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Kapitel 4 Der süße Lohn der Selbstüberwindung
ОглавлениеNach drei Wochen schwerster innerer Gefechte und unzähliger Anläufe, war ich endlich an dem Punkt, Niklas anzurufen. Nichts und niemand würde mich jetzt noch davon abhalten.
Es war am Montagabend. Ein langer Arbeitstag, voller neu beantragter Personalausweise und Reisepässe oder Umzugsmeldungen, lag hinter mir. Während einer Teambesprechung gegen Mittag hatte ich beschlossen, dass ich es wagen würde. Mit beißender Entschlossenheit brachte ich den restlichen Arbeitstag hinter mich, fuhr heim, begrüßte meinen Oscar und machte mich ans Werk.
Nun tigerte ich durch meine Wohnung, das Telefon am Ohr.
Es klingelte.
„Wilde“, erklang diese tiefe, ruhige Stimme.
„Äh, hi. Ich bin‘s, Clara.“ Meine Stimme hingegen klang piepsig und aufgeregt.
„Ah ja.“
„Wir haben uns auf der Hochzeit meiner Schwester Laura kennengelernt.“
„Hm.“
„Du saßt kuschelnderweise mit meinem Hund im Gras. Später fand ich deine Karte unter seinem Halsband.“
Er schwieg, aber ich glaubte, ein leises Lachen zu vernehmen.
„Da ich mal nicht davon ausgehe, dass du auf einen Anruf von meinem Oscar scharf warst, dachte ich, du wolltest, dass ich dich anrufe.“
Er schwieg weiterhin. Ich lauschte aufmerksam. „Soll ich sonst das Telefon weiterreichen?“, fragte ich schließlich, um meine Verunsicherung zu überspielen.
„Nein, aber knuddle ihn von mir.“
Als wüsste er, dass wir von ihm sprachen, setzte sich mein vierbeiniger Mitbewohner, der bis eben dösend auf seiner Decke neben dem Sofa gelegen hatte, auf und blickte erwartungsvoll zu mir, die jetzt im Türrahmen zur Wohnstube stand.
„Fühl dich geknuddelt, Oscar.“
Am anderen Ende der Leitung lachte Niklas.
„Okay. Also …“
„Also?“
„Da wir das jetzt geklärt haben …“
„Könnten wir uns über den Grund deines Anrufs unterhalten.“
„Genau.“ Ich schluckte schwer, um diesen verdammten Klumpen im Hals loszuwerden.
„Ja?“
Er wartete einen Augenblick, da ich aber meine Stimme nicht unter Kontrolle hatte, übernahm er die Führung.
„Okay. Dann mache ich mal. Ich freue mich, von dir zu hören, auch wenn ich ehrlich gesagt schon etwas früher mit deinem Anruf gerechnet habe. Ich dachte schon, ich hätte mich geirrt, dass es da zwischen uns geknistert hat.“
Unglaube mischte sich mit heller Begeisterung. Hatte er das gerade echt gesagt? Aber da ich keine Halluzinationen hatte und die Verbindung absolut kristallklar war, konnte ich es mir nicht eingebildet haben.
„Clara? Bist du noch da?“, fragte er in meine Gedanken hinein.
„Ja. Das erleichtert mir meine Mission doch um einiges.“
„Mission?“ Es fiel mir nicht schwer mir vorzustellen, wie er verharrte und fragend eine Augenbraue hob.
„Jap. Ich rufe an, weil ich dich eigentlich was fragen wollte.“
„So? Dann schieß mal los.“
„Ich habe mich gefragt, ob wir vielleicht mal was zusammen unternehmen wollen.“ Ich hielt gespannt die Luft an.
„So, so. Das hast du dich also gefragt.“ Er lachte wieder dieses kleine diabolische Lachen.
„Ja und wenn du mich weiterhin so quälst, erleide ich gleich einen Nervenzusammenbruch und dafür trägst du dann ganz allein die Verantwortung!“
„Das möchte ich auf gar keinen Fall. Also gut. Was hältst du von einem Essen? Ich kenne da dieses kleine Restaurant. Es ist nichts Extravagantes oder so, aber das Essen dort ist fantastisch, der Service ist super. Man fühlt sich sehr wohl dort. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mich beruhigt das doch immer sehr, wenn man sich bei einem ersten Date irgendwo hinbegibt, wo es nicht so verkrampft ist.“
Hm. Halbgötter wurden auch mal nervös? Ich hätte gedacht, das würde nur uns Erdenbürgern passieren.
„Hört sich gut an“, verkündete ich mit neu erwachter Euphorie.
„Gut. Das freut mich zu hören. Samstag, 19 Uhr? Ich hole dich ab.“
Der Mann machte Nägel mit Köpfen. Das gefiel mir, da es mir die Sache sehr erleichterte.
„Dann werde ich dich am Samstag um 19 Uhr fein gemacht erwarten.“
„Fein gemacht. Dann muss ich mich ja auch in Schale schmeißen.“
„Aber bitte sehr.“ Meinetwegen hätte Niklas nackt vor mir stehen können. Bei genauerem Überlegen wäre mir das sogar am allerliebsten.
„Clara? Woran denkst du?“, fragte er interessiert, da mein Schweigen wohl vielsagend war.
