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Die Amygdala, der Mandelkern

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Die Amygdala ist ein zentraler Bestandteil des Gehirns. Da die Form einer Mandel gleicht, wird sie auch als »Mandelkern« bezeichnet. Der modernen Hirnforschung gelingt es immer besser, durch sogenannte bild­gebende Verfahren, wie Computer- oder Magnetresonanztomografie, die Prozesse im Gehirn sichtbar werden zu lassen. So lässt sich erkennen, welche Areale bei bestimmten Gefühlen aktiv sind. Schon vor einigen Jahren erkannten Hirnforscher die Bedeutung des Mandelkerns für unsere Emotionen. Hier ist Archaisches gespeichert.

Die Amygdala bildete sich sehr früh während der menschlichen Entwicklung. Auch Reptilien haben diesen Komplex im Gehirn. Hier sind wichtige Überlebensmechanismen angelegt. Im Falle von Gefahr erzeugt die Amygdala spontan starke Angst. Dies lässt einen Menschen beispielsweise intuitiv die Flucht ergreifen – langes Nachdenken wäre viel zu gefährlich. Wer plötzlich eine Schlange sieht, wird sich erschrecken und zurückweichen. Dies ist schon in unseren Genen angelegt. Die in der Amygdala abgelegten Muster signalisieren Gefahr viel früher, als dies im Neokortex möglich wäre. Dieser schaltet sich später ein, und man kommt vielleicht zu der Erkenntnis, dass die Schlange ungiftig und harmlos ist, man könnte sie sogar anfassen. Dies führt dann zur Beruhigung. Die Amygdala befindet sich in einer ständigen »Habacht-Position«, sie gehört sozusagen zu unserem Alarmsystem. Die Wahrnehmung wird fortwährend auf gefährliche Situationen überprüft und mit der inneren Matrix verglichen. Da die Amygdala in der Lage ist, gefährliche Situationen zu identifizieren und spontane Gegenmaßnahmen zu initiieren, ist sie für das Überleben notwendig. Leider kommt es immer wieder auch zu Fehl­alarmen. Ein solcher ist beispielsweise daran zu erkennen, wenn wir erschrecken, obwohl es sich um eine harmlose Situation handelt. Bei bestimmten Menschen sind Fehlalarme häufig und belastend.

Der Bereich im Gehirn, der realistisches logisches Denken ermöglicht, ist, wie gesagt, der Neokortex, der durch die Vorgänge in der Amygdala abgeschaltet wird. Das wird ganz besonders bei starken Angstattacken deutlich, wenn – buchstäblich – der »Verstand aussetzt«. Nach einer starken Erregung der Amygdala muss sich der Neokortex erst wieder einschalten, was meist mit zeitlicher Verzögerung geschieht, je nachdem, wie stark die Emotionen etwa bei einem Kontrollverlust waren. Eventuell ist man noch beeindruckt von der Heftigkeit der Gefühle.

Der Neokortex hat sich im Laufe der Jahrtausende immer weiterentwickelt. Die Hirnwindungen nahmen zu und damit die Intelligenz des Menschen.

Die Amygdala ist der Teil des Gehirns, in dem auch frühe emotionale Erfahrungen gespeichert sind. Die Hirnforschung bestätigt die Annahmen der ersten Psychoanalytiker2, dass frühe Prägungen entscheidend für die emotionale Entwicklung sind und oft lebensbestimmenden Charakter haben. Diese Erkenntnis wird bei der Beschreibung, wie sich das Selbstwertgefühl entwickelt, eine wichtige Rolle spielen. Im Mandelkern werden die momentanen emotionalen Erlebnisse mit früheren Erfahrungen verglichen. Finden sich hier Ähnlichkeiten, wird der Mandelkern alarmiert und aktiviert genau die Gedanken, Gefühle und Reaktionsmuster, die vor langer Zeit eingeprägt wurden. Manchmal genügen auch geringe Ähnlichkeiten, um eine Kettenreaktion, z. B. von Ängsten, auszulösen.

Vom klugen Umgang mit Gefühlen

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