Читать книгу Mehrsprachigkeit und Schule - Heidemarie Sarter - Страница 8
2.1 Globalisierung
ОглавлениеNationalstaatliche Einsprachigkeitsvorstellungen
Mehrsprachigkeit wurde in unserem Kulturkreis bislang vor allem als zusätzliches Phänomen wahrgenommen: Zum einen als gesellschaftliche Mehrsprachigkeit, gebunden an bestimmte Orte oder Regionen, zum anderen als individuelle, oft migrationsbedingte Mehrsprachigkeit einer bestimmten sozialen und/oder beruflichen Gruppe. Hierzu haben nicht zuletzt auch die nationalstaatlichen Einsprachigkeitsvorstellungen, die im Europa des 19. Jahrhunderts vorangetrieben und in den Schulen durchgesetzt wurden, einen nachhaltigen Beitrag geleistet. Dies hat nach FRANCESCHINI 2011, S. 345 dazu geführt, dass auch die Forschung „[…] has often idealized away the existence of multilingualism, along with all multilingual practices“.
Mehrsprachigkeit ist inzwischen für das Funktionieren wesentlicher Bereiche unserer Gesellschaft, wie Wirtschaft, Technologie, Finanzen, Politik, Kultur und Forschung, unentbehrlich. Damit entwickeln sich in der Globalisierung neue Facetten, Möglichkeiten und Notwendigkeiten von und für Mehrsprachigkeit. Ebenso wie SKLAIR 1999 gehen auch ARONIN/SINGLETON 2008 davon aus, dass Mehrsprachigkeit als globaler Prozess sui generis zu betrachten ist, der über die Ebene von Individuen, Nationen oder internationalen Beziehungen hinausgeht und auf diese verändernd zurückwirkt. Auch für Franceschini ist der Begriff ‚Mehrsprachigkeit‘ mit einem „[…] ongoing change in perspective in society“ (FRANCESCHINI 2011, S. 345) verbunden. So hat nicht zuletzt die verstärkte Migration dazu geführt, dass viele Menschen täglich mit Sprechern anderer Sprachen kommunizieren. Daraus hat sich eine größere Sensibilität für die vorhandene Sprachenvielfalt entwickelt, sodass auch in Europa Einsprachigkeit einfordernde Homogenitätsvorstellungen von sprachlichem Verhalten nun weniger häufig anzutreffen sind. Die aktuelle Situation soziolinguistischer Konstellationen, die sich nicht zuletzt auch im Rahmen von Globalisierungsprozessen entwickelte, hat weltweit zu einer neuen Qualität von Mehrsprachigkeit geführt, die sie zu einem konstituierenden Bestandteil der unterschiedlichen Dimensionen von Globalisierung werden lässt.
Verwendung der Sprachen in unterschiedlichen Kontexten
Dadurch, dass Mehrsprachigkeit nicht mehr nur eine Sache des Individuums und seiner Sprachen, sondern genuiner Bestandteil von Globalisierung ist, ändern sich auch die Forschungsperspektiven. Das Erkenntnisinteresse, das sich bislang vor allem auf Erwerb und Beherrschung anderer Sprachen als der Muttersprache richtete, wird nun auf Fragen der Verwendung der Sprachen in unterschiedlichen Kontexten ausgeweitet und der Fokus dorthin verlagert (s.u.).
Ein wichtiger Faktor, der Mehrsprachigkeit auch im Bewusstsein der Sprecher befördert, ist die Dynamik auf dem Gebiet der Sprachen. ARONIN/SINGLETON 2008, S. 2f. sehen als wichtige Komponenten die Anerkennung von vormals als Varietäten anderer Sprachen angesehenen Idiomen als Sprachen (beispielsweise Luxemburgisch, Korsisch, Afrikaans), die Förderung und Revitalisierung vom Aussterben bedrohter Sprachen, die Standardisierung von Kreolsprachen und ihre Verwendung als Amtssprachen und den Anstieg der Anzahl der Sprachen, die im internationalen Gebrauch verwendet werden (man denke nur an die beständig gewachsene Zahl der Amtssprachen der EU).