„Wie bitte? Oh, ich habe gerade überlegt, wie du dich in Schale schmeißt.“
„Ah ja.“ Mehr sagte er nicht dazu. Ich hörte aber das Schmunzeln in seiner Stimme. Ich lachte ebenfalls leise und doch recht schelmisch.
„Ich glaube, ich möchte doch wissen, was du dir gerade genau vorgestellt hast.“
„Sorry, das bleibt mein Geheimnis.“
„Unfair.“
„Ich freue mich wirklich schon auf Samstag“, versuchte ich, das Gespräch wieder in ungefährliche Gefilde zu lenken.
„Ich auch. Also sehen wir uns am Samstag um sieben.“
„Jap. Also dann.“
„Ich wünsche dir noch eine schöne, hoffentlich nicht zu stressige Woche. Wir wollen doch nicht, dass du am Samstag durchhängst.“
„Das wäre katastrophal.“
„Jetzt müsstest du mir nur noch verraten, wo du wohnst. Sonst würde mein Vorhaben, einen schönen Abend mit dir zu verbringen, schon im Ansatz scheitern.“
„Das wäre noch viel katastrophaler“, stieß ich theatralisch aus.
Ich gab ihm meine Anschrift und dann legten wir auf.
Mittlerweile hatte mich mein unruhiges Umhertigern durch meine Wohnung ins Schlafzimmer geführt. Dort ließ ich mich laut seufzend aufs Bett fallen. Geschafft! Ich würde tatsächlich mit Niklas Wilde ausgehen. Niklas Wilde, der Mann, vor dem mich meine Schwester und dieser Schleimer Danny eindringlich gewarnt hatten. Ich freute mich darauf wie ein kleines Mädchen auf den Weihnachtsmann.
Nun stand ich in meinem Schlafzimmer und blickte in den großen Standspiegel. Ein Seufzen entwand sich meiner Kehle. Ich hatte alles versucht und war wieder einmal jämmerlich gescheitert.
Rein theoretisch war der knielange schwarze Rock eine gute Lösung, aber in der Praxis … Ich zog den Bauch ein und drehte mich zur Seite. Abgelehnt! Das Ding stand nicht länger zur Debatte. Ich stieß die Luft heftig aus und öffnete die drei Knöpfe meines Rocks. Als ich ihn gekauft hatte, musste ich wohl etwas zu optimistisch auf mein Durchhaltevermögen in puncto Diäten gewesen sein.
Oscar lag auf dem Teppich neben meinem Bett und beobachtete jede meiner Bewegungen. Ich blickte zu ihm.
„Was meinst du? Soll ich das Date absagen?“ Bis auf ein tiefes Brummen blieb meine Frage unbeantwortet. Ich schüttelte den Kopf. Im Grunde genommen wollte ich ja unbedingt mit Niklas ausgehen, aber warum mussten Verabredungen im Vorfeld immer solch eine Aufregung verursachen?
Es war Samstag. Der große Tag. Die Woche war vom beruflichen Standpunkt aus nicht übermäßig stressig gewesen. Allerdings hatte ich es geschafft, mich in lauter unbändiger Vorfreude auf den Abend mit Niklas völlig verrückt zu machen.
Seit Lauras Hochzeit waren, wie gesagt, schon drei Wochen vergangen. Sie lebte nun in London, weit weg von Papa und mir, doch im Moment hätte ich nichts gegen ihren modischen Rat gehabt.
Warum musste ich nur so ein Zwerg sein? Sicherlich hatte ich wohl proportionierte Rundungen und Kurven, aber alles, was ich heute Abend anprobierte, wirkte so … unpassend.
Ich brummte frustriert. Warum machte ich mir eigentlich solche Gedanken darum, was ich zu diesem Date anziehen sollte? Das tat ich doch sonst auch nicht. Weil Niklas einfach ein toller Mann ist, erklärte mir eine meiner Stimmen.
Ich warf den engen, knielangen schwarzen Rock aufs Bett und wandte mich wieder dem Kleiderschrank zu. Meine Vorräte an Date-geeigneten Klamotten waren beinahe aufgebraucht. Ich sollte mich ziemlich bald entscheiden.
Laut meinem Radiowecker auf dem Nachttisch war es bereits 18.45 Uhr. Niklas würde in 15 Minuten hier sein und so wie ich ihn einschätzte, war er ein pünktlicher Mensch.
Was sollte ich bloß anziehen? Ich wollte Niklas gefallen, aber ich wollte auch etwas Bequemes tragen, sonst würde ich den Abend über nicht zu ertragen sein. Niklas hatte zwar recht mit dem Ort für das erste Date, aber die Kleidung war mindestens genauso wichtig. Ich wollte ihm gefallen und zur gleichen Zeit sollte es auch etwas angenehm zu Tragendes sein. Jeder, der sich je für ein Date zurechtgemacht hat, versteht genau, was jetzt in mir vorging.
Schon 18.50 Uhr. Noch keine Entscheidung. Ich stand nur mit Unterwäsche bekleidet in meinem Schlafzimmer und wühlte mich durch den Kleiderhaufen auf meinem Bett.
Mach doch die Tür so auf. Dann weiß er wenigstens gleich, was Sache ist, flüsterte mir eine der fiesen kleinen Stimmen zu. Das wäre wohl in der Tat eine klare Ansage, ging es mir durch den Kopf. Hm, an und für sich ein recht faszinierender Gedanke, aber für unanständige Fantastereien hatte ich jetzt keine Zeit.
