandten hatte einen Schiffbruch der spanischen Armada an der irischen Küste überlebt.

An diesem Abend trafen sie sich, um einen Vertrag zu unterzeichnen und Informationen auszutauschen. Wie Julio erfahren hatte, sollte ein Unionsschiff die Montmarte der Konföderierten kapern, sobald sie ihre Fracht nach Nassau gebracht hatte. Am nächsten Morgen würde die Montmarte – größer als die Lady Varina – Waffen und Munition, Medikamente und Verbandszeug, Wasser und Frischfleisch nach Charleston bringen. Außerdem hatte sie Julios Baumwolle und sein Zuckerrohr an Bord.

Der Geschäftsabschluß verzögerte sich, denn der Mexikaner war in redseliger Stimmung. »Si!« stimmte er Michaels Rechtfertigung des Krieges zu. »So wie Ihre Vorfahren gegen die Besteuerung durch das britische Parlament rebellierten, wehren sich die Südstaaten jetzt gegen den Norden, weil er sie unter das Joch einer Regierung zwingen will, die ihnen mißfällt.«

»Das haben Sie auf den Punkt gebracht!« rief Michael erfreut. »In Amerika gibt es nun einmal verschiedene Gesetze.«

»Aber dieser Krieg ist eine Tragödie, nicht wahr, Captain McKenzie?«

»Gewiß«, bestätigte Jerome trocken. Er trug nicht viel zur Diskussion bei. Die Argumente für und wider den Krieg und das Recht des Südens, von der Union abzufallen, hatte er oft genug gehört. In den Tavernen hielten Zivilisten und Politiker flammende Reden über Ehre und Ruhm. Doch die schönen Worte nützten den Soldaten nichts, die durch schlammiges Terrain wateten, im Winter froren, im Sommer schwitzten, an schrecklichen Krankheiten starben und unentwegt hungern mußten.

Julio beugte sich zu Jerome vor. »Seltsam – Sie stellen Ihre Lady Varina und Ihre Talente in den Dienst der neuen Regierung, während die meisten Blockadebrecher ihre Schiffe kommandieren, ohne die Befehle vorgesetzter Offiziere zu befolgen.«

»Weil sie ihren Profit suchen, im Gegensatz zu mir.«

»Und Sie besitzen keine Sklaven«, betonte der Mexikaner grinsend.

»Nein, meine Familie lehnt die Sklaverei schon seit einigen Generationen ab.«

»Trotzdem kämpfen Sie für ein Volk, das sein Recht verteidigt, Sklaven zu halten.«

»Die Wirtschaft der Südstaaten basiert auf der Sklavenarbeit. Mit der Zeit hätte sich das geändert, auch ohne diesen Krieg. Ich persönlich halte die Sklaverei für überholt. Obwohl dieses Thema eine gewisse Rolle spielt – die Südstaaten haben sich hauptsächlich deshalb von der Union getrennt, weil sie ihre eigenen Entscheidungen treffen wollen.«

»Aber daß die Konföderierten auch für die Sklaverei kämpfen, scheint Ihnen zu mißhagen, Captain.«

»Nur die Reichen besitzen Sklaven. Und ich versichere Ihnen – nicht der ganze Süden ist reich. Die Soldaten auf den Schlachtfeldern sind keine Sklavenhalter.« Ungeduldig schüttelte Jerome den Kopf. »Im Süden kämpfen viele Gegner der Sklaverei für die Freiheit ihrer Staaten, und ich kämpfe für Florida.« Er hatte die Abkehr seiner Heimat von der Union nicht befürwortet. Nun gehörte Florida der Konföderation an, die wenig für den Staat tat. Die Kämpfe fanden anderswo statt. Blutige, bittere Kämpfe. Virginier starben auf virginischem Boden. Doch die Soldaten von Florida wurden nach Norden geschickt. Deshalb konnten sie ihren Staat nicht verteidigen. Am Fernandina Beach ankerten Unionsschiffe, die hin und wieder an der Florida-Küste patrouillierten, in der Hoffnung, Blockadebrecher zu kapern oder zu versenken. St. Augustine blieb in den Händen der Union, Jacksonville war erobert und dann aufgegeben worden.

Niemand vermachte die vielen hundert Meilen der Florida-Küste zu schützen. Die meisten Blockadebrecher, im Dienst der Confederate States Navy oder unabhängig, steuerten neutrale Häfen – Nassau, die Bermudas, Havanna und Matamoros – an, um Vorräte zu beschaffen und dann an Unionsschiffen vorbei nach New Orleans, Savannah und Mobile zu segeln.

