Читать книгу Auf dem Schlachtfeld der Liebe - Heather Graham - Страница 7
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ОглавлениеIn einem kleinen Boot fuhren sie von Belamar zum tiefen Gewässer der Bucht, und Risa überlegte, ob sie ein zweites Mal hineinspringen sollte. Selbst wenn sie nicht entkam, würde sie dem Captain so viel Ärger machen, daß er sie vielleicht loswerden wollte. Bei diesem Gedanken drehte sie sich zu Jerome McKenzie um, der hinter ihr saß, ruderte und grimmig lächelte.
Entschlossen stellte er einen gestiefelten Fuß auf ihren Sitz und klemmte den Rock ihres Kleids ein. »Verzichten Sie lieber auf ein Bad. Die Zeit drängt.«
»Wo ist Finn?« fragte sie.
»Das werden Sie bald sehen.«
»Sie haben versprochen, er würde am Leben bleiben.«
Für eine Minute hörte er zu rudern auf und beugte sich vor. »Und ich pflege mein Wort zu halten, Miss Magee. Sie sind es, der man nicht trauen darf. Da sind wir. Die Lady Varina, früher die Mercy. Sie wurde umgetauft.«
Im schwachen Morgenlicht tauchte das Schiff aus rosigen Nebelschleiern auf, wie ein Geist. Der Name einer vornehmen Dame wie Varina, mit Präsident Davis von der Konföderation verheiratet, paßte zu dem schönen, eleganten Schoner, der anmutig auf den Wellen schaukelte. Während Jerome näher heranruderte, entdeckte Risa fünf Geschütze an der Steuerbordseite. Zweifellos würden sich fünf weitere an der Backbordseite befinden.
Sie versuchte sich einzureden, kampfstarke Schiffe von der Union Navy könnten diesen kleinen Rebellenschoner mühelos versenken. Aber da sie in militärischen Kreisen aufgewachsen war, kannte sie die Vorteile schneller, wendiger Schiiffe.
Sobald sie die Steuerbordseite erreichten, wurde eine Strickleiter herabgelassen. Risa erhob sich, und das kleine Boot schwankte gefährlich. Von kalter Panik erfaßt, wollte sie sich lieber dem Meer anvertrauen, statt mit dem Captain und seiner Besatzung davonzusegeln. Aber Jerome stand dicht hinter ihr, balancierte den Kahn aus und legte ihre Hände auf eine Sprosse der Strickleiter. So blieb ihr nichts anderes übrig, als hinaufzuklettern.
Der rotblonde Bursche, der sie auf Belamar bewacht hatte, begrüßte sie und half ihr an Deck. Rasch schaute sie sich um und zählte die Besatzungsmitglieder. Fünfzehn Mann. Wahrscheinlich waren noch mehr an Bord und bereiteten die Abfahrt vor. Die Leute trugen keine Uniformen, nur schäbige Hemden und Hosen, und die meisten waren ziemlich jung. Doch sie sah auch ein paar Graubärte. Barfuß standen sie auf den Planken, musterten Risa und erwarteten die Ankunft ihres Captains.
Geschmeidig schwang er sich über die Reling und trat neben seine Gefangene. »Gentlemen, für einige Zeit haben wir einen Gast in unserer Mitte. Wenn die Dame auch alles verabscheut, wofür wir kämpfen, werden wir ihr beweisen, daß die Gastfreundschaft der Südstaatler kein Mythos ist. Kurz gesagt, sie muß bei uns bleiben, trotz ihrer fatalen Neigung, im Meer zu baden. Segeln wir los, Hamlin.«
Ein großer, schlanker Mann mit silbernen Strähnen im dunklen Haar salutierte lächelnd. Respektvoll nickte er Risa zu, dann gab er der Besatzung seine Befehle.
»Kommen Sie, ich bringe Sie in Ihr Quartier.« Risa spürte Jeromes Hand auf ihrer Schulter. Trotz ihrer mißlichen Lage bewunderte sie das schöne Schiff. Er führte sie an den Männern vorbei, die geschäftig umhereilten, drei Stufen hinab und in die Kapitänskabine.
Im gedämpften Morgenlicht brannte eine hübsche kugelförmige Lampe auf einem Eichenschreibtisch. Zur Linken war eine Koje in die holzgetäfelte Wand eingebaut, von Regalen voller Bücher und Kristallkaraffen umgeben. Seltsamerweise befand sich eine kleine Tür neben der Koje. Davor stand ein wuchtiger lederner Ohrensessel. Auf der anderen Seite der Kabine sah Risa weitere Regale, einen Schrank und eine Bullaugenreihe mit geschlossenen kobaltblauen Vorhängen. Die exquisite, geschmackvolle Einrichtung paßte nicht zu einem Kriegsschiff und erinnerte eher an ein Handelsschiff.