Schwarzer Rock, zu eng. Weißes Kleid, nicht passend. Cremefarbener Hosenanzug – das war ein Date, kein Geschäftsessen! Weg damit! Blümchenkleid? Bitte nicht.
Schwarze Marlene-Hose … joa, kann man mit arbeiten. Aber was dazu? Ah ja, kurzärmelige smaragdgrüne Bluse aus Wildseide mit tiefem V-Ausschnitt. Das ist es!
Ich beeilte mich, in die Sachen zu schlüpfen. Selbst ein Blick in meinen sonst so gnadenlosen Spiegel konnte mir die Überzeugung nicht mehr nehmen, dass es ein großartiges Outfit war.
Ich suchte mir dezenten Schmuck heraus, nahm noch ein wenig von meinem Lieblingsparfüm, bürstete meine langen Haare noch einmal und fuhr in meine zierlichen schwarzen Pumps Größe 35. Dann griff ich mir meine Handtasche und stand gerade vor der Tür, als es klingelte.
Oscar drängte sich neben mich und blickte erwartungsvoll auf die noch geschlossene Tür. Ich drückte auf den Türöffner und schloss die Wohnungstür auf.
Wenige Augenblicke später stand Niklas vor mir. Er sah umwerfend aus in den dunklen Jeans und dem nachtblauen kurzärmeligen Hemd, das er entgegen sämtlichen Modetipps leger über der Hose trug. Unter dem offen stehenden obersten Knopf lugte ein weißes T-Shirt hervor.
Mein Herz machte einen kleinen aufgeregten Hüpfer und ein schüchternes Lächeln erschien auf meinen Lippen.
„Seid gegrüßt. Eure Eskorte ist eingetroffen, Gnädigste“, erklärte er mit einer galanten Verbeugung vor mir.
„Guten Abend. Ich bin schon abmarschbereit“, erwiderte ich.
Du hättest die Tür doch in Unterwäsche öffnen sollen. Das hätte dann keiner weiteren Worte bedurft, quakte mir da schon wieder eine Stimme dazwischen. Ich verzog kurz das Gesicht und hoffte dann, er hatte es nicht bemerkt.
„Hi Oscar“, begrüßte er jetzt auch meinen Vierbeiner. Dieser machte einen Schritt auf ihn zu in Erwartung weiterer Streicheleinheiten. Niklas tat ihm den Gefallen auch prompt. Was würde ich wohl tun müssen, damit er mich so ausdauernd streichelte?
Ich räusperte mich gedehnt, um diese Gedanken zu vertreiben. „Wollen wir?“, fragte ich an mein Date gewandt.
Niklas richtete sich wieder auf und schenkte mir ein kleines Lächeln und einen unleugbaren Blick. „Gerne.“
„Tja, Baby“, begann ich an Oscar gerichtet, „du kannst heute Abend leider nicht mitkommen. Heute werde ich mal im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit stehen. Dein Fresschen und eine volle Schale Wasser stehen in der Küche. Sei artig und lass unsere Wohnung ganz“, ermahnte ich ihn im schönsten Mutterton. In letzter Sekunde fielen mir noch die auf dem Bett verteilt liegenden Klamotten ein. Schnell zog ich die Schlafzimmertür zu und schlüpfte dann aus der Wohnungstür, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich wusste, dass mein armer Hund völlig verwirrt dastand und die Tür anstarrte. Er war es nicht gewöhnt, dass er abends allein gelassen wurde. Bisher hatten wir alle Abende zu zweit, kuschelnd auf dem Sofa verbracht – womit ich bisher auch immer sehr zufrieden gewesen war. Und Oscar auch. Doch als er jetzt anfing zu jaulen, war das etwas zu viel für meine Nerven. Ich drehte mich um und wollte die Tür wieder öffnen, doch Niklas nahm meinen Arm und führte mich die Treppe hinunter zur Haustür.
„Mein armes Baby“, jammerte ich wehleidig.
„Er ist schon ein großer Hund. Er kann auch mal einen Abend allein zu Hause bleiben“, versuchte er, mich zu beruhigen. Das kleine Lächeln um seine Lippen machte jedoch den Effekt seiner Worte zunichte.
„Und wenn die Dinge so laufen sollten, wie ich es gerne hätte, wird er in Zukunft so manchen Abend allein zu Hause verbringen“, fügte er hinzu.
Ich sah zu ihm auf, aber er schwieg. Na, das waren ja Aussichten! Einerseits freute ich mich ja über so viel Enthusiasmus, aber konnte ich meinen Oscar wirklich so ganz allein zu Hause lassen und mich vergnügen? Ich seufzte.
„Vielleicht können ja Mama und Papa Oscar dann öfter mal zu sich nehmen“, überlegte ich laut.
„Das wäre eine sehr noble Geste von ihnen“, pflichtete mein Begleiter mir bei. Er hielt mich immer noch am Arm. Mir kroch die Wärme seiner Hand in die Knochen und arbeitete sich ganz langsam durch meinen ganzen Körper vor. Es war ein herrliches Gefühl. Als wir das Haus verließen, lächelte ich zufrieden.
Wir gingen zu den Parkplätzen vor dem Haus und er führte mich zu seinem Wagen, einem schwarzen BMW. Ich blieb stehen und betrachtete den Sportflitzer eingehend. Niklas hatte die Beifahrertür geöffnet und warf mir einen fragenden Blick zu.