Entstehung neuer Sprachen
Darüber hinaus gilt es auch, das Entstehen neuer Sprachen, beispielsweise in Afrika, zur Kenntnis zu nehmen und Regionalsprachen anzuerkennen. Hinzu kommt die weltweite Entwicklung unterschiedlicher Varietäten der englischen Sprache (‚Englishes‘), die mehr und mehr Eigenständigkeit beweisen. All diese Faktoren kennzeichnen die gegenwärtige Dynamik im Bereich der Sprachen, die durch diese Entwicklungen auch nicht unverändert bleiben. Denn Sprachen verändern sich sowohl in ihrem Stellenwert als auch in ihrer lexikalischen und grammatischen Struktur; sie sterben mit ihren Sprechern aus, sie entstehen aber auch in der Interaktion von Sprechern neu. Von daher kann auch das sprachliche Wissen der Sprecher nicht als statisch betrachtet werden. Es muss vielmehr als „[…] provisional, grounded in and emergent from language use in concrete social activity for specific purposes that are tied to specific communities in practice“ (HALL et al. 2006, S. 235) betrachtet werden. Dies gilt es auch für die Vermittlung von Sprachen in Schulen zu berücksichtigen.
Multiethnolekt
In Großbritannien und Frankreich, den europäischen Industrieländern mit längerer Immigrationsgeschichte, begann bereits in den 1970er Jahren eine Entwicklung, die in Ländern mit jüngerer Einwanderungsgeschichte, wie Spanien und Italien, mit größter Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft einsetzen wird und die inzwischen auch in Deutschland sowie anderen europäischen Ländern anzutreffen ist: das Entstehen von Multiethnolekten, beispielsweise ‚kebab-norsk‘ in Norwegen, ‚Multicultural London English‘, aber auch ‚chavspeak‘ in England, ‚verlan‘ in Frankreich, ‚Rinkebysvenska‘ in Schweden, ‚Kiez-Deutsch‘ und ‚Kanaksprak‘ in Deutschland etc. (vgl. u.a. SVENDSEN/RØYNELAND 2008; CHESHIRE et al. 2008, 2011; QUIST 2008; KALLMEYER 1996; KALLMEYER/KEIM 2003a, 2003b; BENNETT 2012; JASPERS 2008; AUER 2003; SCHADER 2006; SCHMID et al. o.J.). Es handelt sich um neue sprachliche Varietäten der Landes- beziehungsweise Amtssprache, die sich in Gruppen von Jugendlichen, deren Mitglieder zu einem hohen Prozentsatz aus Familien mit sprachlich unterschiedlichem und relativ jungem Migrationshintergrund kommen, entwickeln und in denen sich häufig allgemeine Tendenzen der sogenannten Jugendsprachen wiederfinden. Diese Sprachvarietäten haben für ihre Sprecher einen hohen Identifikationsfaktor (vgl. BHATT 2008; HELLER 2003, 2008; BENOR 2010; LAWSON 2011; MONTARULI et al. 2011) und werden als Teil einer erstarkenden Regionalisierung, als Glokalisierung, gesehen; OTSUJI/PENNYCOOK 2010 sprechen von „metrolingualism“.
