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Prolog

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Mit einem lauten Stöhnen wachte Tobias Kerner schweißgebadet auf. Keuchend setzte er sich auf, zitterte, die dunkelblonden Haare klebten nass in Stirn und Nacken.

„Nicht schon wieder!“, murmelte er, atmete ein paar Mal tief durch, machte seine Nachttischlampe an und stand auf. Er brauchte einen Moment, bis der Schwindel in seinem Kopf verflogen war, dann raffte er seine Schultern und verließ das Schlafzimmer. Mit nackten Füßen tappte er durch den Korridor, der mit einer flauschigen und teuren Auslegeware belegt war. Er mochte das weiche und warme Gefühl unter seinen Füßen, doch jetzt hatte er kein Empfinden dafür. Pustend öffnete Tobias die Tür zu seinem Arbeitszimmer, das am Anfang der großen Wohnung neben der Küche lag. Er ging zu seinem Schreibtisch, knipste auch hier die Lampe an und startete seinen Computer. Während das Gerät hochfuhr, blickte Tobias auf die Uhr, die an der Wand über der Tür hing.

>3 Uhr 17. Die Stunde des Wolfes. Wie passend!<

Sich den Schlaf aus den Augen reibend griff Tobias nach einem Zeichenblock und einem Bleistift. Geschickt zeichnete er das Gesicht, das er in seinem Traum gesehen hatte. Dabei versuchte er, die grauenhaften Einzelheiten außer Acht zu lassen, die er gesehen hatte.

Es war das Gesicht eines Mannes, etwa vierzig Jahre alt. Markante Gesichtszüge, ausgeprägte Wangenknochen und dichte, beinahe buschige Augenbrauen. Als Tobias mit der Zeichnung fertig war, gab er in seinem PC das Kennwort und die Pin ein und öffnete seinen Account. Er fuhr mit seiner Maus auf eine geschützte Datei, die sich wiederum nur mit einem anderen Passwort von ihm öffnen ließ. Außer ihm gab es noch zwei Leute, die, falls Tobias etwas zustoßen sollte, Zugang zu dieser Datei hätten.

Tristan Kadian und Jannik Cerný.

Jeder Versuch, die Datei mit einem falschen Passwort zu öffnen, würde in der sofortigen Löschung der Datei enden.

Tobias hatte sich die Datei vor drei Monaten angelegt, als er nach dem Tod von Bertrand Leclerc auf dessen Recherchen gestoßen war. Dabei ging es um eine Organisation, die sich die `Krieger des Reinen Glaubens´ nennen. Diese Organisation wurde im 3. Jahrhundert nach Christus unter dem damaligen koptischen Papst in Alexandria gegründet. Deren Anhänger bekämpften überall auf der Welt Hexen, Dämonen und Vampire, da diese, nach ihrem Glauben, ein verfluchtes und unnatürliches Dasein fristeten und das Unheil in der Welt verbreiteten.

Als im 16. Jahrhundert die Organisation verboten wurde, gerieten die `Krieger des `Reinen Glaubens´ in Vergessenheit. Aber sie waren nicht inaktiv. Im Stillen und ohne den Schutz der christlich-orthodoxen Kirche Ägyptens jagte sie auf eigene Faust die Unseligen, wie sie sie nannten.

Heute mit modernster Technik und ausgefeilten Waffen.

Die Organisation war stark, hatte viele Mitglieder. Die Rekruten mussten sich erst beweisen und wenn sie mindestens einen Vampir, Hexer oder Dämon in die Falle gelockt oder sogar auf schmerzhaft langsame Art getötet hatten, wurden sie als Legionäre auf Lebenszeit verpflichtet. Als Zeichen der Zugehörigkeit wurde ihnen ein Koptenkreuz auf den linken Unterarm tätowiert.

Es gab nur ein Problem: es gibt keine Dämonen!

Dämonen sind nur Manifestationen in den verschiedenen Religionen und Kulturen der Erde. Sie symbolisieren das Böse als erdachte Personifizierung.

Hexen und Vampire hingegen gibt es.

Hexen und Hexer beziehen ihre Kräfte jedoch nicht aus dem Bösen und Dunklen, sondern aus den Energiefeldern, die überall in der Natur um einen herum existieren. Früher nannte man sie Schamanen und Druiden.

Vampire jedoch waren eine natürliche Erscheinungsform, sozusagen ein Missing Link der Menschheit.

Eine eigene Spezies.

Die um ihr Überleben kämpfte.

Tobias Kerner klickte auf eine E-Mail-Adresse und begann, das, was er geträumt hatte, niederzuschreiben. Oder besser gesagt, seine Vision, von der er wusste, dass sie der Wahrheit entsprach. Er hatte den gewaltsamen Tod eines Bruders gesehen.

Gut, er hatte den Vampir nicht gekannt, weswegen sein Empfinden nur das eines Zuschauers war. Doch seitdem Tobias vor drei Monaten einen Sinn in diese Visionen erkannt hatte konnte er endlich der Gemeinschaft nützlich sein. Etwas, was Tobias immer wollte, um von seiner eigenen Vergangenheit loszukommen.

Tobias beendete seinen Bericht, legte die Zeichnung in den Scanner und legte das Bild der Mail als Anhang bei. Da Tobias den Vampir nicht kannte war es vielleicht sinnvoll, wenn er ein Bild des Toten beilegte, damit man seine Identität und die letzten Aufenthalte ermitteln konnte.

Dann schickte Tobias die Mail ab, die über verschiedene verschleierte Accounts und Wege den eigentlichen Empfänger in wenigen Stunden erreichen würde.

Vorsicht war geboten, denn wenn die `Krieger des Reinen Glaubens´ mitbekämen, dass die Vampire gegen die Organisation vorgingen, war ein offener Krieg wahrscheinlich. Und dann würden auch unbeteiligte Menschen darunter zu leiden haben.

Und das war das letzte, was das Konzil und das Triumvirat wollte.

Deswegen hatte das Konzil eine eigene Einheit gebildet, die die Informationen aus der ganzen Welt empfingen, verarbeiteten und weiterleiteten. Man würde erst dann zuschlagen, wenn man genau wüsste, wer was und wo tat.

Und Tobias´ einzigartige Visionen waren eine große Hilfe.

Erschöpft schloss Tobias die Datei und öffnete nach kurzem Zögern seinen normalen E-Mail-Account.

>Eine Nachricht von Jan!<

Neugierig las Tobias die Mail, grinste dann.

>Kaffee am Sonntag um drei. Wie abgefahren ist das denn? Jetzt wird Jan doch noch ein Hausmann, wer hätte das gedacht.<

Seit drei Monaten lebten Jan und Helena zusammen in dem Loft. Jan hatte Helena nach ihrer Wandlung unter seine Fittiche genommen, ihr alles beigebracht, was sie erst mal wissen musste, um zu überleben und sich unauffällig unter Sterblichen zu bewegen. Und Helena stellte sich sehr geschickt an.

Immer noch grinsend machte Tobias den Computer aus und öffnete den kleinen geheimen Kühlschrank unter dem Schreibtisch, der von außen einem Safe glich. Drinnen lagen Blutkonserven und Tobi griff einfach die oberste. Geschickt bohrte er seine verlängerten Eckzähne in das Plastik und saugte langsam und genüsslich, während er aufstand und zum Fenster ging.

>Ich lege mich lieber noch etwas aufs Ohr. Wird ein langer Tag im Studio. <

Wenn Vampire Tango tanzen

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