„Schickes Auto.“ Auch wenn ich standhaft versuchte, den zweifelnden Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken, gelang es mir nur mangelhaft.
Er nickte zur Antwort und zeigte dann einladend ins Innere des Wagens. Ich stieg ein und sah zu, wie er die Tür hinter mir zuschlug. Warum fühlte ich mich nur auf einmal so gefangen in dieser Sardinenbüchse auf Rädern? Ein ungutes Gefühl kroch langsam in mir empor, das nicht nur auf das Auto zurückzuführen war.
Was denn? Hast du Angst, dass er nicht ganz deine Kragenweite ist?, eröffnete ich eine weitere interne Debatte. Es war nicht die erste und würde unter Garantie nicht die letzte sein. Er ist ja auch nur attraktiv, charmant und scheint nicht schlecht zu verdienen. Er kann küssen, er hat Sinn für Humor.
Ich atmete tief durch und verdrängte weitere Gedanken dieser Art in die hinterste Ecke. Ich hatte mir vorgenommen, diesen Abend zu genießen. Niklas hatte mir seine Visitenkarte hinterlassen, also konnte man doch davon ausgehen, dass er gerne Zeit mit mir verbringen wollte, oder nicht? Und hatte er sich nicht auch dahingehend am Telefon geäußert, als ich ihn angerufen hatte? Und die eben vorgebrachte Absicht, mich zukünftig öfter aus dem Haus zu locken, gab doch ebenfalls Anlass zur Hoffnung.
Inzwischen war auch Niklas eingestiegen und hatte den Motor gestartet. Ihm schien meine Grübelei nicht weiter aufzufallen.
„Wohin entführst du mich denn?“, fragte ich ihn vorsichtig, um ein Gespräch in Gang zu bringen.
„Das wird nicht verraten. Hab einfach etwas Geduld“, antwortete er mir. Er hatte wieder dieses geheimnisvolle Lächeln aufgesetzt. Sein Blick hing immer noch an der Straße vor uns.
„War das nicht ein Riesenumweg für dich, mich einzusammeln? Wir hätten uns auch irgendwo treffen können.“
Mein Chauffeur zuckte die Schultern. „Na ja. Der Ort, an den ich dich entführen möchte, ist nicht weit von hier. Also war‘s nicht so schlimm. Ich lebe in der Nähe von Potsdam, aber da ich unbedingt mit dir dahin wollte, macht es mir nichts aus. Schnapp dir mal die CD-Tasche aus dem Handschuhfach und such dir was Schönes aus“, wechselte er unvermittelt das Thema.
Ich tat, wie mir befohlen, und durchsuchte die CDs. „Metallica, AC/DC, Rolling Stones. Ganz schön Rock-lastig. Was haben wir denn noch Schönes im Angebot? Doro, Kiss, hey, Aerosmith“, las ich vor.
„Hast du was entdeckt, was deinen Ansprüchen gerecht wird?“, fragte Niklas mit einem kurzen Seitenblick zu mir.
„Oh ja, die sind alle total cool, aber an die Jungs kommt keiner ran.“ Ich fingerte eine bestimmte CD aus ihrer Hülle und hielt am Autoradio nach dem Schlitz für die CDs Ausschau. Wenig später ertönte die mir vertraute Musik.
Ich sang lauthals mit.
„Aha! Haben wir etwa einen Aerosmith-Fan unter uns?“, fragte er.
„Oh, ich weiß nicht, ob man sich mit 23 CDs, zwei DVDs, drei Büchern und einem Konzertbesuch schon als Fan bezeichnen kann“, erwiderte ich mit einem breiten Grinsen.
„Das Wort ‘besessen’ fällt mir dazu ein“, lachte Niklas.
„Es dauert immer recht lange, bis ich mich für etwas begeistere, aber wenn ich mich dann erst mal dazu entschieden hab, bin ich sehr beständig in meinen Obsessionen“, verkündete ich mit betontem Gleichmut.
Niklas grinste. „Gut zu wissen.“
„Ich finde es sehr wichtig, dass du von Anfang an weißt, worauf du dich da einlässt“, erklärte ich. Denn ich hab ja im Gegensatz zu anderen Leuten in diesem Auto nichts zu verbergen, fügte ich in Gedanken hinzu. Dabei ging mir zum millionsten Mal seine lebhafte Auseinandersetzung mit Laura bei deren Hochzeit durch den Kopf. Wieder einmal schien der Weg von meinem Gehirn zu meinem Mund mit vielen Hindernissen gepflastert zu sein. Aber das war auch gut so. Mit den wirklich schwierigen Fragen konnte ich ihn auch noch zu einem späteren Zeitpunkt bombardieren. Jetzt sollten wir uns erst einmal gegenseitig beschnuppern und besser kennenlernen.
Einen Moment schwiegen wir.
„Was machen die frisch vermählten Turteltauben?“, fragte er mich schließlich ganz beiläufig.
Ich seufzte. „Die leben in London. Weit, weit weg.“
Niklas sah mich mit hochgezogener Augenbraue an, als ich nichts weiter sagte.
„Laura ist mitunter recht anstrengend. Ich finde es gut, dass sich jetzt andere Leute mit ihren Anwandlungen herumplagen können. Ich hab das lange genug ertragen müssen.“
„Ah ja“, machte er.
Hm. Der Mann war echt der Meister der schwammigen Antworten.
