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Männergeschichten

Alois: mein charmanter Tänzer vom ersten „Country“- Abend in Bad Bentheim. Mitte 50, immer sehr gepflegt und geschmackvoll gekleidet, wohnhaft im Kreis Borken, geschieden, Vater von drei erwachsenen Kindern und glücklicher Opa.

Er geht fast jeden Donnerstag nach Bentheim tanzen und ist gern unterwegs.

Ali, wie ich ihn umgetauft hatte, erzählte mir, dass er früher neben seinem Vollzeitjob in einer Pharmafabrik an den Wochenenden Obst und Gemüse aus Holland nach Deutschland geholt und verkauft hat. Damit machte er sagenhafte Gewinne und so konnte er mit seiner Frau ganz schnell das großzügig gebaute Haus abbezahlen.

In der ersten Zeit fuhr seine Ehefrau auch mit, später wurde es ihr zu viel. „Ich hätte den Nebenjob auch sofort aufgeben sollen“, erzählte Ali wehmütig. „Aber das Geld lockte.“ Und so verbrachte er weiterhin die Wochenenden auf der Straße zwischen Borken und Enschede. Das eingenommene Geld vergrub das Paar im Garten, damit keiner etwas merkte. Das Geld wurde mehr, seine Angetraute dafür immer reservierter. Eines Tages gestand sie ihm, dass sie einen anderen Mann kennengelernt und sich unsterblich verliebt hatte. Kurze Zeit später zog sie zu ihrem Neuen und Ali reichte die Scheidung ein. Er gab seinen Nebenjob auf und beantragte eine Kur wegen seelischer Belastung. Die LVA bewilligte diese sofort. Als Alois sechs Wochen später, aufgebaut von den Psychotherapeuten und Leidensgenossen in den Gesprächskreisen, wieder zu Hause war und sein Leben neu sortieren wollte, erinnerte er sich an die vergrabenen Schätze in dem liebevoll gestalteten Garten. Das Geld war leider nicht mehr da und die gesamte Kur für die Katz.

„Wer wusste von dem Versteck?“, spielte ich den Detektiv.

„Nur meine Frau und ich“, meinte Ali und seufzte.

Ich weiß, es war nicht die feinste Art. Aber irgendwie konnte ich mir das Lächeln nicht verkneifen.

Holger: ein Großbauer aus der Grafschaft Bentheim, Ende 50, verheiratet, drei Kinder. Er lebt auf einem riesigen Hof mit Fischen im Teich, Bienen in der Imkerei und eigenem Spargel auf dem Feld. Da fehlt wirklich nichts! Nur ein bisschen Liebe und menschliches Glück.

Vor etwa 15 Jahren hat ihn seine geliebte Frau betrogen. Und zwar mit seinem besten Kumpel. Seitdem herrscht kalter Krieg. Holger hat es nicht übers Herz gebracht, seine Angetraute vor die Tür zu setzen. Eine Scheidung kam und kommt auch nicht in Frage – des Hofes wegen. Und so quälen sich die beiden durch das Eheleben. Holger erzählte mir, dass das Paar seit 15 Jahren in getrennten Schlafzimmern schläft und quasi getrennt wohnt. Das Haus ist riesig und man kann sich gut aus dem Weg gehen. Gesprochen wird nur über die Kinder, die mittlerweile erwachsen sind, und über das Geschäftliche. Geburtstage der Eheleute werden nicht gefeiert, sie gehen nicht mehr zusammen aus. Holgers Frau hat einen kleinen Blumenladen, in dem sie viel Zeit verbringt. Sonst treibt sie Sport und führt ihr ruhiges Leben.

„Und Weihnachten“, wollte ich wissen, „feiert ihr denn nie zusammen Weihnachten?“

„Sie kocht das Essen und deckt den Tisch. Manchmal bin ich dabei. Aber manchmal haue ich mir ein paar Eier in die Pfanne und verschwinde, noch bevor sich die Familie an den Tisch setzt und das Fest der Liebe feiert“, berichtete Holger traurig.

Er ist jeden Donnerstag im „Country“ und jeden Samstag woanders. Er fährt in den Urlaub, ohne seiner Frau Bescheid zu sagen. Und wenn er wieder zurück ist, fragt sie nie, wo er war.

