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Als ich zu einem defekten Kreuzfahrtschiff fuhr

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Seit ein paar Jahren sind Kreuzfahrten sehr beliebt. Dass diese aber auch Gefahren in sich bergen, verdrängt man häufig. Ganz schlimm kann so etwas werden, wenn die Veranstalter existierende Mängel kennen, diese aber aus Kostengründen nicht beseitigen.

Im Juni erreicht uns die Anfrage einer Transferfahrt nach Savona. Ein saarländisches Reisebüro hatte eine Kreuzfahrt mit einem großen Kreuzfahrtschiff ausgeschrieben und der Bus ist voll besetzt.

Die Reise soll von Savona aus über Barcelona, Casablanca bis nach Madeira führen.

Mit einem zweiten Fahrer geht die Fahrt über Frankreich und die Schweiz in Richtung Italien. Der Gotthardtunnel wirkt noch länger als beim letzten Mal, aber es geht diesmal ohne Blockabfertigung oder Stau durch, da wir ihn in der Nacht durchfahren. Nach dem Tunnel gibt es erst einmal Frühstück für die ganze Reisegruppe. Dann geht es weiter Richtung Süden.

In Savona angekommen nehmen wir den direkten Weg in den Hafen. Da liegt er bereits, der Riesendampfer. Ein großes und stolzes, weißes Schiff mit gelbem Schornstein. Man kann es nicht einmal komplett sehen, aber es überragt das Kreuzfahrtterminal um mehrere Stockwerke.

Die Vorfreude im Bus ist groß. Bevor mein Mann die Koffer ausladen kann, kommt eine Reedereimitarbeiterin in den Bus. In der Hand hält sie einen Stapel Fotokopien und beginnt in bestem Französisch etwas zu erklären.

Leider versteht keiner ein Wort, denn das das Busunternehmen in Frankreich sitzt, ist der einzige Franzose unser Bus. Dahingehend aufgeklärt, wechseln die Mädels und die ominösen Zettel. Und schon folgt die Aufklärung.

Das Kreuzfahrtschiff hat seit der letzten Station einen Schaden am Antriebsstrang und nun muss die gebuchte Reise kürzer ausfallen, als geplant. Da der Schaden nicht schnell repariert werden kann, muss der Kapitän mit geringerer Geschwindigkeit fahren und deshalb fällt Madeira, im wahrsten Sinne, ins Wasser. Dafür bekämen die Fahrgäste aber fünfzig Prozent Rabatt auf die nächste Kreuzfahrt mit dieser Reederei und zusätzlich vierhundert Euro Bordguthaben.

Ratlosigkeit im Bus. Soll man das Angebot annehmen oder nicht? Die ersten Fahrgäste kontaktieren mittels Handy ihre Anwälte und bekommen den Rat, nichts zu unterschreiben oder wenn, nur unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sollen sie an Bord gehen, bevor nicht klar ist, ob sie, ohne das eigentliche Ziel - Madeira, fahren wollen.

Nach einer längeren Beratungszeit entschließt sich die komplette Gruppe, die Reise nicht anzutreten. Das stellt für meinen Mann keine große Schwierigkeit dar, da er zusammen mit dem zweiten Fahrer sowieso den leeren Bus zurückgefahren hätte.

Andere Busfahrer, die im Hafen stehen, haben hingegen richtige Probleme. Ein großes Schweizer Busunternehmen hat nämlich nicht nur dreihundert Fahrgäste nach Savona gebracht, es muss auch dreihundert, die von dem Schiff kommen, wieder mitnehmen. Die einen wollen in die Busse, die anderen aber nicht raus. Wie es ausgeht, bekommen wir nicht mehr mit, denn wir begeben uns vorher auf den Heimweg.

Während der Wartezeit stand Hannes, der ganz gut italienisch spricht, im Hafen und unterhielt sich mit einem Offizier, der von diesem Schiff kam. Dieser erzählte ihm, dass der Dampfer einen Schaden am Antriebsstrang habe. Das sei nicht so einfach zu reparieren. Wenn man Pech hat, müsste das Heck aufgetrennt werden, damit eventuell die Welle getauscht werden kann. Dieses wiederum geht nur im Trockendock und das Schiff ist auf lange Zeit hin ausgebucht.

In der folgenden Zeit verfolgt mein Mann online die Route, welche das Schiff fortan fährt. Da viele Schiffe mittlerweile über Webcams verfügen, ist das ganz einfach. Die Fahrtstrecke beinhaltet seitdem nur noch die kurze Mittelmeerrunde, was bedeutet, dass der Kreuzfahrer scheinbar nicht repariert wurde. Als größter Dampfer der Flotte war er vorher immer auf der großen Runde eingesetzt.

Etwa acht Monate später hören wir, dass dieses stolze Schiff gekentert ist. Es gibt Tote und Verletzte. Jetzt stellt sich die Frage, lag es möglicherweise an dem Vorschaden? Ist auch noch der andere Antriebsstrang kaputt gegangen und kann das Schiff dadurch beim Manövrieren Probleme gehabt haben?

Weil ich wieder mal die Welt retten will, kontaktiere ich die wichtigen Fernsehsendern und Zeitungen, und denke, diese Information lohnt eine Überprüfung. Hat die Reederei aus reiner Profitgier einen weiteren Defekt billigend in Kauf genommen und damit über ein dreiviertel Jahr lang seine Fahrgäste in eine latente Gefahr gebracht?

Interessanterweise scheine nur mir dieser Gedanken zukommen. Die zuständigen Redakteure fragen zwar höflich nach, aber verfolgen die Sache nicht weiter. So ist das, wenn man eben die Welt retten will. Sie will nicht gerettet werden.

Eine Fortsetzung hat die Geschichte auch noch. Ziemlich genau ein Jahr später bricht dieselbe Reisegruppe aus dem Saarland wieder auf, um die geplante Kreuzfahrt zu unternehmen. Sie haben ja noch die fünfzig Prozent Ermäßigung vom Vorjahr.

Wieder bringen wir sie nach Savona und diesmal besteigen sie wirklich ein weißes Schiff mit gelben Schornsteinen. Nur, dass es diesmal ein etwas kleinerer Dampfer ist. Die Kreuzfahrt verläuft wie geplant, und da wir die Fahrgäste wieder abholen, wissen wir sicher, dass alle heil und trocken nach Hause gekommen sind.

Scheiß die Wand an...

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