„Hast du Geschwister?“, fragte ich in der Hoffnung, wenigstens darauf eine klare Antwort zu erhalten.
Niklas schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin ein verwöhntes Einzelkind.“
Wieder schwiegen wir. Es war ein merkwürdiges Schweigen. Ich war nie eine Quasselstrippe gewesen, aber so völlig stumm hier in diesem Auto zu sitzen, war doch noch wieder etwas anderes. Also tat ich das Erstbeste, was mir in den Sinn kam. Ich sang.
So brachten wir die Autofahrt ganz gut hinter uns. Wir machten gelegentlich Kommentare zu bestimmten Liedern oder Filmen. Ansonsten unterhielt ich uns mit meinem Gesang. Er war nicht schön, aber er trug dazu bei, dass die komische Situation erträglicher wurde.
Schließlich fuhr Niklas auf einen Parkplatz vor einem schönen alten Landhaus. Ich lehnte mich etwas vor, um mir ja nichts entgehen zu lassen.
„Wow!“, entschlüpfte es mir.
Als ihm mein überraschter und begeisterter Blick auffiel, schmunzelte er.
„Wart‘s nur ab, bis du das Essen hier probiert hast.“
Leckeres Essen in schöner Atmosphäre. Wer wäre davon nicht begeistert gewesen? Ich ermahnte meinen Magen, dass er am heutigen Abend nur eine untergeordnete Rolle spielen würde. Er reagierte mit einem provokativen Knurren darauf. Ich legte kurz eine Hand auf meinen Bauch, um ihn zu beruhigen. Zum Glück war Niklas schon ausgestiegen, sodass er meine Bauchrednerkünste nicht bemerkte.
Er kam um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Ich stieg aus und fuhr damit fort, mich aufmerksam umzusehen.
Meinem Begleiter schien das nichts auszumachen, denn er legte einen Arm um meine Schultern und führte mich langsam auf den erleuchteten Eingang zu. So brauchte ich nicht auf den Weg zu achten und mir entging nichts.
Der Parkplatz wurde von großzügigen Rasenflächen gesäumt, auf denen zwei massive, offensichtlich schon recht alte Eichen standen.
„Da hinten ist ein schöner kleiner See. Da waren wir früher oft, meine Eltern und ich. Ansonsten gibt es hier viel Wald und Felder. Die Dorfkirche da drüben stammt aus dem 14. Jahrhundert und es scheint, dass sie das Ding schon sanieren, solange ich denken kann“, erzählte er mir.
Aufmerksam lauschte ich seinen Ausführungen. Mir gefiel es hier sehr gut. Ich konnte mir durchaus vorstellen, irgendwann später mal aufs Land zu ziehen. Weit weg von all der Hektik und dem ganzen Lärm der Stadt. Dort könnte mein Oscar draußen rumtoben und ich könnte mir vielleicht irgendwann sogar mal ein Pferd anschaffen. Zwar hatte ich noch nie auf einem Pferd gesessen, doch das war etwas, für das ich mich begeistern könnte.
Ich kleines Stadtkind auf dem Land. Aber der Gedanke war mir über die Jahre immer wieder gekommen und je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel er mir. Ich konnte das Bild fast vor mir sehen, wie ich mit einem schönen braunen Pferd, das vom Temperament her zu mir und meinem Oscar passte, durch die Felder ritt und mich ganz dem Landleben hingab. Bei der Vorstellung musste ich grinsen.
„Können wir oder möchtest du noch eine Weile hier draußen alles erkunden?“, fragte Niklas mich leise. Mir war gar nicht aufgefallen, dass wir stehen geblieben waren. Wir standen dicht nebeneinander vor dem Eingang und er sah mit einem kleinen wissenden Lächeln auf mich herab.
„Nein, wir können reingehen“, versicherte ich ihm, immer noch verzückt lächelnd.
„Erzählst du mir, was dich eben so zum Schmunzeln gebracht hat?“, bat er mich noch immer leise.
Vage nickend sagte ich: „Zukunftsträume.“ Mehr brauchte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu wissen. Die Antwort schien ihn auch fürs Erste zufriedenzustellen. Denn er bohrte nicht weiter nach.
Er hielt mir die Tür auf und wir betraten das Restaurant. Es war schon recht gut besucht, aber nach einer kurzen freundschaftlichen Begrüßung des Wirtes führte Niklas mich zielstrebig zu einem kleinen Tisch am Fenster.
Er half mir sogar, mich zu setzen, was mich etwas überraschte – aber auf eine angenehme Weise. Es war schon sehr lange her, dass mir ein Mann mit solchen Manieren begegnet war.
Um ihn nicht anzuhimmeln, als wäre er Zeus persönlich, wandte ich meinen Kopf kurz zum Fenster. Davor konnte ich einen kleinen Blumengarten entdecken, der an die Terrasse grenzte. Dort konnte man bestimmt herrlich im Sonnenschein sitzen und einen großen Eisbecher genießen. Mein Magen war echt schwer zu bändigen.
Mittlerweile hatte sich Niklas auf dem Stuhl mir gegenüber niedergelassen. Wir lächelten uns etwas unsicher an.
„Hallo Nick, wie schön dich mal wieder hier zu haben“, kamsagte eine Frau Mitte vierzig, die auf uns zukam. Sie trug eine dunkle Stoffhose und ein hellgrünes Poloshirt. Ihre blonden Haare waren kurz geschnitten und ordentlich gelockt. Ihr Gesicht war kantig, aber das aufgeschlossene Lächeln machte sie sehr sympathisch.