Holger ist auf der Suche nach einer Herzdame, die sich mit seiner Situation arrangieren würde.

„Die würde bei mir alles haben – Urlaub, Geschenke. Wenn es sein müsste, würde ich für uns auch eine Wohnung anmieten oder kaufen. Nur die Scheidung dürfte sie von mir nicht verlangen“, beendete Holger seine traurige Story und schaute mir dabei erwartungsvoll in die Augen.

„Nein, Holger, das wär nichts für mich. Ich will die Nummer 1 sein, nicht die Nebenfrau“, lächelte ich ihn an. Dabei redete ich Klartext.

Jens: Mitte 50, groß und stattlich, ein guter Tänzer, geschieden, Unternehmer aus dem Kreis Borken. Er reinigt Ställe für andere Landwirte und hat mal Viehtransport betrieben. Hat mal. Dann wurde er mit Überladung erwischt und musste seinen Führerschein abgeben. Jens machte sich nicht viel daraus und nahm weitere Aufträge an. Die nächste Kontrolle ließ nicht lange auf sich warten – er war wieder überladen und hatte zudem keinen Führerschein. Eine Strafanzeige folgte und es gab ordentlich Ärger. Seit drei Jahren hat Jens jetzt keinen Führerschein mehr, sodass sich seine Selbstständigkeit mühselig gestaltet. Er musste einen Fahrer arrangieren, damit er die ihm anvertrauten Ställe reinigen kann. Anscheinend macht ihm dieses Desaster aber nichts aus, denn Jens ist immer gut gelaunt, macht einen auf dicke Hose und berichtet stolz und ausgiebig über seine Erfolge sowohl im geschäftlichen als auch im privaten Bereich. In seiner Garage steht ein nagelneuer BMW, den er gekauft hat, damit seine Kumpels oder weibliche Fans ihn schick chauffieren können. Der gute Mann ist in jedem Tanzlokal präsent, oft in Begleitung einer schönen Frau. Aber leider ist es jedes Mal eine andere.

„Sag mal, wieso bist du mit mir so reserviert?“, fragte er mich eines Abends, als wir an der Bar saßen. „Meinst du, dass ich ein ganz Böser bin?“

Ich war etwas überrascht. Eigentlich bemühte ich mich immer, freundlich zu ihm zu sein. Er war ja auch freundlich zu mir. Und überhaupt – Jens ist ein ganz netter Kerl. Nur halt ein großes Kind und ein Prahlhans. Nun saß ich da und überlegte, was ich sagen sollte.

„Das meine ich überhaupt nicht. Du bist ein ganz Lieber“, so ich.

„Aber? Reicht es für mehr nicht aus?“ Jens sah mich prüfend an.

„Ach Jensi, ist doch alles gut, so wie's ist. Lassen wir's dabei und bleiben Freunde“, wich ich aus, weil ich überhaupt keine Lust auf weitere Erklärungen hatte.

„Okay“, lachte er.

Bravo, Frau Diplomatin.

Otto: ein reicher Rentner aus dem Ammerland, Anfang 70, verheiratet, steht aber nicht dazu. Otto ist ebenfalls in jedem Tanzlokal. Großmäulig, sehr von sich überzeugt, spricht oft zweideutig und reißt gern schmutzige Witze. Man muss ihn kennen. Ich habe auch etwas länger gebraucht, bis ich mit seiner Art klargekommen bin und angefangen habe, seine Sprüche zu kontern. Meine Freundin Lisa hatte natürlich mit Otto überhaupt keine Probleme – mit ihrer Schlagfertigkeit hat sie schon so manchen Kerl kleingekriegt.

„Mit dem Wolfgang solltest du lieber nicht tanzen, Helena“, warnte mich Otto einmal im „Country“, „der hat's faustdick hinter den Ohren und ist hier sehr unbeliebt.“

„Das ist mir so was von egal, Hauptsache, er kann gut tanzen“, gab ich rebellisch zurück.