Sprache versus Dialekt und Soziolekt
Sprachen und ihre Varietäten sind nicht in erster Linie sprachwissenschaftlich definiert und gegeneinander abgegrenzt. Die gegebenen Einordnungen als Sprache oder Varietät einer Sprache sind Resultat politisch-sozialer Machtprozesse, in deren Rahmen die Hierarchisierung und der übergeordnete Stellenwert von Sprachen – in Abgrenzung zu Dialekten oder Soziolekten – definiert und durch Kodifizierung und Standardisierung untermauert wurde. Dies gilt in besonderem Maße für die Nationalsprachen Europas und damit für die in den Schulen unterrichteten (Fremd)Sprachen. HELLER 2008 sieht in den damit festgeschriebenen Grenzen eine Reifizierung von Sprache, die ihres Erachtens gerade in der heutigen Zeit nicht mehr zu rechtfertigen ist. Sprachen bekommen aus ihrer Sicht mehr und mehr „blurring boundaries“; traditierte Bezüge auf Sprache als ‚langue‘, als Kompetenz, werden von daher unter soziolinguistischen Aspekten den sich ändernden Gegebenheiten und Charakteristika nicht mehr gerecht. FRANCESCHINI 2011, S. 346 definiert Sprache ausschließlich auf der Grundlage ihrer Verwendung durch eine Sprechergemeinschaft, unabhängig von gesellschaftlich zuerkanntem Prestige als Sprache, Dialekt oder sonstiger Varietät:
„Language is impartially understood as a variety that a group admits to using as a habitual communication (code regional languages and dialects are also included, such as sign languages).“
Die Entwicklung der letzten Jahre hat nun dazu geführt, dass Mehrsprachigkeit untrennbarer Bestandteil und wesentliches Charakteristikum unserer Gesellschaft geworden ist und sich von einem begrenzten quantitativen Phänomen zu einer qualitativen Dimension der gegenwärtigen globalisierten Gesellschaft entwickelt hat. Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit durchdringen sich in und zu einer neuen Dimension. Dies lässt die von HAMERS/BLANC 1983 eingeführte Differenzung von Zweisprachigkeit in ‚bilingualite‘ als individuelle und ‚bilingualisme‘ als gesellschaftliche Zweisprachigkeit – im Grundsatz übertragbar auch auf Mehrsprachigkeit – zumindest in ihrem Einordnungsmuster obsolet erscheinen. Ablesbar ist der Wandel für ARONIN/SINGLETON 2011, S. 5ff. an dem Ausmaß, in dem das Leben der Menschen, ihr Umgang mit Zeit und Raum, ja ihre Identität, durch diese neue Dimension von Mehrsprachigkeit beeinflusst werden.
Realität, Zeitbewusstsein und Zeitwahrnehmung
Zeit als von Menschen er- und gelebte Realität, Zeitbewusstsein und Zeitwahrnehmung sind keine anthropologischen Konstanten, die von allen Bewohnern dieses Planeten in gleicher Weise erfahren werden. Sie sind von sozialen und kulturellen Bedingungen abhängig und in sie eingebettet. Daraus ergeben sich auch ihre Veränderbarkeit und die Wandlungen, denen sie im Laufe der Geschichte unterworfen sind (vgl. u.a. RIFKIN 1988; BRAUDEL 1969).
‚Beschleunigung‘ der Zeit
Gerade im Bereich der Kommunikationstechnologie und aufgrund der immer schnelleren Übermittlung von Informationen und damit auch der Interaktionen der Menschen untereinander entwickelt sich nach Meinung vieler ein verändertes Zeitgefühl, eine ‚Beschleunigung‘ der Zeit. In engem Zusammenhang damit wird auch das Raum-Zeit-Gefüge von Menschen in der globalisierten Welt anders wahrgenommen und anders gelebt (vgl. u.a. LÜBBE 1995; WEIS 1998; ERIKSEN 2001; HEUWINKEL 2004; ROSA 2005; GOTVED 2006; CILLIERS 2007; NASSEHI 2008; NEVERLA 2010).
Globalisierung ist durch eine Synchronisierung der Zeit auf unterschiedlichen Ebenen gekennzeichnet, die CILLIERS 2007, S. 55 als „universal temporal framework“ bezeichnet. So ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass Menschen in unterschiedlichen Teilen der Welt, das heißt in unterschiedlichen Zeitzonen, zeitgleich miteinander kommunizieren und interagieren, unabhängig von der für sie jeweils gegebenen Tages- oder Nachtzeit. (Sehr häufig sind dies Kommunikationen, die Mehrsprachigkeit zumindest eines Partners voraussetzen.) Durch die Aufhebung vormals gegebener zeitlicher Verzögerungen, bedingt beispielsweise durch postalische Wege, verschiebt sich das diachrone Nacheinander zu einem synchronen Miteinander.
Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit
Durch den Einsatz der modernen Kommunikationstechnologie und den dadurch möglichen – beziehungsweise notwendigen – flexiblen Umgang mit Zeit verwischt sich die Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit ebenso wie die zwischen Arbeitsplatz und Privatleben (vgl. u.a. BUNZ 2012). VÄTH 2011, S. 19 sieht darin auch eine Änderung der Identitätskonzeption des Einzelnen, wenn der derart geänderte „Beruf (…) zu der entscheidenden Stütze des Selbstkonzepts geworden (ist)“. Die inzwischen für viele selbstverständlich gewordenen Neuerungen des alltäglichen Lebens sind in diesen paradigmatischen Wechsel einzubeziehen, so auch das Handy. Ihm wird in diesem Rahmen eine wichtige Rolle zugesprochen, da es nicht nur das Sozialverhalten verändert, sondern allein durch seine Existenz und seine Funktionsgrundlagen – hier sei an McLuhans „Das Medium ist die Botschaft“ (MCLUHAN 1964) erinnert – die Konzeption von Raum und Zeit verwandelt, was nach FORTUNATI 2002, S. 513 eine neue „specific dimension of existence“ hervorgebracht hat (vgl. u.a. auch THULIN/VILHELMSON 2007; LING/CAMBELL 2009). Die weiteren Möglichkeiten der Überbrückung von Raum und Zeit, die durch Smartphones eröffnet werden, gilt es antizipierend zu berücksichtigen, wird doch davon ausgegangen, dass bis 2018 die Zahl der Computerhandys sich weltweit auf ca. 9,3 Milliarden verdreifachen wird (vgl. ZAHL DER SMARTPHONES … 2012).
„Illusion der Gleichzeitigkeit“
Aufgrund der durch diese Entwicklungen entstandenen „Illusion der Gleichzeitigkeit“ (NOWOTNY 1993, S. 17) lebt die gegenwärtige Gesellschaft „[…] in an eternal present, or what Eriksen (2001) calls the ‚tyranny of the moment‘ […]“ (CILLIERS 2007, S. 56). Ermöglicht durch die modernen Kommunikationsmittel werde ein Agieren und Reagieren im Jetzt erwartet, wobei die Gleichzeitigkeit des ‚Jetzt und Hier‘ ergänzt wird durch ein ‚Jetzt und Da‘. Dies alles führt zu einem erhöhten Anspruch an schnelles Handeln. Für GELERNTER 2012 ist
„[d]ie Veränderung unseres Zeitgefühls (…) der vielleicht wichtigste Aspekt der digitalen Revolution. So wie handgeschriebene Briefe und Bücher ein bedachtsames, gedankenvolles Lesen und Schreiben anregten, erzeugt die immer kleiner werdende Lücke zwischen Schreiben und Publizieren den Druck, immer mehr und schneller zu schreiben. Zugleich erzeugt die Flut von Texten den Druck, auch schnell und nicht mehr so sorgfältig zu lesen.“
Weniger Zeit für Reflexion
Ebenso wie Gelernter sieht auch Cilliers die Gefahr, dass immer weniger Zeit für Reflexion bleibt: „Reflection involves delay, and in a cult of speed, delay is unacceptable.“ (CILLIERS 2007, S. 56) Dass sich dies auch auf wissenschaftliche Publikationen und wissenschaftliches Publizieren auswirkt, bleibt nicht aus.
Neben dem Empfinden für Zeit sind auch der Raum und die Raumwahrnehmung in Veränderung (vgl. u.a. DÖRING/THIELMANN 2009). Dies zeigt sich nicht zuletzt in Begriffen wie ‚global village‘ oder ‚Raumschiff Erde‘, die die Welt ‚zusammenrücken‘ lassen. Auch Entfernungen werden nicht mehr unbedingt in Abhängigkeit von ihrer realen Distanz gesehen, dauert eine Auto- oder Bahnfahrt von Berlin nach Münster beispielsweise doch länger als ein Flug von einer europäischen Hauptstadt zu einer anderen. Neben diese tatsächliche Mobilität tritt die virtuelle; Netzwerke wie Facebook lassen räumliche Entfernungen gar ganz in den Hintergrund treten, erlauben sie doch die Kommunikation mit ‚Freunden‘ überall auf der Welt. Damit verändern sich auch die Begriffe und die Funktion von ‚Ferne‘ und ‚Nähe‘ – sowohl geographisch als auch sozial.
