Читать книгу Ein einziges Wort - Heidy Spaar-Lindenberger - Страница 5

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Sein im Garten

Ein Hauch von Wind, lässt die Bambusblätter erzittern.

Die Abendsonne malt ihre

unruhigen Schatten an die Wand.

Dazu tanzen die Mücken ihren Reigen.

Zartrosa färbt sich der Himmel und lässt

für einen kurzen Augenblick das filigrane Geäst

der nackten Bäume hervor treten.

Ein Flugzeug ertönt und verhallt in der Ferne.

Wohin fliegen meine Träume?

Wie ein frischer Wind wirbelt der Kunde in den Coiffeur Salon, er ist immer auf dem Sprung. Kaum sitzt er auf dem Stuhl, sollte der Haarschnitt schon fertig sein. Nur wenige Männer lassen sich Zeit, ihrem Gesicht den perfekten Rahmen zu geben. Die Anmeldung ist wie ein Hilferuf. Zwischen zwei Sitzungen, während der Mittagspause, kurz vor Feierabend, der bevorstehenden Einladung, dem Klassentreff, der Hochzeit oder dem Abflug für in die Ferien.

Meine Schere gleitet durch die Haarspitzen und ich erlebe tausend Leben.

Gebe Stichwörter für die nächste Sitzung, Tipps für das Abendessen. Nehme Anteil an allen Kinderkrankheiten. Diskutiere über sämtliche Königshäuser und über das letzte Tennisspiel von Federer. Bespreche den letzten Boxkampf betreffs «Schlitzohr». Verschreibe schmerzstillende Salbe für den Rücken. Empfehle Schulen, gebe Tipps für den Umgang mit der Lehrerschaft. Freue mich über sein neues Auto und lebe die vielfältigen Beziehungskisten durch und reise mit meinen Kunden durch die ganze Welt.

Schnipp, schnipp, macht die Schere unbeirrt weiter.

Im Moment lausche ich den Worten meines Kunden. Er erzählt von seiner zukünftigen Reise durch Costa Rica. Er schwärmt vom letzten Naturparadies auf Erden. In meinen Gedanken fahre ich mit ihm vorbei an Regenwälder, sehe die fantastischen Strände, besteige Vulkane. Lerne die Costericaner kennen. Die ehemaligen spanischen Bauern aus der Zeit von Columbus vor 500 Jahren. Dazwischen klingelt das Telefon, es surren die Föhne und die Luft schwängert sich mit Dauerwelldämpfe. Spiegelkontrolle und die Kasse klimpert. Dankeschön und auf Wiedersehen und eine erholsame Reise.

Jetzt die wohlverdiente Zigarette, Füsse auf den Schreibtisch und den Blick zum Fenster, der verliert sich an der langweiligen Fassade des gegenüberliegenden Gebäudes. Heute ist die Wand eingehüllt in dicken Nebel, welcher die harte Kante des Flachdaches abrundet und der darüber herausragenden nackten Baumkrone, die Blösse bedeckt. Der Winter steht bevor. Wie der blaue Dunst sich durch das offene Fenster hinausschlängelt, schleicht sich der Nebel in den Raum hinein. In mir breitet sich eine unbändige Sehnsucht aus und ich beginne zu träumen. Ich fühle den warmen Sand auf meiner Haut. Tanze im Wind und tauche auf den Grund des Meeres. Schwimme mit den Fischen um die Wette. Schauckle in der Hängematte und die Sonne lacht mit mir. In mir singt es, nimm mich mit auf die Reise. Das einzige Wort, Paradies, hypnotisierte mich, ich könnte alles was zu mir gehört verlassen, irgendwo auf diesem Planeten landen, wo mich keiner kennt und ohne Pflichtenheft.

Ich erwache aus meinem Tagtraum. Da schaltet sich die Vernunft ein, was ist eigentlich mit Dir los, dir geht es anscheinend zu gut! Was sagt dein Mann, deine Kinder, deine Freunde, deine Kunden, du kannst doch nicht einfach… warum nicht, nur für ein paar Monate verschwinden. Wie sieht das Leben aus, fern meiner selbstgesteckten Grenzen?

Ach was, Ohrenschmaus, Illusionen, Träumereien. Was soll das, ich will nicht den Rest meines Lebens in der Hängematte vor mich hintuckern. Wo liegt wohl dieses Land, von dem mein Kunde vor ein paar Minuten so begeistert erzählte?

Vom nahen Kirchturm schlägt es Zwölf Uhr, keine Zeit für weitere Fragen. Ein Schnellzug rast durch meinen Kopf. Zu Hause warten sechs hungrige Mäuler. Mein Patriarch, ein sich emanzipierender Sohn, drei pupertierende Töchter und meine Freundin Gita. Sie könnte meine älteste Tochter sein so jung ist sie. Gestern Abend ist sie unerwartet bei uns aufgetaucht. Sie wirkt wie ein verlorenes Kücken, das ab und zu bei uns Unterschlupf findet. Ihr ganzes Chaos von der Seele schreit, ihre Batterien auftankt und wieder verschwindet.

Ein einziges Wort

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