„Aber ich muss auf dich aufpassen. Und wenn du mit ihm tanzt und er dich so anstarrt, mach ich mir Sorgen um dich.“

„Danke, Papa!“ Ich lächelte ihn an. Manchmal kann er auch richtig amüsant sein.

Leider sagt man Otto nach, er verachte seine Ehefrau und behandle sie nicht gerade liebevoll. Er soll sie in Anwesenheit anderer Leute verbal attackiert und gekränkt haben. Die Frau pflegt zu Hause ihre gemeinsame schwerstbehinderte Tochter und kann diese Situation nicht ändern. Es gibt für sie kein Entkommen. Nur wenn Otto unterwegs ist, und das ist er Gott sei Dank oft, atmet sie auf.

Vor einiger Zeit legte sich Otto auf der traditionellen Ü40- Party im NordhornerTanzpalast mit dem Personal, sprich den Türstehern, an. Als Otto darum gebeten wurde, das Lokal zu verlassen, weigerte er sich. „Ich lass mir von euch Sch…..Ausländern nichts sagen!“, schrie er herum und wurde regelrecht rausgeschmissen. Im Tanzpalast ist überwiegend Personal mit Migrationshintergrund beschäftigt und der Rebell bekam eine Anzeige wegen Beleidigung und ein lebenslanges Hausverbot.

Als wir die Geschichte hörten, gackerten wir natürlich lauthals.

„Na ja“, spöttelte meine Freundin, „so schlimm kann das Verbot für Otto nicht sein. Er ist längst Ü70.“

Wo sie recht hat, hat sie recht.

Heiko: Anfang 50, groß aber dünn, gebückte Haltung, schlurfender Gang. Seine Tanzschritte sind die eines alten Opis, der massive Probleme mit dem Rücken, mit der Hüfte und mit den Knien hat. Lisa hatte das Glück, mit Heiko zu tanzen. Als meine liebe Freundin wieder von der Tanzfläche zurückkam, verzog sie die Miene, wie man es selten sah. Eine Mischung aus Unzufriedenheit, Sarkasmus, Mitleid und Humor in einem. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck besser als jeder andere und kann ihn sehr gut deuten.

„Na, wie war er?“, stichelte ich und Lisa rollte nur mit den Augen. Seitdem trafen wir Heiko in allen Tanzlokalen, die wir auch aufsuchten – in Osnabrück, Torsholt, Bad Zwischenahn, Rheine, in Legten und natürlich in Bad Bentheim. Jedes Mal begrüßte er uns freudestrahlend, erkundigte sich nach unserem Befinden und zog weiter. Manchmal forderte er Lisa zum Tanzen auf. Von mir hielt Heiko aus unbekannten Gründen Abstand. Ich beobachtete ihn beim Tanzen und mir taten seine Tanzpartnerinnen aufrichtig leid. Ich wunderte mich immer wieder, wieso die Frauen ihm keinen Korb gaben.

„Du weißt doch, was einen guten Tänzer oder eine gute Tänzerin ausmacht“, ertönte Lisas weise Stimme: „Die Fähigkeit, sich auch auf denjenigen einzulassen, der nicht so gut tanzen kann. Diesen zu ermutigen und glänzen zu lassen, auch wenn es enorm schwerfällt.“

Ich sah Lisa kurz an und schmunzelte nur. Respekt, Mädels!

Irgendwann erzählte uns Heiko, er habe die Liebe seines Lebens gefunden. Die neue Flamme hieße Olga und sei Mutter von zwei Kindern. Jung, dynamisch und wahnsinnig hübsch sei sie zudem auch noch.

„Ich bin so glücklich, so glücklich!“ Heiko schwebte auf Wolke sieben.

„Komisch“, rätselte Lisa. „Wieso ist er denn nach wie vor allein unterwegs?“

„Sie hat zwei Kinder, die noch ziemlich klein sein dürften. Die Mutti muss ihrer Fürsorge- und Aufsichtspflicht nachgehen“, fachsimpelte ich, als wir auf dem Heimweg die neue Nachricht besprachen. Die nächste ließ nicht lange auf sich warten – mit einem verlegenen Lächeln verriet uns Heiko, seine neue Freundin sei schwanger. Von ihm natürlich.