‚Elite-Migration‘
Hinzu kommt, dass weltweit mehr und mehr Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen ihr Land, ihre Region, ihre Sprechergruppe verlassen und sich an einem anderssprachigen Ort in einer anderskulturellen Umgebung ansiedeln. Dabei entwickeln sich im Rahmen der Globalisierung neue Arten und Wege der Migration, beispielsweise die sogenannte ‚Elite-Migration‘, mit – im Gegensatz zur Arbeitsmigration der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts – anders gelagerten sprachlichen und sozialen Ausgangsbedingungen (vgl. LÜDI 2011; ERFURT/AMELINA 2008). Für die Schulen heißt das, dass sie sich mit einer unter Umständen steigenden Zahl an sogenannten Seiteneinsteigern mit hoher sprachlicher Ausgangskompetenz, auch in den als Fremdsprachen gelehrten Sprachen, konfrontiert sehen. Unabhängig davon, um welche Art von Migration es sich handelt und von wo nach wo Menschen ihren Lebensmittelpunkt verlagern: Soziale Nähe und Sprachkontakt können – trotz geographischer Distanz – über die modernen Kommunikationsnetzwerke aufrechterhalten werden, wenngleich sicherlich auch nicht in derselben Art und Weise.
In der Gesamtheit führt dies nicht zuletzt dazu, dass im Rahmen von Globalisierung die traditionellen identitätsstiftenden Parameter destabilisiert werden (vgl. WARSCHAUER 2001) und Identitäten sich ebenfalls mehr und mehr im Fluss befinden. Individuen definieren sich im Kontext ihrer Auseinandersetzung mit der sich ändernden sozialen, kulturellen und sprachlichen Umwelt anders und flexibler (vgl. u.a. BLACKLEDGE/CREESE et al. 2008). Allerdings ist im Rahmen von migrationsbedingtem Orts-, Sprach- und Kulturwechsel zu beachten, dass diese Prozesse Zeit brauchen, denn „,selves arrive ‚later‘ than bodies’ (HORENCZYK 2000, S. 14)“ (zit. n. ARONIN/SINGLETON 2008, S. 7).
Regionalisierung und Glokalisierung
Es sind allerdings nicht nur die integrierenden Prozesse der Globalisierung, die das soziale Leben bestimmen, sondern ebenso die dem scheinbar entgegenstehenden Prozesse der Regionalisierung und Glokalisierung (vgl. FISHMAN 1998). Von daher sind Mehrsprachigkeit und „[…] sociolinguistic globalization as a chequered, layered complex of processes evolving simultaneously at a variety of scales and in reference to a variety of centres“ (BLOMMAERT 2010, S. 20) zu sehen.
In einem solchermaßen veränderten Umfeld verändern sich auch sprachliche Gewohnheiten: Kommunikation mit Menschen anderer Sprachen wird allgegenwärtig. Der Einsatz von mehr als einer Sprache und der Wechsel zwischen Sprachen bestimmen immer öfter Kommunikationssituationen, sowohl im ‚Jetzt und Hier‘ als auch im ‚Jetzt und Da‘ der jeweiligen Kommunikationspartner, für die gilt, dass „sets of languages, rather than single languages, now perform the essential functions of communication, cognition and identity for individuals and the global community“ (ARONIN/SINGLETON 2008, S. 4). Damit gewinnt Mehrsprachigkeit als wesentlicher, inhärenter Faktor von Globalisierung einen neuen, identitätsstiftenden und identitätsverändernden Stellenwert.
Mehrsprachigkeitsforschung
Folgerichtig haben sich auch die Fragen der Mehrsprachigkeitsforschung verändert; im Zentrum gegenwärtiger Ansätze steht nicht mehr in erster Linie der Lernende und sein Lern- und Erwerbsprozess, sondern der Sprechende als Nutzer und Anwender von Sprachen. Die aktuelle Diskussion im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung wird online und in Englisch geführt. Dadurch hat sich die Vielfalt der Stimmen erhöht und der Blickwinkel ausgeweitet. Neben dem WEIRD-Blick (Western Educated Industrialized Rich Democratic) finden sich inzwischen auch mehr und mehr Positionen aus anderen Regionen der Welt und mit anderen Perspektiven (vgl. HENRICH et al. 2010).
Prestige von Sprachen
Mit der Verschiebung wirtschaftlicher Partizipation ändern sich auch tradierte Sichtweisen auf das Prestige von Sprachen; diglossische Situationen (FERGUSON 1959; FISHMAN 1965) scheinen durch Regionalisierung und Glokalisierung auch ihre Trennschärfe zu verlieren.