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Vier Irrtümer entsorgen

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Humor ist eine Lebensformel, die wir für viele Bereiche des Alltags erst wiederentdecken müssen. Dass die Deutschen und andere Völker insgesamt weniger Spaß miteinander haben, liegt nicht oder nicht nur an deren Tradition, Geschichte oder Mentalität, auch nicht allein an dem fehlenden Wissen über Humor: Ein weiterer Grund sind verbissen sich haltende Vorurteile und Irrtümer:

Mit der weit verbreiteten Auffassung fängt es an, entweder man habe Humor, oder man habe keinen. Vergessen Sie diesen Trugschluss: Jeder seelisch einigermaßen gesunde Mensch besitzt Humor, einen angeborenen Sinn für Komik zumindest, und der lässt sich entwickeln, was übrigens für alle Geschlechter gleichermaßen gilt. Der Humor wird uns höchstens ausgetrieben: von Langweilern und Druckmachern, Wichtigtuern und Spaßbremsen. Bereits die Schule leistet ganze Arbeit, in der Erwerbswelt setzt sich das fort. Auch die abgenutzte Distanzlosigkeit innerhalb vieler Partnerschaften lässt dem spontanen Humor oft wenig Raum. Sie können aber etwas tun dagegen, sich von der eigenen Humorlosigkeit erlösen und gegen die der anderen immunisieren, indem Sie Humor durchschauen, beherrschen, gezielt entwickeln, sich ein Stück weit von den fremdbestimmten Idealbedingungen für spontanen Humor befreien und dadurch die Stimmung, den Spaß, die Situation selbst in die Hand nehmen.

Wer keinen Humor hat, kann sich immerhin welchen ausdenken.

Ein zweiter Irrtum folgt der Auffassung, wonach Humor, Witz und Komik, da in endloser Vielfalt existierend, kein durchweg einheitliches Muster zeigen: So stünden die Volksgruppen, Regionen, sozialen Schichten, Dialekte, Altersgruppen und Geschlechter für einen unterschiedlichen Humor, überhaupt jeder Mensch habe einen etwas anderen Humor. Dem folgend hat sich die Humorforschung tatsächlich mehr den Unterschieden zwischen den Humorformen gewidmet, anstatt ebenso konsequent die eine, generelle Funktionsweise aufzudecken. Dieses Buch geht anders vor, sucht und findet das Gemeinsame.

Wenn jemand keinen Humor hat, muss man ihn deswegen nicht gleich ernst nehmen.

Damit verbunden ist der dritte Irrtum: Humor sei weder ausreichend zu ergründen noch bewusst beherrschbar. Sobald man über Komik, Witze, Scherze oder Selbstironie tiefer nachdenke, sei die lustige Wirkung verflogen, zerplatzt wie eine Seifenblase. Humor sei eine rein spontane Angelegenheit, könne nicht durchschaut und nicht nach Plan konstruiert werden. Mit diesem Argument ziehen sich ansonsten kluge Köpfe offenbar aus der Schlinge, sich mit dem so komplexen wie unterschätzten Metier des Humors tiefergehend beschäftigen zu müssen. Dem aber steht die Frage entgegen, wo die unendlichen Mengen an Witzen, Sketchen, Cartoons und Gags, vor allem in den Medien, herkommen, wenn nicht aus der arrangierten Denkretorte. Gerade der Mensch ist das einzige Wesen, das Phänomene erforschen, unbegrenzt zu Einsichten gelangen, sich bewusst anpassen und verschiedene Fähigkeiten, einschließlich schöpferischer, auch ohne großes Talent systematisch entwickeln kann.

Nichts ist so ungewiss und so wenig genau umrissen wie unsere Anschauungen über den Humor. – Henry Fielding

Ein vierter Irrtum: Seitdem der Mensch fühlt und denkt, ist Humor zwar sein täglicher Begleiter. Schon als Säugling kommuniziert er instinktiv über das Lachen mit seiner Umwelt. Für Kinder und Jugendliche ist Humor eine grundlegende Eigenschaft und Verhaltensweise, gehört er zur spielerischen Bewältigung des Alltags. Mit Humor haben wir gemeinschaftlichen Spaß, beherrschen wir Situationen, erfreuen und gewinnen wir unsere Mitmenschen, behaupten uns, verschaffen uns und anderen Momente der Auflockerung, Unterhaltung und Entspannung.