Jetzt war New Orleans verloren und mußte in weitem Bogen umrundet werden. Die Reise von Nassau zu anderen Häfen dauerte sechs Tage. Nur hundertachtzig Meilen trennten Florida von Nassau. Trotzdem konnte man den Nachschub nicht schnell genug zu den Schlachtfeldern befördern, und die Unionsblockade funktionierte immer effektiver. Der Norden wollte den Süden aushungern, um ihn zur Kapitulation zu zwingen – eine wirksame Taktik.

Obwohl Florida in Nassaus Nähe lag und zahlreiche Meeresarme als Schlupfwinkel fungierten – sobald ein Blockadebrecher der Konföderierten in einen Fluß segelte, mußte er damit rechnen, einem kleinen Unionsschiff zu begegnen, das ihn in ein Gefecht verwickelte.

Nur wenige Leute setzten sich für Florida ein. Aber Jerome diente der Konföderation, weil er sein Bestes tun wollte, damit sein geliebter Heimatstaat den Krieg überstehen würde. So einfach war das.

»Also kämpfen Sie für Florida, Captain? Einem Gerücht zufolge wäre aus dem östlichen Florida ein neuer Staat entstanden, hätte die Union beschlossen, Truppen in Jacksonville zu stationieren.«

Jerome zuckte die Achseln und strich mit einem Finger über sein Whiskeyglas. »Nun, die Unionstruppen wurden aus Jacksonville abgezogen, und es gibt keinen neuen Staat.«

»Auf Florida!« Julio hob sein Glas.

»Haben Sie neue Informationen?« fragte Jerome ungeduldig.

»General McClellan ist und bleibt ein Narr, der seine Streitkräfte überschätzt, und General Lee hält ihn im Zaum. Jetzt kämpfen sie rings um Richmond, und der schlaue Lee ist den Yankees aufs neue einen Schritt voraus.«

»Dann scheinen sich die Aktionen auf Richmond zu beschränken«, murmelte Jerome. Dort würde Brent versuchen, möglichst viele Menschenleben zu retten. So kriegsmüde Jerome auch war, er mußte Ärzte wie seinen Bruder weiterhin mit Nachschub versorgen.

»Offensichtlich. Jede Seite glaubt zu siegen, wenn sie die Hauptstadt der anderen einnimmt. Bald wird Lee vorrücken, den Krieg von Süden nach Norden verlagern und den Yankees eine Materialschlacht aufzwingen. Und jetzt zum Geschäft«, fuhr der Mexikaner unvermittelt fort, zog Papiere aus der Tasche seines Jacketts und legte sie auf den Tisch. Nachdem er ebenso wie Jerome die Verträge unterschrieben hatte, zeigte er ihm die Frachtliste für die Montmarte. »Ein Dampfer, frisch aus der Werft von Liverpool, ein außergewöhnliches Schiff – mit reicher Beute an Bord, nicht wahr? Die Montmarte soll geradewegs nach Charleston fahren, und ihre Ladung ist für Richmond bestimmt, das Herz der Konföderation. Wie ich von meinen Informanten erfuhr, ist das Kriegsschiff USN Invincible bereits unterwegs, um sie anzugreifen, sobald sie morgen früh mit der Ebbe ausgelaufen ist. Vielleicht zwanzig Meilen nordöstlich, auf offener See.«

»Weiß der Captain von der Montmarte Bescheid?«

»Ja, Captain Menkin wurde verständigt. Er wird Sie hier um Mitternacht treffen. Dann können Sie gemeinsam Ihre Strategie planen. Ihre Lady Varina ist kleiner als die beiden Schiffe. Aber das macht sie mit Tempo und ausgezeichneter Manövrierfähigkeit wett. Als Menkin von Ihrer Anwesenheit im Hafen hörte, war er sehr froh. Auch er kennt Ihren Ruf.«

»Hoffentlich finden die Yankees nicht heraus, daß wir auf ihren Hinterhalt vorbereitet sind«, seufzte Michael.

»Ganz bestimmt nicht.« Wie ein harter Glanz in Julios Augen verriet, erinnerte er sich an die bittere Niederlage seiner Heimat im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg. Dann wandte er sich wieder zu Jerome. »Amigo, wie war’s mit dem fabelhaften Rum, den Mr. Eagle, Ihr Vetter, angeblich für besondere Gelegenheiten bereithält?«

Jerome nickte und stand auf. Auch er konnte einen kräftigen Schluck vertragen, der ihm helfen würde, sich zu entspannen. Die letzte Nacht hatte er an Deck verbracht, nicht gewillt, die Kabine des spottlustigen Dr. David Stewart oder eines anderen Offiziers zu teilen.

