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An einem Abend, es war im Hochsommer. Einige lustige Gesellen hatten sich zufällig in der Taverne bei Eduard getroffen. In der nahen Umgebung hörte man die die Stimmen und das Gelächter, welches mit der voranschreitenden Uhrzeit, immer lautstärker erklang. „Da sind noch Verschiedene, die wieder in einem schönen Zustand nach Hause kommen.“ Dachten schon die Nachbarn.

Die gewöhnliche Unterhaltung über Kühe, Schafe, Ziegen und dergleichen, schien abgehakt, als einer oder der andere anfing, das neueste Thema zu erwähnen: „Die nackte Frau in den Bergen!“ Wen auch in der allgemeinen Sprachweise, ähnliche Ausdrücke vermieden wurden. Hier bei Eduard, unter Männer, sprach man doch weniger verschleiert, zumindest, wen das aïgourdent (Schnaps) und der Wein, anfingen das gute Benehmen zu unterspülen.

Niemand wusste eigentlich, aus welchem Grund, der Marcel Estebe, an diesem Abend von Orus herunter gekommen war. Aber er war da. Der Marcel war ein komischer Vogel, und bekannt als Erzähler von außergewöhnlichen Geschichten. Er hatte die Gabe zu improvisieren wie kein Anderer. Es war vorzuziehen, seinem Sagen nicht zu viel Glauben zu schenken.

„Hört mir doch mal zu, Freunde!" Schrie Marcel plötzlich.

Zunächst hatte er einige Schwierigkeiten sich bemerkbar zu machen in diesem ganzen Krach, doch dann stand er auf und schrie noch lauter als die Andern.

„Hört mir mal zu ...! Ihr sprecht alle von dieser Frau, ohne etwas zu wissen. Ich …! Kann euch erzählen, was mir persönlich passiert ist. Diese Frau ist eine Hexe, eine richtige. Das kann ich euch sagen und ihr könnt mir glauben.“

„Ich wette, dass du versuchst, uns weiszumachen, dass sie dich geküsst hat.“ Hörte man im Wortgemenge.

„Aber nein …! Wer würde denn so was glauben?“ Ich bin sogar froh, dass es nicht so war. Nein …, aber ich habe sie mit eigenen Augen gesehen.“

„He …! Hört doch mal ...!“Rief einer in der Menge. „Hört doch mal dem Marcel zu ..., er sagt, er hätte sie gesehen.“

Als Marcel merkte, dass es ihm gelungen war, sich bemerkbar zu machen, setzte er sich wieder an seinen Tisch und goss sich zunächst einen heftigen Schluck Rotwein in die Kehle.

„Was nun Marcel? Auf was wartest du noch? Fang endlich an!“

„Nun ..., nicht später als letzte Woche ist es geschehen. Ich war mit meiner Herde da oben am Querquéou …“

„He! Marcel, seit wann hast du den eine Herde?“

„Ja, eigentlich …“

„Ich nehme an, dass es die vier Geißen vom alten Garcya waren.“

„Ja, selbstverständlich. Jeder weiß das doch. Ich sag das nur so, es ist so als ob es meine wären … Und? Dann eben seine Geißen, wenn du willst … Also, da so ein wunderbares Wetter war, sagte ich mir: warum nicht ein paar Tage hier bleiben? Es war am ersten Abend, ich hatte meine Tiere zusammengetrieben und hatte mich am Fuße eines Felsens eingerichtet.

Ich war wohl eingeschlafen ohne es zu bemerken, denn ich erwachte plötzlich. Irgendein Geräusch musste mich geweckt haben. Es waren die Ziegen, die meckerten und nervöse herum trampelten. Der Mond stand schon hoch am Himmel.

Was mach ich …?“

„Ja Marcel …, was machst du?“

„… Das Erste …, ich war noch nicht ganz bei der Sache, ich schnapp' mir mein Gewehr und auf …!“

„Ich wette, es war die Hexe.“ Wurde er erneut unterbrochen.