»Nun?« fragte Jerome höflich, und sie wandte sich zu ihm. Seine Arroganz stand ihm gut. In einem weißen Hemd, am Kragen geöffnet, engen Breeches, einem dunkelgrauen Gehrock und blankpolierten Stiefeln war er ganz der Herr seines Schiffs – und seines Schicksals.
Doch sie hatte nicht vor, ihm Komplimente zu machen. »Gehört Ihre zerlumpte Besatzung wirklich der Confederate Navy an?«
Sein leises, rauhes Gelächter beschleunigte ärgerlicherweise ihren Puls. »In der Konföderation müssen wir uns mit dem begnügen, was wir haben, Miss Magee. Bedenken Sie – die Union begann diesen Krieg mit der achtzigjährigen Erfahrung eines geeinten Landes, während wir uns zunächst ohne Regierung, ohne finanzielle Mittel, ohne Army und Navy zurechtfinden mußten. Verzeihen Sie uns den Mangel an schneidigen Uniformen.«
Seine Gelassenheit verwirrte sie, denn sie hätte ihn gern in Wut gebracht. »Und das ist wohl mein Gefängnis? Wenn ja, sehe ich außer der Tür keinen Fluchtweg. Also können Sie mich beruhigt allein lassen und Ihr Schiff kommandieren.«
»Ganz recht, das ist Ihr Gefängnis.« Mehr sagte er nicht, aber nun las sie unverhohlenen Zorn in seinen blauen Augen. Abrupt ging er hinaus, schloß die Tür hinter sich, und sie erkannte verwirrt, daß sie nicht auf sein plötzliches Verschwinden vorbereitet gewesen war. Sie hatte gehofft, ihn zu provozieren, einen Streit herauszufordern. Warum, wußte sie nicht genau. Aber sie empfand eine vage Angst, die sie sich allerdings nicht eingestehen durfte. Sie war immerhin die Tochter eines Generals.
Eine Zeitlang stand sie nachdenklich da, bis sie von einem heftigen Ruck quer durch die Kabine geschleudert wurde und in der Koje landete. In den letzten Monaten war sie lange genug an Bord eines Schiffes gewesen, auf der Fahrt von Washington nach St. Augustine, dann zur Biscayne Bay. Hoffentlich wurde sie jetzt nicht seekrank – das wäre zu peinlich. Reglos blieb sie liegen und spürte, wie das Schiff immer schneller über die Wellen segelte. Sie schloß die Augen. Allmählich gewöhnte sie sich an die rhythmischen Schwankungen und schlief ein.
Als sie erwachte, fühlte sie erneut die sanfte, tröstliche Bewegung. Dann erinnerte sie sich wieder, daß sie gefangen war, an Bord eines feindlichen Schiffs. Hastig setzte sie sich auf – etwas zu schnell, und ihr wurde schwindlig. Doch das Unbehagen ließ bald nach, und sie stieg vorsichtig aus der Koje.
Wie spät machte es sein? Zwischen den Vorhängen drang helles Licht hindurch. Also mußte sie mehrere Stunden geschlafen haben. Sie rieb sich den Nacken.
Neugierig betrachtete sie den Schreibtisch und überlegte, welche Korrespondenz in den Schubladen verwahrt wurde. Jetzt war sie gefangen. Doch das würde sich ändern, und wenn sie entkam ...
Sie setzte sich hinter den massiven Eichenschreibtisch, öffnete das oberste Schubfach und entdeckte einen Stapel Briefe. Sicher würden sie wichtige Informationen enthalten. Eifrig sah sie die Papiere durch. Zu ihrer Enttäuschimg fand sie nur Privatbriefe. Der erste stammte von Ians Schwester Tia, die erklärte, sie würde sich gern nützlich machen und zusammen mit ihrem Bruder in seinem behelfsmäßigen Lazarett am St. Johns arbeiten. Den zweiten Brief hatte Jerome McKenzies Schwester Sydney geschrieben, wohnhaft in Charleston, den dritten sein Bruder Brent, den man wegen eines dringenden medizinischen Problems nach Richmond berufen hatte.
