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Als ich beim Giro d‘Italia mitfuhr
ОглавлениеWährend wir den Radsport gern im Fernsehen verfolgen, gefiel es uns im Sommer gar nicht mehr, als Hannes und ich den Giro d’ Italia live erleben musste. In so einem Moment erfährt man hautnah die Einschränkungen, welche die jeweilige Routenführungen mit sich bringen.
1.Tag
Wieder einmal liegt ein Ziel in Italien. Genauer gesagt in Südtirol. Dieser Teil des Landes wird aber nie zu meinen Lieblingszielen gehören. Denn erstens sind mir die Berge zu hoch, zweitens die Wege zu steil und drittens ist es mir dort meistens zu kalt.
Diesmal führt die Fahrt mit einem Seniorenverein nach Bruneck. Schon am Ortseingang warnt uns ein rosafarbenes Schild, mit der Aufschrift „Giro d’Italia“, vor kommenden Schwierigkeiten. Natürlich haben wir genau die Woche erwischt, in der sich der gesamte Radtross durch Südtirol und die Dolomiten wälzt.
Zunächst erwischt uns erst einmal ein Regenschauer, der die Temperaturen auf elf Grad absenkt und natürlich nicht aufhört, als wir am Hotel ankommen und die Koffer ausgeladen werden müssen.
Bereits beim Abendessen hört man erste kritische Stimmen laut werden. Im ganzen Haus funktioniert keine Heizung und das bei dieser Außentemperatur. Die Wirtin beklagt, dass die gesamte Ortschaft ohne Heizung sei, da irgendetwas mit der Fernwärmeleitung nicht stimme. Komisch nur, dass auf der gesamten Strecke seit Brixen über Bruneck nach Reischach, kein Heizkraftwerk zu sehen war.
2.Tag
Nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir nach Brixen. Mehrfach werden wir angehalten, weil die Kilometerschilder für die erwartete Giroetappe aufgestellt werden. Langsam schwant uns Böses.
In Brixen angekommen, führt der erste Weg ins örtliche Tourismusbüro. Zwar ist man nicht sonderlich gut informiert, sieht aber sofort im Internet nach und erfährt, dass Brixen spätestens ab vierzehn Uhr komplett gesperrt sein wird. Somit sollte man dann die Stadt bereits verlassen haben. Das funktioniert, denn um dreizehn Uhr geht es weiter Richtung Meran. Unser Programm sieht die Besichtigung von Schloss Trautmannsdorff mit seinen Gärten vor. Auch ich besuche das Schloss, denn immerhin war bereits meine Lieblingskaiserin „Sisi“ dort längere Zeit zu Besuch.
Zwei Stunden Zeit stehen für Besichtigungen zur Verfügung. Viel zu wenig, für das, was es zu sehen gibt. Ich schaffe gerade mal die leergeräumte Sisi-Etage. Da der Heimweg nahezu zwei Stunden erfordert, reicht die Zeit nicht für einen Meran Bummel.
Zehn Kilometer vor Bruneck hält uns eine Autoschlange auf. Zwar ist der Giro längst im Ziel angekommen, aber dem abfließenden Verkehr müssen wir Tribut zollen. Kurz vor dem Ziel, schickt uns noch ein Feuerwehrmann zurück, denn auf der Verbindungsstraße von Sankt Lorenzen nach Reischach ist ein LKW umgekippt. Also, wenden und zehn Kilometer Umweg fahren.
Im Hotel funktioniert die Heizung nach wie vor nicht. Die Stimmung droht zu kippen, denn allen ist kalt. Blöd nur, wenn der Ehemann nicht weiß, was die Entschuldigung der Ehefrau für diesen Mangel war. Nach weiteren Beschwerden erzählt er nämlich, er habe die Heizung jetzt angestellt. Also eher Sparmaßnahme als Kraftwerkspanne. Man sollte über die Aussagen der eigenen Gattin besser informiert sein.
Trotz endlich funktionierender Heizung, immerhin ist sie lauwarm, werden wieder Jogginghose und Pulli zum Schlafanzug degradiert. Wolldecke drüber und dann geht es einigermaßen.
3. Tag
Am Morgen ist es im Hotel immerhin so warm, dass man gefahrlos unter die Dusche gehen kann. Jedenfalls, was die Wärme angeht. Ansonsten droht, wegen des fehlenden Duschvorhangs, Hochwasser im Badezimmer.