Nun spürte er seine steifen Muskeln und sehnte sich nach einem erholsamen Schlaf. Vor allem, weil ihn ein anstrengender Tag erwartete. »Ich werde Jay bitten, den besten Rum aus seinem Keller zu holen«, versprach er und ließ Michael mit Garcia und den beiden Leibwächtern allein.

McKenzies Wachtposten glaubten, Risa würde schlafen. Nachdem sie so lange im Meer geschwommen war, mußte sie müde sein.

Und sie waren sehr freundlich zu ihr gewesen. Sie hatten ihr sogar eine Sitzbadewanne gebracht. Nervös stieg sie ins warme Wasser. Niemand störte sie. In diesem Hotel wurde sie geradezu verwöhnt. Lebhaftes Feuer brannte im Kamin. Neben der Wanne lagen flauschige Handtücher und eine duftende Seife. Hier merkte man nichts von der Warenknappheit, die der Krieg verursachte.

Obwohl der Captain sich zunächst geweigert hatte, Geld für Risas Garderobe auszugeben, stand eine große Schachtel auf dem Bett, die ein schönes blaues Baumwollkleid und Unterwäsche enthielt. Selbstverständlich würde sie nichts davon benutzen und nach dem Bad wieder Jeremiahs Sachen anziehen.

Beim Dinner, das ihr der Junge servierte, erweckte sie den Anschein, ziemlich viel Wein zu trinken. Danach ging sie ins Bett und stellte sich schlafend.

Hin und wieder hörte sie ein Flüstern vor ihrer Tür. Die Stimmen klangen erstaunlich besorgt.

Offenbar bangte man um ihr Wohlbefinden. Wie erschöpft sie war, die arme Lady ... Ein Jammer, daß sogar Frauen in diesen Krieg verwickelt wurden ... Andererseits gab es viele weibliche Spione, und man mußte sie im Auge behalten.

Endlich wurde es still im Royal Inn, und Risa beschloß, einen Fluchtversuch zu wagen. Sie stieg aus dem Bett und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Als sie in den Flur spähte, sah sie, daß man sie nicht allein gelassen hatte. Jeremiah döste in einem Sessel. Lautlos schlich sie vorsichtig an ihm vorbei. Hinter einer Tür erklang das perlende Gelächter einer Frau, begleitet vom Gemurmel eines Mannes. Das Blut stieg in Risas Wangen. Natürlich suchte jeder Seemann weibliche Gesellschaft, wenn sein Schiff in einem Hafen lag.

Während sie dem Flur folgte, hörte sie Stimmengemurmel, das aus dem Erdgeschoß heraufdrang. Verhandlungen? Am Treppenabsatz blieb sie stehen und schaute in den Schankraum hinab, wo sie niemanden sah. Auf leisen Sohlen stieg sie die Stufen hinab. Ein Privatsalon lag neben der Gaststube, mit einem wuchtigen Eichentisch und Polstersesseln eingerichtet.

Durch die offene Tür sah Risa einen schlanken, dunkelhaarigen Gentleman, wie ein Dandy gekleidet. Hinter ihm standen zwei Männer, in respektvoller Entfernung, und er sprach mit jemandem. Mit McKenzie? Als sie vorsichtig weiterging, sah sie einen blonden Hinterkopf. Erleichtert atmete sie auf. Der Captain war nicht in der Nähe. Sollte sie diese Leute – vielleicht waren es Spanier – um Hilfe bitten?

Plötzlich blickte der elegante dunkelhaarige Gentleman zur Tür, und Risa glaubte, er hätte sie entdeckt. Sie zögerte nicht länger, eilte in den Raum und ergriff die Hand des nächstbesten Mannes, der sie verblüfft anstarrte. »Sir, ich brauche Ihre Hilfe! Bitte! Sicher werden Sie einer Frau, die in höchste Not geraten ist, Ihren Beistand nicht versagen. Ich bin in die Hände einer Rebellenbande gefallen und muß unbedingt meine Landsleute erreichen. Wenn Sie mich von hier wegbringen, wird mein Vater Sie großzügig belohnen ...«

»Miss Magee!«

Erschrocken drehte sie sich um. Der blonde Mann war Michael, der hastig aufsprang und zu ihr lief.

