Читать книгу Das Rudel der Fünf: Harte Western Edition - Heinz Squarra - Страница 8

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Das Gewitter ist über den Apache Pass hinweggezogen. Der Wind ist abgeflaut. Sie halten auf einer kahlen Bergschulter, während sich das erste Grau des kommenden Morgens über die bizarren Grate der Apache Mountains schiebt. Im fahlen Mondlicht sehen sie unter sich, circa vierhundert Meter tiefer, den Hohlweg, der sich ins Tal schlängelt.

„Dort kann er noch nicht sein“, sagt Nick. „Aber dort muss er entlangkommen. Er war ein Narr. Ich werde ihm eine Kugel aufs Fell brennen!“

Er grinst wie der Teufel und langt seine Winchester 66 aus dem Scabbard. Er repetiert sie langsam, beinahe betont sorgfältig. Und er blickt Matt Davis an, der die Mundwinkel nach oben gebogen hat.

Wy sitzt ruhig im Sattel. Er denkt daran, dass Crim von allen noch lange nicht der schlechteste ist. Crim hat Schulden, die sehr schwer auf seinen Schultern lasten. Nick hingegen will nur Geld. Egal, wie! Er braucht Geld, um es irgendwo wieder unter die Leute zu bringen.

Matt treibt auch nur die Gier nach Whisky und vielleicht die Suche nach tödlichen Abenteuern, um irgendwann einmal vor sich selbst ganz fliehen zu können. Jesse will eine Plantage, weiß aber nicht genau, welchen Wert so ein Besitz haben könnte. Und er, Wy, weißt selbst nicht genau, was er eigentlich will. Vielleicht wollte er ganz einfach nur einmal dabei sein, mal etwas anderes erleben.

„Du musst vorsichtig sein“, warnt Matt. „Der Weg hängt am Abgrund. Wenn ihn deine Kugel in die Tiefe treibt, bekommen wir das Geld vielleicht nie wieder.“

„Das weiß ich selbst“, mault Nick. „Ich werde es schon richtig machen.“

„Er hat doch Erfahrung“, lächelt Wy.

Nick fährt heftig im Sattel herum. Sein Falkengesicht lodert vor Zorn, und aus seinen Augen schießen Blitze.

„Lass das, mein Junge“, schnaubt er, „sonst teilen wir nur noch durch drei!“

Wy lächelt immer noch. Wie zufällig hängt seine Hand über dem blanken Kolben des Peacemaker-Colts. Er fragt: „Wie meinst du das, Nick? So, wie du jetzt im Sattel sitzt, musst du es doch von vorn machen. Das ist nicht gerade deine Spezialität.“

„Er redet sicher von dem Deputy in Houston, Nick“, mischt sich Matt mit fadenscheinigem Grinsen ein.

„Natürlich. So schlau bin ich auch. He, mein Junge, hast du etwas dagegen, dass ich ihn abschießen will?“

„Eine ganze Menge sogar, Nick“, erwidert Wy ernsthaft. „Weißt du, es ist doch immer hinterhältig, wenn ein Mann beschossen wird, der davon nichts weiß. Das gibst du doch zu?“

„Er hat gestohlen!“, grollt der Schwarze und zeigt seine kräftigen, perlweißen Zähne.

„Zufall“, dehnt Wy in der schleppenden Sprechweise des Texaners. „Reiner Zufall.“

„Wieso?“, fragt Matt verständnislos.

„Ist doch einfach, Matt. Er war der letzte. Sicher kam ihm der Gedanke erst, als er mit dem Sack und den Pferden allein war. Eine Kurzschlusshandlung. Hätte er länger überlegt, musste ihm auffallen, dass er nur eine Chance hat, wenn er alle Pferde mitnimmt. Das hat er nicht getan. Ich frage dich: Was hättest du getan, wärst du an seiner Stelle gewesen?“

Matt zieht die Brauen in die Höhe. Er scheint erst nachdenken zu müssen. Dann schnappt er: „Du, das ist eine verdammte Beleidigung. Dafür werde ich …“

Seine Hand fährt zur Hüfte, bleibt aber kurz über dem Kolben des im Gürtel steckenden Derringers hängen.

„Was denn, Matt?“, lächelt Wy.

„Er will einen gegen den anderen ausspielen“, grollt Nick. „Er verlässt sich dabei auf seine schnelle Hand. Und weißt du, warum er das will? Ganz einfach, Matt! Er möchte hier allein sein. Er will allein auf ihn warten, ihn abschießen und dann mit dem Gold fortreiten. Fünftausend wird das Zeug wert sein. Vielleicht genug, um bescheiden in Texas anzufangen.“

Matt nickt und nimmt die Hand vom Kolben weg. Dabei blickt er aber noch immer auf Benton, leckt sich dabei über die Lippen und schaut dann zu dem Schwarzen hin, der die Hand auf dem Griff des Bowieknife hat.

Sie alle wissen, dass Jesse zwei solche Messer im Gürtel stecken hat. Und sie wissen auch, dass er damit verteufelt flink umgehen kann.