Auf dem Programm steht eine Fahrt durch die Dolomiten. Noch gestern haben wir uns über den heutigen Streckenverlauf des Giros informiert und auch die Reiseleiterin hat Informationen, dass die Fahrt über den Falzarego bis zwölf Uhr möglich sei.
Bis Cortina d’Ampezzo stimmt es auch. Dort steht Hannes dann gegen halb elf vor einer Absperrung. Dabei startet der Giro erst um zwölf Uhr im, etwa hundert Kilometer entfernten, Ort Pfalzen.
Folglich steht die belgischen Schrankwand, auch Bus genannt, in einer kleinen, kurvigen Straße und ein schicker Carabinieri, der genau neben einer Kamera des RAI steht, ist nicht bereit, die Absperrung etwas zur Seite zu schieben, damit wir wenigstens auf der Hauptstraße wenden können.
Den „Depp“ meines Mannes bekommt er glücklicherweise nicht mit. Ein anderer italienischer Polizist hatte uns vorher genau in diese Straße geschickt, die für Fahrzeuge über sieben Tonnen gesperrt ist und vor der Absperrung endet. Wir haben ja nur achtzehn Tonnen.
Beide offensichtlichen Fehlentscheidungen haben zur Folge, dass Hannes jetzt die kleine, kurvige Straße rückwärts zurückfahren muss. Ein mühsames Unterfangen, aber es gelingt. Auch, weil die Reiseleiterin und ich, unter Einsatz unseres Lebens, die italienischen Autofahrer zurückhalten.
Für unsere alten Krieger ist es eine riesige Enttäuschung. Sie hatten sich vor allem auf den, im Ersten Weltkrieg gesprengten Gipfel des Col di Lana gefreut. Aber so fällt die Fahrt über den Falzarego, vorbei am Col di Lana und Lagazuoi - den beiden Bergen, die während dieses Krieges hart umkämpft waren - und weiter übers Grödnerjoch, aus.
Kurzerhand wird beschlossen, zurückzufahren und in Antholz Station zu machen. Es gibt bis heute Abend auch keinen anderen Weg in Richtung Bruneck. Leider liegt kein Schnee, so dass wir nicht einmal Biathleten treffen. Die sind wahrscheinlich alle bereits im Sommerurlaub.
Nicht ganz befriedigt fährt die Gruppe am Nachmittag ins Hotel zurück, wo sie die Einladung des Chefs zu Kaffee und Kuchen erwartet.
4. Tag
Heute ist, trotz kurzer Fahrstrecke, Freizeitstress angesagt. Die Fahrt geht zunächst nach Sand in Taufers. Dort wird die Gruppe zu einer Führung auf der Burg Taufers erwartet. Mit der Aussicht auf eine Tasse Kaffee lockt Hannes auch mich den mühsamen Aufstieg hoch. Wie gesagt, ich hasse Berge.
Oben angekommen, erklärt einer der Führer, die Burgschänke habe erst am Samstag wieder geöffnet. Heute ist natürlich Donnerstag. Den Vorschlag, ins Schlosscafé zu gehen, verwerfen wir, da sich nicht einmal zwei nebeneinander hängende Schilder einig sind, ob es nun fünf oder zehn Minuten Fußweg dorthin sind. Aber es ginge sowieso weiter bergauf. So wird der Weg nach unten zum Bus von uns bevorzugt.
Die nächste Station ist Luttach. Hier gibt es ein Krippenmuseum, das es zu besichtigen gilt. Die verschiedenen Krippen sind sehr eindrucksvoll, teilweise aus einem einzigen Stück Holz geschnitzt. Dennoch wirken die Motive dreidimensional. Dieses Museum ist ein echtes Highlight, sollte man seinen Urlaub im Pustertal verbringen. Mein Mann bekommt eine Tüte voll mit Infomaterial, DVD und CD. Nicht alle Betriebe in Südtirol sind so großzügig.
Daraufhin folgt Kasern. Dieser Ort bildet den Abschluss des Ahrntales und besteht aus nur wenigen Häusern. Das Café, in dem Hannes und ich unsere Mittagspause verbringen wollen, ist wie vieles Anfang Mai noch geschlossen. Die Reisegruppe begibt sich auf den Weg in die Kapelle, die einst der Papst besuchte, und isst im Anschluss in einer Hütte am Talschluss.