»Bitte, Sir ...«

»Ah, da sind Sie ja!« McKenzie war hereingekommen. Wie ein Schraubstock umklammerte sein Arm Risas Taille.

»Lassen Sie mich los!« protestierte sie.

Aber er ignorierte sie, wandte sich zu dem dunkelhaarigen Dandy und begann in fließendem Spanisch zu sprechen. Risa verstand kein Wort. Grinsend hob der Mann die Brauen und musterte sie von Kopf bis Fuß.

»Was immer er sagt, hören Sie nicht auf ihn!« flehte sie. »Bitte, Sie müssen mir helfen ...«

Jerome McKenzie fiel ihr mit einem weiteren spanischen Redeschwall ins Wort, und der dunkelhaarige Mann brach in Gelächter aus. Dann stellte er eine Frage, und der Captain lachte ebenfalls. In den Augen des Fremden lag ein seltsames Funkeln, das Risa beunruhigte.

»Was haben Sie gesagt, McKenzie?« rief sie erbost.

Wortlos hob er sie hoch und trug sie aus dem Privatsalon, ohne ihren erbitterten Widerstand zu beachten.

»Wer ist dieser Mann?« zeterte sie, während er mit ihr die Treppe hinaufstieg.

»Er heißt Garcia, und er haßt die Yankees. Soeben erzählte ich ihm, Sie seien zwar bildschön und sehr reizvoll, aber eine hinterhältige kleine Nutte, und Sie würden versuchen, mich um die beträchtliche Summe zu betrügen, die ich bereits für Ihre Dienste bezahlt habe. Natürlich war er sehr interessiert, und er möchte Sie für einen späteren Zeitpunkt engagieren.«

Fassungslos starrte sie ihn an. Mit einem Fußtritt öffnete er die Tür ihres Zimmers, warf sie hinter sich zu und stellte Risa auf die Füße.

»Bastard!« schrie sie und schlug mit aller Kraft in sein Gesicht. Er zuckte nicht einmal zusammen. Trotz der Kälte in seinen blauen Augen schien er ein seltsames Feuer auszustrahlen, und sie wich verwirrt zurück.

»Diesmal lasse ich das noch durchgehen, Miss Magee.«

»Diesmal! Sie haben mich entführt, Sie – Sie Rebell!« Den Tränen nahe, fühlte sie sich plötzlich völlig entnervt und wußte nicht, warum. »Wie können Sie mir das alles antun? Aber ich werde Sie hängen sehen, das schwöre ich ...«

»Noch ein Versuch, meiner Südstaaten-Gastfreundschaft zu entrinnen, Miss Magee, und ich werde mich rächen, so wahr mir Gott helfe! Haben Sie das verstanden?«

Sie kam sich wie ein Schulkind vor, das wegen eines albernen Streichs gemaßregelt wurde. Trotzdem hob sie herausfordernd das Kinn. »Jede Gelegenheit werde ich nutzen, um in Ihre Kniescheiben zu schießen, bevor ich auf Ihr Herz ziele, McKenzie. Haben Sie das verstanden?«

Höflich neigte er den Kopf. In seinen Augen glitzerte blaues Eis. »Vollkommen.« Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer.

Eine Zeitlang starrte sie die geschlossene Tür an, bis sie merkte, daß sie am ganzen Körper zitterte. Sie sank aufs Bett. Wie rasend hämmerte ihr Herz gegen die Rippen. Immerhin hatte sie dieses Wortgefecht gewonnen. Während sie sich zu ihrem Sieg gratulierte, wurde die Tür aufgerissen. McKenzie trat ein, und Risa sprang entsetzt auf. »Nein, kommen Sie nicht näher ...«

Trotz ihrer verzweifelten Gegenwehr packte er ihr Handgelenk, und sie spürte etwas Kaltes auf der Haut, hörte ein sonderbares Klicken. Ungläubig betrachtete sie die stählernen Handschellen an ihrer Linken und verbarg die Rechte hinter ihrem Rücken, weil sie glaubte, er würde beide Hände fesseln. »Nein, nicht ...«, begann sie und verstummte in wachsendem Grauen, als sie McKenzies Absicht erkannte. Er wollte sie nicht an beiden Händen fesseln, viel schlimmer – er legte den zweiten Stahlring um sein eigenes Handgelenk.

Auf dem Schlachtfeld der Liebe

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