Niklas begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln.
„Hallo Susi. Ja, ich war in letzter Zeit sehr beschäftigt. Aber es ist schön, mal wieder hier zu sein.“ Mit einem schnellen Blick zu mir fügte er noch hinzu. „Susi, das ist Clara. Clara, Susi. Ihr und ihrem Mann Kalle gehört das alles hier“, erklärte er mir.
Ich lächelte die Frau freundlich an. „Hallo, es ist wirklich wunderschön hier.“
„Hallo Clara, freut mich zu hören.“ Sie musterte mich aufmerksam, wobei sie gar nicht erst versuchte, ihre Neugierde zu verstecken.
„Ich hatte alle Mühe, Clara hier hereinzubringen, so begeistert war sie von der Gegend“, bekräftigte Niklas mit einem kleinen Zwinkern in meine Richtung.
„Dann geht doch nach dem Essen noch etwas spazieren. Das wird dir gefallen, Clara. Der Schlosspark ist endlich wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.“
Ich sah fragend zu Niklas. „Es gibt ein Schloss und man darf in den Park?“
„Jap. Von mir aus können wir nachher gerne spazieren gehen.“
„Na, wunderbar! Hier sind die Speisekarten.“ Susi drückte jedem von uns eine in dunkelbraunes Leder gebundene Speisekarte in die Hand. Darauf stand in verschnörkelter goldener Schrift „Landgasthof - Zum alten Ritter“.
„Wenn das Essen hält, was das Ambiente verspricht, haben Sie einen neuen Stammgast gewonnen“, scherzte ich.
„Dann wollen wir uns mal besonders viel Mühe geben. Wo sich unser Kleiner doch auch schon so ins Zeug gelegt hat.“ Wieder musterte sie mich aufmerksam. Was wollte sie damit sagen?
Nick sah sie immer noch lächelnd an. „Bringst du uns bitte etwas zu trinken? Dann bist du wenigstens beschäftigt.“ Beim letzten Satz hatte sich ein leicht übertrieben fröhlicher Unterton in seine Stimme geschlichen.
„Na klar. Was darf es denn sein?“ Sie sah uns lächelnd an.
„Clara, möchtest du ein Glas Wein?“, fragte er mich.
„Gerne.“
„Ein Glas Rotwein für die Dame und ich bekomme … auch ein Glas. Eins darf ich. Wir sind ja noch eine Weile hier.“
Susi nickte und ging. So waren wir allein.
Keiner von uns beiden schien zu bemerken, wie schnell die Zeit verging. Wir sprachen über alles, lachten viel und nebenbei fanden wir auch tatsächlich noch die Zeit, uns über das wirklich ausgezeichnete Essen herzumachen.
„Darf ich dich etwas fragen?“ Ich stocherte auf meinem fast leeren Teller herum. Irgendwie war es mir unangenehm, jetzt davon anzufangen, aber es ging einfach nicht anders.
Niklas hob den Kopf und sah mich überrascht an. „Natürlich, du musst doch nicht extra fragen, ob du mich etwas fragen darfst. Frag einfach drauflos“, ermutigte er mich amüsiert. Als ich in seine Augen sah, wusste ich, dass er es ernst meinte. „Ich finde es nur total unverständlich, warum die beiden – also Laura und Danny - so auf dich reagieren. Du machst auf mich nicht den Eindruck, dass du gefährlich bist, oder dass du andere Leute dazu bringen könntest, dich nicht zu mögen.“ Ich schämte mich fast ein wenig. Warum hatte ich davon anfangen müssen?
„Stimmt, deine Schwester, Danny und ich sind nicht gerade Freunde, aber darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Die beiden können uns gar nichts sagen. Du und ich lernen uns gerade erst kennen und was damals passiert ist, hat nicht das Geringste mit uns zu tun.“ Er sprach leise und überzeugend.
Okay, wenn er es sagte, wollte ich es ihm mal glauben.
„Eigentlich sollte ich ja mittlerweile wissen, dass ich auf das, was Laura immer so von sich gibt, nichts geben sollte“, sagte ich in einem bemüht leichten Ton.
„Wieso?“, fragte Niklas schmunzelnd.
„Laura hatte bis jetzt an allem, was meine Person betrifft, etwas auszusetzen. Meine Frisur ist nicht modisch genug, meine Klamotten genauso wenig. Ich sollte nicht so viel Schokolade essen, das ist schlecht für die Haut und außerdem wird man davon dick. Ich bin viel zu kratzbürstig, um je einen Mann abzubekommen. Und wenn ich dann doch mal jemanden kennenlerne, dann passt ihr seine Nase nicht. Na ja, immer dasselbe halt. Unserem armen Papa geht es genauso. Sie mäkelt nur an uns herum.“ Ich verdrehte die Augen und schüttelte ungläubig den Kopf.
Niklas musste lachen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr beiden nicht immer einer Meinung seid. Freddie hatte recht. Ihr seid wie Tag und Nacht.“
„Und das ist auch gut so“, bekräftigte ich.
„Also ich beschwere mich bestimmt nicht darüber.“ Er lächelte mich an. Es war wieder dieses schwer zu deutende Lächeln. Zwar ein sehr freundliches, aber man hatte das Gefühl, dass er etwas dahinter verbergen wollte. Ich erwiderte es, weil ich gar nicht anders konnte.