Während Risa die Briefe studierte, entsann sie sich, daß sie militärische Anhaltspunkte suchte, und es war zweifellos ungehörig, in der Privatpost des Captains herumzuschnüffeln. Aber Brents Brief interessierte sie sehr. Trotz ihrer Gewissensbisse las sie weiter.
»... und leider fordern die Krankheiten mehr Todesopfer als die Kugeln. Ich weiß, die Unionsärzte bemühen sich genauso wie wir, unsere Jungs von Dysenterie und Fieber zu heilen und auf die Schlachtfelder zurückzuschicken. Um alles noch zu verschlimmern, hat man mich mit einer neuen Aufgabe betraut. Wie der Generalstabsarzt feststellte, leiden viele Soldaten an peinlichen Krankheiten, die vom Kontakt mit dem schönen Geschlecht herrühren. Ja, in der Tat. Kannst Du Dir das vorstellen, Jerome? Diesen Krieg wird vermutlich jene Seite gewinnen, die zuerst ein Mittel gegen die grassierenden Geschlechtskrankheiten findet. Wieder einmal muß ich Dich erinnern – wir brauchen dringend Medikamente. Gewiß, wir haben die besten militärischen Köpfe, brillante Generäle kämpfen für unsere Sache, und in unserem Volk schlagen starke Herzen. Aber die Unionsführer sind nicht dumm, und sie wissen, daß sie uns langsam in die Knie zwingen, aushungern und unsere geschwächten Männer ohne Medizin und Anästhesie sterben lassen können. Falls Du mir schreiben willst – vorerst bin ich in Richmond stationiert. Gott mit Dir, mein Bruder.«
Risa legte den Brief beiseite. Zu ihrer eigenen Verblüffung zitterte sie.
Plötzlich wurde sie von einer seltsamen Beklemmung erfaßt und blickte verwirrt auf. Jerome war zurückgekehrt – lautlos. Oder sie hatte, in den Brief vertieft, nicht gehört, wie die Tür geöffnet worden war.
Er lehnte an der Wand und schien sie schon eine ganze Weile zu beobachten. Da er nur seine Breeches trug, mußte er in der Takelage gearbeitet haben. In seinem bronzebraunen Hals tickte ein Puls. Mit dem zerzausten dunklen Haar, das fast bis zu seinen Schultern reichte, glich er mehr denn je einem Indianer.
Brennend stieg ihr das Blut in die Wangen, und sie stand hastig vom Schreibtisch auf. Als Jerome auf sie zuging, wich sie erschrocken zurück. Allzuweit kam sie nicht. Er blieb dicht vor ihr stehen und musterte sie wütend, so verächtlich, daß sie fürchtete, er würde sich an ihr vergreifen. Doch er rührte sie nicht an. Statt dessen schloß er das Schubfach, lehnte sich an die Tischkante und verschränkte die Arme vor Brust. »Haben Sie irgendwas Interessantes entdeckt?«
»Nein, natürlich nicht. Sie wissen ja, was Ihre Schubladen enthalten.«
»Keine militärische Korrespondenz. Seien Sie froh darüber, Miss Magee. Sie wollen der Gefangenschaft entrinnen, und ich beherberge Sie nur notgedrungen auf diesem Schiff. Meiner Familie zuliebe habe ich Sie bisher sehr rücksichtsvoll behandelt. Wenn Sie sich weiterhin so impertinent verhalten, könnte ich mich bald anders besinnen.«
»Wenn Sie erwarten, Ihre Gefangenen würden Ihnen höflich begegnen, täuschen Sie sich.«
Unsanft packte er Risas Handgelenk und zog sie zu sich heran. Kalte Furcht erfaßte ihr Herz. »Und Sie dürfen keine Gnade von mir erwarten, Miss Magee.«
Als er sie losließ, trat sie rasch zurück. Gegen ihren Willen hörte sie sich stammeln: »Ich – ich werde keine Informationen mehr in Ihren Schubladen suchen. Das schwöre ich.«
»Trotzdem traue ich Ihnen nicht über den Weg. Sie werden meine Papiere nicht mehr lesen, weil ich sie demnächst entfernen lasse. Übrigens, ich bin zu Ihnen gekommen, um Sie vor einem bevorstehenden Feuergefecht zu warnen. Bleiben Sie in der Kabine – es sei denn, das Schiff sinkt«, fügte er hinzu und wandte sich zur Tür.
»Was sehr leicht geschehen kann!« rief sie ihm erbost nach.