„Ich will keinen gegen den anderen ausspielen“, wirft Wy hin. „Wollte ich das, hätte ich nichts dagegen, dass er getötet wird. Das müsste sogar dir einleuchten, Nick.“

Haskell dreht sein Pferd heftig auf der Hinterhand und bringt das Gewehr herum. Doch ehe er es anschlagen kann, hat Wy den Peacemaker in der Paust, die Mündung auf den fünfunddreißigjährigen Killer gerichtet.

„Lass es sein, Nick“, sagt er sanft. „Und lass dir in Ruhe etwas erklären! Du hast einen Mann umgebracht. Well, du hast immer behauptet, es wäre Notwehr gewesen. Aber kein Mensch bekommt zwanzig Jahre Zuchthaus aufgebrummt, wenn er in Notwehr gehandelt hat. Du hast uns also belogen. Irgendwie war dir das Schicksal gnädig. Die meisten, denen so etwas widerfährt, werden gehängt. Du solltest dankbar sein, dass du noch lebst. Ich will gern glauben, dass es der Fehler deines Lebens war. Immerhin, du lebst noch. Vielleicht hat Crim heute den Fehler seines Lebens gemacht. Er soll ebenfalls seine Chance haben.“

„Er ist komplett verrückt geworden“, knurrt Matt. „Er will, dass wir ihn schonen. Verdammt, Wy, warum willst du das?“

„Das kann ich dir genau sagen, Matt. Crim Boise ist der einzige von uns, der das Geld wirklich braucht. Er ist ein armer Schlucker, der vor zehn Jahren in Baltimore von Bord eines Seglers ging und keinen Cent in der Tasche hatte. Die Überfahrt von Europa herüber hatte alles aufgefressen, was er besaß. Er ist einer von denen, die der Umschwung drüben heimatlos gemacht hat. Crim sah seine Chance darin, dass er bei der Western Pacific Bank einen Kredit nahm und in ihr Vorfeld ging. Er wusste nicht, wie hier in Amerika Land erobert und Geschäfte gemacht werden. Er kam zu nichts, konnte nicht mal den Kredit zurückzahlen. Er floh und hinterließ Schulden. Er hat zwei Jahre lang geschuftet wie ein Tier. Für nichts und wieder nichts. Im Gegenteil! Heute darf er sich nirgends sehen lassen, wenn er das Geld nicht bringt. Ich sehe auf seiner Seite keine Schuld.“

„Er kann reden wie ein Advokat“, grient Nick Haskell unbeeindruckt.

„Ich wollte einmal etwas anderes als Rinder sehen“, redet Wy unbeirrt weiter. „Ich hatte die Arbeit satt. Das war bei Crim nicht der Fall. Du, Nick, brauchst Geld, um ein leichtes Leben zu führen. Matt will sein Schuldgefühl im Alkohol ersäufen. Und Jesse blickt sich ein, von seinem Anteil könnte er sich eine Plantage kaufen.“

„Ich …“, faucht der Schwarze und springt einen halben Schritt vor. Er hat das Bowieknife in der Hand und rollt mit den Augen.

Wy hat den Colt herumgeschwenkt.

„Bleib“, sagt er kratzig. „Ich weiß, was dir Matt und Nick eingeredet haben. Du bist ein Narr, weil du es geglaubt hast. Ich weiß zufällig, dass du heute am Mississippi mindestens zehntausend Dollar brauchst, um überhaupt erst einmal das nötige Land für eine Plantage zu bekommen.“

„Das ist eine Lüge!“, schreit Jesse.

Wy lächelt leicht. „Matt hat es dir anders erzählt, nicht wahr? – Ah, ich weiß es, Jesse. Du hättest deinen Patron genau fragen sollen, ehe du fortgelaufen bist. Wenn du die fünftausend Dollar hättest, könntest du damit nichts anfangen. Ganz davon abzusehen, die Weißen am Big Muddy geben dir keine Chance.“

„Es herrscht Gleichberechtigung!“, faucht der Schwarze aufgebracht.

Wy macht eine abwertende Geste mit dem Colt, hält ihn aber weiter auf Jesse gerichtet.

„Das steht nur auf dem Papier“, erklärt er. „Aber die Praxis sieht anders aus – ganz anders.“

„Wenn du jetzt fertig bist, kannst du ihn fallen lassen“, sagt Nick kalt.

Matt lacht rostig. „Hereingelegt!“, ruft er. „Nick hat die Flinte auf dich gerichtet!“

Wy dreht langsam den Kopf. Er sieht das dunkle Loch der Winchestermündung. Wenn Nick jetzt abdrückt, wird die Kugel in seine Stirn fahren.

„Na, wird‘s bald?“, grollt der Kerl mit dem Falkengesicht.

Der Peacemaker klappert auf den harten Boden der Bergschulter.

„Mach ihn fertig!“, zischt Matt. „Na los! Auf was wartest du denn?“

Jesse hat sich gedreht und hebt erneut den Messerarm.