Wir schwiegen einen Moment. Dann räusperte sich Niklas und wandte sich einem anderen Thema zu. „Möchtest du noch ein Dessert?“
Als wir mit dem Essen fertig waren und auch noch ein kleiner Eisbecher mit Früchten seinen Weg in meinen Magen gefunden hatte, bezahlte Niklas und wir erhoben uns, um zu gehen.
„Ich hoffe, wir konnten dich überzeugen, Clara?“, fragte Susi, während sie uns zur Tür begleitete.
„Oh ja. Das Essen war wunderbar. Ich bin voll und ganz überzeugt.“
Die Wirtin lachte. „Das freut mich. Kalle! Niklas und Clara wollen los. Kommst du noch Tschüss sagen?“
Kurze Zeit später ging die Tür zur Küche auf und Susis Mann kam heraus. „Klar. Hat’s euch geschmeckt, ihr beiden?“ Der große Mann mit den schon leicht ergrauten Schläfen und den lebhaften braunen Augen kam zu uns. Susi tätschelte ihm liebevoll die Wange, woraufhin er ihr einen Arm um die Schultern legte.
„Ja, danke. Es war alles sehr gut“, antwortete ich für uns beide.
„Sehr schön. Dann kommt uns bald wieder besuchen.“
„Auf jeden Fall“, versprach Niklas.
„Grüß deine Eltern von uns, Nick“, bat Susi. Auch das versprach er.
„Wir müssen leider wieder an die Arbeit.“ Kalles entschuldigender Blick huschte von mir zu Nick und wanderte abschätzend durch das mittlerweile volle Restaurant.
„Klar. Noch mal danke für alles und bis bald!“ Niklas hatte meine Hand ergriffen. Ich bedankte und verabschiedete mich ebenfalls und dann verließen wir das Lokal.
Draußen trat ich etwas zur Seite, um eine junge Familie an uns vorbeizulassen, die es offensichtlich eiliger hatten als wir und atmete tief durch.
Mein Bauch war gut gefüllt, zwischen Niklas und mir herrschte eine herrlich harmonische Stimmung und ich fühlte mich so zufrieden wie Oscar, nachdem Mama ihn mit einem schönen saftigen Stück Fleisch belohnt hatte.
Niklas stand dicht vor mir, aber nicht so dicht, dass es aufdringlich wirken würde. Er fragte mit einem kleinen Lächeln auf mich herabblickend: „Hab ich dir zu viel versprochen?“
Ich legte den Kopf in den Nacken, um ihn ansehen zu können. „Nein, hast du nicht. Vielen Dank für das Essen und vielen Dank, dass du mich hierhergebracht hast!“ Einem Impuls folgend, stellte ich mich kurz auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Niklas nahm es mit einem kleinen Auflachen hin. „Gern geschehen. Ich hab gehofft, dass es dir gefallen würde.“ Er hatte den Kopf etwas gesenkt, sodass uns nur noch wenige Zentimeter trennten.
Plötzlich wurde mir ganz warm und ich wusste nicht, was ich machen sollte.
Ich hatte das Gefühl, dass er mich berühren wollte, aber nicht so recht wusste, wie er es anstellen sollte. Schließlich streichelte er ganz zart meinen Arm.
Oh Mann. Jetzt fing auch noch mein Bauch an zu kribbeln. Das lag gewiss nicht an dem leckeren Essen, das er gerade bekommen hatte.
Was sollten wir jetzt machen? Ich wollte den Bann nicht brechen, aber ich konnte auch schlecht über ihn herfallen, so sehr ich es auch wollte. Was würde er wohl machen, wenn ich es tun würde?
Noch bevor ich den Gedanken zu Ende denken konnte, senkte er den Kopf noch etwas weiter, bis sich unsere Lippen berührten. Okay. Die Entscheidung hatte er mir abgenommen.
Da ging die Tür zum Restaurant auf und Susi steckte den Kopf heraus. „Ei, ei, ei, was seh ich da?“, sang sie übermütig.
Niklas sah kurz zu ihr rüber und lächelte mich dann verschwörerisch an. „Hi, Susi! Lange nicht gesehen“, scherzte er gutmütig. Ich hingegen fühlte mich ertappt, trat instinktiv einen Schritt zurück und warf der Wirtin einen schüchternen Blick zu. Um das verräterische Kribbeln meiner Lippen zu unterbinden, legte ich die Fingerspitzen meiner linken Hand darüber.
Niklas legte einen Arm um meine Schultern und zog mich demonstrativ an sich. Offensichtlich war er nicht mit Schüchternheit geschlagen.
Susi grinste immer noch. „Unser Kleiner hat eine Freundin“, feixte sie.
„Tschüss, Susi! Bis zum nächsten Mal.“ Damit führte mich Nick zielstrebig zu seinem Auto. Ich wandte mich noch mal halb um und winkte der mir sehr sympathischen Frau zum Abschied.
Susi stand noch immer an der Tür und beobachtete, wie Niklas mir die Autotür aufhielt. Er winkte ihr ebenfalls und stieg dann ein. Anscheinend zufrieden verschwand die Frau wieder.
So saßen wir erneut in seiner Sardinenbüchse von einem Auto und Niklas manövrierte es gekonnt aus der engen Parklücke.