Da kam er zurück, ergriff ihre Hände und umklammerte sie so fest, daß sie sich nicht befreien konnte. »O nein, dieses Schiff wird wohl kaum sinken. Ich habe es selbst gebaut, und es segelt schneller und behender als alles, was man derzeit auf dem Meer findet. Wenn es mir mißlingt, meine Gegner zu überrumpeln und die Beute zu erobern, entfliehe ich den schweren Geschützen mühelos. Eine ganz einfache Strategie. Am besten legen Sie sich in die Koje, da wir mit einem lebhaften Seegang rechnen müssen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ er sie los und eilte zur Tür. Doch sie rannte ihm nach und trommelte mit beiden Fäusten auf seinen Rücken. Verblüfft drehte er sich um.
»Glauben Sie, ich verkrieche mich hier drin, während Sie meine Landsleute auf dem Wasser jagen?« zischte sie.
»Miss Magee, ich kämpfe mit allem Respekt vor dem menschlichen Leben, und ich will meine Feinde nicht töten. Mir geht es nur um die Vorräte, die ich konfiszieren möchte. Legen Sie sich in die verdammte Koje, oder ich muß Sie festbinden.«
Empört sprang sie zurück. »Drohen Sie mir nicht, Sie wilder Halbindianer! Unterstehen Sie sich ...«
Sie unterbrach sich entsetzt, als er sie blitzschnell hochhob. Ehe sie wußte, wie ihr geschah, lag sie in der Koje. Jerome kniete über ihr. Trotz ihres verbissenen Widerstands band er ihr rechtes Handgelenk an einem Haken über dem Kopfteil fest, mit einem Strick, den er aus dem Regal genommen hatte.
»Tun Sie das nicht«, wisperte sie. »Bitte ...«
Ausdruckslos erwiderte er ihren Blick und überprüfte den Knoten. »Tut mir leid. Das haben Sie sich selber zuzuschreiben.«
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Kabine, und Risa unterdrückte den Hilferuf, der in ihrer Kehle aufstieg. Niemand würde zu ihr kommen. Offensichtlich war die Besatzung dem Captain treu ergeben.
Aber ein paar Sekunden später stieß sie einen gurgelnden Schrei aus, als der erste Schuß krachte, von der Lady Varina abgefeuert. Dann erzitterte das ganze Schiff unter den gewaltigen Rückstößen der Kanonen. In den Lärm der Seeschlacht mischten sich schrille Stimmen, und der Schoner schwankte heftig, während gegnerische Geschosse klatschend ins Wasser fielen. An die Koje gefesselt, schloß Risa angstvoll die Augen. Das Feuer schien kein Ende zu nehmen.
Wenn sie doch aufstehen könnte ... Sie fürchtete, eine Kugel würde die Kabinenwand durchschlagen, das zersplitterte Holz in Flammen aufgehen, und sie wäre hilflos gefangen.
Wieder erklang gellendes Geschrei. Verzweifelt zerrte und fingerte sie mit der freien Hand an ihrer Fessel.
Wann die Schüsse verstummt waren und das Schwanken nachgelassen hatte, wußte sie nicht genau. Sie versuchte immer noch, sich zu befreien, als die Tür aufschwang.
Mitten in der Bewegung erstarrte Risa und beobachtete argwöhnisch den jungen rotblonden Seemann, der in Breeches, mit bloßen Füßen zu ihr trat. Auf seiner Brust mischte sich Schweiß mit schwarzem Schießpulver. Beim Anblick des Messers in seiner Hand stockte ihr Atem.
Offenbar las er die Panik in ihren Augen, denn er versicherte hastig: »Alles in Ordnung. Aber da ich den Captain kenne, weiß ich, daß man seine Knoten nicht lösen kann.«
Rasch durchschnitt die Klinge den Strick. Risa setzte sich auf und rieb ihr wund gescheuertes Handgelenk. »Vielen Dank. Wenigstens ein Mann auf diesem Schiff besitzt Anstand und Ehrgefühl, wenn der Captain auch verrückt ist ...«
»Miss Magee ...«
»Bitte, Sie müssen mir zur Flucht verhelfen. Verstehen Sie denn nicht? McKenzie ist wahnsinnig. Sonst hätte er mich nicht gefesselt, obwohl das Schiff zu sinken drohte.«
»O Miss Magee ...«, begann der junge Mann unbehaglich, doch sie hörte nicht auf ihn.
»Dieser elende Bastard! Aber was soll man anderes von einem Halbblut erwarten, einem Rebell, einem skrupellosen Barbaren?«
»Miss Magee ...«
»Schon gut, Michael«, drang eine tiefe Stimme von der Tür herüber, und der junge Mann starrte Risa unglücklich an.