„Nein …! Ich sah nichts …, überhaupt nichts. Ich dachte sofort: ein Wolf, vielleicht ein Bär. Aber es war nichts zu sehen. Aber dann, während ich so die Umgebung absuchte, hörte ich plötzlich ein komisches Geräusch über mir: Fffchhh …! Und Fffchhh …! Machte es. Es war, als wäre mir ein Adler am Kürbis vorbei gerauscht. Erst in dem Moment schaute ich nach oben. Ich hatte am Boden gesucht, aber es war nicht am Boden, wo es passierte …, es war in der Luft, Männer!“

„Aber dieses Mal ..., war es die Hexe, oder …?“

„Genau! Ich habe sie deutlich auf ihrem Besen gesehen. Fffchhh …! Und Fffchhhh …! Mehrmals hat sie versucht mir den Hut vom Kopf zu reißen, sie drehte eine Runde, dann kam sie wieder und sie lachte: hi! Hi! Hi! Hi! So lachte sie.“

„Sapristi! Na so was! Das musste sie ja sein.“

„Hahhh! Freunde …, ich sag Euch schrecklich! Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen wegen der Kapuze.“

„Was du nicht sagst, sie hatte eine Kapuze.“

„Aber sicher. Sie trug eine lange schwarze Robe, die im Wind flatterte mit einer großen spitzen Kapuze. Ich konnte nur ihre lange krumme Nase sehen, die aus der Kapuze heraus ragte.“

„Ich schätze mal, meinte einer seiner Zuhörer, dass darauf auch eine dicke Warze wuchs mit einem langen Haar. Oder etwa nicht?“

„Ah das …, ehrlich gesagt, das weiß ich nicht. Möglich wäre es, aber ich möchte euch, doch keinen misst erzählen.“

„Ach Marcel …, wir wissen doch alle, dass du die Wahrheit sagst, nur, du sagst, dass sie eine lange schwarze Robe mit einer großen spitzen Kapuze trug. Alle Andern sagen, dass sie nackt wie ein Wurm sei.“

„Die sind doch alle besessen!“ Schrie Marcel erregt.

„Ah, das ist durchaus möglich. Aber siehst du Marcel, es hätte uns auch besser gefallen, wenn sie nackt gewesen wäre. Dir nicht?“

„Nun …, vielleicht …, vielleicht zieht sie das schwarze Ding ja auch nur für die Nacht über, nachts ist es trotz allem frisch da oben.“

„Du hast recht, Marcel, das könnte es sein.“

„Mein Gott, Marcel! Du hättest schießen sollen, du hattest ja das Gewehr in der Hand.“

„Ich habe ja versucht, nur leider ist der Schuss nicht losgegangen, ich nehme an, dass das Pulver feucht war.“

„Wieso, das Pulver war, feucht? Es regnete ja nicht an dem Tag und seit Wochen ist kein Tropfen mehr gefallen.“

„Ich weiß, aber wenn ich so nachdenke …, ich glaube, es war sie die …, es muss sie gewesen sein. Es war ohnehin zu spät, ich sah sie nur noch im Zickzack davon fliegen, genau in Richtung Vollmond. Am Ende sah ich nur noch einen winzigen Punkt und sie ist nicht mehr zurückgekommen.“

Man hatte Marcels Erzählung mit großem Interesse verfolgt, so schien es wenigstens, obschon, mehrmals ein kollektives schallendes Gelächter den Raum erschüttert hatte.

„Eduard …! Dieser Mann hat es verdient, dass man ihm einen Schoppen von deinem besten Wein einschenkt. Nicht wahr Freunde?“

Die feucht fröhliche Gesellschaft zerfiel erst zu weit vorangeschrittener Stunde in ihre Bestandteile. Es ist nicht bekannt wie und wann der Marcel Estebe seinen Heimathafen Orus erreicht hat.

Unbekannt und Heimatlos

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