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1. Einleitung

1. Einleitung

Kochen ist hipp, Kochen ist Trend! Spätestens seit Jamie Olivers Erfolgen als „naked chief“ ist Kochen wieder richtig angesagt und aus der derzeitigen deutschen Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Letztens standen wir in der Münchner U-Bahn neben drei jungen Männern, die sich über ihre erste eigene Wohnung unterhielten. Alle drei befanden sich offensichtlich noch in der Lehre. Einer hatte gerade einen Kredit über 10.000 (!) Euro aufgenommen, um sich unter anderem eine „stylische Küche“ einzurichten! Die anderen beiden bekundeten laut ihre Bewunderung. Die Küche als Statussymbol eines vielleicht 19-jährigen Jungen!

Das Kochen hat in den letzten 20 Jahren den Sprung geschafft von einer anheimelnden Tätigkeit der Hausfrau am Herd hin zu einer Fähigkeit, die in der „peer group“ und der Gesellschaft anerkannt wird. Zugleich verspricht sie Unabhängigkeit von der elterlichen Versorgung und deren Gewohnheiten! Ein guter Koch/eine gute Köchin zu sein, ist attraktiv geworden.

Warum ist dies für uns von Bedeutung?

Weil es uns heute wesentlich leichter fällt, Jugendliche und junge Erwachsene für Kochprojekte zu begeistern.

1.1 Outdoor-Küche als erlebnispädagogische Methode

Essen und Trinken zählen, ähnlich wie Schutz und Wärme, zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Sind diese Grundbedürfnisse nicht ausreichend befriedigt, fällt es uns schwer, uns auf andere Dinge zu konzentrieren oder einzulassen. Aus diesem Grund ist „Essen und Trinken“ wahrscheinlich Thema einer jeden (erlebnis-) pädagogischen Maßnahme, die länger als 5 Stunden dauert. Wir machen die Outdoor-Küche zum Teil des laufenden Prozesses und unserer erlebnispädagogischen Arbeit. Diese wird nach den gleichen Überlegungen konzipiert und ausgewertet wie andere erlebnispädagogische Methoden auch.

Bezugnehmend auf die geforderte Auswertung und die darin enthaltenen Transferleistungen der TeilnehmerInnen, bietet sich das Medium Outdoor-Küche in besonderer Weise an, da kochen keine „exotische“ Situation per se darstellt, aus der heraus eine Übertragungsleistung erfolgen soll. Das alltägliche Kochen verläuft zwar unter anderen Rahmenbedingungen, aber die Grundstrukturen ähneln einander. So sind es gerade die sinnlichen Eindrücke, wie Gerüche oder Geschmäcker, die den TeilnehmerInnen einen erfolgreichen, situativen Abgleich mit ihren bisherigen Erfahrungen ermöglichen.

Die Outdoor-Küche stellt in Bezug auf die Prozessbegleitung besondere Anforderungen an die TrainerInnen:

Es handelt sich um ein zeitlich befristetes Projekt, an dessen Ende ein vorab definiertes Produkt steht. Unweigerlich werden wir die Erfahrung machen, dass manche Produkte nicht der anfänglichen Definition entsprechen.


Foto:verbrannte Zimtschnecken

Schwieriger werden Situationen jedoch dann, wenn der Prozess einen Verlauf nimmt, der kein Produkt, sprich Essen, mehr ermöglicht, wir dieses Produkt jedoch benötigen, um ein Grundbedürfnis der Gruppe zu befriedigen.

Arbeitet eine Gruppe 3 Stunden oder länger an der Bewältigung einer Problemlöseaufgabe und schafft diese nicht, sollte das für die TrainerInnen in der Begleitung keine Relevanz und in der Auswertung keine Konsequenz haben.

Entsteht aber bei der Outdoor-Küche über einen längeren Zeitraum kein Produkt, läuft die Gruppe Gefahr, durch das Nichtbefriedigen eines Grundbedürfnisses ihre Lernfähigkeit zu verlieren, und der „Druck“ auf die LeiterInnen einzugreifen wächst. Die Schwierigkeit wird sein, den richtigen Zeitpunkt für das Eingreifen zu wählen, ohne den Lern- und Erfahrungsprozess zu gefährden.

„Es ist leichter als man glaubt, Teilnehmer abhängig zu machen. Und es ist bedauerlich, dass solche Abhängigkeit so oft einfach daraus erwächst, dass der Kursleiter hilfreich und unterstützend sein möchte.“ (Stephen Bacon in „Die Macht der Metaphern“)

„Aber dann ist ja jede Art des Kochens Erlebnispädagogik!“, mag jetzt eine kritische Stimme einwerfen.

JA! Solange sie bei den TeilnehmerInnen keine strukturgleichen, sondern lediglich strukturidentische, sprich isomorphe, Situationen schafft – lautet unsere Antwort. Dies ist mit der Outdoor-Küche bei europäischen TeilnehmerInnen zumeist der Fall. Wie wir in dem Interview von Philomène aus dem Senegal (vgl. Kapitel 8) erfahren, würde die Technik des Outdoor-Kochens bei ihr nicht als erlebnispädagogische Methode greifen. Für sie ist es alltäglich am offenen Feuer zu kochen und es wäre für sie eine deutlich größere Herausforderung, sich mit den Gerätschaften einer modernen Küche auseinander setzen zu müssen. JA! Wir würden das Indoor-Kochen am Induktionsherd mit Mikrowelle bei einer entsprechenden Zielgruppe als erlebnispädagogisches Medium, vergleichbar dem City Bound, bezeichnen!