Sie spähte an ihm vorbei und sah Jerome McKenzie auf der Schwelle stehen, in Schweiß gebadet, mit Schießpulver beschmutzt. Über seine Brust zog sich eine blutige Schnittwunde. Leuchtend blau zeichneten sich seine Augen im verrußten Gesicht ab. »Erinnere mich dran, mein Junge – nächstes Mal muß ich sie nicht nur fesseln, sondern auch knebeln.«
»Aye, Captain«, murmelte Michael verlegen und ergriff die Flucht. Ohne Jerome aus den Augen zu lassen, stand Risa unsicher auf.
»Michael ist ein guter, braver Junge, Miss Magee«, erklärte er. »Aber er wäre niemals hierhergekommen, um Ihre Fesseln zu durchschneiden, wenn ich’s ihm nicht befohlen hätte.«
»Beinahe wäre ich gestorben!«
»Vor Ihrer Tür stand ein Wachtposten. Beim kleinsten Anzeichen einer Gefahr hätte er Sie befreit.«
»Wurde die Maid of Salem gekapert?« fragte sie leise und sank in die Koje zurück.
»Aye.«
»Und die Besatzung?«
»Natürlich haben wir die Hälse aller Überlebenden aufgeschlitzt.«
Erschrocken rang sie nach Luft. Dann merkte sie, daß er sie verspottete. »Die Besatzung, McKenzie?«
»Der Feind hat drei Mann verloren, wir einen. Jetzt holen einige meiner Leute die Fracht von der Maid of Salem herüber. Danach wird sie frisch gestrichen, umgetauft und in den Dienst der Konföderation gestellt. Wir bringen die Yankees zu einer kleinen Landzunge, an der zahlreiche Unionsschiffe auf dem Weg nach Key West vorbeisegeln.«
»Also ein voller Erfolg«, flüsterte sie.
»Ja, ich kann unvorsichtige feindliche Kommandanten sehr oft überrumpeln – eines meiner bescheidenen Talente.« Er setzte sich an den Schreibtisch, nahm eine Rumflasche aus dem untersten Schubfach und entkorkte sie. Nach einem großen Schluck biß er die Zähne zusammen und goß etwas Alkohol auf seine Wunde. Der Rum spülte ein wenig Ruß weg.
Bestürzt sah Risa den tiefen Schnitt und sprang auf. »Das muß genäht werden.«
»Machen Sie sich Sorgen um mich?«
»Ich habe nur festgestellt, daß die Wunde genäht werden muß.«
»Möchten Sie das erledigen?«
»In der Tat, es wäre mir ein Vergnügen, immer wieder mit einer Nadel in Ihr Fleisch zu stechen«, erwiderte sie honigsüß.
Grinsend lehnte er sich zurück. »Eine ehrliche Frau – wie erfrischend! Soll ich mich auf Ihre Fähigkeiten verlassen? Im Augenblick ist unser Schiffsarzt mit schlimmeren Verletzungen beschäftigt.«
Sie zögerte und fragte sich, ob sie den Verstand verlor. Würde sie’s wirklich genießen, mit einer Nadel in seine Brust zu stechen. Oder konnte sie nach der monatelangen Arbeit im Hospital von St. Augustine die tiefe Schnittwunde eines Mannes ganz einfach ignorieren?
»Wenn Sie Nadel und Faden holen lassen, verarzte ich Sie.« Seine Augen verengten sich, und sie seufzte ungeduldig. »Ihren Vetter Julian kenne ich nicht. Aber ich habe den Ärzten geholfen, die seine Praxis in St. Augustine übernahmen, als er mit dem Militär landeinwärts zog.«
Forschend schaute er sie an. Überlegte er, ob sie die Nadel mitten in sein Herz bohren würde? Was er zweifellos verdiente ... Doch sie beschloß, diesen Impuls zu bezähmen. Seine Männer würden sich gnadenlos an ihr rächen.
»Wie Sie meinen«, entgegnete er und zuckte die Achseln. »Michael!« Der junge Seemann öffnete die Tür. »Bring uns Nadel und Faden. Miss Magee hat sich freundlicherweise bereit erklärt, meinen Wunde zu nähen.«
Gequält verdrehte Michael die Augen. Auch er schien das Allerschlimmste von ihr zu erwarten.