„Es ist ein absolutes Wunschkind!“, so der glückliche werdende Vater an der Bar. „Ich werde mit 50 nochmal Papa!“, gluckste Heiko gerührt.

„Wollt ihr auch heiraten?“, erkundigte sich meine Freundin sachlich.

„Nein, das haben wir nicht nötig. Und außerdem ist Olga noch nicht geschieden. Mit den anderen Müttern meiner Kinder war ich auch nicht verheiratet“, fügte er dann hinzu. Mir klappte die Kinnlade runter: „Wie viele Kinder hast du denn schon?“

„Zwei“, war die Antwort.

Darüber kann man nur staunen.

Olga zog mit ihren Kindern bei Heiko ein. Das absolute Wunschkind, ein Junge, erblickte das Licht der Welt. Das Glück schien perfekt zu sein.

„Mein Haus und Hof sind groß genug. Da ist für alle Platz“, posaunte Heiko herum. „Jetzt sind wir eine richtige Familie!“ Trotzdem tauchte er regelmäßig allein zum Tanzen auf.

Ein paar Monate später erfuhren wir, dass Olga samt Nachwuchs sein Haus verlassen hatte. Angeblich kam ihre älteste Tochter mit der neuen Wohnsituation und mit Heiko selbst überhaupt nicht klar. Und da das Mädchen gerade im pubertierenden Alter war, wurde das Zusammenleben immer schwieriger. Heiko, der nie verheiratet war und dem das Ehe- und Familienleben völlig fremd waren, war mit den Kindern auch überfordert und grämte sich über den Blitzauszug nicht besonders.

„Man kann ja auch getrennt leben. Hauptsache man liebt und versteht sich. Mir ist wichtig, dass ich zu dem Kleinen Kontakt hab“, änderte Heiko schnell seine Meinung.

In den Sommerferien buchte Heiko auf Wunsch seiner Olga einen zweiwöchigen Urlaub auf Teneriffa. Er mietete eine schicke Villa an, wo für alle genug Platz war, mit Pool und anderem Luxus. Aber bereits am zweiten Aufenthaltstag kam es zwischen ihm und seiner pubertierenden Stieftochter zur ersten Auseinandersetzung und die Mutter ergriff für das Mädchen Partei.

„Der Urlaub war eine einzige Katastrophe. Ich erlitt zwei Wochen Hölle. In einer noblen Villa auf Teneriffa. Und das für einen Riesenhaufen Geld“, beendete Heiko seine Geschichte und wirkte dabei nicht mehr so glücklich wie früher.

„Wahnsinn!“, kommentierten wir auf dem Heimweg das Gehörte. „Wie blöd kann man denn sein!? Der Mann hat drei Kinder von drei Frauen und das jüngste ist noch ganz klein. Da hat er noch einiges vor sich, bis er die ausgezahlt hat.“

Heiko tanzte aber weiterhin auf allen möglichen Partys. Er war wie immer fröhlich und zufrieden und erwähnte seine Olga nicht mehr. Irgendwann stellte er uns seine neue Freundin Miriam vor: „Wir gehen nur zusammen aus. Rein platonisch“, klärte er uns auf. Miriam, eine hübsche Blondine, schmiegte sich an seinen Arm und bestätigte seine Worte. Seitdem sahen wir die beiden überall zusammen tanzen und wunderten uns immer wieder, wie unbeschwert und locker Heiko mit seiner Situation umgeht und wie er es hinkriegt, die Herzen der Frauen zu erobern.

Es fiel auf, dass zwischen Miriam und Heiko schon viel mehr war als „rein platonisch“.

Miriam vertraute uns an, dass sie auch schon zweimal verheiratet war und schwer enttäuscht wurde.

„Wenn ich mich jetzt an meine Verflossenen erinnere, dann ist Heiko ein wahrer Schatz. Mit so einem Mann möchte man alt werden“, schwärmte die hübsche Blondine.

„Nicht auszuschließen, dass die beiden heiraten“, meinte Lisa.

Aber bei einem sind wir uns sicher: Miriam wird ihm kein weiteres Baby bescheren. Sie ist nämlich weit über 50.

Donnerstags ist Damenwahl

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