Trotzdem werden Witz und Humor in der Kommunikation des geschäftigen Alltags nach landläufiger Meinung oft als oberflächlich, absurd oder unangebracht abgetan, kaum als wirkliche, immer gern gesehene Kunst gewürdigt. Humor und Witzigkeit werden bestenfalls für kurze Zeit akzeptiert, um sogleich mit der kalten Dusche „Spaß beiseite“ zur strengen Tagesordnung zurückzukehren, damit das heilige Pensum noch zu schaffen ist, der Lehrplan, der Terminplan, der Auftrag, das Umsatzziel, der Aktenberg. Oder um den sachdienlichen Anschein zu wahren und sich bloß nicht dem Verdacht auszusetzen, die vielen Probleme, Herausforderungen und tragischen Geschehnisse zu verharmlosen und dadurch Pflichten, Respekt, historisches Schuldbewusstsein und Leistungsbereitschaft zu verweigern.

Hinzu kommen so vage Erscheinungen wie Ironie, Zynismus, Spott und Sarkasmus, für die wir leicht anfällig sind, die uns jedoch nie ganz geheuer waren, da sie verunsichern und verletzen können, leicht missverstanden oder gar nicht erst erkannt werden. Viele Menschen fühlen sich genervt von der Comedy-Flut in den Medien oder dem schrill bunten, alljährlich sein närrisches Unwesen treibenden Karneval. Vom zusammenhangslosen Abspulen hochbetagter Witze ganz zu schweigen.

Deshalb stehe Humor wesentlichen Dingen unserer Kultur und Zivilisation entgegen, die uns mühevoll auf dem Weg zum mündigen Bürger eingetrichtert werden: Logik, Vernunft, Moral und Bildung zählen dazu, ein geistiger und künstlerischer Anspruch und vor allem: die so oft angemahnte Ernsthaftigkeit, Etikette, Pietät und Political Correctness. In dem einen oder anderen Fall spielt ein religiöser, todernster Glaube eine Rolle. Insofern vereine sich Humor nur bedingt mit unseren täglichen Aufgaben und geforderten Attributen wie fleißigem Arbeiten, sachlicher Geschäftigkeit, dem Lernen, Lehren und Erziehen, mit Autorität, Disziplin, Seriosität und Kompetenz.

Der Witz am Humor besteht darin, sich selbst und anderen die versteckte Komik in der eigenen Tragik und der des Lebens zu offenbaren.

Eine Menge Hürden auf dem Weg zu mehr Humor haben sich da aufgebaut. Viele dieser Vorurteile und Empfindungen gehören schlichtweg in den Müll. Aus der Luft gegriffen sind sie absolut nicht, die Realität spricht für sich: An der großen Zahl humorloser Menschen und Situationen im Alltag erleben wir es andauernd. Und in Ratgebern ist tatsächlich nachzulesen, man solle sparsam mit seinem Humor umgehen, wenn man als charismatisch und vertrauenswürdig gelten, man Karriere machen will.

Abgesehen davon, dass längst nicht alle Menschen als vermeintlich charismatische Karrieristen in hoch vertrauenswürdiger Position abzustumpfen gedenken, dürfte dieser Ratschlag auch ansonsten nur bedingt stimmen, allenfalls für die wenigen, wirklich ernsthaften, tragischen, dramatischen oder pathetischen Situationen, in denen Humor absolut nicht angebracht ist. In allen anderen Lebenslagen sollte man sich keinen Zwang antun, zumal hier nicht von Humor im Sinne von Kinkerlitzchen und Dummblödelei die Rede ist.

In unserem Arbeitsalltag verdrängen wir bereits zu viele Dinge in ungesundem Ausmaß, jetzt bloß nicht auch unseren Humor. Unterdrücken können wir mal ein Kichern, wie damals in der Schule, wenn es stören, missachten oder herabsetzen würde. Jetzt aber sind wir erwachsen, unser Humor ist Bestandteil der eigenen Souveränität. Wie die anderen mit unserem Humor umgehen, bleibt denen überlassen: ob sie offen herzhaft lachen, sich lieber innerlich amüsieren oder ihn einfach ignorieren. Wir sollten jedenfalls keine der wertvollen Chancen vertun, uns als aufmerksam beteiligt und dabei als empathisch und gelassen, erfrischend lässig, überraschend originell und attraktiv zu präsentieren. Denn auch das macht echtes Charisma aus.

Am Ende zeigt sich stets doch der Humor als die weiseste Form aller Kommunikation.

Die Kunst des Humors

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