Da die „Outdoor-Küche“, neben dem „Outdoor-Kochen“, aber noch eine Vielzahl anderer Lern- und Erfahrungsbereiche (Hygiene, Ressourcen, Riten und Gebräuche, …) anbietet, ist erlebnispädagogisches Arbeiten mit TeilnehmerInnen, die kochen am offenen Feuer als strukturgleich erleben, dennoch möglich.

1.2 Erlebnispädagogik und Interkulturelles Lernen

Politische, wirtschaftliche und mediale Entwicklungen lassen interkulturelles Lernen zu einem Erfordernis unserer Zeit werden, zu dem es kaum eine Alternative gibt. Multikulturalität und Diversität sind unser Alltag geworden.

Eine Aufgabe der Pädagogik ist es daher sicherlich, dazu beizutragen, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen gleichberechtigt zusammenleben und ihren gemeinsamen Alltag erfolgreich gestalten können. Die Erlebnispädagogik gestaltet ungewohnte Situationen und ermöglicht durch sie authentische Lernerfahrungen. Die Grenzen des Gewohnten und Bekannten werden aufgeweicht und geöffnet. Neue und ungewohnte Erfahrungen eröffnen neue Lernräume, sofern die Grenzen nicht zu weit überschritten werden.

Wenn wir davon ausgehen, dass eine Gruppe Menschen mit unterschiedlichsten Herkunftskulturen keine sehr große gemeinsame Basis an kollektiv akzeptierten und bekannten Ursprungsregeln und Gewohnheiten inne hat, ist nachvollziehbar, dass die Öffnung der Grenzen sehr behutsam erfolgen muss. Es bedarf niederschwelliger Methoden, um konstruktives Lernen zu ermöglichen.

Insbesondere zur Förderung eines interkulturellen Lernprozesses stellt gemeinsames Kochen und Essen, als Methode eingesetzt, ein hervorragendes Medium dar. In der Gruppe zu kochen und zu essen verbindet und hilft auch über kulturelle Grenzen und Irritationen hinweg. Kulturelle Unterschiede im Umgang mit Nahrungsmitteln sowie in der Zubereitung werden schnell sichtbar und thematisiert.

Wie bereits erwähnt stellt „Essen“ ein gemeinsames Grundbedürfnis dar, welches es zu befriedigen gilt, bevor andere Bedürfnisse sichtbar werden und bearbeitet werden können. Auch Lernen ist erst dann möglich, wenn die Grundbedürfnisse des Menschen (Essen, Trinken, Schlafen, Wärme und Schutz) gestillt sind. Mit dem Einsatz von „Outdoor-Küche“ als erlebnispädagogische Methode können wir dementsprechend „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!“. Während und mit der Befriedigung eines Grundbedürfnisses kann das Verständnis für Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen gefördert werden.

Nicht zuletzt schafft gemeinsames Kochen und Essen den idealen Rahmen für lebendige Kommunikation. Jedes erfreuliche und auch unerfreuliche Ereignis wird in vielen Gesellschaftsformen mit Essen zelebriert und gefeiert. Sei es die Taufe des Kindes, die Hochzeit aber auch der Tod eines geliebten Menschen. Zu allen Festtagen (religiösen und anderen Festen) gehören Festessen einfach dazu!

Hier wird sich ausgetauscht, werden Geschichten erzählt, es wird gemeinsam gelacht und auch geweint.

„Wie zart schmiegt sich der Geburt eines Menschen der Taufschmaus an! Wie bedeutend berührt sich das Brautbette und die Tafel des Hochzeitmahls! Wie tröstend wird selbst der bittere Schmerz tief betrübter Trauergäste durch süße Torten und Kuchen und herzerquickende Weine gemildert und beschwichtigt! Das kleinste Familienereignis wie die wichtigste weltgeschichtliche Begebenheit, eine Verlobung wie eine Krönung, eine gewonnene Schlacht wie eine verlorene Doktordisputation, der Ausbau einer Kleinkinderschule wie eines Ständehauses, eine silberne oder goldene Hochzeit wie ein Friedensschluss, ein Reichstag wie ein Meisterwerden – wie wird, wie kann alles das anders zelebriert, ja überhaupt festlich verwirklicht werden, als durch Essen? Hält doch selbst der Ärmste einen Festtag ohne Braten für einen Widerspruch. >Vor Tisch und nach Tisch< nennt man schön und passend die zwei Hälften des Tages als der Zeit, in welcher der Mensch wacht, wirkt und isst. Mit dem Abendessen nimmt der Mensch vom Tage wie vom Essen Abschied, und der Schlaf wird deshalb auch mit Recht Bruder des Todes genannt.“ (Anthus, Antonius [= Blumröder, Gustav] 1802 – 1853 – zitiert in Die anständige Lust: von Esskultur und Tafelsitten, hrsg. von Ulrike Zischka, München, 1993)

Im Kapitel 8 des vorliegenden Buches werden die interkulturellen Aspekte der Outdoor-Küche bei erlebnispädagogischen Projekten intensiver beleuchtet und mit Beispielen aus „aller Welt“ veranschaulicht.

Wir freuen uns, wenn dieses Extrakapitel (ab Seite 125) Appetit auf mehr Interkulturalität macht!

Faszination Outdoor-Küche

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