Ich war völlig entspannt und träumte mit offenen Augen vor mich hin. Ich hatte eine Frank-Sinatra-CD aus der CD-Tasche gezaubert und nun klangen uns die vertrauten Töne entgegen.
Niklas lächelte. Ich wusste, dass er lächelte, auch wenn ich ihn nicht ansah.
„Warum lächelst du denn so verschmitzt?“, fragte ich ihn.
„Weil ich rundum zufrieden bin“, erklärte er mir.
„So, so. Du bist also zufrieden. Wegen mir etwa?“, fragte ich und wandte ihm nun doch das Gesicht zu.
„Natürlich wegen dir! Ich hab schon lange nicht mehr so einen unkomplizierten Abend mit einer Frau verbracht.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich meine, ich hatte schon lange keinen so angenehmen Abend bei einem Date mehr. Es ist schon eine Weile her, dass ich mich so wohlgefühlt habe. Bei dir kann ich einfach ich selbst sein“, stellte er klar.
Mit komisch verzogenem Gesicht sah ich mich genötigt anzumerken: „Wenn man von dem kurzen Formtief meinerseits absieht, hast du recht.“ Ich haderte immer noch ein wenig mit mir selbst, weil ich von Laura und Danny angefangen hatte.
Niklas lachte leise. „Das war doch gar nicht so schlimm. Und den äußerst angenehmen Rest des Abends kann das auch nicht mehr ruinieren.“
Ich seufzte. Ach, war er nicht süß?
Niklas sah kurz zu mir herüber. „Was denn?“, fragte er.
„Och, ich fühl mich pudelwohl“, sagte ich leichthin.
„So?“ Er schenkte mir ein verschmitztes Lächeln.
„Jap. Ich genieße den Abend, hab einen leichten Schwips und mir geht’s gut. Mehr nicht.“ Ich war dankbar dafür, dass er die Augen auf der Straße behalten musste, denn so konnte er mein dümmliches Grinsen nicht sehen.
„Beschwipst, hm? Von zwei Gläsern Wein?“, erkundigte er sich. Er brauchte mich nicht ansehen. Ich konnte auch so feststellen, dass er sich darüber amüsierte.
„Ich vertrage nichts“, gestand ich ihm.
„Ah ja.“ Er lachte. „Soll ich dich dann lieber nach Hause bringen?“
„Nein, bitte nicht. Ich will noch nicht nach Hause.“
„Gut. Ich will nämlich auch nicht, dass unser Abend schon vorüber ist“, gestand er erleichtert.
Wir schwiegen eine Weile.
„Oh“, machte ich plötzlich.
Niklas sah zu mir herüber. „Was denn?“
„Jetzt haben wir den Schlossgarten vergessen.“ Mir war gerade eingefallen, dass wir ja eigentlich noch etwas spazieren gehen wollten.
„Soll ich umdrehen? Oder …“ Er machte eine gehaltvolle Pause. „Wir merken uns das schon fürs nächste Mal vor. Dann kommen wir am Nachmittag her, essen einen Rieseneisbecher und dann erkunden wir den Park. Das ist vielleicht auch besser als jetzt bei einsetzender Dämmerung.“ Er schwieg einen Moment. „Und außerdem hab ich dann noch einen Grund, um dich wiederzusehen. Immerhin hab ich es dir versprochen“, fügte er mit ganz leiser Stimme hinzu.
Ich brauchte keinen Spiegel vor der Nase zu haben, um zu wissen, dass mir schon wieder die Röte in die Wangen schoss. „Das klingt nach einem Plan – und einem guten noch dazu.“
Zufrieden griff Niklas nach meiner Hand und hielt sie fest.
„Hab ich mich eigentlich schon für den schönen Abend bedankt?“, fragte ich nach einer Weile.
„Ja, hast du. Aber wir sind doch noch gar nicht fertig!“, orakelte er.
Offensichtlich einer plötzlichen Eingebung folgend bog er von der Hauptstraße auf einen kleinen Feldweg. Auf Grund der zahlreichen Schlaglöcher und Unebenheiten musste er das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit drosseln, damit wir nicht unser Abendessen wieder von uns gaben oder er sich gar seine Luxuskutsche verbeulte.
Ich sah mich verdutzt um. „Was hast du mit mir vor?“
„Keine Angst. Ich werde nicht über dich herfallen. Vertrau mir einfach, okay?“
Er fuhr sehr langsam. Der unbefestigte Weg wurde rechts und links von großen Bäumen gesäumt, die den Mond verbargen. Das Ganze war etwas unheimlich und so konnte ich es nicht verhindern, dass mich ein leichtes Frösteln überlief.
Nick bemerkte es und ergriff wieder meine Hand. „Ganz ruhig. Es wird dir gefallen.“
Ich schnaubte. „Das sagt ihr Männer immer.“
„Ich kann nicht für meine Geschlechtsgenossen sprechen, aber für gewöhnlich meine ich es auch so“, versicherte er mir mit unvermindert geheimnisvollem Schmunzeln.
„Warten wir’s ab“, gab ich mich skeptisch. In Wirklichkeit fand ich es hochgradig unwahrscheinlich, dass er jetzt noch irgendetwas tun konnte, das den Abend ruinieren könnte. Außer er würde mich hier in einem für mich mörderischen Ritual seinen Dämonen opfern. Das würde meiner wachsenden Zuneigung zu diesem Mann doch einen gehörigen Dämpfer verpassen.