„Lass ihn leben“, sagt er fast sanft. „Hörst du, Nick! Lass ihn leben!“

„Warum denn?“

„Er soll mir noch mehr erzählen. Er kennt Land und Leute. Er war in Texas, in Kansas und er ist schon mit Herden am großen Strom gewesen. Verdammt, er weiß es vielleicht doch besser als ich!“

Nicks Gesicht verzieht sich. Er lässt die Winchester 66 sinken.

„Höre mir gut zu, Nigger“, knurrt er. „Der Boy ist für uns eine Gefahr. Du weißt ganz genau, dass wir die paar Nuggets unmöglich teilen können. Es hätte keiner etwas davon.“

„Du hast gesagt, wir würden goldene Berge aus dem Little Colorado River waschen können“, schnauft Jesse Patter.

„Zugegeben. Der Mann, von dem ich es hörte, hat sich eben getäuscht. Aber Tatsache ist, dass unsere Schürfgeräte weg sind. Wir sind am Ende. Wir sind mehr als einhundert Meilen von der nächsten Stadt entfernt. Wir müssen uns über den Gewinn irgendwie einigen. Und je weniger wir sind, umso leichter werden wir uns einigen können! – Pass auf, Jesse, ich mache es ganz kurz!“

„Lass es sein“, erwidert der Schwarze leise.

„Du weißt, es gibt niemanden, der das Messer besser wirft als ich! Ich töte dich!“

Nick lässt das Gewehr langsam sinken. Sein Kopf ist zornesrot gefärbt.

Plötzlich ist Hufschlag zu hören. Hallend klappert er aus der Tiefe herauf.

Nick dreht sein Pferd, reißt das Gewehr hoch und drückt ab.

Wy reißt die Winchester 73 aus dem Scabbard. Er hat den Finger am Abzug, als er das schaurige, abrupt endende Wiehern eines Pferdes hört. Er sieht, wie Nick die Waffe wieder hochreißt. Da drückt er ab. Seine Kugel schrammt Haskell über die Schulterspitze und lässt ihn zusammenzucken. Sein Schuss pfeift aus dem Lauf.

Sirrend verliert sich die Kugel zwischen den Gipfeln und Graten.

Wy treibt seinen großen Rappwallach durch einen Schenkeldruck vorwärts und presst Nick die rauchende Mündung in den Rücken.

„Pass auf Matt auf, Jesse!“, ruft er über die Schulter.

Der Schwarze ist mit einem langen Sprung neben Davis und zeigt ihm die Klinge des Messers und seine scharfen, großen Zähne.

Wy sieht unten das Pferd, er sieht auch Crim, der hilflos dabeisteht, als hätte er aufgegeben. Er scheint auf den Schuss zu warten, der seinem verpfuschten Leben ein Ende setzt.

Nick hat das Gewehr sinken lassen und atmet langsam aus.

„Wie willst du es nun machen?“, fragt er.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Es war gut, dass du nur das Pferd getroffen hast. Weißt du, ich habe etwas dagegen, dass sich Menschen wie Tiere abschlachten. Wir gehen jetzt hinunter und teilen das Gold. Jeder soll mit seinem Anteil in eine andere Richtung reiten. Ich denke, das ist die beste Lösung.“

Matt Davis dreht den Kopf und blickt über das Messer hinweg Jesse an.

„Hast du gehört, was er sagte?“, forscht er scharf.

„Ich habe es gehört, Davis. Er hat recht. Niemand von uns hat Anspruch darauf, alles allein zu besitzen. Nick hatte den Gedanken. Wy gab das Geld für die Ausrüstung. Alle haben wir geschuftet. Ich gebe ihm recht. Keiner hat den anderen über die Ohren zu hauen.“

Matt lässt seinen Kopf sinken.

Wy treibt seinen Rappwallach rückwärts, das Gewehr noch immer auf Nicks Rücken gerichtet.

„Wir reiten hinunter“, dehnt er. „Er kann uns nicht entgehen. In zwanzig Minuten sind wir bei ihm. Los, Nick, vor mir her! Und steck das Gewehr weg!“

Nick schiebt das Gewehr in den Scabbard. Zähneknirschend dreht er sein Pferd, blickt den großen, blonden Cowboy an.

„Du hattest es in der Hand, ihn und mich zu töten. Matt und Jesse hätten dir nichts getan. Du scheinst immer ein Narr sein zu wollen. Okay, Wy. Du wirst sehen, was du davon hast.“ Er treibt sein Pferd durch Zungenschnalzen vorwärts.

Wy macht eine eckige Kopfbewegung, wobei er Matt anschaut.

Der treibt sein Pferd ebenfalls von der Bergschulter in den Hohlweg hinein. Jesse trottet mit seinen langen Beinen halb rennend, halb laufend, hinter ihm her.

Wy steigt ab und hebt seinen Peacemaker auf. Dann folgt er den anderen.

Das Rudel der Fünf: Harte Western Edition

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