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Die dicken Schwestern

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Es ist noch gar nicht lange her, da lebte Marie, ein junges Mädchen, in einem großen Wirtshaus. Sie war das zehnte Kind der Familie, und wenn durch die Gäste auch immer Geld ins Haus kam, so reichte es doch vorne und hinten nicht.

Fünf der Brüder hatten ihr Erbe schon vom Vater ausbezahlt bekommen und sich Handwerksbetriebe aufgebaut. Dem Ältesten wurde die Wirtschaft zugesprochen, während die vier Mädchen auf einen angesehenen Freier warteten.

Marie hatte von allen Kindern das sonnigste Gemüt. Wer sie kannte, war ihr zugetan. Doch leider hatte sie das herbe Aussehen ihres Vaters geerbt, und alle Männer, die in die Wirtschaft kamen, umwarben lieber eine ihrer drei Schwestern.

Marie betrübte das nicht, sie gönnte allen ihr Glück.

Eines Tages brachte der Viehhändler ein Kälbchen vorbei, das der Vater einem Bauern abgekauft hatte. Marie kraulte das Tierchen und schmiegte sich in seinen Hals, sodass der Vater es nur mit Mühe von ihr weg ins Schlachthaus ziehen konnte. Der Viehhändler betrachtete das Mädchen mit großem Interesse: »Würdest du denn auch einen Bauern heiraten?«, fragte er.

»Von Herzen gern«, antwortete Marie, »die Arbeit auf dem Feld macht mir gar nichts aus.«

Da erzählte er ihr von Hannes, einem Bauern, dessen Hof über drei Berge weg in einem Tal lag. »Er ist der Alleinerbe, die Schwester ins Kloster gegangen und die alten Eltern vor Kurzem gestorben. Er wäre eine gute Partie.«

Schon während der Viehhändler sprach, hatte Marie Herzklopfen und willigte ein, den Hof mit Vater und Bruder in Augenschein zu nehmen.

Eine Woche später machten sie sich mit dem Viehhändler auf den Weg. Als Marie das Haus des Mannes besichtigte, von dem in den höchsten Tönen gesprochen worden war, fand sie es verschmutzt und abgeblättert vor.

Doch Hannes war stattlich und schäkerte so frech mit ihr, dass sie übermütige Kräfte in sich wachsen fühlte.

Im Stall standen drei dicke Kühe, eine davon trächtig, und Marie wurde heiß bei dem Gedanken, bald das neugeborene Kälbchen kraulen zu können. In einer Nebenstube lagerten dicke Ballen fester Stoffe und zarter Gardinenspitzen.

Eine blank geputzte Nähmaschine wartete in der Ecke, und die Schränke quollen über vor Bettzeug. Sie sah sich schon an den Abenden sitzen, Vorhänge für die niedlichen Sprossenfenster nähen und dicke Federdecken aufschütteln.

Gern stimmte sie der Heiratsvermittlung zu und stieß auf den Hochzeitstermin mit ihrem Bräutigam an.

Vater und Bruder blieben seltsam ernst, als sie zusammen den Weg über die drei Berge zurück in ihren Heimatort wanderten. Doch Marie schmiedete unentwegt Pläne für ihr neues zu Hause. Da Hannes’ einzige Schwester im Kloster war, konnte sie bald allein in ihrem Haus schalten und walten.

Mit einem üppig beladenen Hochzeitswagen zog Marie nach der kirchlichen Trauung durch ihr neues Heimatdorf. Alle standen vor den Haustüren und staunten. Marie hätte vor Stolz platzen können. Doch als sie sich fröhlich in allen Räumen umschaute, waren Stoffballen, Nähmaschine und Bettzeug verschwunden. Und am Abend beim Melken stand nur noch eine Kuh im Stall, die wenig Milch gab.

Hannes gestand ihr, all die anderen Schätze vom Viehhändler nur ausgeliehen zu haben, um ihr zu imponieren.

Aber ihre jugendlichen Kräfte wuchsen trotz der Enttäuschung über ihren Mann und behielten die Oberhand. »Jetzt erst recht!«, wurde ihr Leitspruch.

Als zwei ihrer Schwestern sie im Herbst besuchten, fanden sie ein blitzblankes Bauernhaus und eine in sich ruhende Hausfrau vor, die ein Kind erwartete. Marie erzählte von dem Betrug und zeigte ihnen die leeren Kammern und Schränke.

Oh, wie betroffen und traurig sie alle waren.

Noch vor Wintereinbruch kamen alle drei Schwestern über die Berge, dick und rund, als wolle man sie kugeln, und blieben, bis das Kind geboren war.

Dann zogen sie, ersichtlich dünn geworden, wieder von dannen.

Die Leute spotteten über Hannes: »Hast wohl nichts mehr zu essen im Haus, wenn dein Besuch so abmagert?«

Er fühlte sich in die Ecke gedrängt und ging, so oft er ein paar Münzen zusammenkratzen konnte, ins Wirtshaus. Manchmal grabschte er in aller Frühe Eier aus den Nestern und tauschte sie gegen ein Glas Wein. Aus der Bauernwirtschaft holte er wenig heraus. Nichts ging ihm von der Hand. Keiner im Dorf bestellte die Äcker so ungeschickt, keiner drückte sich so vorm Abernten der Bäume und Mähen der Wegeränder. Wenn Marie nicht eine tüchtige Hand beim Gärtnern und beim Versorgen des Kleinviehs gehabt hätte, der Tisch wäre mager gedeckt worden.

Zum großen Glück gab es auch noch die dicken Schwestern, die abwechselnd im Frühjahr und Herbst vorbeikamen und abgespeckt nach ein paar Wochen wieder heimwärts wanderten.

Was war ihr Geheimnis?

Sie zogen sich zu Hause mehrere Stoffbahnen unter die Röcke, versteckten Schaffelle und Wolle in ihren Oberteilen und trugen Kinderkleider unter den Mützen. In den Buckelkörben brachten sie Geselchtes und Geräuchertes von der Mutter mit. So konnten sie ihrer betrogenen Schwester das Überleben sichern und Patin stehen für die neuen Kinder, die jedes Jahr geboren wurden.

Hannes aber schrumpelte immer mehr in sich hinein und überließ die Arbeit in Stall und Feld bald seinem Ältesten, der in allem der Mutter nachschlug.

Teils aus Gewohnheit, teils aus purer Freude kamen die Patinnen weiterhin in den rauen Wintermonaten dick eingemummelt ins Dorf und wanderten sichtlich erleichtert nach einigen Tagen wieder heimwärts.


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