»Großer Gott, ich bin keine Närrin!« rief sie ärgerlich. »Glauben Sie, ich würde mit einer Nadel um meine Freiheit kämpfen?«
Michael hob die Brauen, und Jerome nickte ihm fast unmerklich zu. Wenig später kehrte der junge Mann mit den gewünschten Utensilien, einer Wasserschüssel und einem Schwamm zurück.
Risa holte tief Atem, straffte die Schultern und ging zum Schreibtisch. Sie befeuchtete den Schwamm, dann wusch sie behutsam das Blut und den Ruß von der Wunde. Dabei spürte sie Jeromes mißtrauischen Blick. Aber er zuckte kein einziges Mal zusammen.
»Soll ich Ihnen helfen, Ma’am?« erbot sich Michael.
»Ich glaube, Miss Magee kommt sehr gut allein zurecht«, bemerkte der Captain.
Michael verließ die Kabine, und Jerome nahm noch einen Schluck Rum. Während Risa die Wunde so sanft wie möglich reinigte, dachte sie, wie bedauerlich es war, daß diese schimmernde bronzebraune Haut so brutal zerfetzt worden war. Geflissentlich wich sie Jeromes Augen aus und hielt die Nadel in die Flamme der Lampe.
»Was tun Sie da?«
»Manche Arzte glauben, auf diese Weise würde man einer Infektion vorbeugen. Wie man mir erzählt hat, vertritt auch Julian diesen Standpunkt. Und er meint, mit sauberen Schwämmen und Verbänden würde man den Heilungsprozeß beschleunigen.«
»Gut.«
Risa zog den Faden durch das Nadelöhr.
»Sollten Sie mich nicht vor dem Schmerz warnen, den Sie mir zufügen werden?« fragte Jerome und hielt ihre Hand fest.
Endlich schaute sie ihn an. Seine blauen Augen glänzten hart wie Stahl. »Ja, es wird ziemlich weh tun.« Seufzend ließ er ihre Hand los und trank noch etwas Rum.
Die Lippen zusammengepreßt, begann sie zu nähen. Sie spürte die Hitze seines Körpers, die bebenden Muskeln unter ihren Fingern. Aber er rührte sich nicht. Als sie ihr Werk fast beendet hatte, stöhnte er erleichtert. Sie schnitt den Faden ab und trat zurück. Inzwischen war die Rumflasche fast leer, und er bot Risa an, den Rest zu trinken. Sie schüttelte den Kopf.
»Nehmen Sie einen Schluck. Dann werden Sie etwas zuversichtlicher in die Welt schauen.«
»Dazu brauche ich keinen Alkohol. Sagten Sie nicht, Sie würden mich freilassen, wenn Sie die Maid of Salem gekapert haben?«
»Inzwischen mußte ich mich leider anders besinnen.«
»Was?« rief sie entrüstet.
»Wir müssen sofort zu den Bahamas segeln.«
»Mit mir? Sie können mich nicht zwingen ...«
»Tut mir leid, ich habe keine Wahl.« Aufmerksam beobachtete er ihr Gesicht. »Oder?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Doch, ich denke schon.«
»Wirklich nicht. Und wieso haben Sie keine Wahl? Das ist Ihr Schiff. Und ein grandioser Held wie Sie müßte eigentlich ...«
»Wie auch immer, wir segeln zu den Bahamas, und Sie bleiben noch eine Weile mein Gast.«
»Nein, verdammt noch mal!« In ihrer Wut vergaß sie die Wunde, die sie soeben genäht hatte, und rammte ihre Faust gegen seine Brust. Taumelnd stand er auf, krümmte sich vor Schmerzen, und Risa wich zerknirscht zurück.
Sie wollte sich entschuldigen. Aber dazu kam sie nicht. Er packte ihre Arme und stieß zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Offenbar tun Sie Ihr Bestes, um mich tatsächlich in den grausamen Barbaren zu verwandeln, für den Sie mich halten, Miss Magee.«
»Das wollte ich nicht ...«
»Trotzdem haben Sie’s getan!« Abrupt ließ er sie los und ging zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte. »Obwohl Sie mich so barmherzig verarztet haben, würde ich Sie mit dem größten Vergnügen an Land bringen. Bedauerlicherweise gibt’s in unserer unmittelbaren Nähe keine Küste.«
Damit stürmte er aus der Kabine.
Zitternd und kraftlos sank Risa in den Schreibtischsessel, von wachsender Angst erfüllt. Wie lange mußte sie die Gefangenschaft noch ertragen? Sie ergriff die Rumflasche, die sie zuvor verschmäht hatte, setzte sie an die Lippen und leerte sie bis zum letzten Tropfen.