Da ein Busfahrer nie weiter läuft, als sein Bus lang ist – außer, er will Kaffee trinken, erspart Hannes uns diese Wanderung und geht mit mir im Dorf auf Nahrungssuche. Dort befindet sich ein ‚Tiroler Berghof‘. An der Tür steht zwar ‚Geschlossen‘, aber sie steht offen. Drinnen sitzen mehrere Arbeiter beim Essen. Demnach stehen die Chancen nicht schlecht. Wir treten ein und erblicken einen kleinen Mann, der sich als Wirt erweist. Auf die Frage, ob hungrige Busfahrer etwas zu essen bekommen können, meint der kleine Mann, ob Saftgulasch mit Nudeln und Salat recht wären, das hätte er heute Mittag.
Hannes und ich denken, das sei eine Art Mittagstisch zu ermäßigten Preisen, da auch die Arbeiter dort essen, und stimmen zu. Dazu gibt es Kaffee und Latte Macchiato. Als wir zahlen wollen, trifft uns fast der Schlag. Fünfunddreißig Euro verlangt das Männchen für zwei Portionen Nudeln mit Gulasch, die Hannes normalerweise allein gegessen hätte. Naja, dieser Gasthof steht sofort auf unserer roten Liste der Lokalitäten, die nicht mehr angefahren werden.
Zum Abschluss des Tages wird das Schaubergwerk Prettau besucht. In früheren Zeiten wurde hier Kupfer abgebaut. Heute kann man Exponate aus der Geschichte des Bergbaus besichtigen. Da ein Teil der Gruppe nicht mit einfahren möchte, gehen diese Teilnehmer in das dazugehörige Café. Wir folgen etwas später und stehen plötzlich einem Schwarm Kanarienvögel gegenüber. Es sind unsere Mitfahrer in Schutzkleidung. Knallgelbe lange Wettermäntel und ebensolche gelben Schutzhelme. So verschwinden sie mit einem Grubenbähnchen im Berg. Später spuckt der Berg sie unterkühlt und frierend wieder aus.
5. Tag
Am letzten Tag steht das Reinhold-Messner-Museum in der Brunecker Burg auf dem Plan. Vom Parkplatz aus muss die Gruppe einen kurzen, aber steilen Weg zurücklegen. Nach dem Besuch ist Mittagessen und Bummeln geplant. Leider wurde bei der Planung vergessen, dass in Italien zwischen zwölf und fünfzehn Uhr Siesta zur Tradition gehört. Deshalb sind die meisten Geschäfte geschlossen und die Geldbeutel werden geschont.
Am frühen Nachmittag führt der Weg zu einer Ölmühle mit Kräutergarten am Issinger Weiher. Während unsere Gruppe die dazugehörige Brennerei besichtigt, entscheiden Hannes und ich uns für einen Besuch im gegenüberliegenden Café, direkt an dem kleinen See. Die moderaten Preise dort lassen keine Rückschlüsse auf die wirkliche Größe der Eisbecher zu. Von meinem Bananensplit geht die Hälfte zurück. Und auch die Portion meines Mannes gleicht mehr einem Erdbeerfeld als einem Erdbeerbecher.
Nach dem Besuch der Ölmühle endet der letzte Abend mit einem sechs-gängigen Überraschungsmenü im Hotel.
6. Tag
Entgegen aller Befürchtungen, dass am Wochenende viel Verkehr herrscht, erreichen wir problemlos das Saarland. Die Staus sind zwar lang, aber zum Glück auf der Gegenseite.
***
Die Woche war schön, aber anstrengend. Wenn man als Veranstalter solche Reisen plant, sollte man vielleicht im Vorhinein grundlegende Informationen einholen. So ist es speziell in den Bergen wünschenswert, einen Ausweichtag zu haben. In unserem Fall hätte dadurch die Möglichkeit bestanden, die Dolomitenfahrt an einem Tag ohne Girodurchfahrt durchzuführen. Auch schlechtes Wetter muss immer einkalkuliert werden. Was bringt eine Fahrt durch eindrucksvolle Gebirgsregionen, wenn alles vernebelt ist? Aber die geplanten Programme und gebuchten Führungen sind oftmals dermaßen eng gesteckt, dass der Urlaub schnell in Freizeitstress ausartet. Ich jedenfalls bin weiterhin kein Freund der hohen Berge.